Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1938. július (85. évfolyam, 145-171. szám)

1938-07-01 / 145. szám

Freitag, 1. Juli 1938 Die Lage in Österreich. Gauleiter Bürckel erteilt Informationen an die Ausiandpresse. —,Tele phonbericht unseres L.-B.-Korrespondenten. — • Wien, 30. Juni. r . 'Zusammenhang mit den jüngsten Pressemel­dungen in der Auslandpresse über Deutschland wür­den die Berliner Vertreter ausländischer Blätter ein­­getaden, nach Österreich zu kommen, damit sie sich über die hiesige Lage selbst überzeugen können. Die­ser, Einladung Folge leistend, sind heute mehrere aus­ländische Journalisten in Wien eingetrofTen und wurden vom Reichskommissär Bürckel empfangen. Diieser nahm im Gespräch mit den Journalisten zu dem Gerüchten Stellung, die in letzter Zeit aufge­­tarucht sind und gab dazu u. a. folgende Erklärun­gen ab: 1. Schuschnigg hat nicht geheiratet. 2. Schusch­­nigg befindet sich nach wie vor in Wien. 3. Das ge­sahnte Vermögen dir österreichischen Habsburger würde beschlagnahmt. 4. Bis jetzt sind 150 Personen au}s Österreich in das Konzentrationslager Dachau gebracht worden. 5. In Österreich befinden sichg der­zeit 3780 Personen in politischer Haft. 6. Das Vermö­gen ausländischer Juden in Österreich erfährt die gleiche Behandlung wie das Vermögen der übrigen 1Ausländer in Österreich. 7. In der letzten Zeit soll angeblich eine Verordnung erlassen worden sein, der zufolge die jüdischen Unternehmer verpflichtet seien, jüdischen Angestellten zu kündigen. Eine solche Ver­ordnung ist niemals herausgegeben worden. In Fäl­len, da solche Weisungen ergingen, handelte es sich um Übergriffe untergeordneter Organe, die bereits deswegen diszipliniert wurden. 8. Seit dem Anschluß ist! die Arbeitslosigkeit in Österreich um 50 Prozent zurückgegangen. Am Schluß seiner Ausführungen bemerkte noch Gauleiter Bürckel, man werde vielleicht daran gehen, zu untersuchen, ob „eine Schuld Schuschniggs am Ju­stizmord vom 29. August 1934“ vorliege. (Anm. d. Red.: An diesem Tage wurde bekanntlich der S.-A.­­Obergruppenführer Franz Ebner vom Militärgericht Leoben zum Tode verurteilt, weil man ihn beschul­digte, den Gendarmeriekommandanten von St. Gallen erschossen zu haben. Ebner wurde noch am selben Tage hingerichtet. Vor kurzem hieß es in Wien, daß das Urteil auf Grund einer falschen Zeugenaussage der Frau Katharine Unterer erfolgte. Da Schuschnigg damals Bundesminister für Heerwesen war und auf seine Veranlassung die Militärgerichte in Österreich eingeführt wurden, scheint man in nationalsozialisti­schen Kreisen der Ansicht zu sein, daß Schuschnigg für die Urteile und deren Durchführung bei diesen Militärgerichten verantwortlich sei.) Gerüchtweise verlautet, daß der gewesene Bun­deskanzler Dr. v. Schuschnigg sich im Hotel Conti­nental in der Praterstraße befinde. Dieses Gerücht wurde bisher von keiner Seite bestätigt. Wien, 30. Juni. (MTI) Ein Teil der ausländischen Presse hat in der letzten Zeit des öfteren Nachrichten darüber veröf­fentlicht, daß in Österreich eine kritische Lage herrsche, teils weil wichtige Gegensätze zwischen der deutschen und der österreichischen Parteileitung sich ergaben, und teils, weil die Massenverhaftungen bei der Bevölkerung eine Verbitterung hervorriefen. Um diese Nachrichten zu kontrollieren, wurde der Berichterstatter des MTI von der deutschen Reichsregierung aufgefordert, eine Rundreise durch Österreich zu machen. Der Mitarbeiter des MTI wurde heute mit anderen ausländischen Journalisten zusammen vom Gauleiter Bürckel empfangen. Bei dieser Gelegenheit gab Gauleiter Bürckel einige wichtige