Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1881. Juni (Jahrgang 8, nr. 2265-2288)

1881-06-30 / nr. 2288

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Regen Adolf Dengyel, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, Rotter , C., H. Schalek, Past A. V. Goldberger, Frankfurt a. M­­­. L. Daube & C. Snfertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile kostet beim einmaligen Einladen 7 fr., das zweitemal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. exclusive der Stempelgebühr von je 30 Er. 1881. P­ränumerations-Einladung auf das Siebenbürgisch - Deutsche Tageblatt. Mit 1. Juli beginnt ein neues Abonnement auf das „Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt“. ST Pränumerationen und Inserats-Aufträge werden entgegen­­­genommen: in Hermannstadt beim a Heltauergasse 23, in der Buch­­­handlung Franz Michaelis, und E­lisabethgafse Nr. 29 bei Gustav Gürtler, aus­wärts bei den am Kopfe des Blattes genannten Firmen. Der Berlag des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatts“ (Hermannstadt, Heltauergasse Nr. 23.) Majestätsgefach wegen der Korruption im Großkolkfer Somitate. «» (·Scheuß.). Die Mißbräuche des Stuhlrichters und seiner Genossen können selbst nach Strafproceßgesetzgebungen,­welchen:das Prinzip der freien Beweis­­­würdigung,sondern feste Beweisregeln ans­tellen,wie die hierzulande gel­­­tende Strafproceßordnung vom 29.»Juli 1853,als vollständig erwiesen angesehen werden.Freilicht fi­ndet sich kein Richter,wenn auch der Kläger vorhanden ist. Um nur Einiges noch aus dem reichhaltigen Beweismate­­­riale zu erwähnen, theilen wir einen eigenhändig vom Stuhlrichter geschrie­­­benen und an das Ortsamt der Gemeinde Schaal gerichteten Amtsbefehl wörtlich mit: „2405—1880. An daß Ortsamt . zu Schaal. Sudent Gemeinde Petersdorf verhältnißmäßig eine zu Heine Gemeinde ist, um aus dem Peterdorfer Wald von Großfeld Mron gekaufte 10 Klafter Amtstange blei Hof einliefern sol, demzufolge trogdem daß Dies dem Ortsamte angeordnet war, wird Hiemit obbeziemten Amte en angeordnet, Daß von die oberwähnten 10 Klafter Amts­­­anzeilei Holz den f­ünftigen Montag zuverlässig anher führen Lasjsen soll. Das Ortzamt von Petersdorf wurde von diesem Umstand in beige­­­fegtem Brief auch­ verständiget und zu gleicher Zeit wurde demselben an­­­geordnet, daß er also nicht SO wie früher angeordnet sondern nur 5 Mlafter Hof zu liefern hat. Auer der Schotter Gebühr wird diese She in Stragen Arbeits Gebühr eingerechnet, wovon der­­traßenbau der Comitär verständigt wurde. Markti­pelfen 1880. 6/11. Maurer, Stuhlrichter. a Wegen dieser Holzfuhren darf die Gemeinde nicht eine Minuthe aus­­­bleiben.“ Deßgleichen lautet ein Amtsauftrag des Wegkommissärs wörtlich: Bateid „Herr DOrt3:V­orstand : in ha. Den 9. August sollen & Mann mit Sensen, 2 mit Rechen und Heugab! und 1 Langer Wagen mit Nechen, Gabel, Strich und Heubaum um 7 Uhr früh bei mir hier fein. Ferner den 11ten, 12ten, 13t. u. 14t./8 je 12 Wirthen mit Karren 1 allg u. 6 Handarbeiter mit Holzhafen im Marbiicher Wald sein u. haben Blansen bis unter Michelsdorf zu führen. — Jeder Manıt hat Einmal zu führen, aber oder 4 Stüd lange oder 6 Stüd kurze. — Wer weniger hat bekommt Halbtag. Daher bitte mir die Liste jeden Tag von den Angeordnetten mitzus­­iche. . Ich« Heute waren 7 Mann zum Mähen,sind zwar späht gekommen aber ich nehme jedem 2 Tage an, Martinsdorf den 7/8 1880. Eisig m. p. Gut wäre es wenn Sie oder Frig A Rampelt den 11/8 mitsämen.