Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1896. November (Jahrgang 23, nr. 6959-6983)

1896-11-08 / nr. 6965

Wiion und Administration Heltauergasse 23. Selheint mit Ausnahme des auf Sonn- und Feiertage folgenden Wochentages täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 kr., vierteljährlich 2 fl. 50 Tr., Halb­ jährig 5 fl, ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung in’3 Haus, mit Zustellung 1 fl., 3 fl. 6 fl., 121. Abonnement mit Droftversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 Er., Halbjährig 7 fl., ganze jährig 14 fl. Für das Ausland: vierteljährig 7 RM. oder 10 Frc3., halbjährig 14 RM. oder 20 Be ganzjährig 28 Kar oder 68. Eine einzelne Nummer kostet 5 fr. d. %b. Unfraniirte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zuridaeiten: Wr 6965. AA. Jahrgang Siebenbürgisch-Deutsches , bl Hermannstadt, Sonntag 8. November « »­­ N­­­römumerciionen and Inferan woestteänen außer dem­ Hauptbureau, Heltauer» gafse Nr. 23: im Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresswandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz G. Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufman­t, Broos Paul, Batzoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein , Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Dannen­herz, Budapest A. V. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co., Hamburg Adolf Steiner, Karoly­n Liebmann. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzerle ‚tostet beim einmaligen Einraden 7 Er., Das z­weites war je 6 kr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­clusive: der Gtempelgebühr von je 30 kr. 1896 Brand see me ee scnsı een en .schluckte. Venes zur Bismark’fden Politik. Unter diesem Titel bringt die „Neue Freie Treffe“, offenbar von ders­­elben dem Fürsten Bismark nahestehenden Persönlichkeit, welche bereits in dem Wiener Blatte die Enthüllungen der „Hamburger Nachrichten” ergänzt hatte, folgende interessante Mitteilungen, „als neulich Horst Kohl in den „Hamburger Nachrichten” den Brief publizierte, den Fürst Bismarc seinerzeit in Bezug auf Behandlung Rußlands duch Deutschland an Kaiser Wilhelm I. aus Varzin gerichtet hatte, erhob die „Berliner Volfszeitung“ in einer Polemit gegen den Fürsten Bismard den schon oft widerlegten Vorwurf von neuem, daß Groß alle dem Fürst Bismard es ge­wesen sei, der die ruffische Verstimmung gegen Deutschland veranlagt habe, und zwar, indem er auf dem Berliner Kongresse zugegeben habe, daß Oesterreich die beiden türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina an­fi brachte. „Rußland,“ schrieb die „Volkszeitung“, „hatte troß des „Befreiungs­­krieges" das Nachsehen, während Oesterreich ohne weiter zwei Provinzen deshalb, warum ? Bismarc war nicht in der Lage, seinem Gegner Sortihalom ausreichende Gründe für dieses Maklergeschäft anzugeben.” Es soll dem Berliner Blatte seine Unkenntnis über diplomatische Vorgänge der Vergangenheit nicht zum Vorwurf gemacht werden, aber so viel kann jeder­­mann wissen, daß die Ossupation Bosniens und der Herzegowina duch Desterreich auf dem Reichstädter, beziehungsweise Diener oder Peter Ablommen beruhte, welches Rußland mit Desterreich vor Beginn des türkischen Krieges geschlossen hatte und doch welches die Ueberlassung jener beiden Provinzen an Desterreich-Ungarn als der Preis dafür festgestellt wurde, daß Desterreic- Ungarn bei dem xussischen Siege gegen die Türkei ruhig