Kaschauer Zeitung, Januar-März 1874 (Jahrgang 36, nr. 1-25)

1874-02-21 / nr. 15

» FREIE RETTET NETTER GEB Kaschau, Samstag 21. Februar. XXXVI. Jahrgang 1874. Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. Pränumeration für Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 fr., mit Postver­­sendung 1 fl. 50 fr. * Pränumeration wird jeden Tag angenom­­m­en bei der Administration der Kaschauer Zeitung, Hauptgasse Nr. 60, bei al­­len Postanstalten u. Buch­­handlungen. Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene Petit­­zeile. == 1 Inseratenstempel 30 kr. für jede Anzeige. Bei größeren Ankündigun­­gen und öfterer Einschaltung entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate fü­r uns die Her­­ren A. Oppelik, Wollzeile Nr. 22, Haassenstein , Vogler, Neuer­ Markt Nr. 11 und Rudolf Messe Annoncen - Expedition. Inserate übernimmt für uns die Inter­nationale Annoncen - Expedition von Lang , Schwarz Pest, Badgaffe und Wien, Wollzeile 6. — In Berlin S. Komik. In Stuttgart E. Stöck­­hardt. tt Paris Havas Laffitte Bullier & Comp.­­ Kaschauer Zeitung Vokalblatt für Volks-, Haus: und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben. (KASSA-EPERJESI ERTESITÖ) Kundschaftsblatt für Kaschau und Spezies. Megjelon minden Szerdán és Szombaton. unfrankirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. Anonyme Briefe werden nicht berück­sichtigt und Manuskripte nicht zurück­­gegeben. — nun eee <<< ei­nean 45 awd. Kaschau, 20. Februar. Die unendlich sich fortspinnende Discussion über die politische Lage hat doch in­so­fern ein Resultat geliefert, als sich nach und nach in dem Discussions-Chaos einige feste Punkte als Krystallisationskerne abgeschieden haben. Als solcher Kern gilt uns die Einsicht, zu der man schon fast allgemein gekommen, daß für die nächste Zukunft nur ein Coalitionsministerium möglich sei. Nur die „Reform“ redet noch davon, daß die Deak-Partei sich sammeln und kräftigen, dann die Zügel wieder in die Hand nehmen müsse, was als frommer Wunsch recht schön gedacht ist, aber bei den hippokratischen Zügen, welche die Deák-Partei zeigt, keine praktische Bedeutung hat ; sonst constatiren alle übri­­gen Blätter, daß die öffentliche Meinung die Idee einer Berchmelzung der parlamentarischen Parteien und die Bil­­dung eines Coalitionsministeriums billige als Ausweg aus­­ dem Labyrinth, in­ das man gerathen. Sogar die conser­­vativen Blätter erklären, daß sie die Herren Ghyczy und Tipa als vollkommen regierungsfähig erkennen, denen sich Jedermann von der Deák-Partei anschließen könne. Unter diesen Umständen blüht daher der Weizen der verschiedenar­­tigsten Ministerlisten. Da die 5­­6 Namen, auf die ver­­­nünftigerweise als Chefs des Zukunftscabinets Rücksicht ge­­nommen werden kann, eine mehrfache Reihe von Combina­­tionen zulassen, so ist es kein Wunder, daß an jede dieser Combinationen in die Oeffentlichkeit tritt. Es wäre verfrüht, heute einer dieser circulirenden Ministerlisten mehr Wahr­­scheinlichkeit zuzugestehen als der andern, nur gegen die Aufnahme eines Namens doch unsere Stimme erheben, in einige der Listen möchten wir in so fern als es uns doch nahezu­ unmöglich erscheint, daß Graf Lönyay wieder in das Ministerium tritt. Man erinnere figh doch, unter welchen Umständen er aus demselben geschiehen! Die Oppositions­­blätter fassen die Sache ebenso auf, und meinen, es sei da unmöglich und Ungarn noch nicht so tief gesunken, um Lónyay wieder hervorsuchen zu müssen, heute weniger denn je, wo die Untersuchungen in der Ostbahnangelegenheit ein so eigenthümliches Licht auf seine Thätigkeit als Minister werfen, und er in der nächsten Zeit sich wegen Vernach­­lässigung der pflichtgemäßen Obsorge zu verantworten haben wird.