Kaschauer Zeitung, April-Juni 1876 (Jahrgang 38, nr. 39-75)

1876-06-03 / nr. 65

XXXVIII. Jahrgang 1876. Nr. 65. Salchaner Zeitung. (XASSA-EPERJESI ERTESITÖ). I­­m: Jungen im „Offenen Sprechsaal“ werben ei­ne für Kaschau : 7­4 ie R gs PER Der hohen Pfingstfeiertage wegen erscheint die nächste Nummer der „Kaschauer Zeitung“ Donnerstag den 8. Juni. Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag« Megjelen minden kedden, osötörtökön és szom­­baton. Unfrankirte Briefe an die Redaktion werden nicht­­ angenommen. Annonyme Briefe werden nicht berücksichtigt: Sani w­irg „ Vierteljährig “ auf die „Kaschauer Zeitung“ allein (ohne Wochen-Beilage): mit Postversendung 6 fl. — kr. ö. W. Ganzjährig für Kaschau: 5 fl. -- kr. ; Bei Inseraten wird die fünfmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. — Inseratenstempel 30 kr. für jede Anzeige. " 0. 1 . y ft. 25 kr. : „ „" f * "o Redactions- und Expeditions-Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 60. Pränumeration, Jnserate und Einsc­hal- Manuscripte werden in keinem Falle zuzugestellt. 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Machen Sie sich auf das Aergste gefaßt !" — „Doctor, ich sterbe !“ „„ Dummheit! Nehmen Sie diese Pillen und morgen sind Sie kerngesund“, — Krieg oder Frieden ? „Es unterliegt­ kaum einem Zweifel mehr, wir haben den Krieg“. Krieg oder Frieden ? „Murad V. bestieg den Thron der Khalifen. Der Friede ist gesichert“. So die Humbugmacer in der Medizin, in der Politik. Der ruhige, überlegende Politiker wägt pro und contra sorgfältig ab und urtheilt mit Reserve. Diese Art von Aerzten erspart sich manche Blamage. Was bedeutet der Thronwechsel, welcher sich soeben vor unseren Augen in Stambul vollzogen ? Den Thron Soliman's sc­händete ein verweichlichter Wollüstling, ein feiger Prasser, ein gewissenloser Fürst, der in den Armen der Lüste sein Volk und sein Reich vergaß und unbekümmert um die Zukunft, mit Gut und Blut der anvertrauten Völker nach Gutdünken schaltete und waltete­ ihm Das Bolt duldete die Schmach dieser Herrschaft, denn das Volk ist langmüthig. Nach langer Mißregierung, nachdem alles geschehen war, um das osmanische Reich an den Rand des Abgrundes zu bringen, nachdem der Staatsirag geplündert und der Credit erschöpft war, als eine schmähliche Simonie und die Herrschaft der Rebsweiber die moralischen Grundfesten des Staates zu untergraben drohten, als die Provinzen sich empörten und das Feuer des Krieges den Thron der Khalifen bedrohte, da endlich war der Wermuthbecher gefüllt und überfloß. Das Beot empörte sich und Abdul Aziz wanderte aus dem Palaste Mohammed's in das Gefängnis. Murad der Sohn Abdul-Medschid's bestieg unter dem Jubel des Volkes den Thron der Khalifen. Murad ist ein junger, thatkräftiger Mann, ein Freund der jungtürkischen Richtung, ein Fürst, der geleitet oder unter­­frügt von guten Ministern es versuchen wird, das Reich Osman­s den europäischen Kulturstaaten zu nähern. Wie seinem Vater der edle Resc­hid-Pascha, so wird ihm der treffliche Midhat zur Seite stehen. Die jungtürkische Parthei, deren Programm — wie bekannt — die weitgehendsten Refor­­men auf allen Gebieten umfaßt, hat nun Gelegenheit, ihre Befähigung, ihre Thatkraft und Ausdauer zu zeigen. Man wird versuchen, das osmanische Reich constitutionell zu reformiren. Man kann hier einwenden, daß die Promulgation vom 3. November 1839 des Hattischerif von Gülhane ebenfalls eine Staatsache war, welche Grofes in Aussicht stellte und doc sei wenig oder gar Nichts geschehen. Dem ist so und doc muß man zugeben, daß die großen Ereignisse von heute Hoffnung auf große Männer geben. Wir befinden uns vor einem neuem Entwilungsstadium der Orientfrage und Angesichts der vielen günstigen Momente wäre es voreilig, in die Kriegsrommete zu stoßen. Ebenso verdammlich wäre es aber, wollte man zu Jan­­­ardotoots Hoffnungen haben und die Arme ruhig in den Schoßf­egen.