blieb. Diese Ab­­machung konnte selbstverständlich auf dem Berliner Kongresse nicht wieder umgestoßen werden, und es ist auch sein Versuch von russischer Seite nach dieser Richtung hin unternommen worden, Forderungen aber durchzugeben, für die Rußland selbst nicht fechten zu wollen erklärte, war Groß aller seiner raffenfreundlichen Haltung nicht die Aufgabe des Fürsten Bismarc und lag auch nicht im Interesse Deutschlands. Wir kommen auf diese Vorgänge nicht zurück, um längst Bekanntes zu erweitern oder auch nur zu affirmieren, aber wir entnehmen den Preßdiskussionen, die sich an die Enthülungen über den deutsch-russischen Neutralitätsvertrag geknüpft haben, die Ueberzeugung, daß es nach verschiedenen Seiten Hin nüßlich ist, die Geschichte und Vorgeschichte derartiger früherer Separat-Abformmen zwischen den drei K­aisermächten etwas mehr als bisher geschehen ist, zu ber leuchten, und zwar zunächst die des Vertrages von Reichstadt. Nach Infor­­mationen, die wir erhalten haben und an deren Authentizität sein Zweifel zulässig ist, erfahren wir darüber das Folgende : Ein Hoher russischer Diplomat äußerte Mitte der Siebziger-F Jahre, etwa zu der Zeit der nach Paris gerichteten Gotticharom’schen Versierung, Main­­tenant la paix est assurde, in einem Gespräche mit einem hohen deutschen Staatsmanne: Rußland sei unruhig, er habe zwanzig Jahre Frieden gehabt seine Armee verlange Besgäftigung, das Bedürfnis nach Orden und Avance­­ments erheiflte irgend­welche kriegerische Unternehmungen. Diese für den Diplomaten einer Großmacht im Höchsten Grade unklugen Eröffnungen fanden nichtöbertom weniger einige Zeit später überraschende Bestätigung von höchster russischer Seite. Fürst Bismard erhielt nach Barzin ein eigenhändiges Schreiben des damaligen Zar auf der Krim, worin die direkte Anfrage gestellt war, ob Deutschland ruhig beiben würde, wenn Rußland Oesterreich in Galizien attaquiere. Fürst Bismard an­twortete auf diesem Schreiben nicht, sondern Ihi­te er dem Kaiser Wilhelm ein mit einem entsprechenden Begleitschreiben, in dem es seiner Auffassung deutlichen und pflichtgemäßen Ausdruck gab. In­­zwischen lief bereits eine zweite xuffische Anfrage ein, die durch den damaligen deutschen Botschafter übermittelt wurde. Dieser Umstand veranlaßte den Fürsten Bismarc, nochmals an Kaiser Wilhelm zu schreiben und ihn zu bitten, den Botschafter abzuberufen, da derselbe offenbar zu friedensgefährlichen Maginationen mißbraucht werde. Der Erfolg dieser friedliebenden Haltung der deutschen P­olitik den ruffischen Zumutungen gegenüber bestand darin, daß der Angriff auf Defterreich unterblieb. Da aber das ruffische Bedürfnis nach Krieg fortbestand, wendete man sich in P­etersburg nunmehr an das bis dahin ohne sein Willen als Kriegegegner ins Auge gefaßte Defterreich und schloß mit diesem den Vertrag, auf Grund dessen das durch Deutschland von Desterreich abge­wehrte russische Kriegsmetter weiter östlich sich verzog und über der Türkei entlud. Rußland machte er bei dem damals mit Desterreich ge­­schlossenen Reichstächter Verträge zur Bedingung, daß derselbe vor Deutschland geheim gehalten werde, Oesterreich, Hat ihn jedoch nach Berlin mitgeteilt, nachdem er zu seiner Kenntis gelangt war, daß der früher geplante russische Einfall in Galizien doch die pflichtbewußte Treue verhütet war, die Deutschland den beiden­ befreundeten Kaiserreichen ertwiesen­ hatte. In Bezug auf die neuerlichen Mitteilungen