Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1885 (Jahrgang 47, nr. 113-151)

1885-12-03 / nr. 140

Xr. 140. Ralch XLVIL Jahrgang 1885. aller Zeitung. KASSA­ E Kaschan, Donnerstag, 3. Dezember. ZERJESSERTVEL­ITO. Prämumerationspreis ohne „Illustr. Unterhaltungsblatt“ fl. 2.50, vierteljähr. fl. 1.25 fl. 3.30 f.1.65 ür Kaschau, ganzjährig fl. 5.— , halbjähr. Mit Postverb­indung: „ N. 6.60. " E ” Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Bet­tzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. — Anseratenstempel 30 kr für jede Anzeige. Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. Redactions- und Expeditions Kaschau, Hauptgasse Nr.­­ Bureau 60. Mit dem „Zluftr. Unterhaltungsblatt“. ganzjährig A. 7.—, halbjähr. A. 3.50, vierteljähr. fl. 1.75 Für Kaschau: Mit Postversendung: „ fl. 860. „ Bei Inseraten, welche größeren Raum einnehmen und öfter eingeschaltet werden, wird ein entsprechender Nachlaß gewährt. fl. 4.30 A. 2.15 „ Neueste Nachrichten. Alle Berichte betonen den unverän­dert fe­­en Charakter des Drei-Kaiser-Bünd­­nisses und ist bezüglich der Mission des Grafen Khe­­venhiller Deutscland und Rußland, wie es sich bei ihrem intimen Verhältnisse zu­einander, von selbst versteht, von derselben im voraus verständigt worden, und soll es sie bei dieser Mission in erster Li­­nie um die von allen Mächten im Interesse des Friedens und der Humanität gewünschte Einstellung des Blutvergießen gehandelt haben und nicht allein um das Interesse Serbiens. Die Conferenz ist gesprengt! England Hatfihpoun der Gruppe aller übrigen Konferenzmächte LloS gesagt und seinen Beitritt zu den Beschlüssen der legieren definitiv verwei­­gert. Durch diese Haltung Englands und der die Unent­­schlossenheit der Pforte ist die Verwirklichung des Pro­­gramms des Status quo ante schwierig und fraglich geworden. Mit der Parole von der europäischen Beherr­­schung der Komplikationen ist es vorbei und 28 wird nun die Einwirkung der einzelnen Kabinete zur Geltung kommen. Ungarn. Budapest. Den Leitern der Aus­stellung wurde durch eine Deputation von 150 Ausstellern der Dank der Letzteren ausgesprochen. Oesterreich. Wien. Se. Majestät hat am 30. v. M. vom neuernannten italienischen Botschafter C­a­v­az­liero Konstantin Nigra in feierlicher Audienz das Beglaubigungsschreiben entgegengenommen. Der neue Unterrichtsminister beauftragte die Orts­­schulräthe, sich mit der Frage wegen Verlegung des Beginnes des Vormittagesunterrichte­s im Winter von 8 auf 9 Uhr zu be­­schäftigen. Diese, so wie auch weitere Anregungen betreffs der Prüfungsnormen finden allerwärts bei den Eltern lebhaften Anklang. Rußland. Petersburg Man ist hier der Ansicht, daß Graf, Khevenhiller ohne­­ Ein­­willigung der anderen Mächte gehan­­delt habe und erblicht in seinen Schritten die offene Erklärung Oesterreich Ungarns, am Kampfe theil­zunehmen Man befürchtet, daß mit dem Waffen­­stillstand die Balkan-Ereignisse in ein drohendes Stadium getreten seien, da die Revision des Berliner Vertrages unvermeidlich erscheint und daß dabei Oesterreich-Ungarn die bisherige Rolle Englands übernehmen werde. Deutschland. Berlin Die Reichsregierung erörtert eine Monopolisirung des Brannt­­weinhandels. Richtig scheint zu sein, daß ss die Regierung betreffs der Reform der Branntweinsteuer mit weittragenden Plänen trägt. Am 30. November traf hier die Nachricht ein, Deutsch­­land habe die Marshall 3-In­seln östlich der Carolinen annectirt. Großbritannien. London Der erste Sekretär der englischen Botschaft in Paris, Walsham, wurde zum Gesandten nach Peking ernannt. Spanien. Madrid. Die sterblichen Ueberreste­­ des Königs