Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-07-15 / nr. 55

238 Vielleicht, verseßte der Freund, weil ich wünsche, daß sie diese wohlthätige Macht überall und immer bewähre. Aber das werden Sie den Advocaten der Magyarisirung am Ende doch einräumen müs­­sen = ein Grund der Zerwürfniß der verschiedenen Nationen Siebenbürgens fällt wenigstens weg , so­­bald diese alle in eine einzige magyarische verschmel­­zen. Am Ende ist schon eine Verminderung der Ursachen , die uns hier im Lande entzweien, wün­­schenswerth. Ein Grund, sagte ich, fällt weg ? welcher denn ? Doch wohl kein anderer, antwortete der Freund, als die kleinliche Eifersucht der verschiedenen Natio­­nalsprachen im Vaterlande auf­einander. Das heißt, sagte ich lächelnd, eine Fliege fliegt vom beladenen Heuwagen fort, und rühmt sich den Pferden die Last erleichtert zu haben. Warum lachen Sie mein Lieber? Ich scherze nicht, indem ich Sie an die alte Fabel erinnere , mehr als Sie glauben, paßt sie zu der Sache. Unter allen möglichen Grün­­den, welche die Völkerschaften Siebenbürgens seit Jahrhunderten entfremdet haben , hat die Eifersucht auf ihre Sprachen kaum jemals das Gewicht einer Fliege gehabt. Man redete und schrieb , wie jedem der Schnabel gewachsen war, und wers noth hatte, der bequemte sich zu des Nachbars Sprache eben so bereitwillig, und schnell, um mit ihm vertraulich zu rofen, als um mit ihm ausgiebig zu hadern. Seit das Vaterland seine Geschichte hat, ist dieses Verhältniß dagewesen, allein die uralte Vielzüngig­­keit seiner Bewohner hat ihren Frieden und Un­­frieden weder gemehrt noch gemindert. Steigert aber den Unfrieden der Gegenwart — unterbrach mich, mein Freund. Und das zwar, erwiderte ich, bis zu jener eis­sigen­ Höhe, wo der Herzschlag stoht und die Ge­­fühle erhalten: Wundern wir uns nicht darüber. Zu den natürlichen Interessen und Gegensäßen, welche seither die Bezüge der Nationen in Sieben­­bürgen oft feindselig gemacht haben, hat unsere Zeit ein künstliches Interesse gesellt, und diesem, wie sie nun einmal gern das maßlose liebt, einen so überschwenglichen Werth zuerkannt, daß neben ihm alle übrigen Interessen in den Schatten zurück­­treten, und die dafür Begeisterten alles Ernstes meinen, sei nur erst dieses Ziel ganz erreicht, so werde sich jeder andere Zwiespalt von selbst friedlich lösen. Sie meinen, verseßte der Freund, das Interesse der Spracheinheit oder der allgemeinen Magyarisirung des Landes. Wie können sie dieses aber ein künst­­liches nennen ? Schon deswegen , erwiderte ich , weil mir wohl die selbstbewußte Achtung und Liebe der eignen Sprache und Nationalität, nicht aber die Verach­­tung der fremden und die Tendenz sie zu vernichten in dem natürlichen Wege einer gesunden geistigen Entwickelung zu liegen scheint. Nicht die Unduld­­samkeit, sondern die Duldsamkeit bezeichnet die edlere Natur. Homo sum — Sie kennen ja den tief­­sinnigen Ausspruch des Terenz. Sie mögen Recht haben , sagte mein Freund. Allein was wollen Sie damit ? Was ich will? erwiderte ich. Was anders als trösten und belehren ? Glauben Sie, daß dieses neue, auf den gesunden Boden des Volksgeistes künstlich gepflanzte und künstlich gepflegte Interesse lange andauern kann ? Auf dem Wege der Ueberzeugung wird es bald auf das rechte Maß zurücgeführt werden, oder an dem Naturgeseße der Unausführ­­barkeit dessen , was widernatürlich ist , scheitern. Und dann ? -- unterbrachy mich der Freund. Und dann­­— fuhr ich fort — lachen Sie oder nicht, ist die wahre Eintracht der Völkerschaften des Vaterlandes vielleicht nicht mehr weit. Wie­­ in dem Augenblicke nicht mehr weit, unterbrach mich der Freund, wo die feßte Medicin weggeworfen wird ? Gerade deswegen erwiderte ich, denn diese leßte Arznei ist die schlimmste von allen, weil sie die Natur unterdrücke. Ohne Bild , mein Lieder , Uns Siebenbürgern thun tausend andere Dinge mehr noth, als die Gleichheit der Sprache. Ob wir un­­sere Armuth und den niedrigen Stand unserer In­­dustrie und unserer Bildung alle in ächtem Magya­­risch oder in drei Sprachen ausreden und ausschrei­­ben, es wird darum mit uns nicht besser. So lange sich aber dieses unselige Sprachenvorurtheil zwischen uns und unsere gesellschaftlichen Zustände drängt ist unsere Beurtheilung derselben immer verwirrt und getrübt. Lassen sie erst diese Wolfe, die jept vor dem geistigen Auge steht, verschwinden, und wir werden es einsehen , daß die Ursachen unserer Zerwürfnisse da nicht liegen, wo wir sie jeßt suchen, und andere Heilmittel suchen. Und nun , mein Lie­­ber, bin im in Ihren Augen noch immer ein He»­rostrat , weil im den Leuten alte Geschichten er­­zähle? +5. ; Wenn diese uns die wahren Ursachen des Zwie-

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