von informierter Seite, mit denen wir die Angaben der „Hamburger Nachrichten“ über den deutsch­­russischen Neutralitätsvertrag ergänzen konnten, erfahren wir noch, daß Fürst Bismarc, als Graf Schumalom ihm die­ Bedenken seines Herrn mitteilte, das Abkommen mit Deutschland unter einem andern Reichskanzler Fortzufegen, den eufjischen Botschafter gebeten hat, dahin zu wirken, daß der Vertrag auch mit seinem Nachfolger erneuert werde. Daraufhin schrieb Graf Schumalow im Sinne des Fürsten Bismark nach Petersburg, und das Ergebnis war die Bereitwilligkeite-Erklärung Rublands, auch mit Caprivi abzuschließen, aus den neulich angegebenen Gründen. Wenn von deutscher Seite die Ablehnung des russischen Angebotes stattfand, so wird­ man die Gründe derselben vielleicht weniger in dem eigenen Ermessen des Grafen Caprivi als in persönlichen Ver­­stimmungen zu funden haben, die ss der öffentlichen Diskussion entziehen. Man verspricht ss in unterrichteten Kreisen von der Hamburg-Wiener Veröffentlichung Noten nach verschiedenen Richtungen ein.­­Zunächst kommt der Eindruck in Betracht, welchen die Publikation und ihre laute Besprechung in der europäischen Presse auf den Bar, der sehr viel Liest, machen muß. Sehnliches bleibt bezüglich des deutschen Kaisers abzuwarten. Wir hören, daß der Eindruck auf beiden Seiten ein starker gewesen ist, stärker vielleicht noch, als hier in Defterreich-Ungern. Man nimmt an, daß die Einwirkung eine günstige sein und zur Wiederannäherung der Kaisermächte führen wird. Speziell Defterreich-Ungarn sei, im Gegensuge zu leidenschaftlichen Forderungen und Ausbrüchen einzelner, zumal ungarischer Politiker und Publizisten, stets maß­­voll und konziliant in der Vertretung seiner­ Dreibundansprüche gewesen und werde dies unter dem Eindruck der europäischen Situation, wie sie jegt be­­stehe, auch­ ferner bleiben. Oesterreich-Ungarn sei auch fur seine eigenen In­­teressen genötigt, den Dreibund in voller Stärke aufrecht zu erhalten, und zwar womöglich unter Rückersicherung mit Rußland, so daß nur England und Frankreich, welches Ietere T einen Vertrag mit Rußland habe, „Draußen ständen." Denn wenn Deutschland in einem durch gegenteilige Haltung Oester­­reichs ermöglichten Kriege in die Pfanne gehauen würde, so wäre die daraus folgende europäische Situation für Oesterreich die denkbar ungünstigste, auf der einen Seite stünde Frankreich, gefrügt auf Italien, auf der andern Ruß­­land, gefrüßt auf den Orient, Oesterreich aber ohne sicheren Rückhalt zwischen beiden.“ Ueber den Eindruck, den die Enthüllungen aus Hamburg und Wien auf die Pariser Kreise gemacht haben, berichtet ein Pariser Brief einer politischen Persönlichkeit an eine Hervorragende deutsche Stelle wie folgt: „Die Wirkung ist eine für die französis­chen Interessen entschieden un­­günstige. Die Aeußerungen der Presse verraten dies allerdings nicht, wenigstens nicht auf den ersten Blick. Im Gegenteile, die meisten Blätter jubeln über den wie sie jagen, „selbstmörderischen Streich“, der Deutschland getroffen habe, und prophezeien den bevorstehenden Zusammenbruch des Dreibundes, sotwie andere für Frankreich angenehme Ereignisse. Aber ed kommt nicht vom Herzen, am wenigsten derjenigen Gruppe von Zeitungen, die über die­ Auffassungen de Duni d’Dorsay unterrichtet sind und bei denen der Eingeweihte zwischen den Beilen wohl einen leisen Verdruß wahrzunehmen vermag. Dieser Verdruß aber ist, wie mir neulich