Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1873 (Jahrgang 35, nr. 79-105)

1873-11-08 / nr. 90

- XXXV. Jahrgang 1873. Nr. 90. Kaschau, Samflag 8. November. Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. Pränumeration für Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 sendung fr., mit Postver­­t fl. 50 kr.­­ Pränumeration wird jeden Tag angenom­­m­en bei der Adm­nistration der Kaschauer Zeitung, Hauptgasse Nr. 60, bei al­­len Postanstalten u. Buch­­handlungen. Megjelen minden Szerdán és Szombaton. unfrankirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. Annoncen - Expedition. Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene Petit­­zeile. — J Inseratenstempel 30 kr. für jede Anzeige. Bei größeren Ankündigun­­gen und öfterer Einschaltung entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate für uns die Her- Haassenstein , Vogler, Neuer-Markt . Inserate übernimmt für uns die Inter­­nationale Annoncen - Expedition von Lang , Schwarz Pest, Badgasse und Wien, Wollzeile 6. =­ In Berlin S. Kornik. In Stuttgart E. Stöcke­hardt. In Paris Havas Laffitt- Bullier & Comp. : Kundsc­haftsblatt für Kalc­au und Spezies. Anonyme Briefe werden nicht berück­­sichtigt und Manuskripte nicht zurüc­­k­gegeben. arbhaner Zeitung. Nr. 11 und Rudolf Messe Lokalblatt für Volks-, Haus- und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben. (KASSA-EPERJESI ERTESITÖ) Kaschau, 6. November. Der ungarische Reichstag wird am 8. d. M. in der Landeshauptstadt wieder eröffnet, die diesbezüglichen Vor­­bereitungen wurden vom Präsidium des Abgeordnetenhauses bereits getroffen. Dem letteren liegen große und viele Arbeiten zur Bewältigung vor; zuerst wird es sich mit bent neten Ansehen, dann mit dem Budget für das nächste Jahr zu beschäftigen haben. Hierauf dürfte die Natifieirung des croatischen Ausgleiches und die Realisirung des auf Grund des von Franz Deák gestellten Antrages am 30. Juni d. 3. gefaßten Beschlusses auf die Tagesordnung gelangen, laut welche letzteren eine Commission zu wählen ist, behufs Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche. Schließlich erwarten den Reichstag noch eine große Anzahl von der Regierung vorbereiteten Geiegesvorlagen und eine Menge anderer Agenden. Wir können dem ungarischen Reichstag nur den croatischen­ Landtag als Muster aufstellen, welcher in einer kurzen Spanne Zeit Vieles und Tüchtigeg geleistet hat. Weniger oratorische­­ Redeübungen und mehr lebenskräftiges Handeln wäre bei unsern Landesvätern sehr erwünscht. Bei der am 4. b. M. abgehaltenen Generalversamm­­lung des Buda­pester Munizipiums wurde der Herr Carl Rammermayer mit großer Majorität zum Bürgermeister, in der am 5. abgehaltenen Situng Herr Carl Gerloczy zum ersten Vice-Bürgermeister erwählt. Der österreichische Reichsrath wurde Mittwoch den 4. November, u. a. das Herrenhaus von dessen Präsidenten Fürst Carlos Auersperg, das Abgeordnetenhaus von dem Minister Lasser, eröffnet. Sämmtliche oppositionelle Elemente, mit Ausnahme der Declaranten aus Böhmen und Mähren haben ihre Sitze im Reichsrathe eingenommen. Die Föderalisten hatten Tags vorher einen Congreß abgehalten, welcher jedoch resultatlos verlief, da es nicht gelang alle Fraktionen der staatsrechtlichen Opposition für das Fernbleiben vom Reichsrathe zu gewinnen. In Preußen bereitet sich eine Umgestaltung des Staats­­ministeriums vor ; der bisherige Ministerpräsident Roon ist nämlich zurückgetreten, und