Alfonso wurden am 29. v. M. Nachmittags in der Gruft des E38 curial ohne Zwischenfall provi­­sorisch beigefegt. Das feierliche Leichenbegängniß findet am 10. o. Mt5. statt. Die Königin Christine wünscht eine liberale und to­­lerante Politik, welche die Unterstüßung aller monarchi­­schen Parteien hat. Man glaubt nicht, daß die Car­listen angesichts der Haltung aller europäischen Höfe und des Papstthums er­wagen werden, sich zu rühren. Wenn die intranzigenten Republikaner die Ordnung stören wollten, würden die Regentschaft und­ die Monarchie mit Hilfe der Armee vertheidigt werden zu Generale haben bis jezt die forresteste Haltung be­­wahrt. Die Königin-Regentin erließ einen Verhaft­befehl gegen Zorilla. Man glaubt hier, daß die Anhänger Zorilla's ohn­­mächtig seien, eine ernsthafte Erhebung zu Stande zu bringen. sich ruhig Die Carlisten sollen den Befehl erhalten haben, zu verhalten. Türkei. Konstantinopel. Die Pforte erließ eine Proklamation, in welcher das oft rumelische Volk und die Behörden aufgefordert werden, von der Verirrung, in welche je durch persönliche Inte­­ressen verfolgende Personen gedrängt wurden, zurüczu­­kommen und zum Gehorsam zurückzukehren. Die Prokla­­mation versichert selbe des Wohlwollens des Sultans und verspricht, allgemeine Amnestie zu gewähren. Derwis< Pascha erhielt Befehl, sich bereit zu halten, nach Sophia abzureisen, um als Kommis­­sar der Pforte mit dem Fürsten Ale­xander direkt zu unterhandeln. Die zu Gehilfen des ostrumelischen Frommissäry ernannten Le­bih Efendi und G«d­ban Efendi sind am 29. 9. M. nach Philippopel abgereist. Serbien. Belgrad. Die Minister reisten am 30. 9. M. nag­risch, um unter dem Vorsit­zes Königs zu berathen. Das serbische Ministerium beschloß die Fort­legung des Krieges. Das dritte Aufgebot wird mobilisirt. Freiwillige, insbesondere Offiziere, werden aufgenommen. Birot Bulgarien. Sophia. Er herrscht überall Ruhe, und Umgebung huldigt dem Fürsten und wünscht in Bulgarien einverleibt zu werden. Numerien. Philippopel. Die Griechen und die Türken weigern sich fortgefegt, dem Rufe, unter die Fahnen zu treten, Folge zu leisten.­­Es regnet Proteste an alle europäischen Mächte im Wege der Philippopler Konsulate. Die Erbitterung hat das höchste Maß darüber erreicht, daß troß alldem türkische und griechische junge Leute zum Dienste gepreßt werden Die rumelisch-türkische Grenze ist von Truppen gänzlich entblößt. Die Leuten, welche von dort abzogen, waren achzig montenegrinische Freiwillige, welche in Philippopel verbleiben, da sie sich weigern, gegen Birma, die serbischen Brüder zu kämpfen. Mandalay. Der König von Birma sandte am 26. November an die britische Flottille in Rangun einen Parlamentär und verlangte einen Waffenstillstand. Prendergast verlangte die Unterwerfung der birmanischen Armee und die Er­hebung Mandalays. Der König bewilligte Alles. Forts ergaben sie mit 28 Kanonen. Die Armee legte sie die Waffen nieder. Indien. Nepal. Hier ist ein Aufstand ausge­­brochen, dem eine große Anzahl Menschenleben, darunter auc der Premierminister, zum Opfer fielen. Der Maha­­radscha ist gefangen. Lokal-Nachrichten. — Tipa Jubiläum. Die Deputation der Stadt Kascau wurde vom Overgespan Em. v. Darvas vorgestellt. Als Sprecher fungirte Bürgermeister Münster und redete den Jubilar, wie folgt, an: Im Namen des Municipiums der Stadt Kaschau sind wir achtungsvollst erschienen, um anläßlich des heutigen Tages in wenigen und einfachen Worten wohl, aber mit tiefempfun­­denen Gefühlen die Glühwünsche unserer Stadt zu ver­­dolmetschen. Indem wir Ew. Exzellenz zu Ihrer Regierung im künftigen Jahrzehnt viel Glü>, Segen und ausdauernde Gesundheit wünschen, bitten wir zugleich Ew. Exzellenz, unsere Anhänglichkeit für Ihre Version und die Kundge­­bung unseres Vertrauens freundlichst entgegennehmen und unsere Stadt auch fernerhin Ihrer werthvollen Geneigtheit und Gönnerscaft würdigen zu wollen.