Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. Mai (Jahrgang 11, nr. 3155-3180)

1884-05-28 / nr. 3177

Ritactiounuthdminisitatium Heltanergasse23. \ Erfgeint mit Ausnahme der Sonn- und Peier­­­tage täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fl., vierteljährlich 2­­51.50 kr., Halbjähri­­g fl, ganzjährig 10 fl. ohne Suftellung es Ku mit Buftellung 1 fl, 3 fl, 6 fl, 12 fl. Abonnement mit Bostversendung: Hür das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 a TAL., ganzjährig _ Hür das Ausland: vierteljährig V MM. oder 10 Fres., halbjährig 4 RM. oder.20 Fres., ganzjährig 28 RM. oder 40 Fred. MW Untransiete Briefe werden nicht angenommen. Manuskripte nicht zurückgestellt HermannstadtRittwoch,28.2llai NL3177.xl.Haargang. ptännmerationmnndsaymtk c­ernehmen außerdem Hauptbureau,Heim­ergan- Nr.23:vnl­kots st sttt Heinrich zeid­ner,Dresk­­wandt’s Nachfolger, Mediasch J. Hedrich’s Erben, Schässbarg H. Zeidner’s Filiale, Bistritz Friedrich Wachsmann Nr. 187, Sächsisch-Regen Karl Fronius, Mühlbach Jos. Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Haasen­­­stein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Moriz Stern, Heinrich Schalek, J. Danne­­­berg, Pest A. W. Goldberger, Frankfurt a. A. G. L. Daube & C. « Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile kostet beim einmaligen Einkücken 7kr.,das zweitemalis sit­,das drittemalje ökr.ö.W.exclusive det Stennelaebühr voniesetr 1884, Eine deutsche Feier in Südungarn. Wir kommen leider selten in die Lage, Regungen deutschen Berwußt­­­seins unter unseren Stammesgenossen in Ungarn zu verzeichnen. Um so angenehmer berühren uns Beweise, wie der nachstehende, daß die Anhäng­­­lichkeit um die deutsche Muttersprache wenigstens­ in der breiten Schichte des Volkes nicht erstorben ist, wenn auch der größere Teil der aus dem deutschen Bauern- und Bürgerstande hervorgehenden Intelligenz durch künstliche Mittel, wie magyarische Schule und Amtseinfluß, seinem V­olkstum entfremdet und magyarisiert wird. Wir registrieren daher mit Vergnügen den Bericht der in Neujah erscheinenden „Bacz-Bodrogher Vresse“ über die Hundertjährige Gedenk­­­feier der Ansiedlung der deutschen Gemeinde in Torzja im Bacs-Bodrogher Komitate am 15. Mai d. h.: „Zu dieser erhebenden Gedenkfeier Hatten sich die durchwegs­­­deutschen Berwohner Torzjas Ion längere Zeit vorher festlich gerüstet. Auch die in der Umgebung wohnhafte deutsche Bevölkerung nahm regen Anteil an dieser Feier und war zahlreich vertreten, um Zeuge zu sein der vor Hundert Jahren auf die gastfreundliche Einladung des großen und edelherzigen Monarchen Kaiser Jofef II. durch viele Bewohner Deutschlands erfolgten Kolonisation der damals wüsten Ebenen und nunmehrigen blühenden Landstriche Ungarns — der­ Baczfa. Torzja hatte an diesem Tage sein Feiertagskffekt angelegt. Groß und Klein war Luft und Freude und jedes Haus prangte im vollen ahnen­ Schmucke. Die Feier begann mit dem­ Empfange des Obergespans des Bacz- Bodrogher Komitates. Zu diesem Behufe war ein Triumphbogen am Ende der Hauptgasse errichtet und ein Boll3-Banderium zum Empfange bereit. Unter Klingendem Spiele und unter Böllerschüffen wurde der Obergespan er­­­wartet, worauf man sie ind Gemeindehaus begab, woselbst das Programm festgestellt wurde. Sodann begab man sich auf den Hauptplat, m woselbst die