Neues Pester Journal, Februar 1877 (Jahrgang 6, nr. 32-59)

1877-02-14 / nr. 45

/ Mittwoch, den 14. Februar, S­­­­­kibonnement: Ganzj. fl. 14, balbi. fl. 7, viertelj. fl. 3.50, monatlich fl. 1.20. Das „Neue Reiter Journal“ erscheint täglich,­and­ an Montagen. Redaktion und Administration: Reopoldfit. Kirchenplat Nr. 2. Einzelne nummern dis Inserate nach anfliegenden Tarif. oo Tisza redivivus, Budapest, 13. Februar. ‚Koloman Tia wird wieder Chef der ungarischen Regierung. Hat etwa Jemand daran gezweifelt, daß e3 so kommen werde? It Jemand überrascht, daß e5 so gefom­men it? Nein! Alle Welt hat vielmehr diesen Gang der Ereignisse vorausgesehen und vor­­ausgesagt! Man wußte, daß der Versuch, die kon­servative Fraktion zur Kabinetsbildung zu bestim­­men, aus inneren, wie aus äußeren Gründen un­­durchführbar sei. Man wußte nicht minder, daß die regierungsfähigen Elemente der Majorität, die früheren Deäfisten, weder Luft noch Neigung haben, die Regierung zu übernehmen. Mit weniger sich zu­­friedenzustellen, (­ was Tipa acceptirt hat, ist an fi) eine bare Unmöglichkeit; aber jene ehemals deäfistischen Elemente sind auch nicht Willens, das­­jenige zu vertreten, womit Tipa sich begnügt hat. Sie haben nicht die mindeste Neigung, sich zu erpo­­ni­en, das ganze Odium des entschieden schlechten Ausgleiches auf sic) zu nehmen, um dann, nach dem sie pflichtgemäß für Tiba die Kastanien aus dem­ Feuer geholt haben, von diesem einfach bei Geite geschoben zu werden. Jene Elemente besigen eben etwas zu biel Intelligenz und eine zu große­ Dosis politischer Erfahrung, um nicht kluger Weise die eben gelegte Falle zu vermeiden. Wederdies ist es Henugsam bekannt, daß speziell Herr v. Bitte den Ausgangspunkt der Ausgleichscampagne für ebenso unrichtig hält, wie er den Gang und die von uulga­­rischer Seite befolgte Methode der Verhandlungen für fehlerhaft erachtet. Unter diesen Umständen sind denn die Dinge so gekommen, wie Ledermann es heraussah, und Niemand hat sie Klaver und bes­­timmter vorausgesehen, al­s Koloman Tiba, der alle Fäden der Aktion in feiner Hand vereint hält und die agirenden P­ersonen wie die obh­altenden Verhältnisse auf das Genauefte rennt. 63 it ein mersiwürdiges Stud Politik, da wir in den legten Tagen durchlebt haben. Wir hat­­ten eine Krise, die, genau genommen, Teine Krise war; wir sahen einen Negierungswechsel sich voll­­ziehen, ohne Mechsel der regierenden Persönlichkei­­ten, und dieser Negierungswechel vollzog sich auf Grundlage einer Demission unter­ stilem Vorbes­halt. Die Methode des Agivend, mit welcher Tia diese Volitit duchführte, war nut neu; sie war ganz genau dieselbe, die er in Anwendung gebracht hatte, als es galt, die staatsrechtliche Opposition aufzugeben ; es waren dieselben Finessen, Dieselbe Hinterhältigkeit, derselbe Mangel an Geradheit und Offenheit. Damals ließ er seine Prinzipien fallen, um zur Regierung zu gelangen, und dabei erklärte er, daß er seine Prinzipien nicht definitiv aufgebe, sondern nur ruhen lasse; heute legt er die Regierung nieder, um an der Regierung zu bleiben, um auf diese­ Weise dem Lande die Annahme eines Ausgleiches plausibel zu machen, der selbst hinter den allerbeschen­densten Erwartungen zurückleibt, eines Ausgleiches, wie er ungünstiger und schlechter nicht mehr gedacht