Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1939. január (86. évfolyam, 1-25. szám)
1939-01-01 / 1. szám
Sonntag, 1. Januar 1939 PESTER LLOYD Die zwei großen Krisen des Jalires 1938 (—ai) Der Chronist, dem alljährlich die Aufgabe Xufällt, eine kurze Summe der Akten zu geben, die über das Jahr geschlossen worden sind, sieht sich diesmal vor eine Aufgabe gestellt, die nicht nur seine subjektiven Kräfte, sondern auch die objektiven Anlagen der Chronistik selber übersteigt. Der Historiker hat es mit der Vergangenheit zu tun, in der er durch Gesetze der Perspektive und der Pragmatik abgeschlossene Prozesse werten kann. Der Chronist erlebt die Zeiten, die er beschreibt, mit — sein Stoff ist die fließende Gegenwart und daher muß er in Verlegenheit geraten, wenn das, was sich vor seinen Augen ausbreitet, nicht in sich selbst einen Sinn hat, sondern nur mit einer historischen Terminologie beschrieben werden kann, die der miterlebenden Chronistik unangemessen ist und zu deren aufrichtigen Anwendung es an Distanz fehlt. Der Chronist ist nicht befugt, von Worten und Werten wie „Recht“, „Treue“, „Wiedergutmachung“, „Fortschritt“, „Folge“, „Notwendigkeit“, „Ideologie“, „Machtbewußtsein“, „Expansionswillen“, kurzum von historischen Kategorien Gebrauch zu machen. Das sind Urteile, die den Ereignissen an sich nicht anhaften und die er nicht zu fällen hat. Wie aber, wenn in einer Zeit die Kategorien der Geschichte zu Objekten der Geschichte werden? Wenn die Geschichte selber zum Kampfmittel wird? Das ist aber in diesem Jahre weltanschaulicher Aufrüstungen und der aufgerüsteten Weltanschauungen der Fall gewesen. Und es ist gewiß nicht zufällig gewesen, daß jetzt wenige Tage nach den großen Krisen — wie sonst erst nach Jahrzehnten — die geheimsten diplomatischen Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind und die Staatsmänner über aktuellste Ereignisse eine so exhibitionistisch-offene Sprache geführt haben, wie noch nie. Nein, das war kein Zufall, denn es kann als charakteristisch für diese Zeit angesehen werden, daß in ihr die Gegenwart in beispielloser Weise als Geschichte erlebt wurde: der Welt war ein einzigartiger Einblick in das mit Blut, Geld, Mut, Wahnwitz und menschlicher Niedertracht geschmierte Getriebe der riesenhaften, mit bunten Fetzen behängten Puppe „Geschichte“ geboten. Das Wunderbare am Jahreserlebnis war aber, daß in den eckigen, knirschenden Bewegungen dieser Puppe doch noch ein höheres Gesetz zum Ausdruck kam: das Gesetz von der Selbstbehauptung menschlichen Rechts — und diesem verdankt unser Land, daß seine historischen Ansprüche wenigstens zu einem gewissen Teil erfüllt werden konnten: das Oberland kehrte heim. Die Heimkehr einer Million Ungarn zum Mutterland ist mehr als ein Trost für das Elend und die Wirrnisse der Zeit — sie ist eine Verheißung ... Im vergangenen Jahr war ein unmittelbarer Übergang von Geschehen zu Geschichte im Vollzug — eine Aufgabe, die sonst dem Historiker zufällt, löste sich von selbst. Der Chronist fühlt sich dieser Tatsache gegenüber ohnmächtig — er will und darf nicht Geschichte schreiben, denn er lebte ja mitten drin im Geschehen. Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Einfache Chronologie für sich sprechen zu lassen — und zwar die Chronologie der beiden, für das kritische Jahr bestimmenden und die Weltpolitik erleuchtenden Krisen. Die zwei großen Ereigm'sreihen, die eine, die zum Ende Österreichs, und die andere, die zur Neuordnung der Tschecho-SIowakei geführt haben, fließen ineinander — und ihr Fluß trägt das Schilf des Jahres. • • I. Das Ende Österreichs 10.