Graf... .. sagte, in den ministeriellen reifen nicht einmal sehr leise. Mean ist dort zweifellos unangenehm von der Thate faire berührt, daß der Vertrag zwischen Rußland und Deutschland noch 1890 registierte,­­ gab damals zwar noch keinerlei Abmachungen zwischen Paris und Petersburg, aber die Unterhandlungen, die bis dahin allerdings noch mehr von Mittel­personen, als amtlich geführt worden waren, hatten doc­h noch vor 1890 begonnen, und man glaubte in französischen Kreisen Grund zur An­­nahme zu haben, daß troß aller Reserve der russischen Staatsmänner Rußland für Frankreich optieren und dieses unterstügen würde, wenn es zum Striege mit Deutschland kommen sollte. Sicher aber war man davon überzeugt, daß die­ russische „wohlwollende Neutralität” in einem solchen Kriege für Frankreich und nicht für Deutschland stattfinden würde. Man sagt sich freilich, daß Ruß­­land damals noch­­ viel weniger als heute zu irgend einer Leistung für Franke­reich „verpflichtet” war, allein das helt die deprimierende Empfindung nicht auf, daß Rußland „verstectes Spiel” getrieben und si an die Vorauslegungen, auf rund welcher Frankreich sich ihm genähert hatte, nicht gekehrt habe. Namentlich aber wirkt verblüffend, daß Rußland auch noch nach dem N­ach­­tritte des Fürsten Bismarc bereit war, den bdeutschen Vertrag zu erneuern. Man glaubte französischerseits damals, also 1891, fon im Berge einiger Besiderungen zu sein, die einen­ deutscheruffischen Neutralitätsvertrag kaum zu­­ließen. Man fühlt ss infolge dessen auch ‚pro nune­­ißtrauisch gegen Rußland gestimmt und verbirgt es kaum. Besonders pessimistische Beurteiler glauben nunmehr, daß Rußland groß aller schönen Worte des Zaren Frank­­reich „auffigen“ Lasfen würde, falls es zum Kriege mit Deutschland käme. Das Urteil des Grafen... .­­ geht auf Grund seiner hiesigen Beobachtungen dahin, daß die Enthüllungen der „Hamburger Nachrichten” dem grassisch-fran­­zösischen Einvernehmen­ ein Ferment zugeführt haben, dessen Wirkung sich einst­­weilen nicht mit Sicherheit absrägen läßt, das aber jedenfalls nicht dazu bei»­tragen werde, die russisch-französische „Union“ zu stabilisieren.“ Politische Uebensicht. Hermannstadt, 7. November. Der Wahlkampf ist zu Ende. Aus sämtlichen 413 Bezirken des Landes liegt das Ergebnis der Wahlen vor; es wurden demnach bisher gewählt: 282 Liberale, 37 Anhänger der Nationalpartei, 10 Parteilose, 48 Anhänger der Kollum­-Fraktion, 7 Anhänger der Ugron-Fraktion und 20 der Volkspartei. In 7 Bezirken hat sich die Notwendigkeit einer Stichwahl ergeben. In einem Bezirke (in Barin, Komitat Trenedin) wurde die Wahl unterbrochen und in einem (Rimapers, Komitat Gömdr) muß wegen Stimmengleichheit eine Neu­­wahl vorgenommen werden. Die liberale Partei hat 82 Bezirke gewonnen, und zwar 24 von der Nationalpartei, 20 von den Parteilosen, 17 von der Kossuth-Fraktion und 21 von der Ugron-P­artei. Hingegen hat die Liberale Partei 17 Bezirke verloren, und zwar 3 an die Nationalpartei, 1 an die Parteilosen, 6 an die Kosjuth- Sraktion und 7 an die Bolfepartei. Der reine Gewinn der Liberalen Partei beträgt demnach 65 Wahlbezirke. Wie seit lange e3 nicht mehr der Fall gewesen, war diesmal der Wahl­­kampf in vielen Bezirken ein leidenschaftlicher, exregter, und oft auch ein blutiger.. Daß es nicht noch zu größeren Ausschreitungen gekommen ist, ist vielleicht dem großen Aufgebote von Militär zu banken, da, wie es heißt, 50.000 Mann zu diesem