Neue Zeitung, 2014 (58. évfolyam, 1-52. szám)

2014-08-08 / 32. szám

12 AUSBLICK Sie wollen sein ein einzig Volk von Brüdern Wilhelm Teil behält seine Bedeutung als Schweizer Freiheitsheld Zweifelnde Intellektuelle haben es ja schon immer geahnt, und im 19. Jahrhundert haben ihnen die Begründer der kritischen Schweizer Historiographie und Urkundenforscher wie Joseph Eutych Kopp recht gegeben: Wilhelm Teil ist eine Sagengestalt, die nie wirklich gelebt hat. Fest steht, dass die Schweizer Urkantone Uri, Schwyz und Unterwal­den Widerstand gegen die österreichische Herrschaft der Habsburger leisteten. Wann der Schwur auf dem Rütli geleistet wurde, ist schon wieder Gegenstand von Diskursen der Historiker: 1291? 1307? 1315? Der legendäre Freiheitskämpfer Durch die Eröffnung des Gotthard­passes wurde im 13. Jahrhundert die Gegend um den heutigen Vierwald­stättersee strategisch interessant, sodass die Habsburger ihr Territorium dorthin ausdehnten und Vögte als Richter und Steuereintreiber einsetz­ten. Gegen die Willkürherrschaft und die massiven Steuerabgaben taten sich die wehrhaften Männer von Uri, Schwyz und Unterwalden zusammen und leisteten - angeblich - im August 1291 auf einer Bergwiese den berühmten Schwur auf dem Rütli. Das Ziel von Werner Stauffacher, Arnold Melchtal und Walter Fürst war die Vertreibung der österreichischen Landvögte, Hermann Gessler in Küss­nacht und Beringer von Landenberg in Samen. Im Schächental oberhalb von Alt­dorf lebte - angeblich - Wilhelm Teil als Bergbauer und weitum berühmter Armbrustschütze. Als er eines Tages mit seinem kleinen Sohn Walter nach Altdorf kam, weigerte er sich, Gesslers Hut zu grüßen, der zu diesem Zweck auf einer Stange aufgehängt war. Er wurde sogleich verhaftet. Gessler auf­erlegte ihm eine weitere Schikane: Um freizukommen, müsse er vom Kopf seines Sohnes aus achtzig Meter Ent­fernung einen Apfel herunterschießen. Teil entnahm seinem Vorrat zwei Pfei­le, einen steckte er in den Köcher, den anderen legte er auf. Der Meister­schuss auf den Apfel gelang. Mit dem zweiten hätte er Gessler erschossen, wenn ihm der erste Schuss nicht geglückt wäre. Nach diesem freimüti­gen Bekenntnis wurde Teil gefesselt und auf Gesslers Schiff gebracht, um ihn in den Kerker der Burg Küssnacht zu werfen. Ein gewaltiger Föhnsturm auf dem See brachte das Schiff und seine Besatzung in Lebensgefahr. Teil war der Einzige, der fähig war, das Schiff zu retten, und so wurden ihm die Fesseln abgenommen. Er aber steuer­te es gegen das Ufer, am Fuße des Axen sprang er mitsamt seiner Arm­brust auf eine Felsplatte und stieß das Schiff zurück in die Fluten. Über das Gebirge eilte er nach Küssnacht, wo Gessler durch die Hohle Gasse kom­men musste. Dort lauerte Teil ihm auf und erschoss ihn mit dem bereits ein­mal dafür reservierten Pfeil. Mit seiner kühnen Tat setzte Teil ein Zeichen und ermutigte die Freiheitsbestrebungen in den Urkantonen gegen die Fremdherr­schaft. Erkämpfte auch noch 1315 mit den Eidgenossen gegen das Ritterheer der Habsburger. 1354 kam Wilhelm Teil zu Tode, als er ein Kind aus den tobenden Was­sern des Schächenbachs rettete. Sein Leichnam wurde nie gefunden und jedenfalls in den Vierwaldstättersee gerissen. Etwas melodramatisch heißt es: Wer das Wasser des Sees berührt, berührt Wilhelm Teil. So weit also die dramatische Mischung aus Geschichte und Legen­de. Erste urkundliche Erwähnungen Die Tellsgeschichte fand als Volks­ballade erste Erwähnung im 15. Jahr­hundert. Von der „eidgenossen pundt“ wird in den drei Tellenliedem gesun­gen, das erste stammt von 1477. 1550 geht Aegidius Tschudi im „Chronicon Helveticum“ auf die Teilsgeschichte ein. In den Chroniken ist der Eidge­nössische Bund mit dem Jahr 1315 festgesetzt. Als einer von mehreren Bundesbriefen gilt der Bundesbrief mit dem Datum von Anfang August 1291 als die Gründungsurkunde der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Das Dokument - es sind siebzehn Zei­len in lateinischer Sprache auf Perga­ment geschrieben — beschäftigt sich mit der Rechtsordnung für Leib und Gut und der gegenseitigen Hilfeleis­tung: „Diese Ordnungen sollen, so Gott will, dauernden Bestand haben.