Neues Pester Journal, Mai 1878 (Jahrgang 7, nr. 120-150)

1878-05-23 / nr. 142

1­ 3 Fincemeistx Ganzj.sr.14,hakbj.fc.7, viertelj.fl.3.50,­monatlich fl.1.20.­ ­ —— ge Das „Neue Reiter oanal" erscheint täglich, and an Montagen­ , Hedattion und Administration: Zeopoldft. Kirchenplat Nr.2. Einzelne nummern am Infernte und aufliegenden Earl, Das deutsche Sozialisten-Hefeb. Budapest, 22. Mai. Der deutsche Bundesrath hat aus dem ihm Seitens der preußischen Regierung vorgelegten ‚Entwürfe eines Gesäßes gegen die Ausschreitungen der Sozialdemokratie den Paragraphen gestrichen, welcher die Verbreitung sozialdemokratischer Lehren durch Wort oder Schrift, mit Gefängnißstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bedrohte; trogdem ist die Majorität des deutschen Reichstages zur vollständigen Verwerfung der Bill entschlossen und es scheint zweifelhaft, ob Bismarc diesen Ent­­fluß durch persönliches Eingreifen in die Debat­­ten erschüttern kann. Gerade die Organe der in­telligentesten ud wohlhabendsten Klassen warnen, zum Theil in tiefempfundenen Worten, vor Maß: = regeln, welche gegen die Ausschreitungen der rohen, aufgewühlten Masse­ bestimmt sind, doch leicht miß­­braucht werden könnten, den s­chwachen Keim bür­­gerlicher Freiheit zu zerschmettern. Es ist niemals­ wohl gethan, Einschränkungen der bestehenden Rechte zu verfügen unter dem un­­mittelbaren Eindruck eines Mißbrauches dieser Rechte. Immer werden in solchen Fällen Leichter zwanzig Unschldige, als zwei Schuldige getroffen. ‚Hoedel erinweist sich als ein von Kindesbeinen an sittich verkommenes Geschöpf, das auch ohne sozialdemokratische­­ Beeinflussung auf dem Gipfel der Rasterhaftigkeit angekommen wäre, aber zuge­­geben, daß die Sozialdemokratie, welche ihn aus­­gestoßen hatte, an seinem Verbrechen mitschuldig wäre, so werden Attentate und sozialistische Pro­­paganda nicht durch Beschränkung des Vereins­­rechtes und Vernichtung der Vreßfreiheit unmöglich gemacht. Fürsten sind ermordet worden in einer Zeit, da weder Vereine, noch Zeitungen existirten, von Jesuitenzöglingen, Lunkern und Hochadeligen, die nicht von sozialistischer Agitation beeinflußt wurden, in Ländern, über welche, wie über Ruß­­land, niemals ein Hauch der Freiheit geweht, und deren Berfaffung „per Despotismus, gemildert durch Firkenmord“ ist. Der Sozialismus in jener scheußlichen Form, die selbst dem radikalsten deutschen Sozialdemokraten Abscheu erregt, hat in autokra­­tischen Rußland, wo die Presse unter dem furcht­­barsten Drude seufzt und sozialdemokratische Ver­­eine nur deshalb nicht verboten werden, weil sie nicht existiven können, ale Gesellfafts­­hichten durchtreffen. Dagegen braucht die französische Re­­publik nicht vor sozialistischen Konvulsionen zu zittern, sondern kann in friedlicher Vereinigung aller Klassen — nur die politischen­­­arteien hadern — ihr Friedensfest­­ begehen ; in England, dessen Preß­ und Versammlungsfreiheit unbe­­tränkt sind, findet der Sozialismus seine Heim­­stätte, und in Nordamerika, wo jede Tollheit und Ver­worfenheit beinahe zügellos ist, dort ist er nur ein importirtes, schlecht gedeihendes Unkraut. Die­ vorgeschlagenen Maßregeln werden so: nach: die deutsche Sozialdemokratie nur streifen, nicht treffen — umso weniger­­ treffen, als die deutsche Briefstaaterei der verfehmten Agitation Asyle sichert, wie solche einst die Reformation und später die Agitation gegen den Absolutismus ge­funden hat. Höchstens wird die Sozialdemokratie aus­ der offenen Arena, in verborgene Schlupf­­winter getrieben, von der Agitation zur Verfeind­­erung­ geleitet werden. Jekt vermag man sie zu sehen und ins Auge zu raffen, wenn dem­ Bür­­gerbhunt freie Bewegung gegönnt ist und jeder Bürger seine Schuldigkeit thut. Fann der Sozia­­lismus Schritt für Schritt eingedämmt werden ; doch wider die geheimen, unfaßbaren Wühlungen, die leise von Ohr zu Ohr eilenden Stichwörter wäre die bürgerliche Gesellschaft ohnmächtig. Sie wäre umso ohnmächtiger, als gerade auf sie das in die Hand der Polizei gegebene Nichtschwert niederfallen konnte. Was „Sozialismus”, „Demo­­kratie”, „Sozialdemokratie” is, vermag Niemand mit mathematischer Schärfe zu­ definiren. Entweder entschlüpfen Die Sozialdemokraten: in irgend­einer Vermummung der­ Hand der Polizei oder er wird jede Kritik des Bestehenden, jeder Fortschritt in irgend­einer Richtung unmöglich gemacht, jeder Mitstand konservirt "und jeder ehrliche Patriot ins revolutionäre Lager getrieben. Den besten Deck­mantel für den Sozialismus hält die Religion bereit. Moses’ Gefeßgebung, bestimmt, ein Sit­­tenvoll seßhaft zu machen und an Aderbau zu gewöhnen, mußte den kommunistischen Gewohnhei­­ten­ Zugeständnisse machen und führte das­ Jubel­­jahr mit dem Wechsel des Eigenthums ein. Das Christenthm­ war in seinen Anfängen vein kom­­munistisch, nit nur in der Theorie, in Palästina auch in der Brazis, so daß Paulus fort und fort men­ darung in stetig vollenden Fluthen an­ den hier Ligenden vorüber. Der Centralpark ist der Ort in der Ausstellung, wo man am meisten­­ gesehen wird und das Damenpublikum, welches dem " Bois de Boulogne" an einem Nenntag und dem Boulevard des Italiens an jedem Abende sein besonderes Cadet gibt, ist aufs fallend, schnell zur Erkenntniß dieser Thatsache gelangt. In Folge dessen sammelt es sich mit Vorliebe am: die­­sem Punkte, wo es nicht die Konkurrenz lebloser Aus­­stellungsobjekte ‘zu­ bestehen hat und von zwei Uhr Nachmittags ab sind alle Sichbänfe in eine Galerie weiblicher Schönheiten jener Kategorie verwandelt, welche das Gyangelium in feiner Feufhen und nawen Ausdruchsmeile „thörichte Jungfrauen‘ nennt. Fremde Ausstellungsbesucher, die vor einer billigen­ Banalität nicht zurückb­rechen, behaupten, daß Ddieses aqquivose Damenparterre eine passende Etaf­­fage für einen Park sei, in­ welchem sich der Bavillon für die Spezialausstellung der Stadt Paris erhebe; allein diese Bemerkung, obwohl naheliegend, ist den­noch völlig ungerecht. Denn das Paris, das wir in diesem Pavillon fennen lernen, ist nicht Die leichtfer­­tige Zutatin, die wir uns in hohen Hadenschuhen, ein fees Hütchen auf dem­ Scheitel, ein übermüthiges Laden auf den Lippen und einen Kelch mit schäumen­­dem Champagner in der Hand denken, sondern eine ernste, bevächtige Matrone, die für das Wohl eines großen Hausstandes sorgt und deren Hauptbeschäf­tigung die Erziehung Der Kleinen, die­­ Pflege der Kranken und die Unterftügung der Dürftigen ist. Das Paris, das sich uns in Der Spezialausstellung des Munizipiums offenbart, ist nicht die Stadt der fröhlichen Boulevards, Der glänzenden Caféa, der leichtfertigen Freunden und einschmeichelnden Laster, sondern die Stadt der zahlreichen Schulen, der großen Spitäler und der nachahmenswerthen Hygienischen Veranstaltungen und ih­műk­lagen, Daß diese Seite des Bariser Lebens, obwohl weniger pilant als jene in Jerusalem betteln mußte, Mit Videhrorten, welche Niemand vor das polizei­­liche Forum schleppen darf, willigste sozialistische Propaganda können die wahr­ betreiben. Au den, indem sie den Juniorvereinen oder den Pietisten oder Ultramontanen durch den Mund seiner Bürger­lichen Mitglieder, wie Lasser und Richter, voreilig Stellung gegen den antisozialistischen Gefegentwurf­ genommen, und hätte die­ Breffe nicht vor Sekte­tem gewarnt, ehe er geschaffen war, die Befürchtung nur zu­ gerechtfertigt ge­wesen, da Hoedel’s Schandthat der seit Jahr und Tag tor dem Bussche lauernden Reaktion den und die Gelegenheit zum Sprunge nach der He­iGaft bieten würde. Daß der Mißbrauch wegen di Rechte des Schaffung der gegen die die Sozialdem­okratie gerich­teten Bill sei. Dazu kommt die­ tiefgehende Stim­mung aber weiter, nicht die vom Hofe greifende V­ermuderung Ursachen Hauptabsicht wie­geleitete, immer der evangelischen Kirche, die Annäherung an Nom und die dadurch herbeigeführte Demission des Generalstabschefs Kulturfampfe, Dr. Fall. Wohl sucht First Bisz­mard Lektoren im Amte zu halten , aber beseitigen, welche das Ente laffungsgesuch veranlaßt haben. Im einstigen Mutterlande religiöser Duldsamteit si es so genommen, daß evangelische dacht unter freiem Himmel oder ftelfer in im die ihre An­­verstehten­ Sälen halten müssen, nur weil deren Pfarrer, zu welchen die Gemeisden stehen, nicht Wunder, nnt die Infpiration der diolithen die Bücher diktive Süße lehren. Und feit werden vom Schaffer ermuntert­ und, von BOL Schlägen Fall’s zuwider, zu Mitgliedern der