wer­­den fah­n. Dabei ist aber der von Tipa außgefon­­nene Plan so fein angelegt, daß man bdiesen Auß­­gleich, den er und heimbringt, noch als große, fost­­bare Errungenschaft betrachten und feiern wird. Ein Manöver bahnte Tipa den Weg zur Macht, ein Manöver von gleichem Kaliber erhält ihm Dies­selbe. Unleugbar steht in diesem feinem Vor­­gehen viel Naffinement, viel Scharfsinn und wenn man gerade will, und­ ein hoher Grad von Muth und man muß ernstlich bedauern, daß alle diese Anstrengung auf die Errichtung­ eines Nichts gerichtet ist. Daß Tika’s Stärke die taktischen Mit­­tel sind, daß­ er­ die Geschide unseres Staates mit Trieffen und nicht mit staatsmännischem Sinn lei­­tet, Daß nicht Würde und Thatkraft seine Handlungen auszeichnen, sondern Kniffe und Pfiffe dieselben charak­­terisiren, würde­ man ihm übrigens gerne nachsehen und verzeihen, wenn nur Die Resultate Darnach wären, wenn nur aus all dem Aufwande von Schlanheit ein praktischer Gewinn herausschauen würde. Wenn aber das Endergebniß des ganzen raffinirten Trei=­bens nichts ist als die papierne Rarität ! Wem fällt hiebei nicht unwillkürlich Heine’d König Wiswa­­mitra ein ? » Tipa wird also wieder Chef der Regierung.­ Möge er aber EineS nicht vergessen.Die Kabinett­­­bildung ist nicht blos wegen der bestehenden Partei­­­verhältnissemißlungen.Eine der Ursachen des Miß­­lingens waren allerdings die Parteiverhältnissewan allerdings der Umstand,daß Tipa zur Zeit die Si­­tuation beherrscht.Aber zum vollständigen Mißlin­­gen der Kabinetsbildung wirkten noch zwei wesent­­liche Momente mit.Zunächst hatte durchaus Nie­­mand Lust,die von Tipa hinterlassene Erbschaft,so wie sie geht und steht, anzutreten. Dann aber hatte Tia den ganzen Ausgleich so gründlich verdorben, eine radikale Umgestaltung der ganzen Sachlage seien die gemachten Fehler ganz und gar irreparaz­bel. Nach authentischen Mittheilungen hat Baron Sennyey dem Monarchen erklärt: der ganze Auss gleich mü­sse mit dem Schwan weggewiicht, die Taf­fel müsse wieder rein gemacht werden. Herr­n. Bitte aber hat die im Mejen hiermit übereinstimmende Erz­­lärung abgegeben, daß die Basis des Ausgleichs eine durchaus verfehlte sei und daß Derjenige, der einen gedeihlichen Ausgleich erzielen wolle, die Verhand­­lungen von vorn anfangen müsse. 65 gibt also seine Partei, seine Fraktion, ja seinen einzigen Menschen im Parlamente, der nicht den Tipa’schen Ausgleich, selbst wenn derselbe das Zogeständnis der ideellen Plarität im Generalrathe enthielte, als den denkbar schlechtesten betrachten würde. Diese von Tipa geschaffene, unverbesserliche Situation will Niemand übernehmen und darum wi­icht man, daß Tipa die Suppe verzehre, die er si eingebracht hat. Das war auch ein sehr wesent­­licher Grund dafür, daß die Versuche der Kabinett­­bildung scheiterten, und an dieses Moment mögen bei Allen Diejenigen nicht vergessen, die ohne Zweifel „Hoffannah!” rufen und Säbelhymmen­ate stimmen werden , wenn der aufgewarnte Minister­­präsident die vielumstrittene Konzession als Trophäe aus dem unblutigen Feldzuge heimbringt. Und noch eine Frage drängt sich auf die Lip­­pen. Soll etwa der Gewinn dieser Konzession noch weitere Opfer offen? Sol vielleicht für die Aner­­kennung der papierenen Parität Ungarns noch etwas­ von jenem Standpunkt aufgegeben