Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-09-21 / 76. szám

friedigen, denn selbst im 200sten seiner Sonette ist mit keiner Sylbe erwähnt, daß der Dich« ter seine Schuld abgetragen hat. Endlich sollen sich die Musen seiner angenommen haben. Der Limonadier wurde gerührt. . . vom Schlage und starb früher al- der Abbe. — Gotthold Ephraim Leffing schrieb — wegen einer kleinen unbedeutenden Geldschuld von einem unbarm­herzigen Sadducäer bis aufs Blut gequält — eines feiner Misterwerke »Emilie Galotti." Be­weis, daß die Schulden auch ihr Gutes haben. Freilich hat mancher unserer neueren Dichter mehr Schulden als Haare auf dem Kopfe und schreibt dessenungeachtet keine »Emilia Galotti." Ob dies aber an dem Schuldner oder mehr an dem Gläubiger liegt, wollen wir nicht unter­suchen und unS lieber zum Helden unserer Geschichte zurükwenden. Rossini war unter vielen Andern auch einem Mailänder Delikatessenhändler, 'der die fri­schesten Austern, die besten Hummern, die feinsten Seefische und andere vortreffliche, aber sehr theuere Lekerbiffen hatte, seit Jahren eine Rechnung von mehr als 900 Lire schuldig. Der Kaufmann, ein außerordentlicher Verehrer der Roffini'schen Musik, hatte den Maestro nie darum gemahnt, weil er fich geehrt und geschmeichelt fühlte, den Mann, der den »Barbier von Sevilla" geschrieben, in die Liste seiner Schuldner eintragen zu dürfen. Er schäzte fich glüklich, wenn der Komponist deS .Othello" Austern schmausend, bald Den, bald Jenen frei­haltend, sich mit ihm von der Vortrefflichkeit seiner Waare unterhielt und beim Weggehen ihm die Schulter klopfte oder wohl gar die Hand drükte. Wer war dann stolzer als unser Austern­händler, der, schon ziemlich bejahrt, wie RoffinenS Vormund Bartolo hieß und den unser Maestro scherzweise »Doktor" oder wegen seiner weißen Haare zur Abwechslung dann und wann auch »Meister Schneeweiß" hieß. Er hatte diesen Mann schon in Neapel gekannt, und ein Theil jener Schuld schrieb fich aus früherer Zeit her, wo Bartolo noch auf dem Molo in Neapel etablirt gewesen war. »Nur dir zu Liebe," versicherte ihm der »Schwan von Pe« saro", »habe ich den Alten im »Barbier von Sevilla" Bartolo genannt." — »Wär' ich, wie Jener, "bet Vormund einer so hübschen Rostna, ich würde fie mit dem größten Vergnügen meinem hochverehrten Freunde, Almaviva Rossini, abtreten." — »Behalte deine Rosina für dich und überlaffe mir lieber deine Austern," sagte derGourmand und bestellte vorläufig hun­dert Stük.—Austern waren Joachim'S größte Leidenschaft und gleichsam Supplement-Musen, die ihn wenn die andere nicht aufgelegt war, zum Komponiren begeisterten. Einst sagte er zu David: »Die Auster gleicht dem himmlischen Manna, von dem die weisen Rabbinen erzäh­len, daß eS die Eigenschaft besessen, dem Gaumen stets neu zu erscheinen und jeden Geschmak anzunehmen, nach dem man eben Gelüste hat. Ein Frühstük ohne Austern ist ein Mittags­­mahl ohne Maccaroni, eine Nacht ohne Mondlicht. Diein perüidi, sage ich jeden Tag, der für mich ohne Austern und Maccaroni in dem Strom der Zeit versinkt." Der Gaumen war nun einmal der Göze, dem er Alles — ja sogar daS Geld, daS er über Alles liebte — auf­zuopfern im Stande zu fein schien. Schon früher war er einmal auf dem Punkte, sein glän­zendes Engagement in Neapel mit einem minder vortheilhaften beim Fenice-Theater in Vene­dig zu vertauschen, blos aus dem einfachen Grunde, um an der Quelle der Arsenal-Austern zu leben, die nach den Pfahl-Austern von Triest, bekanntlich die besten von ganz Italien und beinahe die einzigen schönen Ueberreste der alten Dogenherrlichkeit Venedigs sind. Zehn Tage nach jenem Frühstük erhielt Rossini eine gerichtliche Vorladung. Er erbrach den Wisch, laS und wurde wüthend. — »Ist dieser Bartolo verrükt?" rief der Maestro. »Noch gestern gab mir dieser heuchlerische Schurke die Versicherung seiner innigsten Freund­schaft und heute sehe ich mich von ihm verklagt, verklagt wegen einer Lumperei von 978 Lire (die Summe war unterdessen so hoch angewachsen). Mich verklagen, mich, den Komponisten des »Barbier von Sevilla", deS »Othello" und deS »Aschenbrödel", mich, dem eS nur ein Wort kostet, um den Impresario der Scala zu bewegen, meine Rechnung augenblikllch zu bezahlen! Aber nein, das thue ich nicht; mein Stolz erlaubt eS nicht, dem Mann ein gu­tes Wort zu geben, und lieber will ich dem verdammten Austern-JudaS noch zehn Mal mehr, als dem geldstolzen Impresario von Mailand die kleinste Verbindlichkeit schuldig sein. WaS nun anfangen? DaS Bezahlen macht mir keine Sorge, denn der Prozeß dauert allermindestens vier bis fünf Wochen und bis dahin wirft mir der liebe Gott einen Geldfak oder-------waö am Ende dasselbe ist einen neuen Operntert zu. Wo aber bekomme ich unterdessen so himmlische Austern, so göttliche Seefische her? Ich kann doch unmöglich zu dem Pharisäer, der mich kreuzigen will, hingehen und ihn um Nachsicht bitten, ich, Joachim Rossini, einziger Sohn der schönsten und besten Mutter von ganz Italien! Lieber will ich acht Tage nichts anderes als Brod und Wasser . . . nein, dafür möge der himmlisch« Vater und die heilige Mutter EotteS mich gnädiglich bewahren, denn ohne Austern kann ich eben so wenig leben, alS eine

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