Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-09-21 / 76. szám

Siebzehnter Jahrgang. 1844. Pesth und Ofen, Sonnabend, 21. September. 76. DER SPIEGEL f u r Stuift, Eleganz und Mode. ——$38»—— Redakteur: Satt». Rosenthal. Verleger: Fr. Wiesens Wittwe und S. Nosenthal. Rossini und -er Aussernhän-ler *)♦ on Rom begab sich Rossini nach Mailand. Seine Ankunft in der (, Hauptstadt des lombardifch-venetianifchen Königreichs war ein Ereigniß, ' daS die zahllose Legion männlicher und weiblicher Dilettanten in Auf­ruhr brachte. Damals graffirte in Mailand ein neuer Kultus, für den ein geistreicher Franzose den Namen »Rossinolatrie" erfand. Die Frauen, die, wie fast überall, auch in Italien die verzeihliche Schwäche bess­zen, sich zu Jedem, welcher Aufsehen erregt, unwiderstehlich hingezogen zu fühlen, trieben mit dem „Dio della musica" wahrhaft heidnischen Gözendienst. Sie beteten in ihm einen neuen Messias und Adonis an, streuten ihm Weihrauch und brachten ihm freiwillig die theuersten Opfer. Der Schöpfer des »Othello", berauscht von der Schönheit der lombardischen Frauen, gekizelt vom prikelnden Gase ihrer Huldigung, stürzte sich blindlings in ein Meer verliebter Abenteuer, knüpfte tagtäglich eine neue, höchst anziehende, mehr oder minder kostspielige Bekanntschaft mit Frauen auS allen Tonarten, Dur-Liebschaften und Moll-LiaisonS an und verlebte hier »glüklich wie Gott in Frankreich" vier schöne Monate. Die Folge davon war, daß seine Börse bald rin starkes Lek bekam. Schon nach Verlauf von zwei Monaten hatte der gefeierte Ab­gott der Dilettanti, der Messias der Mailänder Damen, eine Unzahl kleiner Verbindlichkeiten, die man im bürgerlichen Leben Schulden nennt. Wir bitten unsere Leser, unfern liebens­würdigen Freunde deshalb keinen Vorwurf zu machen. Rossini war nun einmal ein Genie, und welch ein Genie hat niemals Schulden gehabt? Sheridan, einer der liebenswürdigsten Dichter Englands, ein Mann, der mehr Gläubiger, als ein Blatt der Times Buchstaben gehabt, konnte sich ifin Genie ohne Schulden denken. Auch wir theilen diese Ansicht. Du lieber Gott, wer zählt all' die großen Geister, die im Schuldgefängniffe gestorben sind? Wir könnten ei­nen Folianten schreiben über geniale Künstler, die bis über die Ohren in Schulden gestekt. Wir erinnern an Sacchini, der für jede neue Oper 10,000 LivreS erhielt und trozdem nie auS den Schulden herauskam. Der berühmte Maler Raphael MengS, der sich in kurzer Zeit über 180,000 Thaler erworben, hatte bei seinem Tode so viel Schulden und so wenig Baar­­schaft hinterlaffen, daß kaum die Kosten zu seiner Beerdigung gedekt waren. Auch Walter Scott, der für jeden Bogen 100 Pfund Sterling Honorar erhalten hatte, war gegen sein Ende in große Schulden gerathen. — Wie unbedeutend aber ist die Sorge großer Schulden gegen die prikelnde Qual einer kleinen Schuld? Nur ein Paar Beispiele! Abbe Casti, der Verfasser mehrerer Opernterte, hatte daS Unglük, einem römischen Limonadenverkäufer die un­geheure Summe von 3, wiederhole drei Giuli (etwas über acht Groschen) schuldig zu sein. Der grobe, hartherzige, unerbittliche Manichäer quälte den armen Poeten dergestalt, daß dieser alle Unbilden, welche er von seinem Gläubiger erdulden mußte, in einer Reihe von Sonetten besang, wovon er später zweihundert gesammelt und int Druke herausgegeben hat. Wir müssen annehmen, daß der Herr Abbe niemals in die Lage gekommen sei, seinen Quälgeist zu be­ *) Im Auszüge aus dem beiPh. Reclam jua, nächstens erscheinenden »Narren-Almanach« von E. M. Oettinger, Leipzig, 1845.

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