Erklärungen ab. Im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten der Organisation erklärte der Gauleiter, daß diese psychologischen und wirtschaft­lichen Charakter haben. Die Schwierigkeiten psycho­logischer Art sind dem Umstand zuzuschreiben, daß die österreichische nationalsozialistische Bewegung sich zur Zeit des Verbotes, wie jede illegale Bewe­gung, in kleineren Gruppen organisiert habe. Es war zu erwarten, daß diese Gruppen im Augenblick, wo sie ihre Gruppenexistenz aufgeben mußten, um sich der allgemeinen und einheitlichen Parteiorganisation zu unterstellen, die selbständig ausgeürbeiteten Me­thoden für die ganze Organisation anwenden wollen. Dieses Umstandes wohlbewußt, erließ Gauleiter Bürckel gleich nach der Volksabstimmung die Parole, daß die Gruppen aufzuhören haben und an ihre Stelle die Einheit trete. Wer sich dieser Parole widersetze, könne nicht der Bewegung angehören. Diese Parole hatte eine erstaunliche Wirkung, da verschwindend geringe Gegensätze unter den bisherigen Gruppen ent­standen. Im Zusammenhang mit der Frage, wonach zwischen den Österreichern und den Organisatoren aus dem Altreich Gegensätze entstanden sein sollen, erklärte der Gauleiter folgendes: —- Es hätte wenig Sinn gehabt, auch in Öster­reich jene stufenweise und Jahre in Anspruch neh­mende Entwicklung durchzumachen, die das Deut­sche Reich notwend'>e:r.naSen durchmachen mußte. Da man die Arbeit des politischen Umbaus in späte­stens 6—8 Wochen zu beenden beabsichtigt, sind rasche Maßnahmen erforderlich. Aus diesem Grunde wurden den ausschließlich österreichischen Leitern deutsche Ratgeber zugeteilt, die aber im vollsten Maße den österreichischen Leitern unterstellt sind und auf ihren Wunsch jederzeit versetzt werden kön­nen. Bezeichnend für die Aufnahme, die die deutschen Ratgeber in Österreich fanden, ist, daß ein öster­reichischer Gauleiter in der Steiermark, als der ihm Beigeordnete deutsche Ratgeber versetzt werden sollte, darum bat, von dieser Maßnahme abzusehen. Die Organisation ist aber in der letzten Zeit so weit fort­geschritten, daß man die Ratgeber in vielen Gauen schon entfernt hatte! Alle Reichsdeutschen, die heute noch in Österreich sind, bleiben nur befristet im Lande. All dies bezieht sich lediglich auf die Partei­organisation, zumal da in der staatlichen Organisa­tion nur ein einziger Reichsdeutscher eine Stelle be­kleidet (das ist Bürckel selbst, doch auch er ist kein Preuße, sondern stammt aus Bayern). Im Zusammenhang mit dem angeblichen Wiener Besuch des Reichskanzlers Hitler erklärte Bürckel, daß diese Nachricht nicht der Wahrheit entspreche. Es war nicht notwendig, daß Reichskanzler Hitler zur Beilegung von Gegensätzen nach Wien reise. Vor drei Wochen etwa lluabe Bürckel seil)sí den Kanzler zn einer in Graz stattfindenden Feier einge­laden, doch war der Führer infolge der auf ihn lastenden Arbeit nicht in der Lage, der Bitte zu will­­fahren. Sodann äußerte sich Gauleüer Bürckel ü! er die Judenfrage und betonte unter anderem, daß in einer Stadt wie Wien, wo die Juden in sehr starkem Maße im kommerziellen Leben zur Geltung kamen, es ver­ständlich sei, daß eine gewisse Spannung beobachtet werden konnte. Ausschreitungen sind jedoch nur versuchsweise vorgekommen und wurden gleich von allem Anfang an im Keime erstickt. Im allgemeinen kommt der Grundsatz zur Geltung, daß kleine Leute in Ruhe gelassen werden und man nur jenen eine besondere Aufmerksamkeit zuwendet, die von be­deutend schädlichem Einfluß waren. Der Gauleiter selbst vertrete die Ansicht, daß die Juden durch ihren internationalen Geist unter einer gewissen Kontrolle und gewissen Einschränkungen sehr geeignet sind, in den Fixporthandelszweigen zu wirken. Die zur Nation gehörenden Deutschen sind auf diesem Ge­biete mehr behindert als die .Tu ten. Man müßte daher bestrebt sein, d;ese Unterscheidung in die Praxis um­zusetzen. Der Gauleiter ist ben.