Neuer Weg, 1970. szeptember (22. évfolyam, 6631-6656. szám)

1970-09-17 / 6645. szám

Seite 2 Ausnahmezustand in Sierra Leone Freetown (Agerpres). — In Sierra Leo­ne wurde der Ausnahmezustand verhängt. Premierminister Siaka Stevens gab in ei­ner Rundfunkrede bekannt, die Regierung von Freetown sei davon unterrichtet, dass „eine Gruppe von Personen, die nach der Macht streben, eine der Auf­rechterhaltung einer gesunden Atmosphä­re zuwiderlaufende Tätigkeit entfalten“. Premierminister Stevens forderte seine Landsleute auf, die Ordnung zu wahren und erklärte, die Regierung werde die energischsten Massnahmen gegen die­jenigen treffen, deren Tätigkeit in Sierra Leone Unruhe schaffen könnte. Nach Ansicht von Beobachtern stehen die in Freetown bekanntgegebenen Mass­nahmen in engem Zusammenhang mit den Rücktrittsgesuchen von Finanzmini­ster Mohammed Fama und des Ministers für Entwicklungsfragen Bash-Taqui. Diese äusserten ihre Unzufriedenheit über die von der Regierung Siaka Stevens ausge­arbeiteten politischen Programme. Kunstmond soil Nacht erhellen Los Angeles. — Die Nacht ständig zum Tage machen will der amerikanische Wis­senschaftler Krafft Ehricke. Auf einer von der Raumfahrtbehörde (NASA) ver­anstalteten Konferenz in der kaliforni­schen Stadt Mountain View schlug Ehricke vor, zu diesem Zweck einen künstlichen Mond auf eine stationäre Umlaufbahn zu bringen. Ehricke, der Chefwissenschaftler der North American Rockwell Corporation ist, erläuterte das Projekt ausführlich vor fast 500 Wissenschaftlern aus den USA und dem Ausland. Wie er sagte, sollte ein Spiegel von etwa 900 Meter Durchmes­ser im Weltraum so stationiert werden, dass er —■ von der Erde aus gesehen — scheinbar immer an der gleichen Stelle steht. Mit. solchen Spiegeln sei es möglich, das Sonnenlicht so zu reflektieren, dass „nachts“ weite Teile der Erde in ein Licht getaucht werden, das sechsmal intensiver als die vom Mond auf die Erde reflek­tierte Helligkeit sei. Der mit einem ein­zigen Spiegelsatelliten erzeugte künstliche Mondenschein würde nach Angaben des Wissenschaftlers ungefähr ein Gebiet von 340 Kilometer Durchmesser aufhellen. Grösste LSD-Küche wurde sichergestellt Frankfurt, — Der vermutlich grösste Schlag gegen heimliche LSD-Hersteller in der Bundesrepublik gelang der Krimi­nalpolizei in der Wohnung eines 21 jähri­gen Chemielaboranten in Frankfurt. Meh­rere Flaschen mit selbstfabriziertem LSD, das nach Schätzung der Kripo auf dem Rauschmittelmarkt „mehrere Millionen“ Mark erbringen würde, ein komplett ein­gerichtetes Laboratorium und vier 19 bis 23 Jahr« alte „LSD-Fabrikanten“ fielen 'dabei der Kripo in die Hände. Grossstreik amerikanischer Automobllarbeiter (Fortsetzung von Seite 1) 23. September aufgeschoben wird. Die Ge­werkschaftsleitung erhob Einspruch gegen dieses Gerichtsurteil, und in Ohio blieben mehr als 40 000 Eisenbahner der • Arbeit fern. Bekanntlich ist der US-Präsident be­fugt, jeden Streik, der das wirtschaftliche Gleichgewicht im Lande gefährden könn­te, für einen Zeitraum von 60 Tagen zu untersagen, in welcher Zeit jedoch ver­sucht werden soll, ein Einvernehmen zwi­schen Werktätigen und Unternehmern herbeizuführen. Sowohl der Ausstand in der amerika­nischen Automobilindustrie als auch der Streik der Eisenbahner sind darauf zu­rückzuführen, dass sich die Unternehmer geweigert hatten, verschiedene Forderun­gen — insbesondere Lohnforderungen — in die neuen Tarifverträge aufzunehmen. US-Präsident Richard Nixon wandte sich mit einem offenen Schreiben an -die Gewerkschaften, worin er versichert, dass seine Administration in Verfolgung ihrer antiinflationistischen Politik nach wie vor bemüht sein wird, eine Verschärfung der Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Ausland