Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1851-1852 (Jahrgang 12, nr. 1-22)

1852-09-11 / nr. 21

­ 3­t­ weisheit abermals alle ihre Unarten und bösen Gelüste. Die Staats­­weisheit allein ist es, die das schöne Familienband innerhalb der ge­­schlossenen Güter zerrissen hat. Wer möchte noch als patriarchalischer Knecht dem Bruder oder Vetter dienen, wenn er gleichberechtigt sein Stü> vom Gut sich abschneiden und­ es verkaufen kann! Der Dienst­­herr kann also nicht mehr auf Blutsfr­eundschaft bei den Knechten zählen, er muß Fremde anstellen, denen die Staatsweisheit gestattet, bei größeren Ansprüchen weit weniger zu leisten. Denn alle Gefege sind in ihrer vermeintlichen Humanität darauf berechnet, die Autorität „des Patrons zu schwächen und dem Kinde, Lehrburschen und Gesellen Dienstboten und­ Gehülfen um so viel mehr Rechte zu gewähren, als den Eltern, Meistern und Prinzipalen entzogen werden, eine unmündige Masse mit politischen und Ehrenrechten aller Art be­­dacht, von denen sie einen rechten Gebrauch zu machen nicht versteht, so wie vom allgemeinen Wahlrechte. Es würde viel weiser gewesen sein, im Sinne der ältern Gefrggebung eine gewisse gemeinschaftliche von der Kirche, vom Staat und von der Tradition in der Gemeinde selbst ausgeübte Vormundschaft beizubehalten. Indem die Regieren­­den möglichst alles der Vernunft des Volks überließen, haben sie sich häßlich verrechnet und die mancherlei Züchtigungen wohlverdient, die ihnen duch den Mißstand der geieglichen Emancipation zu Theil geworden sind,­­ Wenn man nicht am Ende doch in die vor drei Jahren kaum noch abgewendete Anarchie rettungslos hinunterflürgen will, wird der Staatsgewalt nichts anderes übrig bleiben, als Überall strenge Zucht herzustellen. Aber auch die Gewalt ist nur ein Nothbehelf. Die rechte Heilung kann nur in einer freiwilligen Hingehung der Freiheit an die Ordnung liegen, und um diese zu erzielen, wird der Staat die Kirche niemals entbehren können. Es ist daher ein Hauptmangel der vorliegenden Schrift, daß sie der Kirche gar nicht oder nur nebenbei erwähnt, indem sie allerdings auch hofft, durch Religionsunterricht in den Schulen auf die Jugend zu wirken. Damit ist es aber nicht gethan. Religiöser Schulunterricht, zumal von rationalistischen Lehrern, hilft nichts, wenn nicht die Kirche mit ihrer ganzen Autorität die Mas­­sen beherrs<t. Dieser Schulunterricht heißt in der Regel so viel, als­ den jungen Leuten nur anstandshalber und weil es einmal nicht zu umgehen ist, einige Begriffe von der Religion, versteht sich im Sinne der Aufklärung beizubringen, was man freilich im Grunde ge­­nommen für überflüssig und zeitraubend hält, da die jungen Leute viel wichtigere Dinge zu lernen haben. So lange sich die St­aats­­weisheit mit dieser Ansicht ihrer Schulbehörden begnügt, ist keine Bes­­serung zu hoffen. So lange der Staat vor der Kirche heimliche Scheu trägt, hat er es sich nur selber zuzuschreiben, wenn er dem bösen Princip zulegt unterliegt, d. h. von der Revolution verschlun­­gen wird. Um dem Unfug abzuhelfen, über den im vorliegenden Buche ges­klagt wird, muß: 1) die Zucht wiederhergestellt werden, d. h. das Hausrecht, die Autorität des Brodherrn, die Strenge der Gemeindepolizei, die Strenge der Justiz , denn ohne das Exempel statuirt werden, bessern sich die Bösen nicht. 2) Maß der Erhaltung und Wiederherstellung alter Volkssitten, auf denen der gute Geist des gemeinen Volkes beruht, jeder Vorschub geleistet und müssen diese Sitten so hilig geachtet werden, als wären sie Geseße und amtliche Gebote. Hierbei sollte auch die Tracht be­­rücksichtigt werden. Kleiderluxus ist eine Hauptquelle der Sittenver­­derbniß für weibliche Dienstboten. Anstatt über die Nürnberger zu lachen, die noch im vorigen Jahrhundert von einer strengen Kleider­­ordnung nicht abgingen und gemeinen Milden nicht erlaubten, in Seide zu gehen, sollten wir die Weisheit jener reichsstädtischen Väter ehren, deren Gemeinwesen ein gewiß beneidenswerthes gewesen ist, und lieber trachten, eben so verständig zu sein, wie sie. 3) Könnte viel auf dem Wege der Mission und im Namen und Geiste der Kirche geschehn. So wie es barmherzige Brüder und Schwestern gibt, die sie mit dem