Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-10-18 / nr. 82

SNN 346 daß eben in dieser Union die Erklärung geseßlich be­­gründet ist, daß überall, wo im siebenbürgischen Staatsrecht von „po­tior nphilitas“ die Rede ist , die Sachsen mit inbegriffen sind ; denn in einer „F­raterna Unio“ unter Brüdern gibt es bekanntlich nach Natur - und positiven Geseßen bein Unterschied an Adel und Ansprüchen auf Rechte und Würden. Konnten die Mauern der Sachsen Schuß und Sicherheit gewähren , so waren sie, die Sachsen, nicht minder tüchtige, suchenswerthe Kampfgenossen in offner Feldschlacht, nicht nur durch ihren Muth, der sie mehrmals um die Ehre des ersten Angriffs bitten hieß, sondern auch durch ihre Kriegskunst ; und so danken sie den Besiß ihres Landes auch ihrem guten Schwerte. Eine noch im Hermannstädter Archiv vorhandene Handschrift v. J. 1460 „die Kunst der Archelei „“ überschrieben, zeigt in der Abbildung aller Arten von Feuergewehren und den mathematischen Berechnungen ihrer Wirkungen , daß den Sachsen jener Zeit auch wissenschaftliche taktische Kenntnisse nicht abgingen, was wohl schwerlich bei irgend­einer Nation des damaligen ungarischen Reichs erwiesen werden könnte. — (Bortregung folgt.) Thiers.* Im linken Centrum, drei Bänke hinter den Mi­­nistern, dicht neben dem General Pairhans, saß eine kleine Gestalt mit auffallenden , an Napoleon erin­­nernden Gesichtszügen. Diese Gesichtszüge jugend­­lich , das Haar grau. Ewig lächelnd rutschte dieser Deputirte seit drei Stunden auf seinem Sessel hin und her, die kurzen Füße fast in der Luft schlenkernd. Zuweilen ein sarkastischer Bli zum General Pair­­hans, ein leises Wort, sonst gemessen, zurückhal­­tend, nicht so unselig plauderhaft und würdelos wie die übrigen Deputirten, zuweilen sich etwas notirend, innerlich aufgeregt, formend , bildend , gestaltend, eine kleine Welt für sie? Mancher Deputirte ging vorüber und drückte dem kleinen die Hand. Dieser erwiderte jede Freundschaft mit Herzlichkeit , rückte an der Brille hin und her, lächelte zu dem Mur­­meln , zu dem Zischen , zu den Bravos und stellte eine still für sie abgeschlossene Neutralität vor, eine Uhr gleicsam, die zu schlagen gewohnt ist , heute aber , da man sie aufzuziehen vergessen , stillstand. Proßlich aber bekam die Uhr Leben. Ein Schnurren, ein Knarren. Hr. 1v. Corcelles ist auf der letten Seite seines Manuscripts , der kleine Redner erhebt sich, durchschreitet zur Erde lob­end das Couloir und steht auf der Tribune , über deren Brüstung er kaum hinausreicht. Es ist Thiers. Es gehört zu den ersten Geseßen der parlamen­­tarischen Redekunst, daß man das Wort­ Messieurs nicht zu früh ausspricht. Messieurs, hineingeworfen in die Unruhe einer Versammlung , die voller Er­­wartung sich auf etwas Bedeutendes vorbereitet, kann eine ganze Rede umwerfen. Messieurs wie­­derholen, heißt die Erwartung abspannen. So bleibt nichts übrig als es zu machen wie Thiers. Thiers ließ der Kammer Zeit sich auf ihn vorzubereiten. Er ließ jedem Schwäger Zeit seine Vermuthungen über das was er reden würde beim Nachbar anzu­­bringen.“ Es währte drei „volle Minuten, „bis alles still wurde, so fill, „daß man in Guizots Brust es hätte können klopfen hören. . . Es versteht sich“ bei der Figur des berühmten Redners von selbst, daß sein Organ sehr hoch liegt. Thiers hat eine auf den ersten Augenblic unange­­nehm klingende Fistelstimme. Ein Kindersopran ist Alt gegen Thiers Stimme. Die bedeutendsten Schau­­spieler und Redner hatten von jeher mit ihren Na­­turmitteln zu kämpfen. () Thiers hat ein Organ, das nicht nur unangenehm hoch , sondern auch uns rein und belegt ist. Seine Respiration ist asthma­­tisch. Seine Stimmwerkzeuge sind eng und geben den Ton nur gewaltsam von sich. Hier sind keine Modulationen von Höhe und Tiefe möglich. Hier fließt sein frischer Bergquell aus dem Felsen der Brust. Hier ist keine Malerei der Leidenschaften, kein Auf - und Niedersteigen möglich , sondern mit großer Mühe dreht sich ein einziger dürrer und rau­­her Faden zusammen , ein einziger Ton , der sich zuweilen in völlige Heiserkeit und katarrhalische Af­­fection verliert. Jeden Augenblick fürchtet man, daß dies mitgenommene Organ erschöpft ist Das stere­­otype Lächeln dieser Mienen bekommt einen Anhauch von Schmerz. Der Gedanke , die Leidenschaft, das Talent kann sich nicht so den Weg durch die Organe bahnen wie es möchte. Und dos dauert dies schartige Instrument aus: Schon im ersten Worte heiser, kann Thiers stundenlang reden, ohne *) Louis Adolphe Thiers geboren 16. April 1797. Wir hoffen unsern Lesern durc die Mittheilung dieser geistvollen Schilderung des ihnen längst schon bekannten französischen Staats­­mannes , welche die allg. Zeitung aus Karl Gußkows eben er­­schienenen Briefen aus Paris entlehnt hat, gefällig zu werden. Anm. der Red. *) Eine Ausnahme ist: O'Conink 1. : x

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