noch verhülfte Denksäule stand und vor welcher eine Rednertribü­ne errichtet war. Unter die deutschen Bauern wurde sodann eine vom Ortsnotar in ungarischer Sprache verfaßte Denkschrift verteilt, welche mit Befremden von den sonst sich duch Patriotismus auszeichnenden und gut ungarisch gesinnten Torzinern aufgenommen­­­ w­urde, da dieselbe nicht in deutscher Sprache abgefaßt war. Man besah dieselde mit Achselzuden, weil sie nicht verstanden wurde, und gab sie entweder weiter oder steclte sie geringm­­äßig ein. Der Torzjaer deutsche Männergesangverein war mit feiner Bereinzfahne ausgerüct und sang das „Szozat“ mit deutschenm Text zumd ausgezeichneten Vortrage, worauf Stuhlrichter Schid die Tribüne bestieg und in unga­­­rischer Sprache eine auf die Feier bezügliche Rede hielt, in welcher er deutschen Sleißes, deutscher Sitte und deutscher Scaffenskraft in rühmender Weise gedachte und hervorhob, wie er allein der deutschen Kultur zu verdanken war, daß nach Hundert Jahren dieser Freden Landes, der damals noch ganz öde und von Wölfen bevölkert war, nunmehr si eines so blühenden Wohlstandes erfreue. An den der Redner zum Patriotismus aneiferte, ermahnte er sie, die Sprache des Landes zu erlernen, dem Lande, das ihnen Schub ge­­­währte, treu zu bleiben, und beendete seine Rede schlielich mit einem Hoch auf den König. Das Gedränge um die Tribüne war ein ungeheures. Es war eine über 5000 Köpfe zählende Bolfsmenge um dieselbe versammelt. Alles tauschte mit fieberhafter Spannung. Als aber die ersten ungarischen Worte aus des Redners Munde kamen, da machte sich allgemeine Enttäuschung auf den Gesichtern der anderen Deutschen bemerkbar. V­erbußt schaute man sich gegenseitig an und konnte es nicht begreifen, wie auf dieser Feier dem ungar­­iischen Worte der Vorzug vor den deutschen Lauten zuerkannt wurde, wollte man doch über die Bedeutung dieser seltenen Feier in seiner deutschen Mutter­­­sprache zu hören bekommen und nicht in der ungarischen, von der man sam­t das Notdürftigste im gewöhnlichen Verfehre versteht. Alles sagte si entrüstet, daß diese Feier mit deutschen Worten hätte eingeleitet werden sollen. Infolge dieser taktlosen Einleitung wurde die ursprüngliche Begeisterung fast völlig herabgemindert, nur spärliche Elfenrufe waren aus dieser ungeheuren Bersammlung­ hörbar, so daß dieser Akt in der größten Stille verlief. — Charakteristisch bleibt es, mit welcen Bemerkungen die Bauern unter fi diese in ungarischer Sprache gehaltene Rede glofsierten. Da der Nenner eines wohlhabenden Bauern Sohn war, so sagte man: „Ach, unser Ortzfind, und spricht ungarisch, eines deutschen Bauern Sohn und spricht auf dieser Feier zu uns nicht in seiner Muttersprache, in unserer lieben deutschen Sprache, die wir alle verstehen.“ Hierauf hielt der Torziner Gemeindenotar Schmauß eine kurze deutsche Rede, die aber wegen des starken Windes und des Redners Schwachen Stimme total unverständlich blieb. Nachdem die ungarische Hymne gesungen wurde, fiel von der Denksäule die sie umgebende Hülle. Dieselbe ist ein grauer geschliffener Granit-Obelisk in der Höhe von drei Meter und 52 Zentimeter. Die Inschrift ist auf der ersten und dritten Seite ungarisch, auf der zweiten und vierten Seite deutsch. Sie lautet auf der zweiten Seite: die Gemeinde Torzja wurde unter Kaiser Forer dem II. im Jahre 1784 den 15. Mai