werden, der ZTipa vor Ausbruch der Krise eingenommen hat? Leider fehlt es in dieser Richtung schon nicht an bes­denklichen Anzeichen. Hier wie in Wien wird darauf hingewiesen, daß in der Dotation Ungarns und in dem K­ompetenzkreife der Budapester Direktion "die Kompensationsobjekte für die Anerkennung der ideellen Parität Ungarns zu suchen seien. Möge­­ Tiba fie gegenwärtig halten, daß jene papierene Parität bloße Form, die Dotation Ungarns und der Kompetenzkreis der Hiesigen Direktion das Wesen der Sache ist. Dem matten Wár­men, mit welchem Tipa’3 Kartefe seine Heimkehr und seinen­ angeblichen Sieg begrüßen werden, könnte eine Zeit der Ernüchterung folgen, in welcher man kühler, als es Tipa lieb wäre, die Resultate der ganzen Demislton3-Affaire erwägt. Und daß Aller Urtheile darin übereinstimmten , ohne­ wenn man dann die Reihe der Niederlagen überblich. = DALE ZIDEFENZIHIBUNIEN. » DINE ne­nn Eine NRevanche : Tragödie: Original-Feuilleton des „Neuen Better Journal".) Baris,im Februar. Eine Bremiere, wie diejenige, deren Schaupla dieser Lage das Odeon-Theater war, hat Paris Con geraume Zeit nicht gesehen. Im Saale, einem der größten von Bari, war außer den gewöhnlichen Habitu­s erster Vorstellungen, den Schriftstellern, Journalisten, Künstlern und reichen Lebes­männern, ein Element vorherrschend, das sonst korporativ die literarischen Sensationsabende ‚nit zu frequentiren pflegt, ich meine die Armee. Was es an höheren Offizieren in diesem Augenblick hier und in Versailles gibt, das hatte sich eingefunden; der Marschall Mac Mahon wurde gleich­­falls erwartet und wenn er auch nicht tam, so enttäuschte er das Publikum Doch nur zur Hälfte, da er mindestens seine Gemahlin in Vertretung seiner selbst sandte. In den Logen sah man die Herzöge von Aumale und Nemours, umgeben von einem Dusend kommandirender Generale; die ersten Barquetreihen wurden von alten schnauzbärtigen Obersten eingenommen, deren militärischer Charakter dur) die uns­tadelhafte Civilhülfe siegreich zu Tage trat und die Offiziere, die im Schematismus einen bescheidenen Plan einnehmen, Zampirten in den höheren Rängen, die ein ausnah­m­weise distinguirtes Ansehen hatten. Wäre es in Frankreich ges­bräuchlich, daß Offiziere bei solchen Gelegenheiten ihre Uni­­formen tragen, so hätte der Zuschauerraum des sonst recht demokratischen Odeon einem Hoftheater an einem Gala­­abende geglichen. Das Stück, dem zuliebe das ganze Offizierskorps mobilisirte, heißt „der Hetman“ und hat zum Verfasser Paul Deroulède, den Dichter der „Chants, du soldat”. Derous­léde ist eine der interessantesten Erscheinungen der modernsten französischen Literatur. Er nimmt hier den Pla ein, den ohne Kleinmuth und spricht von der Wiederaufrichtung der in Staub getretenen Fahne ohne Bramarbafirung. Er hat Töne, die aus Friedensaposteln Helden und aus Hess den Märtyrer machen müssen. Er schmäht nicht den Feind und prahlt nicht mit der alten Gloire, aber sie und Seiten Beilage, enthaltend die Nomen: und Senilletom­ Zeitung, Tom­­e­dad „Lhcenter­ und Veraniiaannablatt”, Körner auf dem deutschen Barnay inne­hat. Er ist „zugleich ein­ Sänger und ein Held“ und sein junges Leben eine rührende Bek­örperung der Leidenschaften und Hoffnungen, die das Herz der nadhledan’schen Generation in Frankreich