“ Die Originalien dieser Am­tsbefehle befinden sich in sicheren Händen und können von den Betreffenden auf Verlangen vorgewiesen werden. Außerdem theilte das „Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt“ (Nr. 2243 vom 5. Mai 1881) noch folgende Beschwerden mit: Löbliche Redaktion! Die Gefertigten bestätigen hiermit der Wahrheit gemäß, daß sie im Jahre 1879 im Spätherbst vom hiesigen Ortsrichter Isidor Dopp durch­ einen Amtsdiener bei etwa 30 Bürger zum Scheitholzbringen unter der Aufsicht Zuon Michard und Luon Boar mit einem hinzu passenden Wagen getrieben wurden. Das Holz selbst haben wir dem Stuhlrichter Maurer gebracht. Se 6 Mann bekamen 1 Liter Branntwein unentgeltlich im Wirthshaus zu trinken. Arbegen,am 1.Mai 1881. Martin Herbert.Michael Melzer.Georg Gilsig.Johann Schuster. Georg L·1c­hel.And.Barth.Michael Jakob. d Pius der Gemeine Schaaltheilen wir nachstehende Beschwer­­­en mit: · Herr Redakteur! Die ergebenst Gefertigten berichten hiermit der Wahrheit getreu, daß sie im Jahre 1880: 1. Dem Wegkommissär Eisig einen Eimer Wein u. Y. Maß Frucht verabreicht haben und zwar für eine Quittung, weil wir Schotterprismen gestellt hatten. Martin Ziegler. Georg Schunm. Johann Schumm. Michael Di. 2. Der Gefertigte bestätigt, daß seine Tochter dem Wegkommissär Eisig den Garten ausgegraben hat. Sarob Hipp. 3. Theilt der Gefertigte mit, daß er vom Orts-Amt auf die Beller- Straße getrieben worden ist, der Kommissär hat mich jedoch zum Mähen angestellt, da er jedoch behauptete, ich hätte nicht genug gemähht, so könne er mich nicht quittiren, bis ich nicht eine Liter Wein zahle; auch diese bittere Pille mußte ich hinabdinden, um ja nur eine Quittung zu erhalten. Sohan Seivert. 4. St e8 sehr auffallend, wie es kommt, daß Wegkommissär Ejfig für Schotterprismen mit baarem Geld von Einigen mit 6 fl. 6 fl. 50 Er. 7 fl. 50 Er. 618 8 GId. sich auszahlen ließ und von einem jedem Vieh­­­befiger fie einen Eimer Wein geben ließ. 30-35 Eimer Wein hat er an einem Tage fortgeführt. Wie er sich eisig ansdrühte: „Der Wein ist gut im Essig.“ Georg Gumejc­. · 5.Bestätigt der Gefertigte,daß er zwar zum Straßenbau getrieben, jedoch vom Wegkommissär beordert ihm eine Fuhr Heu nach Martinsdorf führen mußte. Georg Schm­. G. Wurde der Gefertigte ebenfalls zum Wegmeister kommandirt und zwar mit dem langen Wagen, Strich und Heubaum. Er wollte jedoch, ich sollte nicht Heu, sondern frischgemähtes Gras von der Grenze Schaldorf zu bis Martinsdorf führen. Ich konnte den Antrag nicht annehmen und lenkte nach meiner Heimat­ zu. Nächsten Sonntag gab er sich mit­­sammt seinem Sohn bei mir ein und züchtigte (nöthigte) mich, ich sollte 2 Litter Wein zahlen. Diesen Antrag nahm ich an und wurde mit 2 Tag quittirt. · · Martin Schnepp. 7. _ZTheilt der Gefertigte mit, daß er um eine Quittung vom Kom­­­missär Esfig für gestellte Schotterprismen zwar gegen eine Entschädigung ! Maach Wein und Seidel sucht gegeben, ohne jedoch eine rechtsgiftige Duittung erhalten zu haben. Martin Schunn. 8 wurde der Gefertigte zum Straßenbau getrieben, wurde aber vom Kommissäar mit einer Fuder Späne vom Schaldorfer Hattertgebiet bis nach Martinsdorf beordert und auf einen Tag quittirt. Johann Schnäp. 10. Heute am 24. April ist wegen restirender Arbeit und Do­sen­­­wägen ein Uebereinkommen zu Stande gekommen, laut welchen die Ge­­­meinde Schaal 8 Kübel Frucht an den­­en Eisig zu ver­­­abreichen Hätte. 