Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1873 (Jahrgang 35, nr. 79-105)

1873-10-18 / nr. 84

[ET IE . XXXV. Jahrgang 1873. Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. Pränumeration für Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 sendung fr., mit Postver­­t fl. 50 fr. Pränumeration wird jeden Tag angenom­­men bei der Administration der Kaschauer Zeitung, Hauptgasse Nr. 60, bei al­­len Postanstalten u. Buch­­handlungen. Megjelen minden Szerdán és Szombaton, unfrantirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. Anonyme Briefe werden nicht berü­ck­­sichtigt und Manuskripte nicht zurüce­gegeben. Nr. 84. Fokalblatt für Bolksz, Haus­ und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben. Nr. 22, Hansgenstein , Vogler, Neuer­ Markt Nr. 11 und Rudolf Messe Annoncen - Expedition, Inserate übernimmt für uns die Inter­­nationale Annoncen - Expedition von Lang , Schwarz Pest, Badgasse und Wien, Wollzeile 6. — In Berlin S. Kornik. In Stuttgart E. Stöck­­hardt. In Paris Havas Laffitte Bullier & Comp. Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene Petit­­zeile. — Inseratenstempel 30 kr. für jede Anzeige. In Wien übernehmen Inserate für uns die Her- N­ale T­ö­tung ron A. Oppelik, Wollzeile am an summer h­­­e und (KASSA-EPERJESI ERTESITÖ) Kundschaftsblatt für Kaschau und Spezies. gen und öfterer Einschaltung Bei größeren Ankündigung gun entsprechender N ==> ausm: FE a uam aman HEIN Raschau, Samstag 18. October. =­­HA“A TST“ T-SPPESS>SESZSF=>aS=­4 Kaschau, 17. October. „Rechts oder links“, das sind die Losungs- und Schlagwörter, welche seit dem Wiedererwachen des constitu­­tionellen Lebens in unserem Vaterlande die Gemüther be­­wegen, die Bevölkerung in zwei große Lager theilen, zwischen welchen seit 6 Jahren ein erbitterter Kampf geführt wird, welcher sich sogar bis in die socialen Verhältnisse der Ge­­sellscaft verirrt. Dieses „rechts oder links" drückt zweierlei staats­­rechtliche Prinzipien aus, und die Anhänger derselben bilden je nach ihrer Färbung eine staatsrechtliche Partei; die eine, nämlich die „Rechte“ steht auf der Basis des im Jahre 1867 geschlossenen staatsrechtlichen Ausgleiches, die andere, nämlich die „Linke“, bekämpft diesen Ausgleich und ihr Bestreben geht dahin denselben zu alteriren. Und ist die gegenseitige Parteistellung des fortdauern­­den Haders, der Außerachtlassung des materiellen Wohl­­standes und der Consolidirung des Landes, des dafür schon bei den Wahlschlachten vergossenen Blutes, ja der sch­on ge­opferten Menschenleben werth ? Die Hand aufs Herz gelegt wird und muß jeder einsichtsvolle Vaterlandsfreund mit einem innig gefühlten „Nein“ antworten. Was bedeutet links, was bedeutet rects Heute? be­­stehen diese zwei staatsrechtlichen Parteien heute noch factisch ? repräsentiren diese offen gelassenen zwei staatsrechtlichen Fragen überhaupt ein gesundes Princip ? Hierauf können wir nur wieder mit einem entschie­­denen Nein antworten. Beide staatsrechtliche Parteien wurden bereits im Jahre 1870 durch die Bestrebungen Eduard Horn's von der Linken und Paul Hoffmann's von der Rechten, aus den liberalen Elementen der Rechten und Linken eine Re­­formpartei zu bilden, des jenigen Reichstages alterirt. Gleich nach der Constituirung strebten Koloman Giczy von der Linken und mehrere liberale Mitglieder der Denkpartei dasselbe Ziel an, welche Bestrebungen zwar bis jehr