­­ Die Großmächte müssen vorläufig­­ ruhig abwarten und Murad Khan die Entwicklung der das Seine thun assen. Eines muß constatirt werden: die Frage der Paci­­fication Stadium nun mit einem ganzen Manne und nicht mit einem halb Wahnsinnigen zu thun. Kaschau, 2. Juni. War schon der Gesetzvorschlag betreffs der Verwaltungs­­ausschüsse ungemein so wer durchzubringen, war schon das Städteaufhebungsgefet eine Quelle großer Un­zufriedenheit, so verfehlt der Arrondirungsgesetvorschlag für die Comitate ebenfalls nicht, den größten Widerspruch her­vorzurufen. Heute ist bereits der vierte Tag der Generaldebatte im Abgeordnetenhause über diesen Gegenstand und eine Iu­­vective gegen die Regierung jagt die andere. Koloman Tipa hat mit seiner radicalen Verwaltungsgefegen in ein Wespennest gestochen.­­Es ist wohl kein Zweifel, daß die Regierung die Majorität hat für ihre Vorlage, aber ob es sehr klug ist, organische Institutionen von oben herab ohne Wurzeln im Volke zu sc­haffen, ob es sich lohnt­, ephemere Gestaltun­­gen mit so viel Aufwand ins Leben zu sehen, das ist eine Frage, die wir nicht unbedingt bejahen möchten. — Dem Treiben der Wucherer in Ungarn die gericht­­liche­ Hilfe zu entziehen, ist der Hauptzwe> des nun im Abge­­ordnetenhause vom Justizminister Perczel vorgelegten neuen Wucergesezes. Dasselbe beruht auf dem Grundsatze, daß höhere Zinsen als Zehn vom Hundert grundbücherlich weder intabuiirt noch pränotirt werden dürfen. Sind also in einem zur Intabulation oder Pränotation überreichten Schuldvertrag höhere als zehnpercentige Zinsen stipulirt, so sind dieselben auf das gejegliche Zinsmaximum von zehn Percent zu reduciren. Ein Gleiches gilt hinsichtlich des Zinsfußes für solche Schulden, für welche ein Faustpfand bestellt wurde. Gegen die Umgehung des Gesetzes sind zwei Bestimmungen gerichtet. Die eine ver­­bietet den öffentlichen Notaren, über Beträge, in welchen höhere Zinsen als zehn Percente versprochen werden, öffentliche Urkun­­den auszustellen ; die andere bestimmt, daß Zinsen, Conven­­tionalstrafen, Vergütungsbeträge, sowie andere Nebenleistungen in das Zinsenmaximum von zehn Percent einzurechnen sind. — In den legten­digungen der österreichischen Delegation ging es heiß her. Es wurde das Budget des Krieg­ministeriums berathen und vorerst der Antrag des Aus­­schusses in Erwägung gezogen, die Präsenzzeit herabzusetzen und dafür die Mannschaftskost zu verbessern. Redner von allen P­arteirichtungen ergriffen das Wort, um theils für, theils gegen diesen Antrag zu sprechen. Die Vertheidiger des Antrags betonten vorzugsweise, daß ein Heer von 600.000 Mann, das eine gute Verpflegung habe, einen besseren Sohn gewähre, als ein Heer von 800.000 Mann, welches weniger gut ver­­pflegt ist. Der Bürger, welchen die Last trifft, solle nicht zu Tode geschützt werden, meinte Dr. Sturm. Die Gegner des Antrags machten theils geltend, daß zu dessen Durchführung eine Abänderung des Heeresgesetzes nothwendig sei, theils wiesen sie, wie die der Rechtspartei Angehörigen, unter Verwahrung, dem Ministerium ein Vertrauensvotum geben zu wollen, auf die Nothwendigkeit einer schlagfertigen Armee in dem gegen­­wärtigen kritischen Augenblice hin. FZM. Baron Kellner ging noch über die Regierungsvorlage hinaus und verlangte, bei Aufrechthaltung der bisherigen Präsenzzeit, für Aufbesserung der Mannschaftskost eine Mehrausgabe von 1 Mill. 600.009 fl. Graf Andrassy vertheidigte sein Programm „friedliche Politik, schlagfertige Armee“, und fragt, ob er vielleicht wie andere Staatsmänner, die er nicht nennen wolle — der Hieb ist gar zu­sichtlich auf den Grafen Beust gemünzt = „bei unschlagfertiger Armee eine provocante Politik“ verfolgen solle. Im Kriege entscheiden heute zwei Factoren : Die oberste Leitung und die Zahl der Combattanten, Souveräne und Parlamente, selbst die Volksstimme habe in der Wahl des Feldherrn nur zu oft geirrt, was aber die Zahl der Streiter anbetrifft, dürfe man die Armee nicht von vorneherein entmuthigen, indem man sie ein gegen zwei in­s Feld schie. Im Frieden des Armiren heißt ungefähr dasselbe, als wolle man die Bastionen einer Festung schleifen, weil sie momentan nicht belagert werde. Der Feind laufe aber nur auf die Entwaffnung, um seine Pläne auszuführen. Berichterstatter Kli­er trat den Anschauungen des Grafen Andrássy entgegen, indem er bemerkte, daß nicht nur eine fried­­fertige Politik und eine schlagfertige Armee genüge, um Oester­­reichs Stellung im europäischen Völkerconcerte zu wahren, son­dern daß dazu noch zwei andere Factoren kommen müßten, nämlich Geld und gute Freunde. Wenn man aber weder das Eine, noch das Andere habe, so werde Oesterreich auch mit