Kaschauer Zeitung, April-Juni 1873 (Jahrgang 35, nr. 27-52)

1873-05-28 / nr. 43

" - Kaschau, Mittwoch 28. Mai. XXXV. Jahrgang 1873. » Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. Pränumeration für Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 Sendung fr., mit Postver­­t fl. 50 fl. Pränumeration wird jeden Tag angenom­­men bei der Administration der Kaschauer Zeitung, Hauptgasse Nr. 60, bei al­­len Postanstalten handlungen. u. Buch- Megjelen minden Szerdán és Szombaton, unfrankirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. N $okalblatt für Volks-, Haus­ und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben, Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene Petit­zeile. == J Inseratenstempel 30 kr. für jede Anzeige. Bei größeren Ankündigung­­en und öfterer Einschaltung entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate für uns die Her­­ren A. Oppelik, Wollzeile Nr. 22, Haassenstein , Vogler, Neuer-Maritz Nr. 11 und Rudolf Messe Annoncen - Expedition. 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Jedoch machte unser Finanzminister jezt schon auf den Umstand aufmerksam, daß die ungarische Staatsschuld aus sehr zahl­­reichen Rechtstiteln bestehe und es daher bei dem Umstande, als sich die Zahl der ungarischen Staatsanleihen voraus­­sichtlich noch mehren dürfte, angezeigt erscheint, an die Uni­­fikation der ungarischen Staatsschuld zu schreiten und dann bei der Contrahirung neuer Schulden nur so und so viel Millionen neuer ungarischen Rente auf dem Geldmarkte zum Kaufe auszubieten. Die Befürchtung, daß sich aus unserem Landesbudget pro 1874 ein Deficit ergeben werde, war zwar eine allge­­meine, jedoch ein Ausfall von 31 Millionen Gulden über­­schreitet selbst die Vorstellungen des schwärzesten Pessimis­­mus in dieser Richtung. Es kann sich unserer Meinung nach nicht vorerst um die Frage handeln, wie dieses präli­­minirte Deficit zu decken sondern darum, ob und wie das­­selbe zu vermeiden sei; denn das Prinzip des Schulden­­machens zum Zwecke nußbringender Investituren birgt für unser capitalarmes Land auch in dem Falle, wenn der ange­­gebene Zwei t­atsächlich dabei erzielt wurde, ernste und keineswegs gering zu flütende Gefahren, zumal in unseren Tagen, wo durch die schwindelhafte Ausbeutung des Asso­­ciationsprinzips der große Geldmarkt unausgesetzt in Anspruch genommen wird. Das Losungswort und die Richtschnur für die Finanz­­politik unserer Regierung und unseres Parlamentes muß „in der äußersten Beschränkung der Ausgaben zu allen unproduktiven Zwecken“ bestehen und selbst Capitals­anlagen, die erst in späterer Zukunft auf dem­ Gebiete der produktiven Arbeit des Landes Früchte tragen werden, sind gegenwärtig aus dem Grunde zu unterlassen, weil dieselben unter den gegebenen Creditverhältnissen des Staates und bei der jetzigen Beschaffenheit des Geldmarktes mit zu großen Opfern verbunden sind. Das Verlangen unseres Finanzministers nach Unifikation der Staatsschuld und ihrer Titel ist jedenfalls ein berechtigtes, durch das­­ Beispiel anderer Staaten und die darüber bereits vorliegen­­den Erfahrungen auch­ gerechtfertigt; allein ob die gegen­­wärtig herrschenden Verhältnisse der Durchführung dieser Absicht günstig sind, das möchten wir aus zahlreichen­­ Gründen bezweifeln, und halten wir dafür, daß unsere Re­­gierung vorerst mit der Regelung der österreichisch-unga­­rischen Bankfrage fertig werden möge, bevor sie an diese tief einschneidende Finanzmaßregel Herr von Kerkapoly hat auch ernstlich herantritt, der bevorstehenden Steuerreform und bei diesem Anlasse von deren Grundlagen ge­­sprochen und wir müssen seinen Darlegungen insoferne bei­­pflichten, als hiermit ein wirklicher Fortschritt in unserem verworrenen und vielfältig veralteten Steuerwesen beabsich­­tigt wird. Wenn unser Finanzminister mit dieser Geset­­vorlage bemüht ist, nicht nur die Zahl der Steuerobjekte zu vermehren, sondern auch die Grundsätze der Gerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit hierbei in Anwendung zu bringen, so zollen wir ihm gerne hierfür unsere Anerkennung , aber so wohlthätig die Reformen in diesem­ Zweige der Geset­­gebung für das Gedeihen unserer Finanz- und Staatswirth­­schaft offenbar auch sein mögen, jedoch nur dur die Erhöhung so kann unserem Lande unserer Steuer­­kraft und durc eine bessere Finanzpolitik ausgiebig geholfen­ werden.