üht, diese individuelle Auffassung auch anderen amtlichen Kreisen ver­ständlich zu machen. Im übrigen teilte er mit, daß dieser Tage eine Verordnung erscheinen werde, die die Frage regelt, auf weicht Weise und in welchem Maße die auswandernden Juden ihr Vermögen aus Deutschland mitnehmen dürfen. Das System der unter kommissarischer Leitung gestellten jüdischen Geschäfte und Betriebe habe n'cht er erfunden, son­dern habe diese Einrichtung schon hier vorgefunden. Der Gciuleiter fügte hinzu, daß er seinerseits diese Einrichtung auch nie eingeführt hätte, zumal es auch bessere Methoden zur Regelung d’eser Frage gebe. Auch Rothschilds Vermögen werde auf diese Weise verwaltet, Rothschild selbst befinde sich in Haft. Im übrigen halbe Gauleiter Bürckel auch in konkre­ten Fällen des öfteren betont, daß man vom Stand­punkt der Rechtfbii'jfe zwischen Juden und Nioht­­juden keinen Unhrsch'cd machen dürfe. Gerade deshalb werden Mißbräuche und Ausschreitungen strengstens geahndet. Der ehemalige Bundespräsident Miklas befinde sich in Freiheit. Anläßlich der Volksabstimmung habe er sogar erklärt, mit „Ja“ stimmen zu wollen, doch habe ihn Gauleiter Bürckel davon abgc’haUen. Schicksal. Von André MAUROIS. A. Maurois wurde zum Mitglied der Fran­zösischen Akademie gewählt. S. W. Tarkington, ein Offizier von dreiumdfünf­­zig Jahren, Titularleutnant und Quartiermeister, hatte den ebenso kindischen wie heißen Wunsch, noch ein Ordensband zu erringen, bevor er in den Ruhestand trat. Kraft der Naturgesetze und achtzehn Jahren guter Führung war er Besitzer der Trans­vaalmedaille und des violetten Bandes für treue Dienste. Aber bei ein wenig Glück blüht auch einem Titularleutnant ein Militärkreuz, wenn die Kanonen den Samen ausstreuen. Deshalb fand man Tarkington überall dort, wo es gefährlich war und er nichts zu tun hatte. Des­halb führte er am Tage der Erstürmung von Loos seinen alten Rheumatismus in dein Kotmeer des Schlachtfeldes spazieren und schleppte auf seinem Rücken achtzehn Verwundete zurück. Aber da ihm kein General in den Weg kam, erfuhr davon nie­mand etwas als die Verwundeten und die haben keinen Einfluß. In der Folge wurde das Regiment nach Norden verlegt und bezog Stellung auf der Höhe von Ypern. Sicher gab es triftige militärische und Gefühlsgründe dafür, dieses Terrain zu behaupten; aber als Win­teraufenthalt war es kläglich. Tarkington kannte keine Furcht: Granaten gehörten bei ihm zum Hand­werk. Aber das Rheuma verträgt sich schlecht mit Wasser und der Regen klatschte unaufhörlich auf die fette Tonerde nieder und verwandelte sie in einen feuchten, eisigen Teig, wie ihn kein Arzt als Salbe für alte Gelenke empfehlen kann. Tarking­­tons Füße waren geschwollen und die Schmerzen machten den kleinsten Gang für ihn zu einer chine­­cic ’hm Folter. Er mußte einsehen, daß ihm nichts übrigblieb, als seine Abkommandierung zu erbitten. „Ich bin schon so ein Pechvogel,“ sagte er zu seinem Vertrauten, dem Stabsfeldwebel, „ich bin nicht verwundet, aber die Schmerzen habe ich.