Neues Pester Journal, Januar 1878 (Jahrgang 7, nr. 1-31)

1878-01-14 / nr. 14

«T’" Abemzemm Feanzxfkalbj.»"""· viertelj.fl.»3.50,monatlich fl.1.20.­­ Das „Neue Journal erscheint | « N |: täglich, auch an Montagen. . Redaktion und Administration: Leoporldft. irdenplat Nr. 2. Budgpeft, 13. Januar. Das königliche Reskript an. Den Froatischen Landtag ‚bildet den Gegenstand der­ publizistischen DVesprechung. Von allen­ Seiten wird die Entschie­­denheit der Sprache anerkannt, mit welcher die staatsrechtlichen Forderungen des Frontischen Land­­tages abgelehnt werden. ‚Und­ diese­ Anerkennung wird den DVerfassern des Netfriptes mit­ Zug und Necht zu Theil, ohne Beschönigungsversuch und ohne Vertröffung auf eine bestimmte Zeit wird von­ staatsrechtlichen Schwärmereien­ der Kroaten ein jähes­ Ende­­ bereitet. In dreifac­her Nichtung bewegten sich bekanntlich diese Forderungen. Die Kroaten regten die dalmatinische Frage an, sie forderten die Vereinigung Fiume’s mit dem drei einigen Königreiche und sie­­ forderten endlich Die­­ Intorporirung der aufgelösten Frontisch-flavonischen Militärgrenze. Die Forderung bezüglich Dalm­a­­tiens fan wohl kaum einen­ anderen, als einen heiteren Eindruck machen. Im den Adreffen des ungarischen Reichstages k kommt allerdings regel­­mäßig ein Dalmatien betreffender Raffus vor; allein and dieser hat kaum eine­ größere Bedeu­­tung, als die, gegenüber dem fak­ischen Zustande den Rechtstitel zu wahren, an eine Realisirung Dieses Rechtstitels denkt kaum irgend ein befomme­­ner Mensch in ganz Ungarn; wir haben nicht die finanziellen Mittel, um Oesterreich die in Dalma­­tien aufgewendeten Simvestitionen zu vergüten und wir haben seine Sehnsucht, die Zahl­ der Süd­ Haven auf dem Gebiete der Stephansfrone Durc­h 048 interessante Beleden der Boch­esen zu­ vermeh­­ren. Und schließlich. Haben ja auch die Oesterreicher ein gewichtiges Wort in die Frage dreinzusprechen und es hieße: Die ohnehin­­ bereits­ über Gebühr angewachssenen Schwierigkeiten des Ausgleiches amıteiwilliger­ Weise vermehren, wollte man gerade ,ebt die dalmatinische Frage auf die Tagesordnung stellen.. Was Fiume anlangt, so­ gibt es in dieser Hinsicht nicht­ nur einen­ froatischen, sondern auch einen ungarischen Rechtsstandpunkt, und die Kroat­ien werden schon entschuldigen, wenn­ wir­­ unsere Rechtsauffassung festhalten und­ dieser entsprechend handeln. Aus diesem Grunde ist auch der , Fiume berührende. Parsus des Neskriptes überaus vor­­sichtig gefaßt‘; ‚er­ vermeidet jede positive Verhei­­ßung und spricht blos von einem im gemeinsamen Einvernehmen zu treffenden Webereinkommmen.. Als prinzipiell berechtigt vermag nur die Forderung bezüglich der , Militärgrenze anerkannt zu werden ; allein was prinzipiell richtig ist, it deshalb noch nicht ‚politisch, opportun, und es wäre sicher der unpolitischeste Schritt, den eine ungarische Negie­­rung begehen könnte, würde sie inmitten der ge­genwärtigen Orientwirren in die Durchführung jenes Umgestaltungsprozesses an unserer Südgrenze willigen und: Damit der direkten Einflußnahme auf die Angelegenheiten­ der­ kroatischen Grenze zu Gunsten der Eroatischen Landesregierung entsagen. Vielleicht gewinnen­ die Kroaten, duch den Ton und Die Sprache des allerhöchsten Deskriptes­­ die Ueberzeugung, daß die Zeiten­ der Staatscoups hinter den Rüden der ungarischen Regierung auf Nimmerwiederkehr vorüber sind und daß ihnen bei der über Den leifesten Zweifel erhobenen kon­stitutionellen Gesinnung des Königs von Ungarn nichts erübrigt, als auf rechtlich und fattisch nicht in Bye­ten, bezüglich der erreichbaren Binde aber­­ bis dahin in Geduld zu bescheiden, bis die gegebe­­nen DVBerhältnisse dem ungarischen Ministerium erlauben, zu­ ihrer Erfüllung, die­ I­nitiative zu ergreifen. Montag, den 14. Januar 1878. An Ginzeine numm­ert 4 Te­ Juferate nach aufliegenden Tarif. Zur Tagesgesich­te. Unsere gestrigen Meldungen, daß Rußland die Abschließung eines Waffenstillstandes absichtlich verzögern werde, bis es von Adrianopel aus den Frieden oder doch die Frieden­präliminarien der Pforte diktiven könne, wird heute­ von verschiedener Seite her bestätigt. Die russischen Autoritäten berufen ss auf das Präzedens, das von deutscher Seite im Jahre 1871 gegenüber von Frankreich aufgestellt wurde und so wie damals Kaiser Wilhelm eine theilweise Dfku­­pirung von Paris für ein Gebot der Waffenehre erklärte, so besteht Kaiser Velexander darauf, daß die russischen Truppen vor dem Frieden wenige­stens .. vorübergehend Adrianopel beteten. Das Bienmer. und ganz sicher auch das Berliner Kabinet sind über diese Anschauung des russischen Kaisers und „seiner Regierung vollklommen unterrichtet, und hat die Kenntniß derselben, wie wir schon berichtet, auf die Gesinnungen des Grafen Andraffy nicht modifizirend einge­wirkt, Im­ Gegentheil it der gemeinsame Minister des Yeußern. feiter als je von der Loyalität und von den „guten Gesinnungen“ des Grafen überzeugt und läßt­ ‚seinen Zweifel darüber aufformen, daß er sicher darauf rechne, Diese Loyalität und Diese guten Gesinnungen auch beim Friedensschluffe sich bewähren zu sehen. « Was diesen Friedensschluß selbst anbelangt, so wird von Paris aus gemeldet daß der even­­tuelle Friedensvertrag zweierlei Bedinguns getrent hab­en solle:solche,­welche blos Nuß­­land betreffen, und allgemeine Be­stimmungen, welche den Bariser Vertrag ab» ändern. Zu legterem Zwecke würde ein Kongreß einberufen­ werden. Diese legtere Ale: erscheint · sieh-«msr-krka M.»Istke MkI LÆM geWeiH"isifüeitemkfelde da heute nicht einmal der Maffenstillstand gesichert ist. Mit Bezug auf die Waffenstillstands- Bedingungen liegen mehrere widerspruchs­­volle Meldungen­ vor ; nach der einen werde ECugz­land nöt­igenfalls sein Veto gegen zu harte Bes­dingungen einlegen, nach der anderen ist das Zu­­standekommen der Waffenruhe überhaupt fraglich, da N­ußland die Räumung der Donaus Festungen entschieden verlangt. Wieder Andere wollen das Gegentheil wissen und es soll Graf Schumwaloff dem Lord Derby eine friedliche Depesche mitgetheilt haben. Darnach werde der Waffenstillstand für sechs Wochen abgeschlossen werden. Die russische Zone, welche in­ den Waffenstillstands-Bedingun­­gen verlangt werden soll, erstreckt sich süd­wärts bis zur Wasserscheide des Despotodagh, umfaßt mithin das ganze obere Maritathal. Westwärts foll­ der­­ Küstendiche-Balfan im Duellgebiet des Safer und eine Linie, welche beiläufig in der Mitte zwischen Sophia und Kostendil nach Nordwest ges Eine Bolksversammlung in