angesiedelt. Auf der vierten Seite: Errichtet zum Hundertjährigen Jubiläum den 15. Mai 1884. Von Hier aus teilte sich die Volfsmenge und 309 zu beiden Kirchen, der eine Teil begab sich in die reformirte und der andere in die evangelische Kirche. In beiden Gotteshäusern wurde feierlicher Gottesdienst abgehalten und von den betreffenden Seelsorgern in deutscher Sprache gepredigt. Alles drängte zur Kirche, da man es an den deutschen Predigten für die nichtverstandenen ungarischen Reden zu entschädigen gedachte. Nach der Kirchenfeier überließ sich das Volk in den Gast- und Wohn­­­häusern einer fröhlichen Stimmung. Mittags fand ein Bankett von über 150 Gededen statt und unter den Klängen der Zomborer BZigeunerkapelle, unter Böllershüffen, dauerte dasselbe bis 5 Uhr nachmittags. Obergespan Sandor Bela eröffnete den Reigen der Toaste und gedachte des edelherzigen K­aisers Josef II., der die Kolonie Torzia mit jenem W­olfe angesiedelt hatte, welches zu dem fleißigsten und tüchtigsten gezählt werden kan, während unser gegenwärtiger König mit väterlicher Zursorge bemüht ist, daß dieses Volk emporblühe.. Pfarrer Karman sprach sodanıı auf Koloman Tipa den Ministerpräsidenten, als jenen Mann, der sich um das allgemeine Wohl so viele Verdienste ertworben hatte. Nach­­­­iesen beiden ungarischen Toasten folgte ein deutscher Toast des evangelischen Pfarrers Bamler auf den PVizegespan Schmauß. Der Redner sagte, daß Sofef II. wohl für das Gedeihen der deutschen Ansiedler gesorgt habe, Vizegespan Schmauß jedoch den größten Feind der Bacska bekämpft, nämlich die dem Landmann so gefährlichen und dessen Saat gefährdenden Grundwärter. Der Berbaßer Pfarrer Schneeberger erhob sich sodann und sprach deutlch ungefähr Folgendes: „In dieser Mauern Mitte, da Liegt echtdeutsche Sitte, die weht uns so freundlich an. In Amerika ist die deutsche Sitte geliebt, geachtet und gern gesehen, bis zum Kaspischen Meere gedeiht unter ihren Fittigen deutscher Fleiß, deutsche Sitte und deutsche Kultur. In Ungarn, in unserem geliebten Baterlande, da weht’s mich so freundlich an, da Hat sich deutscher Fleiß, deutsche Tugend und Sparsamkeit ein trauliches Heim gefun­­­den. Emsig und friedlich entwickelt der deutsche Kolonist seine Kolonie wie der freie Vogel den Bau seines Nestes. Wir sahen den­ deutschen Biedermann nicht nuit auf dem Felde der Kultur, sondern auch wenn das geliebte Vaterland es erforderte, so war er immer bereit, den von ihm bebauten Ader auch mit feinem Blute zu düngen. Wenn die Schlachttrompete zu den Waffen rief, sah man die deutschen Männer für dieses geliebte Vaterland mit männlicher Aus­­­dauer mutig kämpfen und mit deutscher Zähigkeit ausharren, denn es galt das Vaterland zu verteidigen, sagt doc unser großer Patriot Kossuth: „Sehet hin, nicht die Zunge, nicht die Sprache befunden den P­atriotismus, sondern Thaten, welche allgemeine Achtung verdienen.” Ich erhebe und weihe daher mein Glas dem Andenken des Gründers dieser Kolonie und auf die fleißigen deutschen Männer.” Pfarrer Bierbrunner deutsch: Das Deutschtum in Ungarn verhält si zu, den Eingebornen wie die Hochzeit in Kanaan, der Deutsche regt und plagt sich, spart und trinkt vom Anfang Waffer und später Wein, während andere Völker vorerst Wein trinken und zum Schluffe Waffer. Pfarrer Poor­­deutsch: Es hat wohl alles zur Entwicklung