Neue Literatur, 1973 (Jahrgang 24, nr. 1-12)

1973-04-01 / nr. 4

dapest. Ditroi Puskás Ferencz wurde Edisons Freund, während er sein Leben darauf verwandte, den genauen Zeitpunkt der Geburt Jesu zu ermitteln. Und sofern auch das noch kein seklerisches Unterfangen ist, gestatten Sie mir, an Szárhegyi Bartalis Antal zu erinnern. Unser be­rühmter Landsmann ging von der Überlegung aus: wenn es einen Hei­ligen Stefan gegeben hat, muß er naturgemäß eine rechte Hand gehabt haben. Er fand sie auch in einer Nürnberger Chronik. Was aber hat unser Sekler in Persien zu suchen? Er betätigt sich in der Unterhaltungsbranche. Hat eine Kneipe eröffnet. An Leistung geht nichts verloren, sie verändert sich bloß. Sie richtet sich nach den Möglichkeiten des Zeitalters. Hiltonhotel, Kaffee, Kognak, Erdnüsse. Die Nelke und der Ker­zenschein: Strahlenmusikkulisse zu Teherans Märchenstimmung. Sanft wird man durch die schwankenden Flammen in die Atmosphäre ver­gangener Jahrhunderte versetzt. So bin ich in meiner Befindlichkeit und in meinem VerwickeLtsein nicht bloß räumlich, sondern auch zeit­lich weit weg von daheim. Die zurückfliegenden Gedanken müssen dreitausend Kilometer bezwingen. Falls betreffender Sekler hier nicht auftaucht, so kann ich im Schatten Mohammeds mit keinem Bekannten rechnen. Ein junger Mann in Frack tritt ein, beginnt Klavier zu spielen. Er stiehlt sich, um unsere Ohren zu schonen, auf Fingerspitzen in unsere Stimmung. Die Dame an meiner Seite sagt: „Diese Melodie ist anders als das, woran Sie im Westen gewöhnt sind. Melancholisch. Eine Eigenart östlicher Gefühlswelt. Hören Sie doch zu.“ Ich lausche aufmerksam. Der ebenso gutaussehende wie verführerische junge Mann spielt „Akazienweg, wenn ich dich entlanggeh...“ Wir sind richtig! Über seine Person ziehe ich beim Ober Erkundigungen ein. Er blickt kurz hin: „A Hungarian!“ Persischer Markt. Ich bin der Käufer, folglich feiern die Ver­käufer mich. In dem engen kleinen Laden — wo ich eine Sonnenbrille zu kaufen gedenke — empfängt mich der Besitzer, als wäre plötzlich sein langvermißter Verwandter eingetroffen. Nur das Umarmen und Küssen bleibt mir geschenkt. Auf Geschäftsverhandlungen läßt er sich nicht ein, bevor ich nicht im Lehnstuhl sitze. Die Ware nicht gründlich betrachtet habe. Er setzt mir Gebäck und eine Tasse Tee vor. (Ich wundere mich nicht mehr: im Schuhladen war es ebenso.) Wir sitzen uns gegenüber, der Mann, von dem ich eine Sonnenbrille kaufen werde, segnet mich mit seinem Lächeln wie einen Krug Wasser am Sankt- Johannes-Tag, dann stellt er mich vor den Spiegel, setzt mir eine Brille nach der andern auf die Nase, mit einer beliebigen könne er mich nicht -entlasen, sie müsse meinem Stand ensprechen: convenable â votre rang... Wir werden handelseinig, reichen uns die Hände, ich muß ver­sprechen, wiederzukommen, er geleitet mich zur Türe, betritt den Gehsteig und versprüht sein Lächeln sogar auf meinen Rücken.

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