Die XXV. Tagung der UNO-Vollversammlung Vertreter Norwegens, Edward Kambro, zum Präsidenten der Tagung gewählt Maria Groza Vorsitzende des Ausschusses Nr. 3 New York (Agerpres). — Im New-Yorker Palais der Vereinten Nationen trat die XXV. Tagung der UNO-Vollversammlung zusammen. Bie Eröffnungssit­zung fand unter Leitung von Angie Brooks, (Liberia), Vorsitzende der vorangegan­genen Tagung, statt. Nach Ernennung des Verifizierungsaus­schusses der Vollmachten wählten die Ta­gungsteilnehmer Edward Hambro, ständi­ger UNO-Vertreter Norwegens, zum Vor­sitzenden der gegenwärtigen Tagung. An-Bei den Vereinten Nationen wurde der Jahresbericht des UNO-Generalsekretärs veröffentlicht. „Das Jahr 1970 ist für die Vereinten Nationen ein historisches Jahr“, heisst es in dem Dokument. „Noch nie hat die Menschheit die Existenz einer wirksamen weltumspannenden Organisation, ein Fo­rum im Hinblick auf die Verwirklichung des Friedens, als so vordringlich angese­hen wie heute.“ U Thant weist darauf hin, dass er auf Grund einer Analyse der internationalen Ereignisse der letzten Zeit, „vorsichtigen Optimismus“ an den Tag legen dürfe, ge­stützt auf die Verwirklichung des Waf­fenruheabkommens in Nahost, die Einstel­lung des Bürgerkrieges in Nigeria und den Abschluss des sowjetisch-westdeut­schen Vertrags. „Diese Einschätzung schliesst überdies die Einberufung einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz in sich ein“, erklärt der Generalsekretär. Unter Bezugnahme auf die Abrüstungs­frage weist U Thant darauf hin, dass der Jahresbericht „die ermutigenden Nach­richten über den Fortschritt der Ver­handlungen zwischen der Sowjetunion und den USA betreffend die Begrenzung der strategischen Rüstungen“ umfasst. Weiterhin weist der UNO-Generalsekre­­tär auf den gefährlichen Kurs hin, den das konventionelle Wettrüsten eingeschla­gen hat, wobei betont wird, dass die Lo­kalkriege in den letzten 23 Jahren, in deren Verlauf von „klassischen“ Waffen Gebrauch gemacht wurde, gewaltige Ver­heerungen angerichtet und Verluste äh Menschenleben verursacht haben. Das in diesem Jahr gestartete Abrü­stungsjahrzehnt könnte seinem Zweck nur entsprechen, wenn ein vollständiges Ab­rüstungsprogramm ausgearbeitet wird, betont U Thant. Obzwar der Genfer Ab­rüstungsausschuss sich noch nicht über ein solches Programm geeinigt hat, äu­­sserţ der Generalsekretär die Hoffnung, dass „beharrliche Debatten übet dieses Problem und konstruktive Ideen und Vorschläge die Aufgabe der Vollver­sammlung im Zusammenhang mit der Annahme eines solchen vollständigen Programms erleichtern könnten.“ J£um Abschluss des einleitenden Kapi­tels über die Abrüstung erklärt U Thant: „Damit die Regierungen und Völker der Welt über die Probleme betreffend die Weiterführung des Wettrüstens besser un­terrichtet sein und diese besser verste­hen sollen, schlage ich vor, eine vollstän­dige und kompetente internationale Stu­die über die ökonomischen und sozialen schliessend wurden die Vorsitzenden der sieben Hauptausschüsse der Vollversamm­lung gewählt. Maria Groza, Stellvertreten­de Vorsitzende der Grossen Nationalver­sammlung, Mitglied der rumänischen De-Auswirkungen des Wettrüstens und die gewaltigen Militärausgaben auszuarbeiten. Eine solche Studie, die diejenige des Jah­res 1962 vervollständigen würde, könnte die Auswirkungen und Folgen aufzeigen, die sich für die Völker und ihre Wirt­schaften aus der Vermehrung der gesta­pelten Waffen wie auch daraus ergeben, dass immer umfassendere Ressourcen an­statt für friedliche Zwecke verwendet zu werden, für militärische Zwecke abge­zweigt werden. Eine solche Studie könn­te dazu beitragen, dass die Notwendig­keit und die Möglichkeit einer Überprü­fung der nationalen und der internatio­nalen Prioritäten in diesem Jahrzehnt besser erkannt wird.