der Ko­­­lonie beigetragen, aber die Seelsorger beider Konfessionen, Luteritch und Fal­­­vinifch, gingen in brüderlicher Eintracht dem Volke voran, hielten es zum brüs­­­­­­­­­derlichen Zusammenwirken an und nur auf diese Weise gedieh das Werk, denn in der Eintracht liegt Segen und Macht. Georg Racz ungarisch. Die deutsche Nation in Deutschland ist be­­­sorgt um das Deutschtum in Ungarn, errichtet Vereine zu diesem Umwede. Ich w­ünschte, es wären welche hier gegenwärtig, damit sie zur Ueberzeugung gelangen, daß das deutsche Element in Ungarn nicht allein besteht, sondern sich auch blühend entwwicelt. *) Pfarrer Rothauser aus Berbaß toastiert deutsch auf den unvergeßlichen P­atrioten Eötvös, der den Patriotismus in der Kultur nüchterner Arbeit und Sittlichkeit sucht. Senior Gabriel Belohorffy aus Neufach deutsch: Es hatte eine Zeit gegeben, wo man darauf Hinwirkte, alles zu magyarisieren. Wozu das ? laffen wir das Volk bei seiner Arbeit sich zu Batrioten entwickeln, e3 genügt, wenn dessen Führer magyarisch kennen und handeln. Daß mit den Hier angeführten Toasten dieselben nicht erschöpft sind, ist selbstverständlich. E3 gab deren noch viele von mehr oder weniger Bedeutung. Auch zahlreiche Telegramme waren eingelaufen und beglückwiünschten die Torzjaer zu ihrem Säbelfeste. Abends 8 Uhr fand ein Fadelzug zu Ehren des Bizegespans Schmauß statt. Der Genannte erfreut sich der allgemeinen Liebe und Achtung in der Gemeinde Torzja. Die Begrüßungsrede hielt Lehrer Hamel. Sichtlich ergriffen, sprach Bizegeispan Schmauß folgende deutsche Worte: Er dankte in längerer Rede seinen geliebten Torzinern für die Aner­­­kennung und hob deren Verdienste hoch empor. „Euere Väter,” sagte er: „Kamen nicht mit leeren Händen im dieses schöne Land. Sie brachten und die Tugend mit, welche sie Euch als teures Erbteil hinterließen. Ihr habt diese schöne Tugend mit Fleiß und Sparsamkeit zu paaren gewußt, die Euch zu wohlha­­­benden Bürgern gemacht, die nicht nur das Komitat, sondern das ganze Land hohlhäßt und achtet. Bei dieser Gelegenheit fan­n ich es Euch nicht verhehlen, daß ihr uns als Teuchtendes Beispiel in Fleiß und Sittlichkeit voranginget. So, ich gelobe es Euch, geliebte Freunde, wir wollen Eurem Schäßbaren .Bei­­­spiele folgen, an „wir“ wollen arbeiten, auch wir wollen so wie ihr bestrebt sein, und die Achtung und die Liebe des Nächten zu erwerben. D geliebte Freunde! Pflanzet doch dieses erhabene Vermächtnis der Tugend in die zarten Herzen Eurer lieben Kinder ein, damit fs dieses Hochgeschäßte Bürgertum­­­ zur Ehre und zum Segen unseres geliebten Vaterlandes vermehre. Der Al­­­mächtige wird dafür Euch und Euere Thaten segnen, lebet wohl, haltet mich stets in Erinnerung, so wie ich Euch stets im Angedenken Halten und hoch­ Ichäten werde. (A­nhaltendes, nicht endenwollendes Essen !) Volksstimme: So iS recht, der war deutsch gered, das Hat doch jeder verstanden und unser Bizegespan in Halt a Mann 2. Wenn der jeß nit g’red’ hätt’, wäre die Freud zum g’west, und wir hätten nichts gehört u. s. mw.” politische Nebersicht. Hermannfiabt, 27. Mat. Sn seinem Rechenschaftsbericht vom 25. d. M., welcher zugleich die neue Kandidationsrede bildete, erklärte der bisherige „Liberale“ Abgeordnete des Pester zweiten Wahlbezirkes Dr. Ignaz Daranyi — genetisch ein Diener Schwabe mit echt deutschem Namen — indem er gegen die Opposition polemisierte: „Bis die „Nation“ gesprochen, giebt es unter uns feinen Richter!