Jottduit. Niemals tritt Der immense Unterschied zwischen den freien, unbeschränkten englischen­ V­olfsrechten und Der noch immer an den seligen Polizeistaat gemahnen­­den festländischen behördlichen Bevormundung deutli­­cher zu Tage, als bei ven­ öffentlichen Volfsversamm­­­lungen. Bekanntlich gehören solche in der­ englischen Hauptstadt durchaus nicht zu Den Seltenheiten,­­ und wer längere Zeit dort gelebt, hat oft genug. Gelegen­­heit, sich von der Lebhaftigkeit der politischen Diskussion, von­ der Angewirtheit der Medner und Zuhörer zu überzeugen. Aber selten ging es noch so frisch und lebendig her, wie bei der jüngst arrangirten anti­­zuffisden Demonstration. Schon­ eine ganze Woche früher war die Stadt mit ellenlangen Blafaten überschwemmt, vermittelt welcher Die arbeitende Bevöl­­kerung auf Sammstag, Nachmittags 3 Uhr, zu­ einer „großen antitrussischen Manifestation”, nach den­ fra Talgarplage eingeladen wurde. . Der von Mr. Malt­­mann Barry unterzeichnete Aufruf lautete wie­ folgt: „Engländer ! Das Vaterland ist in Gefahr! — Die Despoten in Europa haben sich gegen Euch­ verschworen ! — Rußland, von Mr. Gladstone unterfragt, sucht für den Krimkrieg seine Nevande. — Heute, während Frankreich zertheilt, Italien in Bismarc'S Tarche, Oesterreich-Ungarn unter feinem Daumen und Cladstone nicht mehr Minister­it, Hält der Sohn von Nikolaus es für an der Zeit,­ die­­ Erinnerung von 1854 wieder verwischen zu können. Aber er soll finden, daß er die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Nicht umsonst haben wir damals unser Gut und Blut hingegeben. Die Schlachten an der Alma, von Sulem­an, Balaslawa und Sebastopol sind nir um Nichts­­ gefochten und­­ gewonnen worden. Der russischen Sawasion in das öitlihe Europa und Kleinasien muß sofort ein Ende gemagt werden! — Bir gestatten ihr schon zu weit zu gehen. — Morgen wird es vielleicht zu spät sein, ihr Widerstand zu leistert. — . England wird und muß die vippelalliang zerbrechen, Stankreich den ihm im Nathe­uropa’S gebührenden Pass wieder an­weifen und den bar­­ariichen Mostomiwiten nach Hause treiben. — Darum, Eng­­länder, erwacht! . — Er nenk­t Eure alten glorreichen Tra­­ditionen ! — Die Interessen Englands und Diejenigen der Euer stolzes Borrecht, Eure heilige Pflicht ist’s, sie zu ver­­theidigen ! NB. Die Arbeitervereine werden dringend erfischt, mit ihren Musikbanden und Bankern zu erscheinen.‘ Als Zweck der V­ersammlung wurde angegeben, den Beschluß zu Fassen, „die Regierung Ihrer Majes­­tät mit­ allen Mitteln zu unterfragen, wenn sie ber jchließen wolle, Naßland den Krieg zu erklären.” Neben der vorstehenden Einladung erschien an den 1:­­­5 selben Tage und mit noch größeren Lettern gedruct, ein zweiter Aufruf, jedoch ganz entgegengefesten Inhaltes und­ folgendermaßen lautend : „Aebeiter von London! — Erscheint am Samstag zu Tausenden auf Trafalgarsquare, um Euch gegen den „nie heiligen" Krieg auszusprechen! Wollt ihr den Tursophilen und den Tories gestatten, nochmals 100.000 Euerer­­ Lands­­leute und weitere 200­ Millionen Pfd. Ster­l. auf dem Al­tar ihres­ Ehrgeizes zu opfern, damit die Schmusige Tyran­­nei des unaussprechlichen (unspeaka­le) Türfen aufrecht erhalten bleibe ? — — Um wir ihn früher zu Hilfe ka­­men, versprach er Die