soll Fürst Bismarc wieder das Präsidium des Ministeriums übernehmen, jedoch in der Person des Finanzministers Camphauser als Vice-Präsident Substituten erhalten ; der Abgeordnete von Blankenburg einen soll Aerbauminister werden. Auf die Antwort des deutschen Kaisers an den Päpsten, soll von letzterem eine Replik erfolgt sein, welche noch schroffere Ausdrücke als das erste Schreiben enthalten soll. Der Erzbischof von Posen wurde wegen Weigerung die Pfarrerstelle in Filehne anderweitig zu besetzen, zu 200­ Thalern Geldstrafe verurtheilt, und wurde seine Equipage sammt Ge­­schirre behördlicher­seits in executiver Weise gepfändet. Durch den Brief des französischen Kronprätendenten Grafen Chambord, den wir in unserem letzten Blatte aus­­zugsweise brachten, ist die Gefahr der Restauration des Königsthums von Gottes Gnaden als beseitigt zu betrachten ; die Königsmacher klammern sich zwar noch an den Gedanken eine „Mon­archie ohne Monarchie“ herzustellen , indem sie einen Regenten oder Generalstatthalter des Königreichs zu ernennen wünschen, welcher „statt den augenblicklich ver­­hinderten König“ die Zügel der Regierung zu führen hätte, aber die mit dieser Partei in letzterer Zeit verbündet ge­­wesenen Orleanisten erklären sich entschieden gegen diesen Plan, und da die republikanische Partei mittlerweile bedeutend erstarkt ist und dazu von der öffentlichen Meinung unter­­fragt wird, so müssen die Herren Royalisten gute Miene zum bösen Spiel machen und — o Ironie des Schiefass — ob sie jekt wollen oder nicht wollen, die Republik consolidiren helfen, wobei sie freilich ihr Möglichstes thun werden, um die ihnen verhaßte Republik so conservativ als möglich zu färben. Obgleich die Verblüffung der monarchischen Partei über den plötzlichen Umschwung der Sachlage eine große war, so war diejenige der Ultramontanen noch eine bedeutend größere, da diese durch die Restauration des legi­­timen Königthumes in Frankreich die Wiederherstellung der weltlichen­­ Herrschaft des Papsten bestimmt vorauslegten, und in ihrer Siegeszuversicht schon diverse Hossianah's an­stimmten. Das Erwachen aus dieser erstarrungsgleichen Verblüffung machte sich denn auch in einem wahren Wuth­­geheule Luft. Was die jelige französische Regierung anbelangt, so hat sie sich in Folge ihrer Betheiligung an der monarchischen Verschwörung zu stark compromittirt, als daß sie in ihrer jetzigen Gestalt eine weitere Existenzberechtigung hätte. Zwar sucht der Präsident Marshall Mac­ Mahon sich zu halten, indem er sein Ministerium preis gibt, und dassselbe aus den Reihen der gemäßigten Republikaner ergänzen will, aber ob es ihm, trogdem die Monarchisten alle möglichen Anstrengungen machen, die Verlängerung seiner Gewalten zu erzielen, gelingen wird, steht noch stark in Frage ; jeden Falls wird schon die nächste Zukunft diesbezüglich eine Ent­­scheidung bringen. In Spanien dauert der bedauerliche Bürgerkrieg fort, indem Don Carlos die edlen Spanier par force der Segnun­­gen seiner Herrschaft theilhaftig machen will, welche aber so undankbar sind davon nichts wissen zu wollen, sondern im Gegentheile den Königskandidaten sich hübsch vom Leibe halten. Don Carlos befindet sich sammt seinem Bruder Alfonso in Estella, im Süden seiner ziemlich zahlreichen Armee , wogegen die republikanische Regierung gegen ihn in Tafalla 10.000 Mann unter General Morières, unmit­­telbar davon 7000 Mann unter Primo de Rivera, 6000 Mann unter