­­­ Einen merkwürdig raschen Weg hat der Gedanke der Reichstagsauflösung in der öffentlichen Meinung gemacht — es künft uns die „Neuwahl“ den zweiten festen Kern zu bilden, vielleicht gerade, weil der Gedanke einer Coali­­tionsregierung durt gedrungen ist. Mit diesem Unterhause würde eine solche ohnedies stets nicht bestehen können ; es könnten nicht allzu starke Regierung noch einige bisher nicht abgenügte hervorragende Männer sich abnüten, aber eine Besserung der Lage gebe es nicht. Selbst „Pesti Napló" ist dem Gedanken der Neuwahl des Abgeordnetenhauses ge­­­wonnen, nur wünscht das Blatt, wie nahezu Jedermann, daß durch eine Gefegnovelle die schreiendsten Fehler des Wahlgesetzes rasch beseitigt werden. Man denkt sich dann die Sache so, daß die durch das Vertrauen des Monarchen zum Chef des Cabinets berufene Persönlichkeit sich ihr Ca­­binet bildet, den Reichstag auflöst und durch die angeord­­nete Neuwahl das Land befragt, ob sie auch das Vertrauen desselben besige. Fällt die Antwort bejahend aus, dann besteht eine von der Mehrheit des Abgeordnetenhauses ge­­tragene Regierung ; fällt sie aber verneinend aus, so muß offenbar eine andere Strömung das Uebergewicht gewonnen haben, und an dieser respectiven Mehrheit würde es dann liegen, ein anderes Ministerium zu bilden. — Die deutsche Reichsregierung kann nicht ermüden, bei jeder nur irgend passenden Gelegenheit mit Friedensversicherungen herumzuwerfen. Bei allen diesen pom­­pösen Friedensmanifestationen klingt aber immer ein ganz unheimliches Säbelrasseln zwischendurch. Die deutsche Re­­gierung mag sich auch noch sehr gegen kriegerische Zumu­­thungen wehren, so ist es doch nicht zu verkennen, daß sie einen neuerlichen Zusammenstoß mit Frankreich für unver­­meidlich hält und es in erster Reihe auf die Möglichkeit „abgesehen hat, am Tage nach einer Kriegserklärung mit­­ einer sc­hlagfertigen Armee ins Feld rügen zu können. Dar­­auf deutet schon das Militärgeieg an sich hin, welches den „ungeheuerlichen Friedensstand von 401.659 Mann bestimmt. Ein solcher Friedensetat kann zur Noth schon eine ganz stattliche Kriegsarmee bilden. Welches Gewicht die deutsche Reichsregierung diesem Gesetz, dessen Bedeutung in der d­­­ritten Bestimmung liegt, beimißt, das geht aus dem Um­­stande hervor, daß kein geringerer als Moltke, der sonst nur „in sieben Sprachen schwieg“ dazu ausersehen war, den deutschen Volksvertretern den vor Waffen starrenden Frieden mundgerecht zu machen. “ Ueber die Ankunft Sr. Majestät in Peter­s­­burg liegen nunmehr folgende nähere Berichte vor : Die ersten Worte des Kaisers waren ein Lob der Stadt Pe­­tersburg. „Was ist das für eine schöne Stadt!“ rief mit sichtlicher Begeisterung. Der Eindrug, welchen die groß­­er­artige Physiognomie der nordischen Kapitale auf Franz Jo­­seph hervorbrachte, soll ein überwältigender gewesen sein. Der FestsHmu> mag das Seinige dazu beigetragen haben. Nach der Stadt die Soldaten! „Und was für prächtige Soldaten, wie ich sie in meinem Leben noch nicht gesehen habe!