Ungarische Rundschau für Historische und Soziale Wissenschaften 4. (1915)

1915 / 1. szám - Bischof Wilhelm Fraknói: König Matthias Corvinus und der deutschen Kaiserthron

2 Ungarische Rundschau. Aber die phrasenhaften Äußerungen der Selbstdemütigung waren nur die deckende Maske für einen stolzen Gedanken. Zwischen dem deutschen Reiche und dem ungarischen Staate sollte in der Weise eine innige Beziehung geschaffen werden, daß nicht der ungarische Staat einen deutschen, sondern vielmehr das deutsche Reich einen ungarischen Herrscher erhalte. Zweifellos war es ein ganz ungewöhnlicher Ehrgeiz, der in dem Enkel des Kleinadeligen aus dem Hunyader Comitate den Wunsch entfachte, über die Habsburger, Wittelsbacher und Hohenzollern zu herrschen. Aber der Sohn des Erretters der Christenheit und Erbe seiner Mission durfte sich würdig fühlen, die höchste weltliche Würde zu bekleiden, welche das Christentum zu verleihen hatte, ln seinem Unternehmen bestärkte ihn der Umstand, daß sein Zeitgenosse, Georg Podiebrad, König von Böhmen, der weder der Sprosse eines fürstlichen Hauses, noch aber auch deutscher Abkunft war, die Ab­sicht hatte, sich noch zu Lebzeiten des Kaisers zum Teilhaber und Erben des deutschen Thrones mit dem Titel eines römischen Königs erwählen zu lassen. Diesen Plan Podiebrads, welcher an dessen un­erschütterlicher Zugehörigkeit zur hussitischen Sekte scheiterte, wollte Matthias verwirklichen. Schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts übergaben die deut­schen Archive jene Briefwechsel der Öffentlichkeit, welche sich auf drei Versuche Matthias, die Kaiserkrone zu erwerben, beziehen. Hin­gegen sind die im herzoglich-ferrarischen Archive aufbewahrten diplomatischen Berichte, welche von einem vierten Versuche Kunde geben, bisher noch nicht in die Öffentlichkeit gedrungen. Diesen letzten Versuch König Matthias’ im vorliegenden zu erörtern, ist meine Absicht. I. Das erstemal war zu Beginn des Jahres 1468 von der Wahl König Matthias’ zum König von Rom die Rede; damals hatte Podiebrad die kirchliche Exkommunikation auf sich gezogen und mit seinen Scharen Österreich überschwemmt. Sowohl der Kaiser, wie auch der Papst wandten sich an den ungarischen König um Hilfe. Ihre Gesandten boten Matthias die Würde des Königs von Rom an. Er befreite nun den Kaiser von seinen Feinden und drang in Böhmen ein, um den glaubensabtrünnigen König seines Thrones zu berauben. Der Kaiser indessen weigerte sich nachträglich, sein Versprechen zu erfüllen. Da unternahm Matthias den Versuch, ohne seine Hilfe und gegen seinen Willen die Wahl durchzuführen. Er willigte in den Antrag

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