Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-11-25 / nr. 93

­ 391 stellen , bei der Klagegefehrer und Tänze mit­ein­­ander wechselten. Von Zeit zu Zeit unterbrachen sie ihre Gestus , um der Gliederpuppe sinn zu nä­­hern, und rüttelten dieselbe , gleichsam versuchend, sie zu erweden. Wenn sie aber bemerkten , daß nichts dieselbe aus ihrer Lethargie zu reißen vermochte, so begannen sie wieder mit dem Tanz, der von Aus­­enblik zu Augenblik einen traurigeren Charakter annahm ; er bestand in fremdartigen Figuren, lang­­samen Cadenzen , verlängertem Herumdrehen. All diese Seltsamkeiten begleitete ein monotoner Trauer­­gesang , „der einen geheimen Schreien unter den Zunächststehenden verbreitete, von dem bald die ganze im Saal befindliche Gesellschaft ergriffen wurde. Während eines ruhigen­ Augenblicks, wo der „Gesang schwieg, sprang plößlich die Saite der Harfe, mit dem schneidenden und trockenen Song, der das Herz so unangenehm berührt. Die junge Vermählte stieß einen so wachen Schrei aus. Es ist bekannt, daß dieser Zufall gewöhnlich­­ als ein Vorbote eines nahen Todesfalles angesehen wird. Da nun rief man allgemein den Tänzern zu, die Masken abzunehmen. Aber einer von ihnen erhob seinen Finger, um Schweigen zu gebieten, und antwortete in seinem und feines Gefährten Namen , daß dies nur vor dem jungen Grafen Albano geschehen könne. Dies war in der Ordnung, denn die Sitte Siciliens bringt es mit fich, daß, wenn man masfich einen Ball besuchte, man nur vor dem Hausherrn nöthig hat seine Maske abzunehmen. Der junge Graf öffnete also die Thür des daranstoßenden Zimmers, um ihnen zu verstehen zu geben, daß, wenn man wünsche , daß sie ihm ihr Geheimniß entdeckten, dies nicht vor der ganzen Gesellschaft geschehen sollte. Sogleich nahmen die beiden Tänzer ihre Gliederpuppe , und traten tanzend in das Zimmer ein, der Graf folgte ihnen und die Thür schloß sich. In diesem Augenblick und als wenn nur die Ge­­genwart der beiden Fremden das Fest unterbrochen habe, gab das Orchester das Signal zum Contra­­tanz, die Quadrillen formirten sich und der Ball begann von Neuem. Unterdessen waren zwanzig Minuten vergangen und der Graf nebst den beiden Masken noch nicht wieder erschienen. Der Contra­­tanz endigte sich unter einer allgemein ängstlichen Stimmung , glei als ob Jeder innerlich gefühlt hätte, daß ein großes Unglüc über das Fest her­­einbrechen werde. Endlich, als eben die Vermählte in ihrer Unruhe ihren Vater bat, in die Stube zu gehen, öffnete sich die Thür wieder und die beiden Masken erschienen. Sie hatten ihr Kostüm verändert und ein schwar­­zes Spanisches Habit angezogen. Da dieses enger ‚ aufchloß , als das frühere, so konnte man an der schlanken Taille des einen Tänzers sehen, daß es ein Frauenzimmer sein müsse.“ Sie hatten Flor am Arm und am Hut und trugen, wie vorhin, als sie ins Zimmer traten, die Gliederpuppe : nur ging das rothe Tuch , in welches­­ dieselbe gehüllt war, tiefer hinab und wiederum höher hinauf, als das erste Mal. Wie vorhin legten sie die Puppe auf eine Otto­­mane und begannen von­ Neuem ihren symbolischen Tanz. Nur hatte derselbe einen noch düstereren An­­strich, als vorhin. Die beiden Tänzer knieten nie­der und stießen, indem sie die Arme in allen denk­­baren Attitüden zum Himmel erhoben , ein klagen­­des Trauergeschrei aus. Diese Pantomime , welche in so seltsamer Weise in die Länge gezogen wurde,­­begann sehr bald den Umstehenden und vorzüglich der Neuvermählten verdächtig zu werden. Aengst­­lim, ihren Gemahl niche wieder herauskommen zu sehen , eilte sie in das Zimmer, wo er, wie sie glaubte, sich befinden müsse. Kaum aber war sie eingetreten, als man einen Schrei vernahm , und sie zitternd und bleich Albano bei Namen rufend, auf der Schwelle wieder erschien. Der Graf Ha Bruca eilte sogleich zu ihr, um sie nach der Ur­­sache ihrer Bestürzung zu fragen , unfähig aber, ihm zu antworten, wankte sie, sprach einige unar­­sikulist­e Worte , zeigte auf die Stube hin und fiel in Ohnmacht.­­ Dieser Vorfall lenkte die allgemeine Aufmerk­­samkeit der Gesellschaft auf die junge Frau. Jeder drängte sich an sie heran, die Einen aus Neugier, die Andern aus wirklicher Theilnahme ; endlich kam sie wieder zur Besinnung , und rief nun , ängstlich um sich blttend , Albano , den Niemand gesehen hatte. Da erst dachte man wieder an die Masken und wandte sich nach der Seite hin, wo sie gestanden, um sie zu fragen, was sie mit dem jungen Grafen begonnen hätten; allein die beiden Masken waren, die allgemeine Verwirrung bewußend, verschwunden. Die Gliederpuppe lag noch unbeweglich auf der Ottomane ,­­mit ihrem rothen Linientuch bedeckt. Da näherte man sich ihr, hob ein wenig das Tuch und fühlte eine menschliche Hand , die aber eisfalt

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