“ war der zweite Bewunderungsruf des Kaisers. Nach diesen unwillkürlichen Ergüssen eines aufrichtigen Enthusias­­mus beschäftigte sich Franz Joseph in freundlichster Weise mit jedem einzelnen der anwesenden Herren. Am hervor­­ragendsten wurde der General-Consul von Odessa ausge­­­zeichnet. Derselbe hatte mit 5 Mitgliedern der dortigen österreichischen Colonie den weiten Weg von Odessa nach Petersburg gemacht, um seinen Souverän zu begrüßen. Un­­glüclicherweise blieben die Herren zwei volle Tage lang im Schnee stehen und hätten um ein Kleines die Empfangs­­feierlichkeiten versäumt. Aber die sechs Odessaer kamen noch zur rechten Zeit, um ihren Kaiser gleich bei seiner Ankunft begrüßen zu können. „I< empfehle diese Herren ihrer Sorgfalt", sagte Franz Joseph zu Herrn v. Wyneken, wel­­cher das Zutrauen des Kaisers in seiner Liebenswürdigkeit glänzend rechtfertigen wird. — Aus Petersburg vom 17. l. M. wird tele­­grafirt . Kaiser Franz Joseph besichtigte heute dem Pro­­gramme gemäß vor dem Dejeuner die Anstalten und­­ Insti­­tute, ferner die großartigen Sammlungen der Eremitage, die Gemäldegallerie und die Sammlung der Alterthümer und Kronjuwelen. Nach dem Dejeuner empfing der Kaiser die Deputation der in Petersburg und Odessa ansässigen Oester­­reicher und Ungarn und einzelne Personen in Audienz. Die erstere überreichte prachtvoll ausgestattete Adressen. " Der von dem österreichisch-ungarischen Generalconsul Dr. dr. Princig geführten Deputation der österreichisch­­ungarischen Colonie in Odessa hat der Kaiser geantwortet : „I< danke Ihnen für die patriotischen Gesinnungen, welchen Sie im Namen der österreichisc-ungarischen Colonie in Odessa Ausdruck gaben! 34 danke Ihnen, daß Sie die weite Reise nicht gescheut haben, um mir den Ausdruck der Gesinnungen Ihrer Landsleute zu überbringen. 34 bin der Entwicklung der Colonie in Odessa immer mit Interesse gefolgt und es freut Mich, daß Sie auch im Auslande das Gefühl der Treue und Anhänglichkeit für das gemeinsame Vaterland bewahrt haben. AG danke Ihnen nochmals“. Donnerstag findet die Besichtigung der kaiserlichen Reitschule, Mittags große Revue, um 3 Uhr Production der Hofkapelle, sodann Promenadefahrt in Petersburg und Hofball statt. Die Abreise des Kaisers nach Moskau er­­folgt wahrscheinlich Sonntag Nachts um 1 Uhr. Nordamerikanische Zustände. „Nicht Alles ist Gold was glänzt!" werden die mei­­sten unserer Leser ausrufen, wenn sie diesen Artikel bis zu Ende gelesen haben; und es ist in der That nicht Schaden­­freude, welches uns diesen Ausruf abnöthigt, sondern der Wunsc, unsere geehrten Mitbürger mögen den Reden der­­jenigen, die unablässig die Zustände des Auslandes und be­­sonders Amerikas auf Kosten unseres Vaterlandes bis in den Himmel erheben, keinen unbedingten Glauben schenken, denn es hat eben ein jeder genug vor seiner eigenen Thür zu kehren, und auch im Auslande, vorzüglich in Amerika ist man allerdings zwar­­um ein paar Pferdelängen weiter horz­wärts, aber es bewahrheitet badene Spruch : „Nicht Alles sich auch dort der alte haus­­ist Gold was glänzt !" Während des letzten Jahres hat sich in allen Staa­­ten der Union eine große Unzufriedenheit des Volks mit dem Kongresse wegen der Gehaltszulage an die Kongreß­­mitglieder kundgethan. Diese erhielten nämlich vorher einen Jahresgehalt von 5000 Dollars; diesen Gehalt erhöhten sie in der vorjährigen Kongressigung auf 7500 Doll. ; nun ist jeder Kongreß für eine zweijährige Sitzung bestimmt, und zwar Jahre nur in der Weise, daß die Kongreßmitglieder in einem 3 Monate und im zweiten 6 Monate in Situng sind, sie erhalten demnach innerhalb dieser neun Monate 55?