Sanchaz Bregna als Unterstüßungs­­truppen concentrirt hat, während 10.000 Mann aus Casti­­lien abgegangen sind, um die Nordarmee zu verstärken. Die italienische Regierung hat außer mit dem Papste und seine Sataliten noch mit den Finanzen ihre liebe Noth, denn auch dort, sowie in Oesterreich-Ungarn, will es nicht gelingen die Ausgaben mit den Einnahmen in Einklang zu­ bringen. Während man in Frankreich und Spanien sich der Herren Königskandidaten verwehrt, wird der von seiner Reise zurückgekehrte Fürst Milan von seinen serbischen Unterthanen enthusiastisch unter Glockengeläute und Kanonen­­donner empfangen. Kaschau, 6. November. Die allgemeine Nothlage des Landes und die damit verbundene Finanzmisere veranlaßte die beiden Regierungen von Ungarn und Oesterreich, und Ungarn zu dem Behufe gemeinschaftliche Berathungen abzuhalten, um gegen die be­­stehenden Calamitäten eine entsprechende Abhilfe zu erzielen. Wie wir hören haben die genannten Regierungen diesbe­­züglich keine Einigung erzielt , indem das österreichische Ministerium den von dem ungarischen Ministerpräsidenten Szlavy gemachten Vorschlag, eine Vermehrung der Salinen­­scheine eintreten zu lassen, nicht acceptirte. Beide Regierungen werden nun ihre eigenen Wege gehen, und zwar wird Oesterreich ein Silberansehen auf­­nehmen, das Silber an die Nationalbank abführen und von derselben neue Noten emittiren lassen, welche überall dort, wo die Nationalbank in Cisleithanien Filialen befigt, durch von der Regierung bestellte Comitees in Verkehr gebracht werden sollen. Die ungarische Regierung soll dagegen beabsichtigen einen Theil des von ihr aufzunehmenden Staatsansehens zur Unterstüßung der Landwirthschaft, der Industrie und­­ des Handels zu verwenden. Ueber die Art und Weise, wie sie diese beabsichtigte Maßregel durchzuführen gedenkt, schwirren bis jegt nur Gerüchte in der Luft, von welchen wir nur eines erwähnen wollen, da dieses allein auf positive An­haltsgründe Anspruch machen kann. Nach diesem soll nämlich durch das Pester Volksboden - Credit - Institut den kleinen Grundbesitzern den durch das Mißjahr getroffenen Gegenden, Darlehen bis zum Minimalbetrage von 200 fl. erfolgt werden. Diese grundbücherlich sichergestellten Darlehen würden in Pfandbriefen des Institutes gegeben werden, welche je­­doch von der Anstalt sogleich selbst nach dem Tagescurse eingelöst werden; dagegen übernimmt­­ die Regierung die Verpflichtung diese Pfandbriefe zu einem fixen Curse zu be­­lehnen. Dieser Plan soll bei der Regierung entschiedenen Anklang gefunden haben, und soll dessen Realisirung nur von dem Gelingen der großen Anleheoperation abhängen. Die österreichische Regierung soll aber neben ihrer großen positiven Hilfsaction, auch ein Hauptaugenmerk auf die Fusion und Liquidation der verschiedenen Bankinstitute richten, indem sie selben die diesbezügliche Arbeit zu erleichtern trachtet, was bei uns nicht der Fall ist, im Gegentheil läßt man in Ungarn den Creditinstituten die natürliche Liquidirung von selbst vollziehen, oder nach Belieben, ohne das Wohl oder Wehe der Actionäre oder sonstigen In­teressenten in Betracht zu ziehen, jene dem Concurse direct in die Arme rennen. In Oesterreich, werden in­ Wien und den größeren Provinzialstädten überall Vorschußcassen von Seite der Re­­gierung zur Unterstügung des Handels, der Industrie und der Ackerbau betreibenden Bevölkerung aufgestellt, bei uns in Ungarn dagegen glaubt die Regierung