Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1843 (Jahrgang 4, nr. 2-100)

1843-02-14 / nr. 13

51 Festhalten an grauen Vorurtheilen ; mit ihnen wird es­ ein Bollwerk gegen Beamtendruf und ein Schuß­­geist der Nation.­­ Auf diesem Standpunkte der Betrachtung — und ich bin fest überzeugt , daß er der richtige sei — wird auch die Errichtung zweimäßiger Bildungs­­­anstalten für den Gewerbstand eine Gegenheit. In dem Interesse dieses Standes selbst liegt es, sich den technischen Fortschritten der neuen Zeit durch tüchtige Vorbildung anzuschließen und sie Quellen des­ Wohlstandes zu öffnen, im Inte­­resse der einzelnen Städte und Kreise liegt es für diesen Zweck Industrieschulen zu errichten, im In­­teresse der gesammten Nation aber liegt es überall, wo die besondern Kräfte dafür nicht ausreichen, diese Errichtung, ohne kleinliche Eifersüchtelei und engher­­ziges Abwägen von Gulden und Kreuzer, zu unter­­stoßen. Es wäre dieses ein acht nationales Lebens­­zeichen; nationale Lebenszeichen aber müssen wir geben, wenn andere und wir selbst an ein nationales Leben unter uns glauben sollen. Ich kenne die Vorurtheile, welche der Errichtung von Gewerbschulen und der dadurch veranlaßten Trennung des Unterrichtes entgegen­treten; allein ob sie auch Vorurtheile sind, so möchte ich sie doch nicht mit dem Verfasser des Aufsaßes über Gemein­­geist und dessen Belebung () als engherzige und miß­­trauische Misverständnisse bezeichnen. Liegt doch eine ähnliche Härte darin , als in der bald darauf folgenden Ä­ußerung , nach welcher die sächsischen Beamten als Salarien - und Dium­enjäger, und ein Theil derselben als besoldete Müßiggänger erscheinen ! Engherzig ist, wie das Wort es selbst ausspricht, eben das Herz und der Wille — warum aber gleich diese beschuldigen, wo sie Entschuldigung verdienen, weil das , was den Schein­­ der Engherzigkeit hat, nicht gegen das deutlich erkannte, sondern gegen das unklar gefaßte oder auch gar nicht erkennbare Bessere gerichtet ist ? Was ist nun aber geschehen ? Eine Neuerung sollte in unserm Unterrichtswesen gemacht werden, eine unvordenkliche Sitte, eine altherkömmliche In­­stitution der Erziehung sollte geändert, ein uraltes Gebäude nicht etwa an Fenstern und Thüren moder­­nisirt, sondern von Grund aus abgetragen und zwei an die Stelle des einen aufgeführt werden. Allein in dem alten ehrwürdigen­ Hause hatten seit Jahr­­hunderten die Höchsten und Niedrigsten des säch­­sischen Volkes als Knaben zusammen gelebt, in die­­sen Räumen hatten sie ihre Kinderspiele fröhlich mit­einander gespielt, ihre Wocabeln wetteifernd gelernt, in ihnen hatten sie ihre kleinen Kriege gekämpft, in ihnen aber auch ihren Frieden geschlossen. Eine lange Ge­­schichte, eine Tradition, die zum gewaltigen Strome geworden, stellte sie denen entgegen, welche zum Umbaue riet­en. No< mehr! Von Zeit zu Zeit waren hie und da Umänderungen in dem Gebäude versucht worden. Nicht von Grund aus, wie jeit , noch hatten die Baumeister selbst nicht deutli erkannt, daß der Grund nicht mehr trage; aber im Innern desselben wurden nun an besondern Tafeln die Zöglinge des Gewerbstandes eine kurze Zeit mit moderner Kost­­ bewirthet , während die andern ohne Unterbrechung altrömische Gerichte speisten. Allein die moderne Kost war arm , weil wir den Aufwand einer dop­­pelten Küche nicht bestreiten konnten, und die neuen Tische kamen noch mehr in Verruf, als einem oder dem andern der Rath gegeben wurde, mit der ma­­gern Kost sich zu begnügen , weil sein schwächerer Magen das lateinische Gewürz nicht vertrage. Ohne Lebenskraft von der Geburt fon, lebten sich die neuen Institute schnell aus; aber auch in den Ger­müthern der Verständigern blieb ein nachhaltiges Mis­­trauen gegen pädagogische Heilformeln zurück, von denen man bisher kein Heil erfahren hatte. Möchte des Mistrauen doch niemals wieder durc Halbheit und Lauigkeit in der Aufführung des Neubaues aus seinem leisen Schlummer geweckt werden !! Vergessen wir es endlich nicht, daß der Geist unserer eignen Verfassung die Entstehung und Aus­­breitung von Vorurtheilen begünstigt, welche der Reform unsers städtischen Schulwesens entgegenge­­treten sind. In dem Grade , in welchem sich die politischen Institutionen eines Volkes der Demokratie nähern, finden wir dasselbe eifersüchtig auf alles, worin es eine Beeinträchtigung der Rechtsgleichheit zu sehen glaubt, und es erschrickt bei der entferntesten Möglichkeit einer Gefahr dieser Störung. Daher der Ostracismus in Athen, welcher die Macht des Verdienstes über die Gemüther so sehr fürchtete, und der sinnlichen Natur der Menschen so heftig mistraute , daß gerade die größten Männer in der­ größten Gefahr schwebten, als Opfer der Besorgniß, sie könnten ihr Uebergewicht zum Umsturze der Ver­­fassung misbrauchen, zu fallen und des Landes ver­­wiesen zu werden, daher auch­ in der Geschichte uns­­erer Nation jene Aengstlichkeit, mit welcher die ationalange? .; *) Vgl. Satellit des Kronstädter Wochenblattes 1842. Nr. do ff. url

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