6 Viertel sind ihm Heute von der Gemeinde zugestellt worden. Den Rest soll die Gemeinde nach der Kornernte i. $. ihm nach Martinsdorf bringen. Johann Greiwerth. Martin Schnepp. Aufgenommen dur) Georg Schuller, Prediger in Arbegen. 24. April 1881. In den mitgetheilten Beschwerden ist gewiß nur der Kleinste Theil der begangenen Mißbräuche erwähnt, denn die Meisten sind durch dem Terrorismus amtlicher Mittel und die Schwierigkeit, Net zu erlangen, dermaßen eingeschüchtert, daß sie Lieber das ihnen angethane Unrecht mit stumpfer Resignation tragen, als daß sie den Kampf mit der mächtigen K­orruption wagen. Da wir, entgegen den wohlwollenden und Hochsinnigen Intentionen Allerhöchst Euerer faijferlichen und küniglichen apostolischen Deajertät, bei den Behörden seinen Schuß finden und auch auf Petitionen an den Hohen Reichstag anderen gerechten Beschwerden nicht Abhilfe gewährt wird, flehen die treuge­­­horsamst Gefertigten Allerhöchst Euere faiserliche und königliche Majestät an, uns unser Recht, unsere Ehre und Menschemwürde gnädigst wiedergeben und uns gegen die befürchtete Rache Derjenigen, deren Kreise durch unsere Beschwerden gestört worden, Huldreichst jchtigen zu wollen. Der Hohe Gerechtigkeitssinn und das milde Herz Enerer faijerlichen und königlichen Den apostolischen M­ajestät Hat sich der Leiden der Christen in den benachbarten türkischen Ländern gnädigst erbar­mt und die aus Budapest vom 30. De­­­zember 1875 datirte Note Alerhöchst Enerer Faijerlichen und königlichen apostolischen Majestät gemeinsamen f. f. Ministerg des Weußeren Sr. Ercellenz des Grafen Julius Andrasfy an die Vertreter Euerer Majestät in London, Paris und Rom führt unter den zur Verbesseiung de Loojes der Christen in Bosnien und der Herzegowina vorgeschlagenen Reformen, namentlich „die Bürgischaft gegen Mißhandlungen“ und „das Aufhören der Mißbräuche, zu welchen die Leistungen von Arbeiten zum öffentlichen Nugen Anlaß geben“, an. Daher wenden sie die treugehorsamsten Bürger Siebenbürgen. Das vor fast zwei Jahrhunderten unter den­­­ büßenden Fittichen des glorreichen Hause Habsburg — „sub umbra alarım tuarum“ — Errettung vor dem Jammer der damaligen türkischen Schulherrschaft fand, mit der aller unterthänigsten Bitte an Allerhöchst Euere kaiserliche und königliche aposto­­­lische Deajertät, die dargelegten Mißbräuche untersuchen und bestrafen zu lassen und gnädige Fürsorge zu treffen, daß wir gerecht und menschen­­­würdig behandelt werden. Allerhöchst Euerer Zaiserlichen und königlichen apostolischen Majestät allerunterthänigste und treugehorsamste Diener. (Folgen die Unterschriften.) .. Politische Üb­ersicht. Hermannsadt, 29. Juni. Im Frontischen Landtage wird die Temperatur wegen Fiume eine immer schwülere. Der Deputirte Folnegodics brachte in der Situng vom 27. d. M. nachstehenden Dringlichkeitsantrag ein: „In Anbetracht der Ausschreitungen, welche gegen die persönliche und Vermögenssicherheit der Kroaten in Fiume wiederholt vorsagen, wird die Regierung angewiesen, im Interesse der persönlichen und Vermögenssicherheit der in Fiume befindlichen Kroaten die erforderlichen Verfügungen zu treffen.” Der Antrag wurde an den Ausschuß betreffs der Fiumaner Frage gewiesen, ihm also die Dring­­­lichkeit nicht zuerkannt. Feuilleton. Die Entführung. Novelle von Stanislaus Graf Grabomsäti. (1. Fortlegung aus Nr. 2286.) Das sogenannte Domestikenhaus bildete einen zurücktretenden, recht­­­winklig angefügten Flügel des Schlosses, und beinahe das ganze unterste Stockwert wurde durch eine einzige