Alles gethan zu haben, wenn sie durch ein einziges, dazu junges und selbst unbemitteltes Institut (das Volksboden-Credit-Institut besteht erst kaum über ein Jahr und hat nur Actiencapital) einer Anzahl kleingrundhesiger 500.000 Gulden ein Almosen­­darlehen erfolgen läßt ; der Handel, die Industrie, das Ge­­werbe und der Großgrundbesitz werden gar nicht in Betracht gezogen, diese können gemüthlich zu Grunde gehen. Wir können uns, und wir sind überzeugt, daß diesem Punkte der größere Theil der Bevölkerung des Landes in mit uns gleicher Meinung ist, wir können uns, sagen wir mit dieser halben oder viertel Maßregel nicht einverstanden erklären, im Gegentheile sind bei solchen außerordentlichen Verhältnissen als die jetzigen ganze Maßregeln erforderlich. Nach unserem Erachten sollte die Regierung ihr Haupt­­augenmerk darauf richten, das projectirte Staatsansehen mit der größten Beschleunigung zu realisiren, und bezüglich des­­selben nicht erst lange modeln, bis die Nothlage noch­ größere Dimensionen angenommen hat. Hat sie das Ansehen sicher­gestellt, respective flüssig gemacht, so sollte sie einen entsprechenden Theil zur Linderung des Nothstandes be­­­stimmen und denselben ehebaldigst den nothleidenden­­ Gegenden in Form von Darlehen zuführen. Nachdem der über Ver­­anlassung der Wiener Nationalbank in der ungarischen Haupts­­­stadt errichtete Creditaushilfsverein sich gut bewährt hat, warum könnten denn in den einzelnen Comitaten nicht auch solche Provinzial-Credit-Aushilfe auf ganz ähnlicher Basis wie der Buda-Pester credit und durch selben den creditbe­­­vürftigen Factoren des volkswirthschaftlichen Lebens die zu­­ erfolgenden Vorschüsse zugeführt werden. Jedenfalls würde durch ein solches Vorgehen dem beabsichtigten Zwecke besser entsprochen werden, als wenn diese ganze Kreditunterstügungs- Angelegenheit in eine einzelne, dazu selbst schwache Hand concentrirt würde. Jedenfalls müssen wir mit Bedauern constatiren, daß die Credit­ und Geldnoth in unserem Lande Stheile zu einer Höhe gestiegen ist, wie selbe seit 60 Jahren noch nicht dagewesen war, heute ist bei uns Geld selbst zu den theuersten Zinsen kaum noch bei einzelnen Privatgeldmännern zu be­­kommen, und zu unseren Leidwesen­ müssen wir bemerken, daß daran hauptsächlich der überhandgenommene Vertrauens­­mangel die Schuld trägt ; denn Geld ist thatsächlich vor­­handen, jedoch wird es von den einzelnen Besitzern als ein­ unangreifbares Gut in den geheimsten Schlupfwinkeln auf­bewahrt, wo es todt und unverzinst liegt. Gott bessere es bald ! / Der Schluß der Wiener Weltausstellung.­ ­ Der schönste Tag der Ausstellung war der Schußtag, der 2. November 1873. Während, am Tage der Eröffnung der Ausstellung, am 1. Mai, ein eisigkaltes regendurch­­­­schauertes Wetter anhielt, feierte die Natur am 2. November den Schluß der Weltausstellung und schmühte ihn mit einem Reize, den sie an einem­ Novembertage nur selten mehr zu entfalten im Stande ist. Ganz Wien war auf den Beinen ; es galt ja Abschied zu nehmen, einen Abschied, der sich selten so festlich gestaltet, wenn man so gewiß, wie­­ in diesem Falle, weiß, daß es auf Nimmerwiedersehen ist. Es­ war der festlichste, größte Tag der Ausstellung und man feierte ihren Schluß duch ein Volksfest, das, ohne arran­­girt und veranstaltet gewesen zu sein, sich von selbst aus der gemeinsamen Stimmung der ganzen Bevölkerung Wing.

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