­­­nsolange es jedoch der Finanz­­weisheit unserer Regierung nicht gelingen will, für das Er­­trägniß des so verwerflichen Zahlenlottos ein genügendes Ersatmittel ausfindig zu machen, halten wir uns vollständig für berechtigt, an ihrer Fähigkeit oder an ihrem ernstlichen Willen zur Durchführung einer gründlichen, auf den Grund­­lagen der Gerechtigkeit und Zweimäßigkeit beruhenden Steuer­reform auch noch fernerhin zu zweifeln. Das nach so langen Debatten endlich festgestellte Budget pro 1873 ist bei dem Staatsvoranschlage pro 1874 zur Grundlage genommen worden, so zwar, daß zwischen den betreffenden Posten der beiden Budgets nur geringe Abweichungen vorkommen. Das ordentliche Erforder­­niß pro 1874 beträgt 210.265.303, nämlich um 3.073.731 Gulden mehr als im Vorjahre. Die Hauptposten des Mehrbedarfs sind: 1,9 Mill. als Interessen für das 54 Millionen-Ansehen, 0,68 Mill. für Eisenbahnbetriebs­­auslagen, 0,67 Mill. für die Errichtung von 18 Honvéd Cavallerie-Eskadronen und Verlängerung der Herbstübungen um eine Woche. Unter den Mehreinnahmen als Bedeckung figuriren die direkten Steuern mit 0,48 Mill., während die indirekten Steuern für Stempel und Rechtsgebühren, dann das Tabakmonopol über 3,5 Mill. liefern müssen. Das Defizit im Ordinarium beziffert sich auf 2,424.835, nämlich um 1,297.812 Gulden weniger als im Varjahre. Das außerordentliche Erfordernis ist 43,298.318 Mill., darunter 0,81 Mill. für den Franzenskanal, 1,30 Mill. für den Bau einer Donaubrücke bei Pest, 4,21 Mill. für den Fiumaner Hafenbau. Das Mehr der außerordentlichen Einnahmen soll durch den Verkauf von Staatsgütern erzielt werden und wie lange wird das noch vorhalten ? Baron Paul von Sennyey hat über die von Franz Deäf gegebene Anregung seine­ Stellen als Präsident der ungarischen Creditbank und der ungarischen Nordostbahn niedergelegt, um jeder Collision von Pflichten auszuweichen, und es steht zu erwarten sowie es zu wünschen ist, daß sein Beispiel zahlreiche Nachahmer finden werde; denn zahlreich sind die Abgeordneten, die sich in ähnlicher Lage befinden. Allerdings dürfte dies für manche derselben, die für ihre Wahl in das Abgeordnetenhaus namhafte Geldopfer ge­­bracht haben, zum Scheidewege des Herkules werden, allein die Entscheidung ist geboten und muß auch ein­­treten. Vom allgemeinen Interesse ist die Rüge, welche der greise Führer der Denkpartei unserem Premierminister wegen der Verspätung in öffentlicher Sitzung ertheilt hat, womit die Gesetzentwürfe betreffend die Provinzialisirung des Mi­­litärgrenzlandes an das Abgeordnetenhaus zur Vorlage ge­­langten. Die Gereiztheit Franz Deák's, die sich schon wäh­­rend der Clubsigungen wegen des Mangels an energischer Regierungsthätigkeit wiederholt kundgegeben hatte, gelangte diesmal zu einem herben Ausdruck und dürfte dem Cabinete Szlavy sehr peinlich geworden sein, was wir jedoch keines­­wegs bedauern sondern hierbei im Gegentheile wünschen, daß diese Parlamentsscene gute Früchte tragen möge. Das­­selbe wünschen wir von der Sektion, welche unserem Justiz­­minister, Dr. Pauler, vom Abgeordnetenhause in Folge der Interpellation Horansky's betreffend die Pflichtversäumniß eines hohen Ministerialbeamten in der Affaire Kohner ge­­geben wurde. Schwindel in Amerika. Unter den Regierungen, welche sich beeilten, missionen zur Wiener Weltausstellung abzusenden, ihre Com­­steht Die­jenige der großen nordamerikanischen Union in erster Reihe, indem sie den Senator van Buren als Hauptcommissär dahin abordnete und ihm 13 Hilfscommissäre beigab. Wie sehr nun die wilde Jagd nach dem allmächtigen Dollar in diesem vielfältig und mit Recht gepriesenen Musterstaate betrieben wird, geht neuerdings aus der Thatsache hervor, daß die Regierung der Vereinigten Staaten sich noch vor der Eröffnung der Wiener Weltausstellung veranlaßt sah, die von ihr dahin abgesendete und dort bereits eingetroffene Commission wegen erwiesener Corruption von dieser Funk­­tion zu entheben und eine andere an deren Stelle zu setzen. Kaum waren nämlich van Buren und seine Hilfscommissäre von der Regierung ernannt, so begannen dieselben sofort, aus dem Ehrenamte, welches sie übernommen hatten, Geld und zwar möglichst viel Geld herauszuschlagen, indem sie ge­­heime Kontrakte mit den amerikanischen Ausstellern abschlossen, Pläge im amerikanischen