Katolikus főgimnázium, Temesvár, 1855

Der Mensch gehört, wie es die Wissenschaft nachweist, zwei ganz verschiedenen Klassen der Dinge an, nämlich dem Reiche der Körperwelt, und dem der Geister. Sein eigentliches Wesen, seine ursprüngliche Einrichtung und Bestimmung ist die eines Vernunftwesens, eines Geistes; denn er ist, wie wir später ausser allen Zweifel setzen werden, mit Vernunft und Freiheit, also mit einer geistigen Macht begabt, und zu einem geistigen Leben, zur Erkenntniss der Wahrheit, wie auch zur sittlich­religiösen Vollkommenheit berufen. Die Wissenschaft stellt sich zur Aufgabe, das sinnlichgeistige Leben des Menschen, so wie er es auf dieser irdischen Laufbahn bethätigt, zu erforschen und ins Licht zu setzen. Diese Wissenschaft sollte eigentlich Geisteslehre heissen; da man aber einen Unterschied macht zwischen Geist und Seele, und mit dem Ausdruck Geist blos das Vernunftwesen bezeichnet, unter Seele aber im weiteren Sinne nicht nur das reine Vernunftwesen, sondern auch die thierische Lebenskraft versteht, so ist es gebräuchlich geworden, die wissenschaftliche Abhandlung vom sinnlichgeistigen Leben Seelenlehre, griechisch Psychologie zu nennen. Es ist viel schwieriger die Eigenschaften des Geistes zu erforschen, als die des Körpers, schon aus dem einfachen Grunde, weil ein geistiges, mithin übersinn­liches Wesen der sinnlichen Wahrnehmung nicht unterliegt. In dieser Hinsicht steht die Seelenlehre der Naturwissenschaft weit nach. Um von der Beschaffenheit eines körperlichen Organs, zum Beispiel eines Nerven, eine genaue Kenntniss zu erlangen, kann die Anatomie dasselbe wirklich zergliedern, die Körpertheile, welche seine Beschaffenheit verdecken, gänzlich lostrennen, und das Organ in seiner Blösse, in seiner Gliederung darstellen, ein Verfahren, welches in der Psychologie nicht statt­findet. Ueberhaupt lassen sich die Seelenzustände nicht so, wie die Gegenstände der Anatomie, Chemie, Naturgeschichte, real zergliedern, sondern nur ideal, das heisst nur durch eine Denkhandlung von einander absondern, also nur im Gedanken zer­gliedern, mit einem Worte, es lassen sich nur unterscheiden. Die Wissenschaft besitzt dennoch eine auf unläugbare Thatsachen gegründete Kenntniss von unserem geistigen Leben. Zur Bestätigung dieser Aussage wollen wir eine kurze Erklärung der Thatsachen voranschicken. Alle Dinge äussern ihr Dasein durch ein Wirken, durch eine That, wodurch sie sich zu erkennen geben: so zeigt das Brennen das Dasein des Feuers an. Eben deswegen, weil das Daseinde wirkt, heisst es das Wirkliche, und weil es sich durch

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