erfüllen. Als der Krieg ausbrach, war Deroulede ein­ junger Mensch­ von achtzehn oder neunzehn Jahren und studirte Jura in einer langweiligen Provinzialstadt. Er verlieh sofort die Schulstube und ließ sich all­gemeiner Soldat in die Armee einreihen. Er hatte noch einen Bruder, der um ein Jahr jünger war als er, und die Beiden waren die einzigen Kinder ihrer Mutter, einer Witwe. Die Mutter sandte auch ihren zweiten Sohn zum ersten und hieß ihn an der Seite des Bruders für's Vaterland kämpfen. Der Unglücks­tag von Sedan blag über Frankreich herein; Paul Derous [Ehe wurde gefangen, sein Bruder verwundet, ihre Mutter aber erfuhr auf Ummegen, daß die Beiden gefallen seien, und legte für die jungen Helden und Märtyrer Trauer an. Paul gelang es, den Preußen zu entfliehen und seinen Bruder in einem französischen Lazareth Hinter der Armee­­front aufzufinden. Die Beiden begaben sich nach Paris zur Mutter und — seltsane, geheimnißvolle Unberechenbarkeit des Menschen herzend­ — die Frau, die die Nachricht vom Tode ihrer Kinder mit dem monumentalen Gleichmuth einer antiken Heldenmutter ertragen hatte, wurde beim nnz vermutheten Anblic ,derselben­­ vor Freude, gelähmt; sie konnte von ihrer Lähmung nie geheilt werden und man mußte sie gestern auf den Armen in die Proigeniumsloge tragen, in der sie der ersten Aufführung der Tragödie ihres Sohnes anwohnte. Nach dem Kriege folgt Paul Deroulède noch gegen die Kommune und als der Friede nach innen, und. außen, hergestell war, dachte der junge Er = Jurist nu­­ mehr daran, wieder zu seinem Corpus juris und Code Napoleon zurückzukehren. Er hatte sich auf dem Ged­achtfelde die Offizierrepaulette und das Kreuz der Ehrenlegion erworben rufen habe. Raul Deroulede räumte Tenkte die Aufm­erksamkeit bei und blieb in der Laufbahn, in die ich das nationale Unglück geschleus­tert hatte. Sein Patriotismus sagte ihm, daß unter dem Verhältnissen, die der Frankfurter Friede Frankreich bes­teitet hatte, Die Kaserne der Plan fei, auf dem ein Franz­ 30je seinem Baterlande a­m besten dienen könne. Iim Jahre 1874 veröffentlichte er ein Bändchen Gedichte, die „Chants du soldat“, die von der Akademie mit einem Aufmunte­­rungspreise ausgezeich­­et wurden, jedoch beim P­u­blikum wenig Aufmerksamkeit erregten. Das Publikum nicht Lange, ist ein Schläfer, den man mit flarher Stimme anruft, erste Ruf dringt in seinen Traum und vermengt sich mit dessen Gebilden, vermag jedoch nicht den Schläfer zu erz­­weden ; er beim zweiten Nuse s­chlägt er die Augen auf und erinnert sich dann, daß man ihn schon einmal bdiesen zweiten Wedruf ertönen zu lassen. Im Februar 1875 ver­­öffentlichte er die „Nouveaux chants du soldat“, die ihn mit­ einem Schlage zum Lieblingsdichter der Nation mache­ten. Das Buch erlebte zehn Auflagen in vier Moden und Paul Deroulede verdiente das begeisterte Lob, das ihm tausend Stimmen sangen. Er­ ist ein Landes­offizier, dem die ganze Presse mit auf die in­ diesem von Parteikämpfen zerrissenen fach beispiellos ist, den Lorbeer reichte und ihren Söhnen anführten, und ein ganzer Mann; er den, den echter wie FR Der anges jungen PWäter Dichter einer, Einstimmigkeit, Lande eins er hegt bie als glorreiches , Beispiel zur Nahahınling -" tramert über die Niederlage -

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