“ Beobachter bei den Vereinten Nationen stellen fest, dass dieser Vorschlag mit den Anliegen vieler Staaten, darunter auch Rumäniens, übereinstimmt, die bekannt­lich beantragt haben, dass der Punkt „Die ökonomischen und sozialen Folgen des Wettrüstens und seine äusserst schäd­lichen Auswirkungen auf den Frieden und die Sicherheit in der Welt“ in die Tagesordnung der gegenwärtigen Session einbezogen wird. Das Dokument weist sodann darauf hin, dass heute, zum 25. Gründungstag der UNO, dieses Ereignis am besten dadurch gewürdigt würde, dass die Mitgliedstaa­ten ihre Verpflichtung erneuern, die Prinzipien der Charta einzuhalten, damit die ökonomische und soziale Ungleich­heit in der Welt überwunden, damit auf Gewaltanwendung in den internationa­len Beziehungen verzichtet wird und di» Konflikte auf friedlichem Wege geregelt werden. Das Dokument lenkt überdies die Aufmerksamkeit der Mitgliedstäateu auf die Gefahren, die der Kolonialismus und die Vertiefung der Kluft zwischen den reichen und den armen Staaten für die Anbahnung von normalen internatio­nalen Beziehungen bedeuten. Abschliessend weist U Thant darauf hin, dass die vielfältigen komplexen Pro­bleme, vor denen die UNO steht, die Ver­wirklichung der Universalität dieser Or­ganisation erforderlich machen, mit dem Ziel, sie zu verstärken, ihre Wirksamkeit zu erhöhen, damit sie den Hoffnungen der Völker der Welt gerecht wird. ■* New York. — Nicolae Ecobescu, Stell­vertretender Aussenminister der Soziali­stischen Republik Rumänien, stattete UNO-Generalsekrotär U Thant einen Be­such ab. Es wurde ein Meinungsaustausch über die Probleme der XXV. Tagung der UNO-Vollversammlung vorgenommen. legation, wurde zur Vorsitzenden des Aus­schusses Nr. 3 für soziale, humanitäre und Kulturprobleme gewählt. Beobachter vertraten den Standpunkt, dass die gegenwärtige Tagung, in deren Verlauf ein Vierteljahrhundert seit der Gründung der Organisation der Vereinten Nationen gefeiert wurde, als ein wichti­ges Moment in die Geschichte der Organi­sation eingehen wird. Vom 14. bis 24. Ok­tober findet eine Jubiläumstagung statt, an der sich zahlreiche Staats- und Regie­rungschefs beteiligen werden. Die Tagesordnung der gegenwärtigen Session umfasst 108 Punkte. Im Vorder­grund stehen die Abrüstungsfrage, das Problem der Entwicklung und Entkolonia­lisierung, die Förderung von freundschaft­lichen Beziehungen der Kooperation zwi­schen den Staaten durch Einhaltung der Normen von Gerechtigkeit, internationaler Legalität und Ethik. Ein wichtiges Problem, mit dem sich die Mitgliedstaaten neuerlich auseinandersetzen werden, ist das der Universalität der Organisation, eine we­sentliche Voraussetzung für ihre Festi­gung, für die Verstärkung ihrer Wirksam­keit bei der Erörterung und Regelung der wichtigen Probleme, vor denen die inter­nationale Völkergemeinschaft heute steht. Dank der, Tatsache, dass der Zeitraum, der den Organisations- und Prozeduralfra­­gen der Tagung eingeräumt wurde, in die­sem Jahr fühlbar verkürzt wurde, beginnt die Generaldebatte am Donnerstag. Nixon besucht Westeuropa Washington (Agerpres.) — US-Präsident Nixon wird Italien, Spanien und Gross­britannien vom 27. September bis 5. Ok­tober im Zuge einer Europa-Tournee be­suchen, wurde in Washington amtlich be­kanntgegeben. Auf diesem Besuch wird Präsident Nixon von seiner Gattin, von Staatssekre­tär William Rogers, vom Sonderberater für nationale Sicherheitsprobleme, Henry Kissinger, und vom Präsidialberater Da­niel P. Möyniham begleitet. Bericht U Thants veröffentlicht Der Abrüstungsfrage wird vorrangige Bedeutung beigemessen Regierungswechsel (Fortsetzung von