keine Resultate in der angegebenen Richtung zu Tage förderten, aber doch eine Krystallisirung der Parteiverhältnisse veran­­­­laßten, respective die Annäherung der wahren liberalen Ele­­mente aller Parteischattirungen vermittelten. Der Sturz des Lonyay, das Auftreten früheren Ministerpräsidenten Grafen und die Reden eines Baron Paul Sennyey und Grafen Apponyi, dann die Kirchenreformfreund­­liche Rede Franz Deák lo>erten sehr stark den Ritt, welcher bisher alle die heterogenen Theile der Denkpartei zusammen­­hielt, und zeigte der erstaunten Welt wie unnatürlich die Zusammenstellung dieser Partei eigentlich ist : Ultramontane, Feudale, Bureaufraten und Demokraten unter den Faltenwurf Franz Deäk's Mantels. Auf der andern Seite veranlaßten das Auftreten Cole­­­ ­ man Giczy's, Coloman Tißa's, Csernatony's, Jränyi's, Moritz Zekay's 2c., dann die Expectorationen des „Hon“, „Elenor“, Bihar' 2c. die Disciplin der „Linken“ stark zu erschüttern und die Verhältnisse der aus mehreren Demo­­­raten, Autonomisten, dem sogenannten Junkerthum und der Exaltirten bestehenden Partei zu klären. Alle die Bestrebungen von Eduard Horn bis Franz Deák, und von Franz Deák bis Moritz Jökay, sind dahin gerichtet, eine liberale Mittelpartei, ein demokratisches Cen­­trum zu bilden, welchem mit Beiseitelassung der staats­­rechtlichen Streitfragen die Aufgabe zufällt, den wahren Fortschritt in unserem Lande zu inauguriren, respective auf liberaler Basis das Staatsgebäude vollkommen auszubauen. Es ist zwar zweifelhaft, ob die diesbezüglichen Ber­strebungen der vorgenannten Patrioten schon jetzt von Erfolg gekrönt sein werden, so viel ist aber gewiß, daß durch diese Bestrebungen die jenigen widersinnigen Parteistellungen er­­schüttert werden und uns mit Hoffnungen für eine gedeih­­liche Zukunft erfüllen können. Erst wenn der wahre Mittelstand, das Bürgerthum, sich aufraffen wird, und statt banquerotten Advokaten, ganzen und viertel Magnaten die Wahl in den Reichstag zu er­­leichtern dafür Sorge tragen wird, daß in selbem Handel, In­­­­dustrie und Gewerbe­­ ordentlich­ vertreten ist, können wir uns auf eine wirklich demokratische Mittelpartei und durch Fa auf ein gesundes Staatsleben für die Zukunft Rechnung machen. Kaschau, 17. October. Die durch das Zusammentreffen der schon längere Zeit anhaltenden Geld- und Creditkrisis mit der diesjährigen ungünstigen Ernte entstandene allgemeine Geschäftsstörung und als deren Consequenz die zahlreich vorkommenden Falliments, lenken unsern Blic unwillkürlich auf eine In­­stitution, welche, obgleich schon ziemlich in der Monarchie verallgemeint, doch noch nicht in allen Geschäftskreisen die­­jenige Würdigung erfahren hat, welche im Interesse der Großhändler, Fabriken und Banken nothwendig erscheint. Wir meinen, nämlich den Ceditoren-Verein zum Schuge der Gläubiger bei Insolvenzen. Dieser Verein bezwegt nämlich, die Ansprüche seiner, bei einer Zahlungs-Einstellung betheiligten Mitglieder durch ein gemeinsames Vorgehen zu wahren, den bestmöglichsten Ausgleich zu erzielen, ferner mit vereinter Kraft zu ver­­hindern, daß Forderungen der Vereinsmitglieder von un­­redlichen und leichtfertigen Schuldnern durch fals<e Angabe von Passiven, oder duch Verheimlichung von Activen, be­­einträchtigt werden. Die Wirksamkeit des Vereines erstrebt sich auf alle, innerhalb der Grenzen des österreichisch-ungarischen Staats­­gebietes eintretenden