—12. Januar. Konferenz der Staaten der Römischen Protokolle in Budapest. (Vertreter der Mächte: Außenminister Graf Ciano, Bundeskanzler v. Schuschnigg, Staatssekretär Schmidt, Ministerpräsident v. Darányi, Außenminister v. Kánya.) Italien und Ungarn geben ihrer Befriedigung über die Österreichische Politik Ausdruck, die im Einklang mit den Römischen Protokollen und dem deutschösterreichischen Abkommen vom 11. Juli 1936 stehen. 25. Januar. Aushebung des nationalsozialistischen ..Teinfaltstraßen-Bureaus“ und Verhaftung des nationalsozialistischen Obmanns Dr. Taus in Wien. Von diesem Tage an scharfe Pressefehde zwischen Wien und Berlin. Wachsende Spannung in Österreich. 4. Februar- Wechsel an einzelnen hohen Regierungsstellen im Dritten Reich: Feldmarschall v. Rlomberg tritt in den Ruhestand; an die Spitze des Oberkommandos wird Art.-Gen. Keitel gestellt, zum Oberbefehlshaber des Heeres aber Generaloberst v- Brauchitsch ernannt; Freiherr v. Neurath, als Außenminister durch Herrn v. Ribbentrop abgelöst, wird Präsident des Geheimen Kabinettsrates. Dr. Schuschnigg in Berchtesgaden 12. Februar. Überraschende Reise Dr. Schuschniggs zu Hitler nach Berchtesgaden. 16. Februar. Erstes gemeinsames deutsch-österreichisches Kommimiqué über das Berchtesgadener Gespräch. Übereinstimmung über das Festhalten am Juli-Abkommen, das die territoriale Unversehrtheit östei'reichs garantiert. Beiderseits Maßnahmen zur Wiederherstellung des freundschaftlichen Verhältnisses beschlossen. Umbildung des Kabinetts Schuschnigg: der Bundeskanzler tritt das Außenportefeuille an Staatssekretär Dr. Schmidt ab; Dr. Seyss-Inquart. zum Innenminister ernannt. 17. Februar. Seyss-Inquart bei Hitler in Berlin. Außenminister Eden teilt im englischen Unterhaus mit, die Regierung sei zu einem Meinungsaustausch mit den Mächten des Stresa-Abkommens über die österreichische Frage bereit. 18. Februar. Auf Grund eines zweiten gemeinsamen Kommuniqués über die Berchtesgadener Besprechung werden die Nationalsozialisten in der Vaterländischen Front legalisiert. .Besprechungen zwischen Chamberlain, Eden und Grandi in London. Ministerpräsident Chautemps verlangt in einem Brief an den englischen Premier eine energischere Haltung in der österreichischen Frage. 20. Februar- Hitler betont in einer Rede das deutsche Interesse am Schicksal der 10 Millionen vom Reich abgetrennten Volksgenossen in Österreich und der Tschecho-SIowakei, würdigt aber die mit Dr. Schuschnigg getroffenen Abmachungen. 1 it. ~FvbTWSf7 Zusammenstöße zwischen' Nationalsozialisten und Anhängern der Vaterländischen Front in verschiedenen Orten Österreichs. Hierauf Versammlungsverbot für das ganze Bundesgebiet. 24. Februar. Schuschnigg setzt sich in einer Antwortrede an Hitler mit dem Juliabkommen und den Berchtesgadener Abmachungen auseinander und Jogászok! Dr. Katona j ogi szemináriuma IV., Irányi-u. 17. Tel. Közismert, megbízható, 1 egrégibb ! 5914 spricht den Satz aus: „Bis bieher und nicht weiter.“ 25. Februar. Ministerpräsident Chamberlain antwortet in einem Brief an den französischen Ministerpräsidenten, daß ein gemeinsamer englisch-französischer Schritt in Berlin überflüssig sei, da durch die Hitler-Rede vom 20. Februar die Besorgnisse zerstreut worden seien. 4. März. Der englische Botschafter Henderson spricht bei Hitler vor. 5. März. Der Hitlergruß und das Hakenkreuz in Österreich wieder zugelassen. 6. —8. März. Wachsende Spannung in ganz Österreich. Unsicherheit bei den Provinzialbehörden. 9. März. Schuschnigg kündigt für den 13. März eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs an.