Seite 1) lassung der in der Schweiz, in West­deutschland und England inhaftierten Palästinenser wird die Veröffentlichung einer Prinzipienerklärung gefordert, der­­zufolge sich Israel verpflichten soll, die zwei algerischen Staatsbürger freizulassen, die vorigen Monat in Tel Aviv festge­nommen wurden, ferner einen in Tel Aviv verhafteten jungen Schweizer, der beschuldigt wird, mit der Volksfront für die Befreiung Palästinas zusammengear­beitet zu haben, sowie zehn libanesische in Amman Soldaten, die im Januar 1970 während einer israelischen Operation auf dem Ter­ritorium Libanons gefangen genommen wurden. Gemäss dieser Erklärung müsste sich Israel überdies verpflichten, eine noch nicht bestimmte Zahl von palästi­nensischen Gefangenen freizulassen. Diese Freilassung soll auf Grund von Listen, die die Volksfront für die Befreiung Pa­lästinas nachträglich bekanntgeben wird, als Gegenleistung für die Befreiung der israelischen und amerikanischen sowie der Geiseln mit doppelter Staatsbürger­schaft erfolgen. Der Präsident der SFIt Jugoslawien, Josip Bros Tito, stattet Luxemburg, vom 9. bis 11. Oktober einen Staatsbesuch ab, meldet Tanjug. Oie katastrophalen Folgen des Hochwassers Im westlichen Teil Indiens sind unübersehbar. Bisher sind mehr als 400 Tote zu verzeichnen. Nahezu 1 Million Einwohner sind obdachlos, 4200 Dorier wurden von den Fluten wegge­schwemmt. zahlreiche Strassen, Brücken und Eisenbahnlinien zerstört. Die Ernteschäden be­laufen sich allein in Westbengalen auf 650 '.Millionen Rupien. Mit einem 570-Milllonen-Franc-Deiizit wur­de die Handelsbilanz Frankreichs für August abgeschlossen. Beigeicgt wurde der Streik der Schauerleu­te im Halen von Rotterdam. Als Folge der Genehmigung der meisten Forderungen seitens der Unternehmer kehrten die 16 000 Schauer­leute an ihre Arbeitsplätze zurück. Der am 26. August begonnene, Streik verursachte täg­lich Schäden von 6 Millionen Gulden, d. s. 1,7 Millionen Dollar. Dér italienische Aussenminister Aldo Moro ist zu -einem offiziellen Besuch nach Teheran gereist. Er wird Aussprachen mit seinem ira­nischen Kollegen Ardeshlr Zahedi und ande­ren Regierungsstellen über internationale Ge­genwartsfragen und Probleme von beidersei­tigem Interesse haben. Durch Streiks gingen in Italien im ersten Halbjahr 1970 insgesamt 94 289 000 Arbeitsstun­den verloren, im Vergleich zu 87 747 000 Stun­den in der Vergleichsperlode des Vorjahrs, meldet das Italienische Institut für Statistik in Rom. Maxim Bcrghianu. Vorsitzender des Staat­lichen Planungskomitees. Leiter der rumäni­schen Delegation, die in Ulan Bator einge­troffen ist, um das Protokoll über Wirt­schaftszusammenarbeit und Warenaustausch zwischen der Sozialistischen Republik Rumä­nien und der Mongolischen VR für die Zeit von 1971 bis 1975 zu unterzeichnen, hatte eine Aussprache mit A. Rinzenpilshe, Vorsitzender des Staatlichen Planungskomitees der Mon­golischen VR. Etngestiirzt ist ein in Bau begriffenes neun­stöckiges Hochhaus in Almeira (Spanien). Mehr als 39 Bauleute wurden unter den Trümmern begraben. Bisher wurden 3 Tote und 18 Ver­letzte geborgen. Von Tunis in die palmenhesOasen Von unserem Hamburger Mitarbeiter Wolfgang Hecht Tunis liegt nicht weit von Europa ent­fernt. von Cap Bon aus reicht bei kla­rer Sicht der Blick über das Mittelmeer bis nach Sizilien. 