“ Bis die „Nation“ gesprochen, wie klingt dieses so Hochpathetisch! Wer ist aber in­­­­iesem Falle, dem „Wahlfalle”, die Nation, und wie spricht ich die „Nation“ aus? Gar sehrreich sind diesbezüglich die Vor­­­kommmile in Ungarn, über welche zu Nu und Frommen der Mit- und Nachwelt das „Budapester Tagblatt” etwas Buch Führt. Also hören wir. *) Die Zeugen aus dem deutschen Neid­e, deren Anwesenheit der magyarische Nebner wünscht, um das Gedeihen des deutschen Elementes in Ungarn zu konstatieren, wurden wohl auch aus der hundertjährigen Gedenkfeier der Gemeinde Torzja den Ein­­­druck empfangen, daß der Amtseinfuß im Sinne der Magyarisierung thätig ist, das schlichte Bolt allerdings — leider ist dies nicht überall der Fall — den widernatür­­­lichen Umschmelzungsversuchen no widersteht. Die aus ihm hervorgehende Intelligenz aber zum großen Teil den Verlobungen und Einschüchterungen erliegt. Ned. - Benifision. Im Berdacht. Erzählung von Karl Schmeling. (10. Fortlegung.) die Fordernden durch Darlegung seiner Lage zurüfzumeien. Er Eltern und Bruder forderten dagegen, was sie anfänglich als Wohlthat angenommen, als ein Recht. Woher er dies Geld zu ihrer Unterfrügung genommen oder nahm, darnach fragte niemand, und Leider war er nicht im Lande, s­­­eben in seiner Freude zu weit gehende und zu sichere Hoffnungen bei ihnen erwedt. Um die drängenden Angehörigen zu befriedigen, blieb ihm nichts übrig, als neue Schulden zu machen. Er rechnete darauf, diese, wie schon einmal, durch günstigem­ Abgab seiner Arbeiten tilgen zu können. W­eilmann hätte jet recht gut Hilfe bei Neufer suchen können. Doch er wünschte dies zu vermeiden, so lange er irgend anging. Wußte er doch, daß er dadurch in der Achtung des Fabrikheren finden mußte, und wenn auch nur insofern,­­al er etwas unternommen hatte, was er nicht durchzufeßen im ftande war. Das Schlimmste für den Lieutenant war dabei, daß ihn gerade die mißlichen Gesc­häfte, welche er gegenwärtig machte, sehr oft zwangen, nach Berlin zu gehen. Er nahm zwar meistens zu diesem Zweckk auf kurze Zeit Urlaub nach der Landeshauptstadt. Doch blieben seine Reisen nach Berlin nicht immer unbemerkt, und so kam er denn in aller Stille in den Ruf, einer der fü­nften sogenannten Blocladebrecher von den Offizieren des Regiments zu sein. Diese Seite seiner Angelegenheiten beunruhigte ihn übrigens un­ gemein. W­eilmann’s bisheriger Harmloser Srohfinn hatte deshalb in den sebten Monaten doch eine starre Verminderung erlitten. Dazu trat nun noch bei Beginn des Frühlings ein vollständig verändertes Benehmen, welches Fräus­­lein Zonife ganz plößlich gegen ihn an den Tag legte. + Louisen’s Kraft war im Kampfe gegen die aufsteigende Neigung zu Weilmann erschöpft. Die neuen Empfindungen, welche in ihrem Herzen Raum gewonnen hatten, hatfen sich nur selten, ohne üble Folgen für den Gemiüts­­­zustand hervorzurufen, unterdrücken. Louise war heftig, launenhaft und reizbar; bald zeigte sie sich zu thunlich, Hinschmelzend, Liebevoll, bald schroff, abweisend, herrisch und streitsüchtig.. Es war zeitweise gar nicht mit ihr auszuformen. Zwischen ihr und Weilmann trat daher mitunter Mißstimmung ein. Der Zustand des „Erzh­ntseins“ machte sich immer häufiger im Umgange der