Ausstellungsraume verschacherten und ihre Mission überhaupt in entehrender Weise auszu­­beuten versuchten. Als der amerikanische Gesandte in Wien, Mr. Jay, von diesem Commissionsschwindel zuverlässige Kenntniß erhalten hatte, setzte er die Regierung der Union in Kenntniß hievan und wurde von derselben sofort bevoll­­mäctigt, diese saubere Commission von ihren Funktionen zu suspendiren, was er auch unverweilt vollzog. Da sich die suspendirten nordamerikanischen Com­­missäre im Besitze der Ausstellerlisten befinden und sich weigern, dieselben herauszugeben, so mußte durch diese Sus­­pension eine große Verwirrung in der nordamerikanischen Abtheilung dieser Ausstellung herbeigeführt werden, welche bis heute noch immer nicht gänzlich behoben ist und wo­­durch von betreffenden Ausstellern ein empfindlicher Schaden­ verursacht wird. Allerdings ergeht sich die nordamerikanische Presse in den stärksten Ausdrücken der Verurtheilung über die vorerwähnte Corruption der Commissäre und bezeichnet viele Vorgänge mit Recht als eine Entehrung der Nation, allein in einem Lande, wie die amerikanischen Freistaaten, wo sich die Ereignisse von ähnlicher Beschaffenheit rastlos drängen und überstürzen, wo das Volk Sensations­­nachrichten täglich überströmt wird, dürfte diese Corruptions­­fall dort bald in das Reich der Vergessenheit wandern. Zur Illustration dessen, wie sehr das Unkraut der Corruption und des Schwindels alle Gebiete des öffentlichen Lebens in den nordamerikanischen Freistaaten überwuchert, möge folgende Thatsache dienen. Es existirt nämlich in diesem Lande ein weit verbreiteter, sogenannter „cristlicher Bund“ (christian association), der die Aufgabe hat, Moral und Christenthum zu verbreiten und der bis in die höchsten Schichten der Gesellschaft hinaufreicht. Seine Führer, der ehemalige Vicepräsident der Vereinigten Staaten, John Col­­fax, und der gegenwärtige Vicepräsident Wilson, wurden als Lügner und T­eilnehmer des corrupten Creditmobilier- Schindels entlarvt, sowie ein Dritter, der , Senator Pomeroy, sogar der gemeinsten Wahlbestechung überführt. Also auch im christlichen Tugendbund wuchert die Cor­­ruption! Was sell man ferner von der Thatsache halten, wenn der Congreß am Tage seiner Auflösung sich selbst, wemlich jedem seiner Mitglieder für die abgelaufene zwei­­jährige Situngszeit außer seinem reichen Jahresgehalte noch eine Extrazulage von 5000 Dollars votirte ! Gewiß ist es auch, daß der Vertilgungskrieg, welchen die nordamerikanische Regierung gegenwärtig gegen die Indianer führt und wodurch der Untergang dieser Rüge herbeigeführt oder vielmehr vollendet werden soll, zum großen Theile der unrichtigen Politik entspringt, welche die Regierung gegenüber den eingeborenen wilden Stämmen dieses Landes seit jeher befolgt hat. Während nämlich die Engländer die wilden Indianer in Canada stets im Zaume hielten und sich dieselben dienstbar machten, indem die Regierung jedes Vergehen strenge bestrafte, welches von Weißen gegen Indianer oder umgekehrt begangen wurde, während die englische Hudson-Bay-Company jenen Eingeborenen die Produkte ihrer Jagden abkaufte und dagegen denselben Kleidung und Mund­­vorräthe — nicht aber berauschende Getränke — verab­­folgte, wurde diese Rage in den Vereinigten Staaten, der Willkühr gewissenloser Händler, betrügerischer Regierungs­­agenten, grausamer Militärchefs und heuchlerischer Pietisten ausgesetzt, die großentheils durch engherzige Politiker und Spekulanten aufgehört werden, um sich der Ländereien zu bemächtigen, welche den verschiedenen Indianerstämmen als „Reservations“ überwiesen worden waren. Nach Anwendung von Bedrückungen und andererseits von falscher Sentimentalität ist es endlich dahin gekommen, daß einige und siebzig Modocs den ganzen Vereinigten Staaten und zwar bisher mit Erfolg Trotz bieten konnten, während alljährlich von der amerikanischen Regierung einige Millionen Dollars zum Schutze der Grenzansiedler­ ausge­­geben werden, die jedoch vielmehr zur Bereicherung von Armeelieferanten, Quartiermeistern u. dgl. als ihrem Zweckk dienen. Der Schwindel und die Corruption­ In der großen nordamerikanischen Republik haben endlich im Volke ein sittliches Element zur Thätigkeit veranlaßt, das nunmehr von einem mächtigen Streben nach Reform erfüllt ist, und Kaschau, 27. Mai. :

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