“ Die vergoldete Zigeunergeige. Von Hugo Klein. (Schluß.) Der Tod ereilte ihn, während er den Bogen führte, er spielte si die Lieblingsweise als Todtenmarsch . . . Und der Lebenden gedenkt man ebenso zärtlich wie der Todten­­bilder, wie Man identt ihnen nicht nur kostbare Madonnen­­es dem Pester Geiger Banda Marczi Seitens einer frommen ungarischen Magnatenfamilie passierte, man Honoriert ihr Spiel derart, daß sie sich sammt und sondern einer behaglichen Wohlhabenheit erfreuen könnten. . 63 gibt Manche unter ihnen, die reich sein könnten . . . Ja, wenn das Spiel nicht wäre und der Wein und das schöne Mädchenvolk . . . . . ! Das hungernde Nomadenheer ist aber jedenfalls verscwunden. Und Manchem, der dem „Naschi-Waschi“, dem beliebten Zazardspiel der Pester Cafe­s, aus dem Wege gegangen, gelang es auch, sich ein angenehmes Heim zu gründen. . Sie haben in Pest, in der Franzstadt, dem IX. Be­­­zirk, ihren eigenen Rayon; sie wohnen in großen, mit Gärten versehenen Häusern, in lichten, luftigen, hübsch möblirten Wohnungen. Ihre Frauen und Töchter tragen seidene Tücher auf den dunklen Köpfen und goldene Ge­­hänge in den Ohren. Von den Kindern erhalten manche eine sorgfältige Erziehung und Ausbildung — eine Toch­ter Sárközy Ferkö­s, eines renommirten Musikanten ver­­gangener Tage, ist eine der beliebtesten Primadonnen des neuen, prächtigen ungarischen Bolfotheaters­. Wenn in Pest der Fasching vorüber und dem p. t. Publikum kein Csárdas mehr aufzuspielen ist, veranstalten sie auch ihre Elitebälle. Alljährlich gibt es dann zwei — drei solcher eleganter Zigeunerbälle ; zur Raststunde ist Souper mit französischem Menu; bei den Souper3“­ aber wird aus­­schließlich Champagner getrunken. Gleich gut geht es den Zigeunermusikanten in der ungarischen Provinz. Der Weißener Zigeunermusikant Pozsár Jani ließ seinen Erst­­geborenen zum Geistlichen, seinen zweiten Sohn zum Ad­­vokaten heranbilden. Der junge Priester hielt im vorigen Jahr seine erste Predigt. Das 12 jährige, hübsche Töch­­terchen­­ Bozsár's wird zur Lehrerin erzogen und erhält theuren Sprach- und Musikunterricht. Und so vollzieht sich im Frieden, was vor hundert Jahren zu erzielen vermochte­­. Kaiserin Maria Theresia machte die ersten Versuche der Kolonisation der Zigeuner in Un­garn; Josef II. setzte dieselben durch sein „Hauptregula­­tiv für Zigeuner“ vom 9. Oktober 1783 fort. Man wies den Zigeunern Wohnsite an und gab ihnen Grund und Boden. Das wanderlustige und arbeitsträge Bölfchen ließ aber die ganze seßhafte Herrlichkeit in Stich und feßte sein altes Vagabundenleben fort — selbst wenn es nicht gelang, das neue Eigenthum zu versilbern. Mun ka­­men strenge und grausame Maßregeln. Man verbot die Ehen zwischen Zigeunern — die Zigeuner behalfen sich auch ohne den priesterlichen Segen. Man nahm ihnen die Kinder weg und gab sie zu cristlichen Meistern in die Lehre — die Meister waren froh, wenn die ungeherdigen Jungen zu ihren Eltern zurücliefen, die überdies niemals über Kindermangel zu klagen hatten. So spielten die Leutschen alle Ministerial-Erlässe aus. Die Kolonisation gelang nur in einem Teile Siebenbürgens, wo es noch heute Zigeunerdörfer und in manchen Städten Zigeuner­­viertel gibt. Die mechanische Geschiclichkeit und der auf­­gewehte Geist des Völkhgen­ verhaften ihm dort zu Wohl­­habenheit die reichen und kostbaren Kostüme der sie­­benbürgischen