Halle eingenommen, in welcher die Leute, eine bedeutende Anzahl, ihre Mahlzeiten einzunehmen pflegten. Hierher hatte man vorläufig den alten Wolff getragen, ihm einige D Bettftüche unter den Kopf gesteht, und ihn auf einen Zisch niedergelegt; der vorerwähnte Barbier war eifrig um ihn beschäftigt, er war bereits zu dem in der nächsten Stadt wohnenden Hausärzte gesandt, und die bestürzten Männer und Weiber standen nun rathlos und thatlos umher, als der Graf eintrat. Man hatte ihm bereits gemeldet, um was es sich handelte, und er sah ungemein finster aus. Wie gewöhnlich trug er einen langen Hausrad von dunkelfarbigem Stoffe, der die bei seinem Zustande nothwendige bequeme Unterkleidung bis auf die weichen Filzstiefel verbarg, oben herum einen fast militärischen Schnitt hatte, bis an den Hals zugek­öpft und mit einigen Brustschnürren verziert war, dazu eine feine, schirmlose Feldringe des Ka­­­vallerieregiments, bei dem er zuleit gedient hatte. Der volle Bart zeigte eine durchgängig grauweiße Färbung, das Haupthaar war indessen noch sehr dicht, fraus und beinahe schwarz, ebenso die breiten, starren Brauen, die sich an der Nasenwurzel fast vereinigten und dadurch dem Gesichte einen noch härteren Anspruch gaben. Graf Ludolf hatte den alten Wolff stets als einen besondern Günstling behandelt, nachdem er ihn vom Militär auf diesen Posten in seinem Schlosse mitgebrach­t; die übrige Dienerschaft hielt sich daher für überzeugt, daß er in diesen Falle wenigstens eine lebhafte Theilnahme äußern würde. Doc man irrte sich, was auch in der Brust des Grafen bei dem schauerlichen An­­­briefe vor sich gehen mochte, so wußte er dies streng zu verschließen, dagegen braufte er sogleich sehr heftig darüber auf, daß noch von seiner Seite Etwas gethan worden, dem Mörder auf die Spur zu kommen; in d­ie besfen zerstreute sich die müßige Versammlung so schnell, als wolle man jeder das Betsäumte nachholen. Nachdem der Graf den Zurückgebliebenen noch einige Instruktionen in Betreff des Schwerverwundeten ertheilt hatte, hinfte er an seinem Stod wieder fort. Er war auf dem Wege nach seinen Zimmern, als ihn noch auf dem Korrivor ein paar überraschende Nachrichten, die mit jenem Vorfalle wohl im Zusammenhange stehen mußten, schnell hintereinander trafen. Zuerst meldete ein Bedienter, was der Gärtnerbursche wohlweislich verschwiegen hatte, daß eine Pforte des eisernen Gartenthores offen stehe, unmittelbar darauf ein anderer, er habe Gras und Blumenanlagen abseits der Wege zertreten gefunden und sei, dieser Spur folgend, zu einer Stelle der Mauer an der Yandstraße gelangt, wo die früher erwähnten eisernen Stacheln fortgebrochen und andere Vorbereitungen getroffen seien, die zweifel­­­s 08 zum bequeimeren Webersteigen gedient hätten, auch ließen ss an jener Stelle der Straße frische Wagenspuren bemerken, und der Boden sei derartig von Pferdehufen aufgescharrt, daß man annehmen müsse, er habe dort vor noch nicht langer Zeit ein Fuhrwerk gehalten. Graf Rudolf, der diese Nachrichten mit einer guten Portion Flüche aufnahm, war eben dabei, sich an Ort und Stelle zur begeben, als die Kammerfrau seiner Gemahlin, eine schon ziemlich bejahrte Person, gefolgt von einigen Mengden, alle in äußerster Verwirrung und sichtlicher Angst, mit Thränen in den Augen und gerungenen Händen, ihm in den Weg lief und die Schrecensbotschaft herausstief: „Um des Himmels willen, gnädiger Herr Graf, die Frau Gräfin ist fort!" Ein paar Sekunden lang stand der Graf wie versteinert da, nur seine dunkeln Augen blrgten wild und drohend auf die geängstigte Frau, die un­­­willkürlich, als werde sie Dadurch niedergeschmettert vor ihn in die Knie sank. „Du­ Sie des Teufels, Nanni?