Temesvarer Zeitung, September 1926 (Jahrgang 76, nr. 197-221)

1926-09-01 / nr. 197

1"“ Mittwoch ­ Spanien fördert energisch seinen ständigen Ratsit im Völkerbund. Genf, 31. August. Die zur Neuorganisierung des Völkerbundrates entsendete­ Separatkommission trat unter dem Borsige des Schweizers Motta zu ihrer zweiten Situng zusammen. Die Kommission besteht infolge des Austrittes Brasiliens aus dem Völkerbunde statt aus 15 blos aus 14 Mitgliedern. In der Eröffnungsfigung der zweiten Session sprach der Delegierte Spaniens, Kalacios im Namen des Königs von Spanien dessen Wunsch aus, daß die Untersuchungskommission in ihrer jenigen Sitzung das Gesuch Spaniens um einen ständigen Ratsiß zur Entsceidung bringe und die Erle­­digung dieser Frage nicht bis zu einem unbe­­smmten eitpunkt hina­usspiebe, u Beitp 4.15. h sc. Versuchter Pogrom in Paris. Aus Paris wird gemeldet: Im allgemeinen kennt der Franzose keinerlei Rafferantagonismus. Die Nation erachtet sich stark genug, alle­ fremden Rassen in sich aufzusaugen. Man kann darum Neger,­­Japaner, Chinesen, Inder ungehindert in der Seine­­stadt sehen.. In den Vorstädten gibt es Schwarze als Arbeiter; sie promenieren abends mit weißen Mädchen, die es für keine Schmach halten, sich öf­­fentlich mit ihren dunklen Liebsten zu zeigen. Viel weniger nur ist Haß gegen Juden be­­kannt, wenn man von der kleinen royalistischen Heß­­gruppe um Leon Daudet, dem Chef der Action Francaise, absieht. Um so schwerer ist ein Vorfall zu werten, der sich verflossenen Montag auf dem Boule­­vard Belleville abspielte, allerdings auch unter dem Druck der gewaltigen Aufregungen der­­ jüngsten Zeit, die noch von Hetzern unverantwortlicher Art ge­­schürt worden waren. Asa. Abends gegen 10 Uhr frachte auf be­sagtem Boulevard ein Schuß — und ein Mensch suchte hastig das Weite. Passanten verfolgten ihn, Polizeiagenten hielten ihn an. Er erklärte, Jan­­ferein zu heißen und Trödler zu sein. Den Schuß habe ein Fremder in seiner nächsten Nähe abgegeben und er sei geflohen, ohne sich von der Person des Webeltäters überzeugen zu können. Inzwischen hatte sich an der Ecle der Orionstraße eine erregte Menge gehäuft, die den Fall eifrig dis­­futierte. Ein paar Stänkerer sprengten das Gerücht aus, ein Jude hätte auf hahnlose Passanten­ aus unbekannten Gründen geschossen und einige verlegt. Eine Gruppe junger N­ationalisten sammelte sich nan, um „es­­ den Juden heimzuzahlen“, wie sie riefen. Das Cafe Bernard, dessen Inhaberin Frau Bernard, eine geborene Silberstein ist, wurde ihr „erstes Opfer“. Die „erwachenden Fran­­zosen“ richteten das in der Rionstraße liegende Lokal furchtbar zu, verprügelten alle Gäste darin, die sie für Juden hielten, und praktizierten die gleiche Methode noch an zwei anderen Gasthäusern. Erst gegen Mitternacht gelang es einem starken Polizeiaufgebot, Ruhe zu schaffen. Der Polizeikom­­missär­ des Bezirkes Foly Meri­our ordnete eine strenge Untersuchung dieses offenbar auf fremde Ein­­flüsse zurückgehenden Falles an. AAK Wer wird Oberbürgermeister Budapest? Budapest, 31. August. Um den Posten des Oberbürgermeisters hat sich ein heftiger Kampf ent­­sponnen. Der demokratische Blod wünscht den frühes­ten Bürgermeister Dr. Stefan Bärczy, die Wolfspartei den gegenwärtigen Bürgermeister Dr. Lipoicz zu wählen, während­ der Kandidat der Regierung Dr. Franz R­ip­ka ist. AA Die Fusion