Bmwede „mobilisiert“ ge­wesen sein sollen, ungerechnet die Gendarmerie und die Ortspolizei. Ueber ein Drittel der Gewählten sind „neue“ Männer, welche größtenteils den reifen der mittleren oder niederen Verwaltungsdienstes wie: Vizegespane, Stuhlrichter, Gerichtsräte, Notar e­tc. angehören. Die mittleren Grundbesiger, oder wie man sie mit Vorliebe nach eng­­lischem Muster, die „Gentry“ nennt, treten auffallend in den Hintergrund, während das jüdische Element seine Vertretung im Neidhetage verstärkt hat. Mehrere unserer Minister, darunter auch der Finanzminister Qufacs befinden si in Wien, und Hatte der Iegtere mit seinem österreichischen Kollegen Bilinzki eine Besprechung über diejenigen Fragen, welche gegen­ Henilleten. Die junge Witwe Von Hans Wachenhusen. (10. Sortlegung.) Die junge Witwe, die ihm mit verhaltener Unruhe, vor sich nieder­­blidend, zugehört, schüttelte unmutig den Kopf und preßte das Taschentuch in der auf ihrem Schoß ruhenden­ Hand. „Verstehen Sie mich recht, Gräfin“, beeilte er sich fortzufahren, „ich glaube es mir ala Tugend anrechnen zu dürfen, daß nie, selbst wenn ich den Vorzug hatte, in Alban Abwesenheit vertraulich mit Ihnen am Kamin plaudern zu dürfen, ein Wort, ein Blid Ihnen mehr verraten, ala was ich Ihnen nicht verschwiegen, als Sie ihm noch kein Vorrecht eingeräumt. Selbst wenn er später Ihnen vorübergehend zürnte und mir, seinem intimsten Freunde, seine Unzufriedenheit aussprach, denn er war intolerant in manchen Dingen, führte ich das Wort für Sie, nannte ihn den Schuldigen, warf ihm ganz unmotivierte Eifersucht vor . . .* Mariminrad Fuß bewegte sich unruhig auf dem Heinen Holzschemel vor der Bank; Audorf sah es nicht, seine Augen ruhten nur auf der etwas lebhafteren Bewegung ihrer Brust, auf der die zarten Spiken sie hoben und senzten. Aber sch­weigend hörte sie ihn dennoch an: „Das Schicsal, gnädigste Gräfin, verschlug mich weit von Ihnen, als nach Alband Tode mein Herz fr mit fühnen Hoffnungen beschäftigte ; ich bot lange vergeblich alles auf, um wieder nach Europa verlegt zu erden. Es gelang mir endlich. Mit namenloser Freude vernahm ich hier, daß ich Ihnen so nahe, daß Sie die Einsamkeit vorgezogen, in welcher ich mir Sie, die überall bemunderte Weltdame, kaum vorzustellen vermochte. Ich sah Sie wieder und lebt . . .* Er wollte sich zu ihr beugen, suchte ihre Hand, aber mit bleicher Miene, abgewendeten Augen sprang sie ungestüm auf, b­at einen Schritt in­­ den Gartensteig und blickte zum hause hinüber hoch aufatmend,als wolle sie das Herz von einer Last befreien. „Man sucht nach mir !“­ sprach sie Halblaut, mit dem Zafchentuchi zum Hause wintend. „Sie verzeihen mir, Herr von Rudolf I!“ wandte sie sich zu ihm zurüc, der mit herabhängenden Händen beschämt vor der schlanken Gestalt der jungen Traun die Augen senkte. „Mein bescheidenes Dejeuner erwartet mich !“ Sich verbeugend, mit zusammengepreßten Lippen, schritt er­ neben ihr her. „Sie sprachen von meinem Sekt“, sagte sie mit müder Stimme, „und gerade fest, da ihre Mitteilung meine Gedanken zu meiner Mutter zurück­­geführt. Das erinnerte mich, daß ich eigentlich recht undankbar gegen die Arme gerwefen ! Sie hatte allerdings eine recht unglückliche Neigung für das Spiel, der sie selbst zuhause durch P­atience ihre Zeit widmet; sie war verlegt, zürnte, wenn ich ihre nicht überall folgen wollte, wohin sie diese Leidenschaft zog, aber ich kann ihr jegt nachfühlen. Auch sie war vereinsamt, als der Vater tot, und müde der gesellschaftlichen FYadaise suchte sie, eine geistreiche Frau, ihre eigene Herstreuung !