“ 1891 erwirkten patriotische Natio­nalhistoriker, dass die Jahreszahl auf 1291 und der Schweizer National­feiertag auf den 1. August festgesetzt wurden. An Erinnerungsstätten Geschichte und Geschichten erleben Am 12. September 1848 wurde mit der ersten Bundesverfassung die Schweiz vom Staatenbund zum Bundesstaat geeint. Nach einer lan­desweiten Sammlung kaufte elf Jahre später die Schweizerische Gemein­nützige Gesellschaft das Rütli. Histo­rische Gedenktage werden gerne dort gefeiert, aber parteipolitische Mani­festationen sind auf dem Rütli verbo­ten. Ein Pächter nützt das Areal von 62.000 Quadratmetern für landwirt­schaftliche Zwecke - die friedlich gra­senden Kühe werden sicher nicht gegen dieses Verbot verstoßen. Viel­leicht vermögen sie die Milch der frommen Denkungsart zu liefern. Der eigentliche Schwurplatz ist auf dem Rütliweg dort, wo drei Quellen entspringen. Die Hohle Gasse war einstmals die einzige Straße von Immensee nach Küssnacht - der Landvogt musste also tatsächlich hier durch, wenn er in seine Burg gelangen wollte. 1934 wurde die Stiftung zur Erhaltung der Hohlen Gasse gegründet, einen Teil der ursprünglich viel längeren Gasse ver­setzte man in den Originalzustand. In der Tellskapelle an der Hohlen Gasse ist ein schöner barocker Altar zu bewundern und an der Kapellenrück­wand die Darstellung des „christlichen Sühnetodes“ von Wilhelm Teil, wie er bei der Rettung des Kindes tödlich verunglückte. Nach dem Schuss auf den Landvogt stand an diesem Platz erst ein „Heilig Hüsli“, und 1638 wurde die jetzige Kapelle erbaut. Die Tellskapelle in Bürglen von 1582 steht an dem Platz, wo Teils Wohnhaus gestanden sein soll. Inter­essante Dokumente, Bilder, Skulptu­ren und historische Gegenstände aus sechshundert Jahren bietet das Teil Museum in Bürglen, dem angeblichen Urner Heimatort von Wilhelm Teil. Am Fuße des Axen, unweit von Sisikon, steht die Tellskapelle neben der Teilsplatte, wo Teil der Sage nach vom Schiff an Land gesprungen ist. Schon 1388 wurde dort die erste Kapelle gebaut, die heutige wurde 1880 errichtet und mit Fresken von Emst Stückelberg geschmückt. Das wohl bekannteste Tell-Denk­­mal ist die Bronzestatue von Richard Kissling, aufgestellt auf dem Rat­hausplatz in Altdorf und am 28. August 1895 eingeweiht. Die angege­bene Jahreszahl auf dem Sockel ist 1307. Auf der Bronzetafel steht: „Erzählen wird man von dem Schüt­zen Teil solange die Berge stehn auf ihrem Grunde“. Der Schillerstein erhebt sich aus dem Wasser des Vierwaldstättersees, gegenüber von Brunnen, dort, wo der See einen Knick macht. Die Schrift darauf besagt: „Dem Sänger Tells - F. Schiller - die Urkantone - 1859“. Schiller lässt die Eidgenossen auf dem Rütli schwören: Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern. in keiner Not uns trennen und Gefahr. Wir wollen frei sein, wie die Väter waren, eher den Tod, als in der Knechtschaft leben. Traude Walek-Doby Wilhelm Teil auf dem Rathausplatz in Altdorf • -»mAomr ' 4; TnJ- „.,4,,, qlk v~«J J*» « tf 4^* “■* R» >4'•&$***'* ftü ar£>-«—' £*-"*- • »**“ »fl ui . u.W q *£■ jm# kftmA 4’S1 tnl» jffvmttniifu«- V*«* rtfu ►•ft“1’“* ,r ^pir qnf JLnm ur-4 jL. tt-pTÍM$M MM?ßiic- uirn 4 «muCA» "yA (mpm fcifiriir- rJZfraneMf W E'iafrtamef mAforip 1 V» * fnai>Ji*nr £.rctit-u. f,"‘fcfc-i" (Ae*- crS firmü&W ><W T««j' r-ntrüTtXr»«* ft« fyLjhr W i,t>Í í í fn, fw.'Vtne-üw. frf.qují'w*«“ qfw ^„**1 •.■M.- W’n I «wfi. s,£ .« J.i,f> , CjT-~ LgsTM .-i,.« V «/iw.}"* >-"• ^■,,.*4'. y v ■ VAS A nu.ntt . .W *■ ' rAnnv«*TM: Bundesbrief im Bundesbriefmuseum Foto: TWD Rückwand in der Tellskapelle an der Hohlen Gasse NZ 32/2014

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