Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-11-08 / nr. 88

Tr nn 370­ 0 Diener, blieben aus und nun begann der Castelve­­teraner , den der «Hunger plagte, zu toben und­­ zu wüthen und die ganze Nacht hindurch nach Essen zu schreien. Als der Wärter am andern Morgen, gegen 9 Uhr, in sein Gemach getreten war, und er ger­bieterisch sein Frühstück verlangte, erklärte dieser ihm in ruhigem Tone, er wollte ihm das wohl besorgen, er müsse ihm aber dazu Geld geben. Der hung­­rige Irre suchte vergebens darnach in allen Taschen, und meinte dann, er würde ja wohl Credit haben. Als der Wärter ihm aber erwiderte, große Herren hätten wohl Credit, aber nicht arme Teufel wie er, da fragte der Hungernde, was er denn thun müsse, um Geld zu bekommen Nun versprach der Wärter ihm zwei­­ Granos , wofür er sich ein zweipfündiges Brod kaufen und seinen Hunger stillen könnte, wenn er ihm ein Dußend Trachten Holz aus dem Keller nach dem Boden bringen wollte. Das schien ihm eine harte Forderung zu sein , doch däuchte es ihm noch härter, auch noch des Frühstücks entbehren zu sollen , nachdem er schon den Tag vorher kein Mit­­tagsmahl gehalten , und so verdiente er sich denn, wie es der Wärter gewollt, ein Brod, das er gierig verschlang. Sept war die Bahn gebrochen: der Irre fand es darein , Holz zu tragen, um sein Mittagsessen zu verdienen, und als er statt zwölf Trachten sechs und­dreißig getragen hatte, da fiel dasselbe auch um dreimal­ besser als das Frühstü> aus, was ihm dermaßen gefiel, daß er den andern Morgen, und nachdem er eine völlig ruhige Nacht gehabt, un­­aufgefordert an die Arbeit ging Seitdem ließ er sich gar nicht mehr davon ab­­halten , selbst nicht an Sonn - und Festtagen ; und wenn der ganze Holzvorrath von dem Boden nach dem Keller getragen war, so trug er ihn wieder aus dem Keller nach dem Boden. Es war nun ein Jahr, daß er so in Thätig­­keit erhalten worden; das Spleenhafte seines Zu­­standes hatter sich ganz verloren, und er war nicht fett, doch kräftig geworden ; seine physische Gesund­­heit war, Dank seiner emsigen Arbeit, völlig her­­gestellt. Nun wollte der Baron nach einigen Ta­­gen zu der geistigen Wiederherstellung seines Pa­­tienten schreiten , unter dem V­orgeben, man sei mit der Aufsuchung von Papieren beschäftigt, die möglicher­weise den Beweis liefern könnten , daß ein Irrthum in seiner Person stattgefunden habe und ihm zu nah geschehen sei. Da sämmtliche Irren sich­ im Garten befanden, mit Ausnahme­ von drei oder vier­, die man ihrer Wuthanfälle wegen nicht mit den andern zusammen­kommen zu lassen wagte, so ließ uns der Baron erst die­ Anstalt sehen, ehe er uns ihre Bewohner zeigte. Ein jeder Kranke hatte seine Zelle, die, je nach seiner Laune, aufgepußt oder düsteren Ansehns war. Der Eine, der sich für einen Sohn des Kai­­sers von China­ hielt , hatte eine Menge mit Dra­­chen und Schlangen jeder Art bemalter seidener Fahnen und viele kaiserliche Zierrachen von Gold­­papier; sein Wahnsinn war sanft und fröhlic, und der Baron Pisani hoffte ihn zu cnriren, indem er ihn eines Tages in einer Zeitung lesen ließe, daß sein Vater entthront worden sei und für sich so wie für seine Nachkommen auf die Krone verzichtet habe. Ein Anderer, der sich in seinem Wahn für todt hielt, hatte eine Beettstelle in der Form einer Bahre, die er nur als Gespenst­draph­t verließ ; sein Zimmer war mit schwarzem Krepp ausgeschlagen und dieser mit Thränenperlen beseßt. Auf unsre Frage, wie er denn diesen Kranken zu heilen gedenke, antwor­­tete der Baron: Nichts leichter als das; ich werde den jüngsten Tag um drei oder vier­tausend Jahre vorrücken , ihn Nachts durch einen Trompetenstoß wecken , und ihm durch einen Engel, als von Gott gesandt , gebieten lassen , daß er auferstehen solle. Dieser hier war seit drei Jahren in der Anstalt, und da es sich mit ihm mehr und mehr besserte, so durfte er seiner Auferstehung binnen fünf oder sechs Monaten entgegen sehn. Als wir dies Gemach verließen, vernahmen wir ein förmliches Brüllen , das aus einer benach­­barten Zelle erscholl. Der Baron führte uns dahin.. Sie war auf allen Seiten gepolstert, auch ohne Fenster , damit ihr Bewohner sich nicht durch das Zerschlagen der Scheiben verlegen konnte. In ei­­ner Ehe stand ein Bere, auf welchem ein Mann in einer Zwangsjacke und angebunden lag. Derselbe hatte vor einer Viertelstunde einen furchtbaren An­­fall gehabt, daher die Wärter zu diesen sonst selten in Anwendung gebrachten strengen Maßregeln hatten greifen müssen. Dieser Mann, 30 bis 35 Jahre alt, mußte in der italienischen Weise , d. h. feuri­­gen Blickes , mit einer Adlernase und schwarzem Haar und Dart, sehr schön gewesen sein ; dabei war er gebaut wie ein Herkules. Als er die Thür öffnen hörte , verdoppelte sich sein Brüllen ; kaum war sein Eli ader , indem er sein Haupt aufrichtete, dem des Barons begegnet, :

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