* Neudorf Hatte kein Ohr für das, was sie sprach. Ex empfand in fr eine Rede, glaubte sich tief verlegt. Sie suchte ihn zu versühnen. „Ic dachte mir vorhin, wie jet seit dem Verlauf der väterlichen Güter alles aufhört, mach mich an meine Heimat, an Rußland noch gefesselt, für, daß ich eigentlich niemals große Anhänglichkeit ‚gehabt !” . »Alles?««vernahm sie mit eigentümlicher Betonung Rudorfs neben sich,der dabei den gesenkten Blick auf sie richtete. »Alles!«wiederholte sie fast klagend.»Es ist mein Schicksal,daß ich von allem,auch von meinem mir einst so lieben Paris losgelöst werden sollte.Auch hier giebt es so weni,was mich fesseln könnte;ich habe wirklich meinen Lebenskompaß verloren.«­­ »Umso mehr sollten Sie die Hand nicht verschm­ähen,die Ihrem schönem jungen Dasein die Richtung wiederzugeben bereitl« Maximinia schien auch das nicht zu hören,denn sie ldste eben eine kleine,weiße Blüte von dem niederhängenden Zweig eines Faulbaums und heftete diese an die Brust. Audorf sah ein, daß er zu Ende. Er geleitete sie schweigend bis zu der Glashalle der Billa, wo ihr das Kind, sie er­wartend, entgegenkam. Hier füßte er mit tiefem Exnft ihre Hand und entfernte si sichtbar unzufrieden, nachdem sie ihn mit einem begütigenden Lächeln entlassen und ihn auf­­gefordert, seinen Besuch zu wiederholen; sie wolle inzwischen selbst über ihr Shidjal und ihre Lebensrichtung nachdenken. In den festeren Worten lag allerdings etwas, das ihn noch zu einiger Hoffnung ermutigen konnte, aber er war verstimmt, seine Eitelkeit tief verlegt. „Daß ich selbst auch diese Botschaft überbringen mußte !” Enirfchte er, als er das Koupee bestiegen, das vor der Billa seiner gewartet. „Aber heute mußte er geschehen, denn ich erwarte täglich die Ordre, wieder als diplo­­matischer Laufbursche meiner Sprachkenntnisse wegen auf lange Reifen geschict zu werden .. . Mein Spiel ist hier verloren; ich durfte sie Heute nicht mißverstehen ; aber die Genugthuung dafür winkt mir bereits ! Ich sehe schon das unheimliche Gespenst von damals si aus dem von dunklem Schleier überdecten Grabe erheben ! Doch mich berechtigt nichts, durch Zudringlichkeit mich in das zu milden, was mir die traurigste Prädestination erscheint. Schon ihre Klage, aber der ihre Leidenschaft verirrte Mutter sprach mir in Baris glei nach Albans Tode in ihrer Abwesenheit mit so eigentümlich forschenden Blic von diesem Buronssi! ... , Aber zu was das alles noch!” Er warf si zurück in den Wagen. „Ich m weiß leider nur zu gewiß, daß selbst die meiteste Ferne nicht im Stande sein wird, mich von dieser meiner Leidenschaft zu Heilen, selbst wenn ich nimmer diesen heutigen Morgen vergesse, an welchem sie mir so unzweideutig gezeigt, daß sie nichts für mich empfindet! Also Leon Kurowaki! Sein Kinn fant in dem geschlossenen K­oupee auf seine Brust. „Ich hätte ihm begegnen künnen in Petersburg, aber ich hatte Ursache, ihn zu vermeiden; meines Namens erinnert er sich vieleicht gar nicht mehr, er, der sei über ein so enormes Vermögen zu gebieten haben sol . . .“ Rudorf erreichte die Stadt und trat mit der glattesten Miene in die Bureau, Räume des Auswärtigen Amtes, um zu erfahren, was über seine demnächste Sendung oder Verwendung bestimmt worden. (Borifegung folgt.) L »

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