der Zaranisten mit der Nationalpartei wieder aufgeschoben Bukarest, 31. August. Wie bekannt, sollte die Frage, ob die Fusion zwischen den Zarami­­sten und der Nationalpartei zustande» komme, spätestens bis morgen endgültig entschieden “werden. Die Zaranisten hatten sogar vor nicht all­­zu langer Zeit beschlossen, unter keinen Umständen mehr sich auf einen weiteren Aufschub einzulassen. Nun wird heute von der Zaranistenpartei ver­­lautbart, daß wegen der bevorstehenden Ersaßwahlen in das Parlament, die Entsceidung über­ diese Frage im gemeinsamen­ Einvernehmen auf die zweite Hälfte des Monates September verlegt worden sei. ae 28­­ “ ar AAR von 4 „Temesvarer­ Zeitung“ (Seite 2) - 4 Deutschland — die Brücke nach Sotw- Rondon, 31. August. Die Presse schreibt über die Aufnahme Deutschlands in den Völ­­kerbund in optimitischem Tone. Man nimmt es für sicher an, dag die Aufnahme in der zweiten Woche im September „Westminster unbedingt erfolgen wird. Gazette“ hält es für un­wahr­­scheinlich, daß Poincaré zur Erschwerung der Aufnahme Deutschlands seinen Einfluß geltend machen wird. Die Vorbedingung der Sanierung Frankreichs ist das Herstellen des Gleichgewichtes in der politischen Situation. Die größte Bedeutung des Eintrittes Deutschlands liegt allenfalls darin, daß es innerhalb den Rahmen des Völkerbundes den lange ersehnten Zusammenhang zwischen den westeuro­­päischen Mächten und Sowjetrußland herstellt. DEE a 1. September 1926. "­ : mm­enmwei Tageskalender: Mittwoch, den 1. September. Kat­holiken: Aegidius. RENT­ER Dwun­­­­.­rth-Rumänen: ymeon. --Is­raeliten: 23. Elul, — Sonnenaufgang 5 Uhr 20 Minuten. -­­gang 6 Uhr 39 Minuten. — Die Amerikareise der Königin Marie. Aus Bukarest wird gemeldet: Es wurde nunmehr end­­gültig festgelegt, daß Ihre Majestät Königin Marie ihre Amerikareise im Laufe­ des Monates Oktober antreten werde. — Zum Temes­varer Landes - Advokatenkon­­greß. Das Vorbereitungskomitee verständigt die g. € 1, daß die Excursion an die untere Do­­nau, von Bazias bis Tumwn-Severin am 7. Septem­ber i. J. mit dem großen Salonschiff „Tegetthof“ vor sich geben wird, zu welchen Ausflug auch das große Publikum hiemit Höfl­ geladen ist.Teilnehmer­­karten sind bis Montag, den 6. September im Wartesaal 1. Klasse des Josefstädter Bahnh­ofes, oder in der Advokatenkammer - Kanzlei für 460 Lei zu haben, in welcher Summe die Verpflegung am Schiffe nicht eingerechnet ist. Für Unterhaltung am Schiffe ist gesorgt. Abfahrt vom Temesvar = Josef­­städter Bahnhof am Zen 9, oden, 7. September Komitee die Bei dieser Gelegenheit ersucht­e. Hauseigentümer anläßlich des Kongresses, dals Zeichen unserer altbewährten Gastfreundschaft die Häuser am 4., 5. und 6. September gef. beflaggen zu wollen. — Radtransport­ der Wiener Kinder. Die Zug­­­garnitur für den Radtransport der Wiener Kin­­der trifft am Donnerstag, den 9. September in Te­­mesvar ein­ Freitag, den 10. September beginnt das Sammeln der Kinder und deren Einholung. Sonn­­tag, den 12. September um 148 Uhr früh Abfahrt nach Wien. Die Pflegeeltern werden gebeten, die Kinder rechtzeitig stellig zu machen. Arpad Rosenfeld, U Johan Lissek, Kaufmann mit Elisabeth Lammert. Josef senbahnschlosser, mit Fiene Großmayer, Stefan Utmacher, mit Etelka Fiala, Josef Kerich, Tischler, mit Jese Neißer, Johann Gallo, Drechsler mit Agnete = , Adolf Schott, Kaufmann mit Veronika