Ungarische Rundschau für Historische und Soziale Wissenschaften 3. (1914)

1914 / 1. szám - Dr. Felix Schiller: Die österreichischen Hausgesetz und das ungarische Staatsrecht

Die österreichischen Hausgesetze und das ungarische Staatsrecht*). Von Privatdozent Dr. Felix Schiller. I.D *””......”j ER gewaltige Wesensunterschied zwischen dem ungari­■ sehen Königtum und der territorialen Landeshoheit im : alten Deutschen Reiche gelangt auch in der Tatsache zum ■.............: Ausdruck, daß es niemals ein Hausrecht der ungarischen Königsfamilie gab. Die Wahlmonarchie — und eine solche war Ungarn vielleicht schon im Zeitalter der Árpádén1), jedenfalls aber seit deren Abgänge bis zum Jahre 1687 — ist selbstverständlich durch den Mangel eines patrimonialen Charakters der königlichen Gewalt ausgezeichnet; die Abweisung einer privatrechtlichen Anschauung ergab sich in Ungarn überdies zwingend aus der herrschenden öffentlich-rechtlichen Auf­fassung vom Staate: der Lehre von der Heiligen Krone2). Durch den Mangel der Patrimonialität nun war einem korporativen Zu­sammenschlüsse der Mitglieder des Königshauses, der unerläßlichen Voraussetzung jeder Autonomie, von vornherein der Boden ent­zogen. Bei der engsten organischen Verbindung zwischen Staat und König in Ungarn entfiel auch jene rechtliche Distanz, die in Deutsch­land zwischen Kaiser und Reich einerseits und den Landesherren *) Abschnitt V dieses Aufsatzes bietet eine Auseinandersetzung mit Kapitel 16 des jüngsten Werkes von Gustav Turba, Die Grundlagen der Prag­matischen Sanktion. II. Band. Die Hausgesetze, 1912, S. 222—268: «Sind die Hausgesetze auch für Ungarn bindend?» Kapitel 17, «Der ,Monarch“ als Schutzherr einer patrimonialen Union», gedenkt der Schreiber dieser Zeilen dem­nächst kritisch zu besprechen. In betreff der letzterem Kapitel zugrunde liegenden Lehre Turbas von der «1687 und 1715 durchgeführten Verfassungsrevision» und der «Revisionsklausel» sei vorläufig auf meine Rezension des I. Bandes der Grund­lagen, Pester Lloyd 30. April 1911, verwiesen. Die Theorie von der Revisions­klausel hat seither Graf Julius Andrássy in eingehender Untersuchung verworfen: «Ungarns rechtliche Selbständigkeit von 1526 bis 1715». Ungarische Rundschau Jahrgang I, 1912, S. 284 ff. >) Dies ist die herrschende Meinung, der gegenüber jüngst von Wilhelm Fraknói die Geltung des Primogeniturerbrechts behauptet wurde. «Die Thronfolgeordnung im Zeitalter der Árpádén». Jahrgang II, S. 135 ff. dieser Zeitschrift. Doch vgl. Ferdinandys Artikel das. II, S. 757ff. 2) Siehe über diese besonders Ákos v. Timon: «Die Entwicklung und Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Begriffs der Heiligen Krone in der ungarischen Ver­fassung». Festschrift für Heinrich Brunner, 1910, S. 309 ff. Ungarische Rundschau. III. Jahrg., t. Heft. 1

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