800 000 Menschen leben in der tunesischen Metropole, am nörd­lichen Zipfel Afrikas. Das Land ist nur halb so gross wie die Bundesrepublik, in dem 4,5 Millionen Personen wohnen. Die­ser nordafrikanische Staat — erst seit 1950 unabhängig — ist voller Kontraste. Deni lebhaften Treiben in der Hauptstadt stehen die stillen Oasen im Süden des Landes gegenüber, dem blauen Mittel­meer der gelbe Sand der Sahara. Nachts tönt in Tunis das Klappern von Eselshufen durch die Stille. Die kleinen Tiere ziehen Wagen, die Waren in die Hafenstadt bringen. Am Tage rollen pau­senlos Personenwagen durch die Avenue Habib Bourguiba, die Hauptstrasse von Tunis, zwischen ihnen kleine Taxis, in die man, sich hineinquetscht, neben den Bussen ein billiges Verkehrsmittel. Vor dem Café de Paris sitzen Männer an den Tischen, vor sich den schwarzen Kaffee, manchmal sieht man hier auch eine Frau unter den Gästen. Eine Reihe von Frauen geht noch mit teilweise verdecktem Gesicht, die Um­schlagtücher sind meistens hell, öf­ters halten sie den Stoff mit den Zähnen fest. Die jungen Mädchen tra­gen meistens europäische Kleidung. Der Wind bewegt die Palmen der Haupt­strasse, Schuhputzer warten geduldig auf Kundschaft, Strassenhändler rufen ihre Ware aus. Eine weisshaarige Frau, sicher eine al­tere Französin, packt in der Nähe der Kathedrale an der Hauptstrasse Fleisch­abfälle aus, über die sich eine weisse Katze1 hermacht, eins der umherstreunen­den Tiere. Jeden Besucher lockt die Medina mit ihren Basars und Werkstätten. Der Duft von Räucherkerzen weht durch die Luft, die Sonne blitzt in Kupferschalen auf, in die geschickte Hände Muster ziselieren. Die Strassen sind schmal und die Häu­ser alt, unzäh^ge Artikel warten auf Käufer: Schnitzereien, kleine Trommeln, bunte Pantoffeln, Sitzkissen, Schafsfelle, Schmuck und Teppiche. Männer sitzen an Nähmaschinen, auch die Ladenbesitzer und Verkäufer sind Männer. Im Mono-Prix-Warenhaus in der Rue de Gaulle ein ganz anderes Bild ; hier verkaufen junge Mädchen in gleich­farbigen Kitteln die Waren, für Lebens­rnittel gibt es eine Selbstbedienungsäbtei­­lung. Eine kleine Verkäuferin in der Schallplattenabteilung versucht, ausländi­schen Besuchern Folkloreplatten zu er­klären. Fast jeder spricht französisch, denn heute lernen die Kinder diese Spra­che in der Schule neben dem Arabischen. Wenige Schritte vom Warenhaus ent­fernt, hinter alten Fassaden versteckt, be­findet sich ein Markt für Gemüse, Obst, Hühner und Kaninchen. Die Tiere schlachtet man gleich hier, die vielen Katzen finden reichlich Futter, sie ver­zehren die Abfälle. Nur eine einzige Frau gehört zu den Händlern, sie thront hin­ter ihren Waren, ein schwarzer Schleier verdeckt das Gesicht. Vor einem Filmtheater drängen sich Menschen. Bevor die Vorstellung beginnt, kauft man sich ein paar Erdnüsse, einige Bonbons oder ein Stück Schokolade von einem der Jungen, die sich regelmässig zu den Anfangszeiten einfinden. „La Se­­maine de Tunis“, heisst eine kleine Bro­schüre, die über" die Veranstaltungen in der Hauptstadt informiert. Im Frühjahr dieses Jahres fand eine rumänische Film­woche statt. In der Hauptstadt gibt es Theateraufführungen, Bilderausstellungen und Nachtlokale. Unweit von Tunis lag Karthago. Von der Hauptstadt aus fahren historisch an­mutende Züge in dieses Gebiet, es soll sich um sehr alte Wagen der Pariser Me­tro handeln. Die Ausgrabungen jener historischen Stadt, von der Bertolt Brecht mit Bezug auf militaristische Hybris war­nend sagte, sie sei noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten und nicht mehr auffindbar nach dem dritten Krieg gewesen, locken die Touristen. Die Besucher blicken auf , die gewaltigen Steine, auf das rauschende Meer, die Grabsteine von Kindern, die einst geopfert wurden, und auf den Stein mit dem Abbild von Baal. Man sieht auch noch bunte Mosaikflächen, aber die meisten befinden sich im Bar­do-Museum von Tunis, nach dem Ägyp­tischen Museum in Kairo die wichtigste , Sammlung dieser Art in Nordafrika. Der Betrachter . bekommt in den Räumen des Museums einen guten Überblick über die phönizische, römische und arabische Ver­gangenheit