Lens, Dr. Alex. Horvath, doofat, mit Julianna Kovacs, Paul Bodo, Ser: mit Veronika Kovacs. Johann Kastner, Buchhalter mit Maria Was. Vladislav Konstantinovic, Musikant mit Sara Konstantinovic. . Josef Eichert, Eisenbahner mit Rosalie Emm­et. — Das tägliche Eiferbahnunglad in Frank­­reich. Wie aus Lyon gemeldet wird, ist nächst der Station Vernais der Schnellzug ent­gleist. Einige Waggone wurden zertrümmert. Bisher wurden 10 Schwerverletze geborgen. Der Lokomotivführer und die beiden Heizer sind um­­gekommen. — Eine Million Lei geraubt. Aus Târgul Mu­­reș wird ein sensationeller Bankeinbruch gemeldet: In der Nacht von Samstag auf Sonntag haben unbe­­kannte Täter das Kaffenlokal der Marospafarhelyer Agrarsparkassa erbrochen, die große Kaffe mittels Nachschlüssels geöffnet und aus derselben rund eine Million Lei entwendet.­­­ Das Polizeigericht hat am heutigen Tage folgende Urteile gebracht: Jakob Schwarz, Mietkutscher wurde, da er seine Pferde ohne Aufsicht ließ, zu 200 Lei Geldstrafe; der Mehalaer Musikant Georg D­i­d­o­dv­i­t 3 wegen Provozie­­ra­es öffentlichen Skandals auf der Straße zu 200 Lei; der Ronatzer Einwohner Johann T­a­k­a­c 3 wegen Richt: zu 200 ei; der Chauffeur Karl S­t­r­o­b­l wegen Freibadens in der Bega zu MO Lei und die Taglöhnerin Veronika B­o­t­h­­, da­ sie ihre kranke Nabe­ln behandeln ließ, ebenfalls zu 200 Lei Geldstrafe erurteilt.­­ — Ein hervorragender serbischer Priester. Der gewesene Temeswarer serbische Katechet Nikanor Silavica, der gegenwärtig Pfarrer in Omoldovan ist, hat sich um die serbische Pfarre in Mingo, Youngston, Amerika, beworben. Er hätte dort 800 Dollar Monatsgehalt gehabt: 200 Dollar als Pfarrer, 200 als­ Katechet und 400 Dollar für die Konstituierung und Leitung eines serbischen sik­­und Gesangschores, zumal Szavics ein vorzüglichen Sänger und Musiker ist und auch zahlreiche eigene Kompositionen aufweisen kann. Die Amerikaner wähl­­ten ihn mit großer Begeisterung zum Pfarrer und ent­­sandten auch kürzlich eine Deputation nach Euro, zum serbischen Patriarchen in Karlowitz, damit Nika­­­nor Szavics je eher in ihre Mitte kommen könne. In der serbischen Kirche herrscht jedoch gegenwärtig, wie­­ auch in den übrigen, ein empfindlicher Brieftermangel, insbesondere bei der serbischen Kirche in Rumänien. Das kirchliche Ordinariat ließ deshalb den Priester nicht nach Amerika fahren. Mittlerweile wurde Spas vics, da man seine früheren Dienste als Klostervorstand in Zardapentgyörgy hoch­ einzuschoßen weiß, von De­moldova­ zum Vorstand des Blaticzaer Klosters disponiert. Seine Gläubigen in Omol- Dova, bei denen er äußerst beliebt ist und aus deren Mitte er seit seinem dortigen Wirken einen erstklassi­­gen Gesangschor organisierte, legten sich jeßt aber ins­­Mittel und trugen kompetenten Ortes, die Bitte vor, daß ihnen ihr beliebter, agiler Seelsorger nicht weg­­genommen werde. Bischöflicher Vikar, Archimandrib. Dr. Stefan Nikolics, konnte sich der Bitte der Gläubigen gegenüber nicht verschließen und beließ deshalb den Pfarrer Nikanor Szavics in Omoldova,­­­ Beby Betegh und der Universitätsprofessor aus Finnland. Ueber die gewesene Primadonna. Beby Betegh des Ensembles des Direktors­­ Michael Fekete kommen aus Budapest interessante Nachrichten. Ein Regisseur des Lustspieltheaters vore­­­handelte mit ihr wegen Engagement, ferner wollte sie auch ein Berliner