seinen 800.000 Mann keine entscheidende Rolle zu spielen ver­­mögen. In seiner Motivirung des Ausschußantrages wies auf das noch zu bedeuende Deficit aus dem Jahre 1874 hin, sowie darauf, daß dem österreichischen Finanzminister ein be­­deutendes Ansehen bewilligt werden mußte, daß alle Geschäfte stehen und der Steuerdruc kaum zu ertragen sei. Der Ausstoßantrag wurde bei namentlicher Abstimmung mit 38 gegen 22 Stimmen abgelehnt. Auch der Antrag des FZM, Baron Kellner wurde abgelehnt, dagegen eine Resolution auf „reifliche Erwägung“ der Kostfrage angenommen. Das Armeebudget bleibt somit unverkürzt, der Präsenzstand wird nicht herabgesetzt und die Mannschaftskost nicht verbessert. Die Nagridt, daß der entthronte Sultan auch sein Leben verlor, wurde wider­­rufen. Es heißt, er sei „noch“ am Leben. Was dies „noch“ in der Türkei zu bedeuten habe, das weiß Jedermann, der nur halbwegs die dortigen Verhältnisse kennt. Die Geschichte lehrt uns, daß in der Türkei fast jeder Sultan, der seinen Thron verlor, keines natürlichen Todes starb. Der lezte ähnliche Fall ereignete sich im Jahre 1807 (am 31. Mai!), wo Sultan Selim auf ganz ähnliche Weise, wie der jetzige, seines Thrones verlustig wurde, den — auch wie jetzt — der Neffe (Mustafa) bestieg. Kaum ein Jahr darauf wurde aber der entthronte Selim ermordet. Nachdem aber die jetzigen Vorgänge im Großen und Ganzen denen des Jahres 1807 sehr ähnlich sind, und eine Blutthat im Orient sehr rasch erfolgt, so ist die Möglichkeit nicht aus­­gesc­hlossen, noch lebt daß der entthronte Sultan, wenn er überhaupt (die Verheimlichung derartiger Dinge gehört gleich­falls zu den dortigen „Gepflogenheiten“) sehr bald das Opfer der aufgeregten Gemüther werden kann. Wie allgemein übri­­gens die Nachricht von dem erfolgten Tode des Entthronten war, beweist, daß dieselbe selbst von den Botschaftern in Konstantinopel an ihre Regierungen gemeldet wurde. Die Nachrichten über das Leben oder den Tod Abdul Aziz' zu controllren, ist schlechterdings auch unmöglich, da der gestürzte Sultan in Begleitung seiner Mutter nach dem Palaste Tops Kopu gebracht wurde, wo er sich in strengstem Gewahrsam befindet. Volks-­. Die Entthronung des Sultans erfolgte weder durch eine noch­ duch eine Palast-Revolution, sondern durch eine Minister-Revolution, welche erst dann in Scene gesetzt wurde, als der Sultan von dem Verlangen, den erschöpften Kriegs­­cassen Geld aus seinem Privatfchage vorzustreben, absolut nichts wissen wollte. Der Scheik-ul-Islam Heirullah Efendi kündigte sodann in Anwesenheit sämmtlicher Minister plötzlich dem Sultan an, daß das Volk mit seiner Regierung unzufrieden und er demnach entthront sei. Die sonstigen politischen Berichte aus dem­ Oriente fassen wir Der in Folgendem zusammen : neue Sultan nahm drei Punkte an: Eine per­­manente Notablen-Versammlung, Abschaffung des Serails und Bedach­ung der Civilliste auf fünf Millionen Piaster. Weiter wird gemeldet, daß die christlichen Genossenschaften vom neuen Sultan gehuldigt haben. Die meisten europäischen Journale äußern sich über den Thronwechsel im Ganzen günstig, aber vorläufig zurück­­haltend, ohne übertriebene Hoffnungen hervortreten zu lassen ; es sei die Frage, ob die Absichten der Sofias auf einem for­­mellen Programm beruhten und ob sie das Programm durch­­führen könnten; übrigens sehen die Blätter den Thronwechsel als ein günstiges Ereigniß zur friedlichen Lösung der Orient­­frage an und meinen, die Mächte müßten die Anstrengungen der Türkei unterftügen, ist in getreten, denn ein man hat weit günstigeres es­er Eine centraliftifhe Marotte. +x Paris ist Frankreich. Frankreich ist die Welt und Paris das Herz dieser Welt. Diese Sätze, die so sc­­on klingen, waren lange eine Wahrheit und viele kleine Geister haben sie dem großen Manne nachgebetet, der sie zuerst ausgesprochen. Was Wunder, wenn unsere ungarischen Staatsmänner, wenn auch in kleinerem Maße, für Ungarn etwas Aehnliches herbeisehnen. Ungarn ist der Orient und Budapest die Perle. Die Herren in Budapest träumen sich unsere Zukunft so rosig und schön, und sie wissen uns so hübsche Geschichten von dem Zukunftsreiche im Osten zu erzählen, welches eine Sonne der Cultur sein wird, die ihre Strahlen über die Länder

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