des Landes. Die Exponate be­finden sich im früheren Harem des Beys, sein früherer Palast in unmittelbarer Nä­he des Museums dient heute als Parla­ment. Am 7. Mai 1868 wurde das Mu­seum eröffnet, von zwei Ausstellungsräu­men stieg ihre Zahl auf über 40. Sta­tuen, Vasen, Masken und vor allem die antiken Bodenmosaiken vermitteln einen Einblick in die Geschichte des Landes. Zahlreiche ausländische Delegationen weilten schon im Bardo-Museum. Im Jah­re 1961 besuchten der jugoslawische Prä­sident Tito und Königin-Mutter Eliza­beth von England, diese Stätte, über das Museum gibt es ein Buch von Abdelaziz Driss, dem Leiter dieser Institution, auch in deutscher Sprache. Er schreibt u. a.: „Das Nationalmuseum ist... zu einem Gegenstand der geschichtlichen und künstlerischen Erziehung geworden, das allen sozialen Schichten zur Verfügung steht : Schülern, Studenten, Arbeitern. Handwerkern. Künstlern, Touristen. For­schern und Gelehrten.“ „Virgil und die Musen“ ist eins der be­kannten Mosaiken des Bardo-Museums. Ein Mosaik aus Carthago aus dem drit­ten bis vierten Jahrhundert nach Beginn unserer Zeitrechnung zeigt eine Meer­jungfrau auf einem Delphin. Hamamet und die Insel Djerba sind be­sonders beliebte Reiseziele für die sonnen, hungrigen Europäer. Moderne Hotels und lange Strandflächen warten auf sie. Auf einer Rundfahrt lernt der Fremde das Land besser kennen. Ein Mini-Sand­sturm, der Sandwind, dreht feinen Staub wie Nebelschwaden vor dem Fahrzeug. Er setzt sich in der Kleidung fest, dringt durch die Ritzen der Wagenfenster und reizt die Augen.. Er umtanzt die schwar­zen Zelte der Beduinen und die würfel­förmigen Häuser in den kleinen Dörfern. Die Kinder eilen zwei oder drei Kilome­ter durch den. Sand, um ihre Schule zu erreichen. Immer wieder winken die Klei­nen den Vorüberfahrenden freundlich zu. Wenn sie aus- der Schule nach Hause ge­hen, sieht man keine Schlägereien, ruhig machen sich Gruppen von Jungen und Mädchen wieder auf den Heimweg. -Die Fahrt geht vorüber an Palmenhainen und Olivenanpflanzungen. In Gabés gibt es eing Oase, die sich bis ans Meer erstreckt, im Schatten von 200 000 bis 300 000 Dattelpalmen wachsen Oliven, Bananen, Apfelsinen, Zitronen, Aprikosen, Trauben, Tabak und Pfirsiche. Von Gabés aus geht die Fahrt weiter nach Südwesten, in die Gebirgsoase Gaf­­sa, von hier nach Tozeur, der zweitgröss­ten Oase Tunesiens und schliesslich nach der Oase Nefta. In Tozeur stehen Drome­dare. die fürchterlich schreien, und ge­duldige Esel bereit, um die Besucher durch die Oase zu tragen, vorbei an .Pal­menbäumen und Kanälen, Kairouan mit über 82 000 Einwohnern ist neben Mekka, Medina und Jerusalem eine der vier heiligsten Städte des Is-lam. Sie ist die einzige Stadt des Lan­des mit rein arabischem Ursprung. Sie­ben Wallfahrten nach Kairouan sind .ei­ner Pilgerfahrt nach Mekká 1 gleichwer­tig. Sie ist die Stadt der Teppiche. In einer staatlichen Manufaktur sitzt der Verkäufer mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, er spricht auch- deutsch und französisch, jeder erhält nach' den Geset­zen der Gastfreundschaft ein Getränk. Feilschen kann man hier nicht, es gel­ten feste Preise. Zwei Männer schleppen die bunten Teppiche heran, sie. kosten zwischen 1000 und 5000 DM. Die. jun­gen Mädchen, die mit flinken Fingern die bunten Muster knüpfen,. verdienen, täglich . drei Mark. Die grosse Moschee von Kairouan geht auf den Stadtgründer Okba ben Nafad zurück, der Anno 671 mit seinem Heer hier in der Wüste hielt und am heute noch vorhandenen Brunnen Bir Bärou­­ta vöm Pferd stieg, seine Lanze in den Boden rammte und ausgerufen haben soll: „Hier soll unser Kairouan (d. h. Lager) errichtet werden, das'Bis zum En­de ‘ aller Zeiten' ein BöllWerk des Islam sein wird!