glüklichsten Erfolge der Kranken und Leidenden annehmen, könnte es auch dienende Brüder und Schwe­­stern geben, die den Dienst als priftliches Liebeswerk, als Uebung in der Demuth oder als freiwillige Buße auffaßten. Wie abenteuerlich und befremdlich auch ein solcher Gedanke erscheinen mag, so liegt er doch nicht so gar ferne von einer Zeit, die den schwersten Verhäng­­nissen und göttlichen Gerichten entgegengeht, weil sie vom Anstreben des Unmöglichen nur durch das schreichste Unglük zurückkommen, und weil alsdann all die Demuth wiederkehren und die hingebende Begeisterung der Mission erst ihre rechte Wirkungssphäre finden wird. Schließlich muß aber hervorgehoben werden, daß man mit Recht vom Dienenden keine höhere sittliche Würde verlangen kann, als vom Dienstherrn und daß, so lange dieser mit dem Beispiel des Unglau­­bens, des rücksichts­losen Egoismus und der Genußsuc­ht vorangeht, kaum an eine Besserung des Dienstpersonals zu denken ist. In der verderbten römischen Kaiserzeit wetteiferten die Herren mit den Sclas­ten in jeder Art von Schwelgerei und Lasterhaftigkeit, darum mußte Rom zu Grunde gehen. Im alten Deutschland fand der fromme Knecht ein gutes Beispiel an seinem frommen Herrn, darum waren es die Deutschen, denen der Sieg über die römische Welt verdienter­­maßen zufiel und die eine neue Weltordnung zu gründen vermochten. Vor der französischen Revolution wiederholte sich in Frankreich mit der Renaissance auch die römische Unzucht. Es war dort bei den Hofleuten und dem Adel so weit gekommen, daß wenn sich derselbe mit den Lakaien in jeglicher Weise incanaillirte, der Knecht dabei­ noch mehr Mensch blieb und weniger Bestie wurde, als der Herr. Daher auch das entsetzliche Gottesgericht der Revolution über sie kam. Nichts würde nun wahnsinniger sein, als wenn in unsern Tagen der dienen­­den Klasse Zumuthungen von Frommheit und Sitte gemacht werden wollten, von denen die Herrschenden sich selbst zu emancipiren Lust hätten. Im März des Jahres 4848, als fast überall Sturmpetitionen an der Tagesordnung waren, legte die Universität der sächsischen Na­­tion den lebhaftesten Dank „treuer Unterthanen für den ihr bisher insbesondere gewährten Schuß an die­ Stufen des geheiligten Thrones Se. Majestät des Kaisers Ferdinand nieder und sprach es offen aus, „daß das freie stammverwandte Volk der Siebenbürger Sachsen seinem alten, stets festgehaltenen Wahlspruch getreu, nie aufhören werde, in unverbrühlter Ergebenheit gegen das allerhöchste Kaiserhaus, seine Bestimmung ad retinendam coronam mit Glut und Blut zu er­­füllen.“ Wie dies Gelöbnig in der That mit Gut und Blut besie­­gelt wurde == ist bekannt und auch anerkannt ; nicht bekannt gewor­­den aber ist, was Se. Majestät Kaiser Ferdinand auf diese Erge­­benheitsadresse seiner treuen Sachsen zu erwiedern geruht haben. Als verhöcst dieselben erließen wo unterm 26. April 4848 ein kaiserliches Handschreiben an das Präsidium der siebenbürgischen Hofkanzlei mit den denkwürdigen Worten : „Der Universität der sächsischen Nation in Siebenbürgen ist über eine Mir unterbreitete Adresse, worin sie die erneuerte Versicherung ihrer unwandelbaren Treue und Anhänglichkeit an Mein Haus und Meinen Thron ausgesprochen hat, Mein Wohle gefallen über diesen Ausdruß ihrer erprobten Treue durc die sieben­­bürgische Hofkanzlei bekannt zu geben.“ — Dur< einen günstigen Zufall zur Kenntniß dieses allerhöchsten Handschreibens gelangt, glaub­­ten wir ein so kostbares Dokumens der Geschicte nicht länger vorent­­halten zu dürfen. — 7. Schulanekdote. In einer Landschule hatte der Lehrer ein paar Tage vor der Prüfung Schweiß und Mühe darauf verwendet, den Kindern eine Anzahl Begriffsbestimmungen (Definitionen) beizubringen, durch welche er am Ehrentage vor dem Herrn Visitator und den ver­­sammelten Zuhörern zu glänzen hoffe. Die Kinder b­aten aber mit den Definitionen das, was gesunde Naturen überhaupt mit allem thun, was der naturgemäßen geistigen Entwicklung widerstrebt; sie fedigten sie über Nacht wieder aus. Und als der Tag der Prüfung kam, und der gute Lehrer mit innes­tem Wohlbehagen „Feuer“ kommandirte, war das Pulver von allen Man bat -

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