Insolvenzen, bei denen mehrere seiner Mitglieder als Gläubiger betheiligt sind. Die bei einer Zahlungs-Einstellung betheiligten Vereins­­mitglieder sind berechtigt an den Gläubiger-Versammlungen mit beschließender Stimme Theil zu nehmen, Anträge zu stellen, und sich jederzeit mit dem Anwalte des Vereines über den Stand der sie betreffenden Insolvenzangelegenheit und weitere zu treffende Vorkehrungen zu berathen. Der Vorstand des Vereines, welcher aus einem Präsi­­denten, einem Stellvertreter und zwölf Mitgliedern besteht, vertritt den Verein und besorgt dessen Angelegenheiten ; ins­­besondere entscheidet derselbe über die Aufnahme der Mit­­­glieder, beantragt deren Ausschließung, bestellt den Rechts­­anwalt des Vereines, beruft die Generalversammlung ein, regelt den innern Geschäftsgang, überwarf die Thätigkeit der Gläubiger-Consortien und des Rechtsanwaltes, und ver­­aet mit dem letzteren unter Beiziehung des Comités des Gläubiger-Consortiums das Honorar für seine Mübe­­waltung bei eintretenden Insolvenzfällen. Jedes Vereinsmitglied hat eine ihm bekannt gewordene notorische Insolvenz, wenn es an derselben betheiligt ist, dem Vereinsvorstande sofort anzuzeigen; ebenso ist der Vors­stand verpflichtet, die Vereinsmitglieder von jeder ihm zur Kenntniß gelangten notorischen Zahlungs-Einstellung sogleich zu verständigen und die Betheiligten gleichzeitig zu einer Versammlung einzuladen, welche sodann das Gläubiger Consortium bilden. Das Gläubiger- Consortium verfolgt durch Einleitung aller gebotenen gesetzlichen Vorkehrungen die wirksame Geltendmachung sämmtlicher Ansprüche seiner gleichberechtigten Theilnehmer. Jedes Mitglied ist verpflichtet, nach der durch den Verein erfolgten Mittheilung über eingetretene Insolvenzen seine Forderungen unter Beischluß aller gerichtlichen An­­meldungen und Geltendmachung erforderlicher Beweismittel (Conto-Corrent-Wechsel, eine anzuzeigen. Im Falle erwirkte Pfandrechte 2c.) dem Ver­­eines Concurses oder Ausgleichs­­verfahrens muß die gerichtliche Anmeldung durch den Rechts­­anwalt des Vereines besorgt werden. Mitglieder, die für ihre Forderungen Pfandrechte oder anderweitige Sicherstellungen besitzen, bleiben zur Anmeldung ihrer Forderungen vorbehaltlich ihres ungeschmälerten Rechtes als Pfandgläubiger verpflichtet. Das Gläubiger - Consortium berathet und beschließt alle Vorkehrungen zur wirksamen Verfolgung seiner An­­sprüche, die persönliche Intervention des Rechtsanwaltes, die Einleitung von Civil- und Strafprozessen gegen die Falliten, die Zugestehung von Moratorien, die Wahl der Vermögensverwalter und die Gläubiger-Ausschüsse, die Reali­­sirung der Massen, endlich auch die Vermittlung, Annahme und Zurückweisung von Ausgleichen. (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten. Ungarn, Pest. Das Ministerium hat das An­­suchen des Abgeordneten Jrányi , in Folge der im ganzen Lande herrschenden Nothlage den Reichstag früher als bes­­timmt einzuberufen, abschlägig beschieden, weil es sich kräf­­tig genug fühlt, um auch ohne den Reichstag das Nöthige zur Linderung der Nothlage im Lande einzuleiten. — Die Wahlen für die Communalvertretung der ver­­einigten Hauptstadt Budapest sind ohne besondere Ruhe­störungen vollzogen worden. Die Dealpartei hat bei den Wahlen eine starke Majorität erzielt, da die Linke in meh­­reren Stadttheilen sich der Wahl enthalten hat. Waag-Neustadtl. Der Abgeordnete Eduard Horn ist hier angekommen und erstattete vor einer zahl­­reichen Wähler- und Volksversammlung Bericht über die lezte Reichstagssession. Derselbe wurde sehr sympathisch“ empfangen und ihm von der Bevölkerung ohne Unterschied der Parteien ein Fackelzug gebracht.