“»­Jede Reise nähert sich eimttál ihrem Ende. Von der sonnigen Küste geht es zum Flughafen, vaut:dem- schon die .Dü­senmaschinen' warten. Es gilt, wieder Ab­schied zu . nehmen von' Afrika,, von Tu­nesien, dem Land der Moscheen, Oasen; Basare, Palmen- und ; Bauchtänzerinnen. Die Erinnerungen' fliegen im Reisege­päck mit... IIÄI lit 1 s > ' 'C'y ' s . •' < < V' «■ v.­■ ‘ 1. , 1 ' Auf der Insel Djerba feJEUER WEG Z 17» September 1970 NW-Auslandskorrespondenten berichten Die Schlacht von Bordeaux Von unserem Pariser Korrespondenten: Roland Gill e t DIE AM 20. SEPTEMBER STATTFINDENDE NACHWAHL von Bordeaux; wo es prak­­tisch darum geht, den kürzlich verstorbenen Parlamentsabgeordneten des 2. Wahl­kreises der Gironde durch, einen neuen Mann zu ersetzen — eine Angelegenheit also von strikt lokalem Interesse —, hat sich zu einer ganzen Staatsaffäre ausge­wachsen. Der Grund : Unter den zehn Kandidaten, die sich um das Mandat be­werben, figuriert auch Frankreichs Minister­präsident Jacques ChabamDelmas, der gleichzeitig Bürgermeister von. Bordeaux, ist. Die Tatsache, dass sich ein amtierender Premier um einen.. Parlamentssitz bewirbt, den er im Falle eines Wahlsiegs seiner Tätigkeit als Regierungschef wegen — gar nicht einnehmen kann, hat den Ex-Direktor der Wochenschrift „L’Express", Jean-Jac­ques Servan-Schreiber, auf den Plan ge; rufen, der den Ehrgeiz hat, die praktischen Konsequenzen aus seiner bisherigen jour­nalistischen Betätigung zu ziehen und die französischen Realitäten, zu verändern. Obwohl bereits im Besitz eines Deputier­­tenmandafs für Nancy, hat J.J.S.S. seine Kandidatur für Bordeaux angemeldet und versucht, in einer weit über die lokalen Belange hinausgehenden Kampagne, die öffentliche Meinung für eine Erneuerung der innenpolitischen Strukturen Frankreichs zu gewinnen, „MAN MUSS DAMIT BEGINNEN, den bestehenden lokalen Gemeinschaften einen genügenden Grad von Selbständigkeit zu geben, damit ihre gewählten Vertreter wahre Verantwortliche werden... Dann aber muss man eine neue Art von örtlichen Gemeinschaften ins Leben rufen, wahre Regionen, in denen eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Versammlung und eine demokratisch betraute Exekutive tätig sind." Die Aufklärung, die der Ex- Direktor seinem früheren Blatt in einem Interview erteilte, verrät die Absicht des frischgebackenen Politikers, mit Hilfe dér Provinz die Allmacht der' Pariser Büro­kratie zu stürzen. Der von ihm angestrebte „Zusammen­schluss aller Reformatoren" misslang je­doch, da sich die Opposition auf keinen gemeinsamen Kandidaten einigen konnte. J.J.S.S. selbst ist weit davon entfernt, die allgemeine Unterstützung der Regierungs­gegner zu gemessen. Man verdächtigt. inn, auf der Suche nach einem geeigneten Sprungbrett zu sein, das ihn mitten in die hohe Politik katapuTliereh soll, doch er­freuen sieh seine uBÖrtbö'doxen 'Methoden keiner grossen Beliebtheit. Niemand oder nur wenige sind geneigt, ihm als Steig­­bügelhplfer zu dienen. : ANGESICHTS DER GERINGEN ER­­FQLGSAÜSSICHTEN höt J.J.S.S. seine Be­dingungen weitgehend lîc-untergeschraubt: Es genügt ihm;, wenn er. 05 erreicht, dass Chüban-Delm'as am kommenden Sonnfag nicht im ersten Wahlgang gewählt und eine'Stichwahl notwendig wird. Darin will er bereits ein deutliches Zeichen von Kri­tik der öffentlichen ■ Meinung sehen. Was seine eigene Person anbelangt, so ' be­gnügt er sich mit, 30 Prozent der Stimmen. Erzielt er-sie nicht, so will 'er vom Posten des- Generalsekretärs der Radikalen Pártéi, an deren Spitze er erst vor wenigen Mo­naten gestellt 'wurde, zurückfreten. Das Risiko, das Premier Chabari-Delmas eingeht, ist unvergleichlich ' grösser: Wird er nicht gewählt, so will er