* Der Tag der Entscheidung 11. März. Nach österreichischer Version ein befristetes deutsches Ultimatum an Bundespräsidenten Miklas; nach deutscher Version ein ähnlicher Schritt österreichischer Regierungsmitglieder aus eigener Initiative. Volksabstimmung verschoben. Um 19 Uhr 45 Minuten: Rücktritt Dr. Schuschniggs. Dr. Scyß- Inquart zum Bundeskanzler ernannt. Meldung über eine telegraphische Bitte des neuen Bundeskanzlers an die Reichsregierung, Truppen zur Sicherung der Ordnung ins Land zu schicken. Um 23 Uhr 25 Minuten: Grenzübertritt der deutschen Truppen begonnen. Tagsüber: englische und französische Proteste in Berlin. 12. März. Besetzung des Landes durch deutsche Truppen. Dr. Schuschnigg in Schutzhaft. Eine Volksabstimmung über den Anschluß angekündigt. Hitler trifft in Österreich ein und gibt in einem Telegramm an Mussolini eine Garantie der Brenner grenze. 13. März. Reichsgesetz über die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich-15. März. Chamberlain nimmt im Unterhaus die vollendeten Tatsachen zur Kenntnis, Blum gibt in der Kammer eine beruhigende Erklärung ab. 16. März. Mussolini bekennt sich vor der faschistischen Kammer zur Achse únd feilt mit, er habe Dr. Schuschnigg von der Volksabstimmung abgeraten. II. Die Neuordnung der Tschecho-SIowakei 24. Januar. Der Parteiführer der tschechoslowakischen Agrarpartei Heran für die Einigung mit den Sudetendeutschen und für eine deutschfreundliche Außenpolitik. 18. Februar. Dr. Benes und Dr. Hodzsa versprechen in einem Schreiben an die deutschen Regierungsparteien die Intensivierung der Nationalitätenpolitik. 20. Februar. Bestürzung in Präg über die Hitler-Rede von den „10,000.000 Volksgenossen an der Grenze“. 21. Februar. Chamberlain erklärt (aus Anlaß des Rücktritts Edens) im Unterhaus die Grundlagen seiner Ausgleiclispolitik zwischen der Entente und der Achse und entwirft den Plan einer Zusammenarbeit der vier Mächte. 22. Februar. Delbos erklärt in der Kammer, Frankreich werde die Verpflichtungen gegenüber der Tschecho-SIowakei treu einhalten. 27. Februar. Pater Hlinka lehnt Zusammenarbeit mit der Prager Regierung im Namen der Slowaken ab und betont die Selbständigkeit des slowakischen Volkes. 28. Februar. Scharfe Angriffe auf die Nationalitätenpolitik von Prag auf der Wirtschaftspolitischen Tagung der Sudetendeutschen Partei in Teplitz-Schönau. Zusammenstöße der Tagungsteilnehmer mit der Polizei. 4. März. Dr. Hodzsa lehnt in einer Parlamenlsrede als Antwort an Hitler jode Einmischung in die Souveränität der Tschecho-SIowakei ab und wiederholt die allgemeinen Versprechungen über eine gerechtere Behandlung der Nationalitäten. .9. März. Der Sprecher der Sudetendeutschen Dr. Kundt fordert — parallel zu den Hodzsaschen Feststellungen über die Unantastbarkeit der Staatsgrenzen — eine Unantastbarkeit der Volksgrenzen. IS. März Der Sprecher der SdP Frank erklärt im Prager Parlament, daß sich das Sudetendeutschtum nicht mit der Idee des tschecho-slowakis^hen Nationalstaates abfinde. Verschiedene deutsche Parteien der Tschecho-SIowakei treten mit der SdP in Fühlung. Die Prager Regierung beschließt Neuregelung der Aufnahme von Deutschen in den Staatsdienst und setzt deren prozentuelle Beteiligung am Beamtenwesen fest. 23. März. Außenminister Spaak erklärt im belgischen Abgeordnetenhaus, die Regierung würde einen Durchmarsch französischer Truppen, die der Tschecho-SIowalkei zur Hilfe eilten, nicht gestatten. 24. März. Chamberlain lehnt im Unterhaus jede Garantieverpflichtung gegenüber der Tschecho-Slowakei ab und ist nicht bereit, irgendeine automa 5