­­ land, Oesterreich. Wien. Der Kaiser Wilhelm von Deutsch­­dessen Besuch in Wien in Folge einer anhaltenden Kränklichkeit bisher in Frage gestellt war, kommt nun schließ­­lich doch troß dem Abrathen seiner Aerzte zur Wiener Welt­­ausstellung. Derselbe wird am 17.­d. M. zu diesem Behufe von Berlin abreisen. Daß es bei dieser Gelegenheit nicht an verschiedenen politischen Combinationen und herumfliegen­­den Zeitungsenten mangelt, ist selbstverständlich. In ganz Cisleithanien ist die Wahlagitation für den neuen Reichsrath in vollem Zuge­ bisher erfaßt werden kann, wird die liberale Verfassungs­­partei aus dem Wahlkampfe als Sieger hervorgehen. Der französische Kronprätendent Graf Chambord ist von hier nach der Schweiß abgereist, um dem Schauplate seiner Wünsche und Ziele näher zu sein. Deutschland. Ein Schreiben des Papstes an den Kaiser Wilhelm beklagt sich über die harten Regierungs­­maßregeln gegen den Katholicismus, womit, wie der Papst vernahm, der Kaiser selbst nicht einverstanden sei. Der Kaiser antwortete hierauf, daß der Papst unrecht berichtet sei, nachdem alle Negierungsmaßregeln der Zustimmung des Kaisers bedürfen. Der Kaiser spricht im Schreiben die Hoffnung aus, daß der Papst seine Autorität anwenden werde, damit den Priesteragitationen ein Ende gefegt werde. Frankreich. Im Frankreic, wo in letter Zeit von den Ultramontanen und Feudalen durch Flugschriften und Wallfahrten zu diversen Heiligenbildern und Reliquien stark für die Wiedereinsezung des Königthumes von Gottes­­gnaden vorgearbeitet und zu diesem Behufe sogar eine Fusion der rivalisirenden Königsfamilien Bourbons und Orleans zu Stande gebracht wurde, ist es damit vorläufig wieder stille geworden, indem das frühere Staatsoberhaupt Thiers sich an die Spite der republikanischen Partei gestellt hat, welche dadurch und indem sich derselben auch die bona­partistische Partei in dem Widerstande gegen die Restau­­rationslustigen angeschlossen hat, ziemlich erstarkt ist, und gegen letztere eine imponirende Stellung beobachtet. Außerdem erst wert den Monarchisten ihr eigenes Oberhaupt und Kronprätendent Graf Chambord sehr die Königsmacherei, indem derselbe sich auf den Standpunkt von 1770 stellt, die bourbonische weiße Fahne mit den Lilien aufrecht hält, und die französische Tricolore und sämmtliche seit einem Jahrhundert erworbenen Volfsrechte­ ignorirt. Zur Zeit nimmt in Frankreich der Proceß des Mars­­chall Bazains, welcher beschuldigt ist in dem legten fran­­zösisch-deutschen Kriege die Pflicht im Sinne der militärischen Ehre nicht erfüllt zu haben, die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch.­­ : Dänemark. Hier bereitet sich eine Regierungskrisis vor, indem die Linke die Wahl zwischen Budgetverweigerung oder Rücktritt des Ministeriums stellt. Spanien. Der zum Dictator der spanischen Repu­­blik ernannte berühmte Staatsmann und Schriftsteller Castelar hat eine große Energie in Herstellung der Oid­­nung und der militärischen Disciplin entwickelt, welches allgemeine Befriedigung und Beruhigung erzeugte. “ Soweit die Situation . 7

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