sowohl als Ministerpräsident wie auch als Bürger­meister von Bordeaux zurückfreten. Nicht wenige Franzosen fragen sich, ob wohl ein Parlamentsmandat solchen Preis wert .ist. Allein, die Tatsache, dass Chaban-Delmas mit dieser Wahlkampagne ganze Tage ver­loren hat, scheint.. manchen ein für einen Regierungschef .recht fragwürdiges . Unter­nehmen.. , DIE KOMMUNISTISCHE PARTEI, bei der die Koalitionsbereitschäft dés Möchtegern- Oppositionsleaders Servan-Schreiber halt macht, hat ihren Standpunkt zu den Wah­len von Bordeaux in einem Leitartikel der „l’Humgniíé" bekanntgegeben. Dort heisst es unter anderem : „Die Operation Ser­van-Schreiber sucht nach Möglichkeit aus der Wählerbefragung von Bordeaux ein Duell zu machen, wie es — unter Berück­sichtigung der Proportionen — in. den Vereinigten Staaten Johnson and Nixon einander gegenüberstellte. Machen sich nicht 'auch Chaban und Servan, ebenso wie jene beiden, die Gunst der Indüstrie­und Bankmagnaten — Amerikaner inbe­griffen — streitig ? Aus- der französischen Politik ein billiges Schaukelspiel zweier Parteien zu machen, das ist in der Tat der Traum unserer UhternehmeV." Obwohl man sägen darf,' dass die Schlacht von Bordeaux einen grossen Teil der französischen Öffentlichkeit in Atem hält, ist, ihr Ausgang schon jetzt so gut wie sicher: von hier wird am Sonntag kei­ne Wende der Geschichte ausgehen, „Tag Rumäniens" auf der Moskauer Internationalen Messe „Chemie 70" Sechzig Betriebe unseres Landes erhielten Ehrendiplome Moskau (Agerpres.) — Auf der Mos­kauer internationalen Ausstellung ,(Che­mie 70“ wurde der Tag Rumäniens ge­feiert. Bei diesem Anlass wurde im Presseklub im Sokolniki-Park ein Tref­fen der Vertreter der Industriezentralen unseres Landes,. die ihre Erzeugnisse zur Schau stellen, mit Vertretern der sowje­tischen Zentralpresse und des sowjeti­schen Rundfunks und Fernsehens veran­staltet. Die sowjetischen Journalisten wurden über die Errungenschaften der rumänischen Chemie unterrichtet. A. K. Pawlenkö, Generaldirektor der Ausstel­lung „Chemie 70“. brachte überdies zur Kenntnis, dass 60 rumänische Betriebe auf der diesjährigen Schau mit einem * ‘ •' A Ehrendiplom der Handelskammer der UdSSR ausgezeichnet wurden. Anschliessend wurde der rumänische Pavillon besichtigt. Aus dem gleichen Anlass hielt Alexan­dru Boabă, Minister für Chemieindustrie Rumäniens, im sowjetischen Rundfunk einen Vortrag. Anlässlich des Tages Rumäniens gab die Direktion des rumänischen Pavillons auf der Ausstellung „Chemie 70“ eine Cocktailparty. Daran beteiligten sich L. A. Kostandow, Minister für Chemieindustrie der UdSSR, leitende Vertreter von Mi­nisterien und anderen sowjetischen Zen - tralinstitutionen, Vertreter ausländischer Firmen und Journalisten, Indianer verteidigen Fischgründe Tacoma/Washington. — Zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen rund 50 Indianern und Polizeibeamten kam es am Ufer des Puyallup-Flusses im amerikani­schen Bundesstaat Washington. Die India­ner wollten ihre Fischgründe' gegenüber den Beamten verteidigen, die die Netze der Fischer aus dem Wasser zogen, weil das Fangen von. Lachs dort verboten ist. Schon Beamten der Fischereibehörde hat­ten die Indianer gedroht, ihre Rechte mit. der Waffe in der Hand zu verteidigen. Als die Polizei eingriff,' schössen die In­­diáner ih die Luft. Mit . Hilfe von Tränen­gas konnten die Beamten sje schliesslich festnehmen. Die Indianer gehören zu den Stämmen der Teepees - und Lean-Tas. :Sie beriefen sich bei der Verteidigung ihrer. Fischgrün­­de auf ein. Gesetz aus dem Jahre 1854, das ihnen das Recht auf Fischfang' in diesem Gebiet zügestand. Bei dem Zwischenfall wurde niemand verletzt.

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