sonst so gut gearteten jungen Leute geltend. Für Weilmann ward diese Wendung seines Verhältnisses zu der jungen Dame, neben den anderen Widerwärtigkeiten, die ihm entgegentraten, bald unleidlich. Er hatte ja selbst zu kämpfen, ih innerhalb der Schranken zu halten, welche Gewissenhaftigkeit und Ohrgefühl für ihn im Umgange mit Louise zogen. Er begann einzusehen, daß die Wendung, welche sein Ver­­­fehr im Hause Reuters nahm, nur unerwünschte Resultate herbeiführen konnte. Der Lieutenant nahm sich daher vor, jenes Haus nur noch zu besuchen, wenn er sicher war, den Hausherren daheim zu finden, zugleich aber seine Besuche seltener werden zu lassen und dieselben endlich gänzlich aufzugeben. Da unser junge Freund infolge seines Vorlebens und seiner Stellung im Entsagen bedeutend stärker war, als die immerhin doch etwas eigen­willige Tochter des reichen Fabrikieren, so mochte er seinen Entschluß im Laufe der Zeit auch wohl zur Ausführung gebracht haben. Indessen sollte ein Ereignis eintreten, welches die Stellung der beiden jungen Leute zu­­einander in einer für sie selbst überraschenden Weise erklärte und bestimmte. Eines Abends um die gedachte Frühlingszeit trat Zouife mit der Foee hervor, in diesem Jahre Reitunterricht zu nehmen, und natürlich sollte Weil­­­mann ihr Reu­lehrer sein. Der Lieutenant erklärte sich zwar bereit, das ge­­­dachte wichtige Amt zu übernehmen, fügte jedoch auch Hinzu, daß ei dem Wunsche der jungen Dame einige nicht so leicht zu überwindende Schwierig­­­keiten entgegenießen dürften. „Schwierigkeiten — und welche denn?” fragte Fräulein Louise sehr verwundert. „Zunächst fehlt es an einem Damenpferde, gnädiges Fräulein!” ant­­­wortete Weilmann, „meine Pferde eignen sich nicht zum Anfangs-Unterricht für eine Dame !” „Louise Reuter wird bald über ein entsprechendes Thier zu verfügen haben!“ erwiderte die junge Dame mit einem Anfluge von Hochmut. „Sodann muß der erste Unterricht in einer geschloffenen Bahn statt­­­finden !“ fuhr der Lieutenant fort, ohne sich an die Augdrudaweite der jungen Dame zu stoßen, „und eine solche steht uns nicht zu Gebote!“ „Nicht — warum denn nicht?!” meinte Fräulein Louise piquiert, „die Frau Major Hat doch sehr oft in der Bahn des Regiments ge= titten — I” „“3 hat das auch viel böses Blut gemacht!” antwortete Weilmann, „außerdem war sie eben die Frau Major. Ich bin aber nicht der Major, sondern nur der Lieutenant Weilmann und Sie sind nit —!” Der Lieutenant brach verlegen werdend ab; er war in seinem Eifer zu weit gegangent. „Nun warum, sprechen Sie nicht aus,, mein Herr!” rief Louise hohne lachend, „ich bin nicht Ihre Frau —! werde es auch nie werden! Bah — ! das hat ja an mit meinem Reitunterricht nichts zu thun — !* „She Wunsch kann jedoch auf einem andern Wege leicht in Erfüllung gehen!“ sagte der Lieutenant, nachdem er sich zu fassen gesucht. „Sie reifen häufig zur Residenz. Nehmen Sie während Ihres Aufenthalts daselbst einige Stunden. Sind Sie sattelfest geworden, sol­­ls mich sehr glückich machen, Sie in der edlen Reitkunst weiterzubringen !” „Das ist mir zu weitläufig!” sagte Fräulein Lounse nach kurzem Bes­­­innen sehr fühl, „ich gedachte gleich zu Pferde zu steigen, um diese Kunst so en passant auf Spazierritten mit Ihnen fortzubekommen !” (Zortfegung folgt.) »

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