/2- Dollar per Tag und Person, und können die übrigen 15 Monate über ihrem gewöhnlichen Beruf nachgehen. Dazu kommt noch, daß die Herren Kongreßmitglieder diese schöne Summe sich selbst votirt und um das Beto des Präsidenten zu vermeiden, gleichzeitig auch dessen jährlichen Gehalt von 25.000 auf 50.000 Dollars erhöht haben. Das Bolt hat nun in Konventionen und in der legten Herbstwahl diese Gehaltszulage fast einstimmig als einen Diebstahl und Raub am Volksvermögen erklärt. Der Aus­­druck des Volkswillens und der Indignation war so eme­phatisch, daß gegenwärtig die Repräsentanten im Kongresse sich beeifern, dem Volkswillen Rechnung zu tragen und den Gehalt auf die frühere Summe von 5000 Doll. pr. Jahr zu reduciren. Allein auch diese Summe ist zu groß, indem auf jeden Tag der Sitzung während des zweijährigen Ter­­mins 37 Dollars pr. Mann kommen würden. Das Volk ist übrigens in neuerer Zeit in Folge der Uebergriffe der Volksrepräsentanten, die sich als unverantwortliche Herren und ihre Mandatgeber als Diener betrachteten, sehr miß­­traunst und sehr wachsam geworden. So sind in den neuen Kongreß 172 neue Mitglieder gewählt und die frü­­heren in der Wahl geschlagen worden.­­­ Die Berichte, die dem Volke in Betreff der Lage der respektiven Verhältnisse und Bedürfnisse gemacht werden, entwerfen natürlicherweise durchschnittlich ein sehr schmeichelhaftes Bild, wie sich das erwarten läßt, denn nach amerikanischer Art werden die Schattenseiten der Verwaltung gar nicht, oder nur in be­­schönigender Weise erwähnt. Desto greller aber traten da­­gegen häufig unerwartete Zustände hinzu, um die Mängel in ein noch grelleres Licht zu stellen. Trotz der schmach­­vollen Enthüllungen, welche bereits im vorigen Kongreß über die Mißbräuche in fast allen Zweigen der Verwaltung ge­­macht wurden, und namentlich im Marine-Departement, hatte der Minister des­ Seewesens nur Lobendes zu berichten, auf die Stimmen der Deputirten ward gar nicht geachtet, und ein Ex-Beamter, der es wagte, über die Mißstände zu schrei­­ben, ward kriminell verfolgt. Obgleich während der legten zehn Jahre das Marine-Departement Summen verschlang, die bei gewissenhafter Verwaltung hingereicht hätten, die größte Flotte der Erde zu bauen, sind gegenwärtig die Vereinigten Staaten doch nicht im Stande, es mit der spa­­nischen allein aufzunehmen. Ungefähr ebenso erbärmlich sieht es im Departement des Kriegsministeriums aus. Auf dem Papier sind 29.550 Mann Truppen aufgeführt, die mehr kosten, als die zehnfache Macht Preußens oder Frankreichs, und derselbe offizielle Bericht meldet, daß nach Abzug der Kranken und Beurlaubten nur 19.550 Mann dienstfähig sind, um dieses ungeheure Land gegen innere und äußere Feinde zu flingen. Dennoch gefällt es den Machtgebern dort, und den Unkundigen hier in hochtrabenden Worten die Regierung der Vereinigten Staaten als die „republikanisch billigste“ zu bezeichnen. Hätte dieses Land nicht so außer­­ordentliche Hülfsquellen, so würde bei dieser Wirthschaft die Maschine längst ins Stocen gerathen sein. flag. Die Macht des Geldes gibt durcschnittlich den Aus­­und wie die Schwindler im Credit Mobilier unges­straft ausgingen, so werden wohl ähnliche Untersuchungen auch bei andern Kompagnien kein anderes Resultat liefern: die großen Korporationen befigen duch ihr Monopol und ihre Kapitalien den Schlüssel zur Ungestraftheit und zu fer­­nerem Unwesen. das Finanzbudget Trotz der hohen Abgaben und Zölle zeigt dennoch ein Defizit von 12 Millionen Dollars, denn selbst das Postwesen bietet wieder einen be­­deutenden Ausfall, obgleich dem Land ungefähr anderthalb Millionen dadurch erspart werden, daß seit dem 1. Juli die Portofreiheit der Kongreßmitglieder aufhörte, wer Deputirten darauf antrugen, die oberwähnte Erhöhung Da einige I­ had «" Er " - -/

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