Abfreiung von Missbräuchen und die Einführung von Reformen. Nichts von Beiden ist ge­schehen. — Wo Kruppiche Kanonen sprechen, rutt eine moralische Unterfrügung nicht. Diese wollen wir ihm zusormen lassen, aber der Türke pfeift et­was darauf. Was er beansprucht, sind unsere Segm­enter, unsere Kriegsvore räthe, unser Gold und hiergegen kommt er wieder mit sei­­nen alten Beisprechungen. — Aber wir sind gewilligt wor­­den. — Kein Krieg! — Die allgemeine Stimmung in England wird mächtiger sein, wie Lord Beaconsfield !” Die beiden Einladungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Eine schönere Gelegenheit zu einer ebenso aktuellen, wie interessanten Bolla­­versammlung ließ ich nicht finden. Auch der Chauplag konnte nicht tieser gewählt sein. Poli­­tische Kontroversen sind hier zu Lande immer in­­teressant. Es war ein richtiges Londoner Winterwetter. Die Rußwolfe, welche bisher über Westminster gehan­­gen, hatte sich zertheilt und flatterte in Lappen zwi­­­schen den raushenden Fontainen empor an der Mel fonsäule und zu den Giebelfeldern von Martin in the fields hinüber. Ein feiner Negen riefelte auf die Bolfsmenge nieder, welche sich bereits zahlreich einge= fieben­ hatte, um an der­ Versammlung Antheil zu nehmen. Die Anwesenden beschäftigten sich eintweilen nur damit,­­ihre Instrumente zu stimmen und sich im­ Gebrauche der altistischen Waffen zu üben, mit denen die Natur das englische Bolt so reichlich ausgestattet­ hat. Ueber der Mitte der Treppe an der National­­galerie flatterte ein riesiger Unionssad, der den Bla b­ezeichnete, von dem aus Herr Maltmann Barıy das Boll anzureden gefonnen war. Auf der Platform oberhalb zeigten sich Tausende von Händen, ebenso bereit dazu, Beifall zu Hau­chen, wie Apfelfinenschalen auf den Kopf des Komite’s hinunter zu werfen. Dort­ hin drängten sich auch die Barrümpfer des Tages, je nach ihrer Farbe: Die einen zur Linien, die anderen zur Rechten. Neben den Antiraffen flatterte der Halbs­mond, über der geschloffenen Bhasand der Friedens­­partei wehten englische und rufsische Fahnen. Punkt drei Uhr begann die Demonstration. — Eine Musikbande schwenkte mit raushenden Fanfaren von Haymarket herunter und marschirte, von Donnern, dem Applaus empfangen, bis in die Mitte des Nra­­bes. Dort zertheilte sie sich, um si an einer anderen Stelle wieder zu sammeln und sodann von einer an­­deren Straße her dasselbe Manöver zu wiederholen, als ob immer wieder neue Arbeitervereine im Anzuge seien. So fanden sich binnen kurzer Zeit eine ganze Menge von Klubs ein. — Trafalgarsquare war bis zum Bersten gefüllt. — Kopf an Kopf, Mann ar Mann stand’s zusammen, als von der Tribüne herab dur­ ein wiederholtes Hin und Herihwenfen­ der englischen Fahne das Zeigen gegeben wurde, daß die Versammlung beginne. Ein Mann mit einem gutmüthigen Gefiche bestieg nun den Rebnerstuhl, den man aus einem­ Gemüseladen in der Nähe herbeigeschafft. Nachdem er für eine Minute lang seine Blide über die Anwesenden hatte Schweifen lassen, entblößte er sein Haupt, steclte die £infe in die Weite, und fceickte sich an, den Mund zu öffnen, als die Friedenspartei, welche inzwischen eine Schwen=­e... BET Die Genfige Aummer m­faßt acht Heifen. 38

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