Filmunternehmen gewinnen. Inzwi­­schen ist der­ Gedanke eines ungarischen Films aufge­­taucht. Man beabsichtigt Jokais „Goldmensch“ zu­ verfilmen und hat Beby Betegh für die Rolle der Noemi ausersehen. Die Künstlerin war gerne bereit die Rolle zu übernehmen, doch stürzte ein anderer­ Glüh auf sie herein. Der Helsingforter Universitäts­­professor Oswald Y­e­rv­en, der bekannte Kriminal­­soziolog, der zu Studienzwecken in Budapest weilte , sah die Künstlerin und verliebte sich in sie auf den ersten Blik. Der 45jährige, kräftige Mann trat ohne­­ viel Federlesen­ an Beby Betegh mit einem Heirats­­­antrag h­eran. Die Primadonna gab tags daa­rauf die Antwort: sie ist im die Bühne verliebt aufe nicht lbesagen. Sie­­ erklärte Journals gegenüber, sie will auch in Budapest nicht länger blei­­ben, denn sie sehnt sich nach ihrer engeren Heimatb, nach Siebenbürgen zurück. Siebenbhtigen läßt sie nicht in fremde Landen ziehen... ; — Schwarzkünstler betölpeln die Passagiere der“ 4. Waggonsk­lasse. Die 4. Waggonklasse, in welcher man­ nur die Hälfte der Fahrkarten der 3. Klasse zu bezah­­len hat, hat sich trog ihres kurzen Bestandes bereits­ eingebürgert und sind deren Waggons — die früherem­ Güterwaggone — von der ärmeren Klasse der Bevöl­­kerung stets gut besucht. Nun haben pfiffige Schwarz­­künstler den Umstand, daß in der 4. Klasse fast aus­­schließlich einfache, schüchterne Leute fahren für ihre­ Zwecken, für geeignet gehalten, um denselben ent­­sprechend auszumüsen. Eine neue Beschäftigung rief­ die 4. Waggonklasse ins Leben, und zwar eine dem Anscheine nach recht einträgliche und leichte Beschäf­­­tigung. So fährt zum Beispiel auch auf der Temes­­var-Arader Straße ein Mann regel­mäßig hin und her. Er reist nur 4. Klasse und zettelt er mit den übrigen Passagieren ein untertpegs- Gespräch­­an, dann nimmt er auf einmal einige Spielkarten­ vor. Er legt den Leuten drei oder vier rote Karten: gene nimmt sie wieder in die Hand und vor sich hin- und, bar, berschwängend, behauptet er, daß die Karten wieder niedergelegt, schwarze Figuren zeigen. Wenn er es für will nämlich. — Unmöglich, unmöglich! und Bäuerinnen von allen Seiten. — rufen die Bauer" ! —­ch wette aber! — behauptet der Mann und legt eine Hundertleinote nieder. Hundert, zweihundert Lei werden auch von diesem­­ und jenem Passagier niedergelegt. Man dreht die Karten um: richtig, sie sind schwarz. Den Leuten gefällt außergewöhnlich die Sache, sie wollen es aber nicht recht glauben, daß die Sache dem Manne noch zum zweiten oder dritten Male ähnlich­ gelingen würde.­­ Abermals und auch zum dritten Male wird ge­­wettet. Und die Leute, wenn sie nachhause kommen, wissen begeistert davon zu erzählen, welch unglaubliche Dinge mit ihnen im Eisenbahnzug passiert sind, denken jedoch nicht daran, daß ihnen die 4. Klasse, die sie aus­ Sparsamkeit bewüßten, wohl teuer zu stehen kam... Der „Scwarzkünstler“ aber legt auf dieser bei jeder einzelnen Fahrt einen gemütlich und schnellver­­dienten Hunderter auf den anderen. Er verdient zu­­mindest 1000 Lei, bei solch einer Fahrt in der 4. Klasse und eben so viel bei der Heimreife... Ein ganz be­­neidenwertes Geschäft. ** Verputsand, in verschiedenen Farben, bei Jk­a Elisabethstadt, Str. Virgil Onitiu (Josikagasse) Nr. 7. Telephon 20-17. 9 einhaltung Hundesperre . „Fann “

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