“ Hinkend und fluchend meldete er sich bei dem Obersten im Unterstand und schilderte ihm den Zu­stand seiner Beine. Der Oberst war gerade sehr schlechter Laune. Ein Erlaß des Divisionsstabs hatte gerügt, daß die Fußerfrierungen bei seinem Regi­mente 3.5 Prozent betrugen, während der Durch­schnitt beim Korps nur 2.7 Prozent war. Es wurde ihm ein geschärft, die nötigen Vorkehrungen zu tref­fen, um den Prozentsatz in Zukunft herabzu­drücken. Diese Vorkehrungen waren getroffen worden: er hatte den Doklor kommen lassen und hatte ihm den Ukas hingehalten. „Und jetzt hören Sie mich einmal an, O’Grady, Sie können jetzt drei Tage lang jede Bronchitis, jedes Halsweh, jede Magenverstim­mung anerkennen, aber von Fußerfrierungen will ich nichts mehr hören.“ Man kann sich vorstellen, wie Tarkington auf­genommen wurde, als er seine erstarrten Füße vor­führte. „Also das geht schon ins Aschgraue, ich soll einen Offizier wegen erfrorener Füße abkomman­dieren! Da lesen Sie, Tarkington! Glauben Sic, ich habe Lust, Ihnen zuliebe 3.6 Prozent Erfrierungen zu haben, statt 3.5 Prozent? Studieren Sie, lieber Freund, nur in den allgemeinen Bestimmungen Nr. 324 nach: Der Schützengrabenfuß entsteht durch Zusammenziehung der Blutgefäße unter der Epidermis, infolge deren die Haut nicht genügend ernährt wird, abstirbt und brandig wird. Sie haben also bloß auf Ihre Blutgefäße achtzugeben. Es tut mir leid, Tarkington, alter Knabe, aber Sie verlan­gen vor mir das einzige, was ich nicht für Sie tun kann.“ „Ich bin schon so ein Pechvogel,“ sagte der alte Leutnant zu seinem Vertrauen, dem Stabsfeldwebel, „ich habe siebenunddreißig Dienstjahre, niemals habe ich mich krank gemeldet; und wenn ich das .. Ml —L UL-JJL- J 1 X!‘U*L -L- 1 erstemal in meinem Leben verlange, abkommandiert zu werden, komme ich damit gerade an dem Tage, an dem der Oberst einen Rüffel vom Divisionsstab bekommen hat wegen der Fuß maroden.“ Seine Füße wurden rot, dann blau und gingen ins Schwarze über, als der Oberst auf Urlaub ging. Während seiner Abwesenheit führte Major Parker das Kommando, der, als der zweite Sohn eines Lords, sich den Teufel um die Ukase der Brigade scherte. Er sah den kläglichen Zustand des armen Tarkington und schickte ihn in die Ambulanz. Dort beschloß man, ihn nach* England zurückzuschaffen, da die Gattung Tarkington nicht geeignet schien, sich in den flandrischen Sümpfen zu akklimati­sieren. Er wurde also nach B transportiert und mit einer großen Anzahl Verwundeter, Ärzte und Pflege­rinnen auf das Spitalschiff „Saxonia“ gebracht. Die Haifenhehörden hatten tags zuvor mit Mißbehagen festgestellt, daß das Fahrwasser von schwimmenden Minen verseucht war. Die Behörden waren über den Ursprung dieser Minen mit dem N. T. 0. verschie­dener Meinung. Dieses erklärte sie für eigene Minen, während die M. L. 0. sie für feindliche hielt. Über einen Punkt aber gab es keine Kontroverse: Noch jedes Schiff, das auf eine von ihnen stieß, war in zwei Teile geborsten, die nach kurzer Zeit sanken. Der Kapitän der „Saxonia“ erhielt die Versicherung, daß das nördliche Fahrwasser minenfrei sei. Er schlug diese Route ein und flog in die Luft. Tarkington machte also Bekanntschaft mit dem Meer. Als guter Soldat verwandte er die letzten Mi­nuten darauf, die Paradeuniform anzuziehen. Er versank vollkommen korrekt mit der Gasmaske um den Hals, denn man hatte ihm empfohlen, dieselbe niemals abzulegen. Ein Rettungsboot fischte den Bewußtlosen auf und er wurde in ein Spital an der englischen Küste gebracht. Er erwachte wieder zum Bewußtsein, aber dér Aufenthalt im Wasser war ihm sehr übel bekommen. • 3 • PESTER LLOYD licitet Sunil bcutfd)öfíetreiil)if!í)c SöeUblaft. SSien« intereffttKtefte SűgeSjc taag. $aft „9icuc SBiettcr 3ov;*itcl" toivb in ftnbnücft ttodj am fte b«i <?rfdje?ttcit9 beit 9IOonncnten auncftcüt. SflbonncmetttS

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