Zigeunermädchen, die Georg Vastagh malt, sind eine treue Kopie der Wirklichkeit. So wird es nun wohl auch anderswo werden. Ueberall in den Städten bilden sich kleine Zigeunerkolonien. es geschehen, daß die 85.000 Zigeuner, die es nach der lezten Volkszählung in Ungarn gibt, seßhafte Staatsbür­­ger werden, zum Teile eine Musikgilde mit Bogen und Cymbolhämmerchen im Wappen. Sie bringen ihr eminentes Talent zur Musik mit auf die Welt. Wenn es wahr ist, daß sie von den 4000 Kuli's abstammen, die Tamerlan aus Indien verdrängt, wie die Gelehrten behaupten, dann hätte sich ja ihr musi­­kalis<es Talent bereits durch­ 1400 Jahre von Generation auf Generation vererbt. Sie spielen jede Weise, die man ihnen vorgesungen, sofort auf der Geige nach. Vor zwei Jahren, als in Pest, in der großen Redoute, ein von zehn Zigeunerkapellen veranstaltet wurde, Monstrekonzert hatte man hier vollauf Gelegenheit, ihr angeborenes Talent in der raschen Auffassung, wie in der mächtigen Wirkung zu be­­wundern. Der Schwung ihres Spieles riß das mit Zi­­zu immer neuen, frenetischen Applausstürmen hin. 120 Zi­­geunermusik gesättigte Publikum groß seiner geuner spielten da­mit einer Differenz einer 64-tel Note zusammen und zur Erzielung dieses Zusammenspiels hatte eine Probe von drei Stunden genügt. Sie hatten kein Notenheft vor sich liegen und der alte Banks, ein bekann­­ter Geigerveteran, welcher als Dirigent fungirte, markirte mit seinem Dirigentenstabe den Takt. Er spielte ruhig auf seiner Geige und wandte nur manchmal den Kopf zur Seite — er rief seinem Orchester das Tempo mit dem Auge zu. Nicht einmal seine Mähne flatterte beim Dirigieren gespenflich hin und her — vor Allem, weil der alte Banks gar keine Künstlerloben trug. Und doch wurde da ein Räfeczymarich gespielt, der alle Hörer en­thusiahmierte. Die Zigeunerprimase aber sind wahre Vir­­tuosen, wenn auch ihr Virtuosentum nicht mehr von un­­seren Tagen ist. Sie gefallen sich in der Pflege der ber­asteten Kunststu­d­en, die sie allerdings in exquisiter Weise ausführen. Ihr Vogelgezwitscher auf der Geige klingt so einst meichelnd, wie es Ole Bull niemals süßer gespielt. Man lauschte fascinirt dem , Cserebogár, sárga Cserebo­­gár" (Maikäfer, gelber Maikäfer . . .) Rácz Pál­s, des Lieblingsmusikanten des Prinzen von Wales, und dem „Repülj feeskem . . .“ (Fliege, meine Schwalbe) 753akay Jani's aus Körös. Zwei Saiten sprangen dem Lebten während des Vortrages von der Geige ab, er spielte aber auf den übrigen seine Volksweise mit vollendeter Virtuo­­sität zu Ende, wie Paganini sein verliebtes Ständchen an die Großherzogin von Toscana. Es vererben sie auch ihre berühmten Weisen von Geschlecht auf Geschlecht — jeder Zigeuner hat in seinem Repertoire die alten Melodien Czinka's, Martinowich's, Bányak's, Bihari’s, Rozsavölgyi'8S, Czermak's und der übrigen Zigeunerkönige, welche längst gestorben und be­­graben sind und die jenen, die nach ihnen kamen, nicht gelassen haben wie das Lied, welches sie den Saiten ent» lot und das durt Jahrhunderte weiterklingt . . Die Zigeuner von heute werden ihren Kindern­­ andere Vermächtnisse machen können , denn ihnen wird nur in späten Tagen der Lohn dafür daß sie durch Jahrhunderte die Pflege und Erhaltung der ungerischen Musik besorgt haben, einer süßtrau­rigen zauberhaften Musik, die eine uns glückliche ungarische Dichterin, welche die tödliche Waffe gegen die eigene Brust gerichtet, in ihrem Schwanenge­­sang als das Einzige auf Erden bezeichnete, von dem sie mit schweren Herzen schied. — die Strenge nicht | | Auf diese Weise wird Blasiertheit

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