Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-09-27 / nr. 76

« 323 Aus dem Tagebuche eines Journalisten. (Sortfegung.) Was der Verf. zur Vertheidigung seiner Ansicht bemerkt hat, scheint uns­­ von geringem Belange zu sein. . „Die österreichischen Staaten, sagt er S. 45 , „sind ein Aggregat der verschiedensten Na­­tionalitäten , die Kraft eines solchen Körpers beruht nicht auf der Nivellation , und als ein mächtiges­ Genie diese Richtung einst­ verfolgte, brachte es nur gewaltige Erschütterungen hervor. Und­ hierin liegt der Schlüssel , warum unsere Nationalität in 300 Jahren nicht vernichtet ward, hierin die Bürgschaft, warum sie auch in Zukunft nicht vernichtet werden wird, wenn wir uns auch mit den österreichischen Staaten in einen Zollverband vereinigen ; denn diese Verbindung wird keine nationale Grundlage haben, wie die des deutschen Zollvereins ; diese Verbindung wird eine Nationaleinheit weder bezweien noch ver­­mitteln, wie der deutsche Zollverein sie bezweckt und vermittelt.“ Wir wollen hier nicht­ fragen, ob ein österrei­­chischer Zollverein nicht auch jene edlere National­­einheit , deren Wesen wir oben angedeutet, ver­­mitteln und bezwecken werde, und ob eine solche Verschmelzung der particulären Interessen der ver­­schiedenen Nationen des Kaiser­staates in ein Ge­­sammeinteresse und die dadurch vermittelte Aus­­gleichung und gegenseitige Duldung nationaler Ge­­gensäße von denjenigen gewünscht werden könne, welche gewohnt sind das Interesse der magyarischen Nationalität überall in die Mitte zu stellen. Wir räumen sogar ein, daß ein österreichischer Zollverein, weil er Völkerschaften verschiedener Abkunft und Sprache zu einem Ganzen vereinigte , nicht in dem­­selben Sinne eine nationale Grundlage habe , als der deutsche. Allein wir begreifen nicht, wie der Verf. hieraus das folgern konnte , was er gefolgert hat. Treten die Magyaren nicht auch durch den öster­­reichischen Zollverein mit nichtmagyarischen Völker­­schaften in einen zollfreien Verkehr, kommen sie da­­durch aber nicht auch mit slavischen und deutschen Stämmen , also gerade mit den Elementen, welche im Inlande der Magyarisirung Ungarns im Wege stehen, in eine vermehrte Wechselwirkung ? Und wenn diesen auch Tendenzen der Ausbreitung ihrer eignen Nationalität auf Kosten der magyarischen fremd sind, wird nicht die freiere Berührung der Deutschen und Slawen in Ungarn mit ihren Stam­­mesgenossen jene nationalen Sympathien , welche ihre Magyarisirung erschweren, verstärken ? Nicht das gleiche Bestreben der nichtmagyarischen Nationen ihre eigne Nationalität­ und Sprache über die von der Natur gezogenen Grenzen hinaus auszubreiten, son­­dern die natürliche Schwerkraft jeder Nationalität ist das Hinderniß , welches der Magyarismus zu überwinden hat, eine Schwerkraft, deren Gewicht jede Berührung mit verwandten Elementen nur vermehren kann. So ist denn auch unser Verf, den Schwierig­­keiten und Widersprüchen nicht entgangen, in welche das Princip der­ Magyarisirung Ungarns , sobald es angewandt und mit den übrigen Interessen des Landes in Einklang gebracht werden soll, seine An­­hänger nothwendig verwickelt. Sie fühlen es, daß die Industrie und der Handel des Vaterlandes eines kräftigen Aufschwunges und einer freiern Bewegung bedürfen , sie sehen es, daß Ungarn durch seine geographische Lage dazu berufen ist, an dem euro­­päischen Verkehre , welchen die es durchströmende Donau vermittelt, ehätigen Antheil zu nehmen. Dabei fühlen sie es aber auch, daß Industrie und Kandel des Vaterlandes gegenwärtig meist in den Händen der Nichtmagyaren sich befinden, und daß Hebung und Freigebung derselben zunächst eine Ber­­stärkung der nichtmagyarischen Bevölkerungselemente und eine vermehrte Reaction gegen die von ihnen beabsichtigte Abforberung derselben in die magyarische Nationalität und Sprache zur unmittelbaren Folge haben werde. Tin dem Interesse der Nationalität fordern sie Schußzölle gegen die deutschen Zollver­­einsstaaten in dem Interesse des eignen Nationals wohlstandes zollfreien Verkehr mit Oesterreich und täuschen sich selbst, indem sie dem deutschen Zollvereine germanisirende Tendenzen unterlegen, während sie die wahre Gefahr, die jeder Verkehr mit andern Nationen der Magyarisirung dadurch bringen muß, daß er das Interesse der eignen Na­­tionalität in seine naturgemäßen Grenzen zurück­­weist , dabei übersehen. 4. „„Die Anhänglichkeit an die Muttersprache liegt keineswegs in unserm Wesen , sondern sie ist eine Frucht der Erziehung, der Gewohnheit, der spätern Ueberzeugung , und häufig auch der Eitelkeit.“ Wort für­ Wort lese ich diese und einige andere Behauptungen, von denen später die Rede sein soll, in einer zu Leipzig­ erschienenen Apologie der Be­­strebungen des Ultramagyarismus. Je paradoxer sie sind, desto mehr verdienen sie es glossirt zu wer­­den. Ich will es versuchen, jede

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