“ fuhr er dann zornig auf. „Wie kann Sie sie unterstehen, solche Thorheiten auszusprechen? — Wo soll meine­­rau anders sein, als in ihren Zimmern?" „Aber, Herr Graf, ich kann ja doch nichts dafür!" jammerte jene fort, und die Mägde accompagnirten im Chor laut sc­hluchzend. „Ich wollte nur eben sehen, ob die Frau Gräfin von dem Lärmen im Hause schon erwect worden und ob ich ihr beim Anfleiven behülflich sein dürfte, — und wenn der Herr Graf­­fi nur gnädigst selbst überzeugen wollten — —" Der gestrenge Herr Hatte schon vollständig genug von diesem Lamen­­­tiren, und eine sehr böse Ahnung mochte ihn übernommen, wenn er viß mit der einen Hand die Kammerfrau ungestüm vom Boden auf und herrschte ihr, während er den Anderen winkte, zurüczubleiben, nur die zwei Worte zu: „Komme Sie!" Eine Minute später fand er mit ihr in dem Schlafzimmer seiner Gemahlin, das in der hohen Beletage, seine zwei Fenster gegen die Giebel­­­seite des einen Schloßflügels hinausfehrend, lag. Das Zimmer selbst war ebenso bequem wie lururids eingerichtet; das große englische Himmelbett mit rothseivenen V­orhängen stand in der Mitte, den Fußboden bewedte ein rostbarer türlischer Teppich, die Wände waren mit einer goldgepreßten Ledertapete bekleidet, und eine Ehe nahm der Toilettentusch, ein wahres Kabinettftüd, ein, wie es denn überhaupt nicht an dem ausgefuchtesten Meublement fehlte.­­­ Was auf den ersten Eid auffallen mußte, war, Daß das Bett während der Nacht vollständig unberührt geblieben und daß die Flügel eines der großen Bogenfenster weit geöffnet standen; überhaupt ließ sie manche unge­­­wöhnliche Unordnung in dem Gemache bemerken. « Die Kammerfrau Nanni,die noch imm­er weinte und schluchzte,dabei aber doch eine Miene machte,als müsse sie selbst nun von aller Schuld gerechtfertigt dastehen,war an das offene Fenster getreten und deutete stumm hinab.Graf Ludolf,sehr bleich und jetzt ganz stumm,——nur rollten seine Augen in wahrhaft unheimlicher Weise,—folgten­­ r1iie willen­los. An der Fensterbrüstung lehnte eine«breite Leiter,die zuweilen im Haushalte oder von den Gärtnern gebraucht wurde und beinahe so bequem wie eine Treppe war; sie pflegte ganz in der Nähe aufbewahrt zu werden. Die Blumenbeete unter diesem Fenster waren zum Theil zertreten, und man hatte sie auch nicht die geringste Mühe gegeben, vielleicht absichtlich, alle diese Anzeichen eines Einbruches und vermuthlicher Entführung der Frau Gräfin zu vertilgen. Gewalt konnte dabei aber schwerlich angewendet worden sein,­­­ darauf deutete wenigstens nichts. So überraschend die Vermuthung seinrußte,daß die Gräfin,eine so hochgestellte verheirathete Frau,welche sich durch ihre Sittenreinheit und ihr ganzes Wesen die allgemeine Achtung zu bewahren gewußt hatte, ihrem Gemahle durch eine abenteuerliche Flucht sich entzogen habe, war doch gewiß nicht eine Person im Schlosse, die si mit den Verhältnissen vieser Ehe nur einigermaßen vertraut nennen durfte, — ohne Zweifel den Grafen selbst nicht ausgenommen, — welche diesen schwerwiegenden Schritt nach Yage­­rer Dinge nicht mindestens möglich und erklärlich gefunden hätte; dies deutete auch schon das ganze Benehmen der Kammerfrau Nanni zur Genüge an, (Bortfegung folgt.) —

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