Gy­node ernannt. Unter solchen Verhältnissen kann das Miß­­trauen des deutschen Reichstages nicht Wunder­ nehmen und die Ablehnung wurfes wird begreiflich, dies sehr fraglich. Der Kommunismus Negierungsente rettende­r Radikalfur durchgefeßt wird, für­ die duch armten Christen sich kommunistische die Vertreter grobsinnlichstee hätte, läßt die Sozialdemokraten Dennoch hätte der deutsche hervorragendsten Ob aber an Bürgerstandes die und Experimente ner: polizeificher maz. ähnliche orthondore Undulofamt sidh der Agrarier beitreten. Neichstag Gemeinden Der wäre die ist nicht Ber ui 5 Vorwan im ex Fanır meit­­biblischen — Schrift Weise, der zufolge Goth so einzig freilich Der Zavillon der Hfadf Yaris. (Originalsgenilfeton bes „Neuen. Pefter Journal") Paris, 18. Mai. Der Anmuth zeichnet sich Der Industriepalast auf dem Marsfelde­ gerade nicht aus, allein er enthält dennoch ein reizendes Bläschen und das ist der kleine "Gentralpart, der­ sich bereits zum exklärten Lieblings- Aufenthaltsoxte des Ausstellungs-Bublikums emporge­­schwungen hat. Hier hat man reichlich, was sonst über­­all auf dem Marsfelde fehlt: frische Luft, blauen­­ Himmel, grünen Nasen, duftende Blumenbeete und kühlen Baumschatten. Während man in den glasgedeck­­ten, engen und weiten Galerien, in welchen Die Luft stagiirt, förmlich fiedet und brät, kann man hier frei aufathmen und wird angenehm vom Flügelsaum eines nedischen, fahlen Windhauchs an der brennenden Stirn und Wange gestreift. Während man in den übrigen Ausstellungsräumen zu der von der doch so erfinderi­­schen antiken Mythologie nicht vorgesehenen Tartarus­­strafe verdammt it, immer zu gehen und zu gehen, ohne ein Näheplägchen für die müden Beine zu fin­den, kann man sich hier behaglich auf eine der zahl­­reichen Bänke niederlassen, Die mit einer wahren Berz­schwendung zwischen die Bosquets und Nasenpläte umher gestreut sind. Die Szenerie, die ich ringsum entrollt, it eine höchst freundliche; man hat auf der einen Seite ein Stück der , Avenue der typischen Faga­­den”, auf der anderen eine mit Zeichungen und GYp3= ftatuen angefüllte Außengalerie der französischen Ab­­theilung und vor sich den Arkadenportikus, unter wel­­chem sich der Eingang in die Kunsthalle­ öffnet und dessen Hinterwand mit Fayencen ausgelleitet ist, auf welchen Landschaften und allegorische Figuren von gez waltigen Dimensionen eingebrannt sind. Die beiden Hauptavenuen, welche­ den Industriepalast der Quere nach durchschneiden, räumen Den Centralpark an seinem nördlichen und fünlichen Lande und Die Besucher stre­­ift nur gefährlich andere, welche die Dämchen draußen im Parie­rez präsentiren, meinem Geschmade die weit sympas­thischere ist. Der Pavillon der Stadt Paris ist ein statt­­licher viereckiger Bau und besteht aus einem eisernen Rahmen, welcher mit Rohziegelmänden ausgefüllt und­ mit­ Längsstreifen bunter Sayenceplatten geschmützt ist. Sein Inneres wird durch manneshohe Ziegelmände in eine Reihe seiner Gemächer­ zertheilt, denen jedes einen anderen Zweig der kommunalen Thätigkeit vert­ritt. Wie bei einer eigensten Schöpfung der Stadt Paris nicht anders zu erwarten, ist die Einrichtung des Pavillons eine reiche und geschmadvolle; den Boa­den­­ bedecken weiche Teppiche, in den Winkeln stehen in anmuthiger Negellosigkeit rothfammtene Fauteuils und Sopha’s umher, die Wände, so weit sie nicht­ statistische Tableaus tragen, sind mit eleganten Tas­peten überfleitet, an Den Eingangsthüren hängen Portieren, die mit­ seidenen Schnüren zufan­nsen­ gerafft sind und über denselben sind Trophäen aus­gebracht, welche das Wappen von Paris,­­ umgeben von der Trikolore der Nepublik, sehen lassen. Kennen Sie dieses Wappen? Es ist wunderbar beleat und enthält in einer ausdrucksvollen Allegorie Die Erz­­ählung der tausendjährigen Ogidiale Des Cmpo­­riums der europäischen Zivilisation. In­­ rothen Felde zeigt es ein altertüümliches Fahrzeug mit geschwellten Segeln, das stoss und ruhig auf erregten und hochja aufschäumenden Wogen D dahingleitet und ein Motto sagt dazu: „Fluetuat nec mergitur.“ „Es schwarkt, aber es geht nicht unter.“ In der That, Die gefährlichsten und furchtbars­­ten Stürme haben dem Schiffe von VBaris its­anz haben können und er wiegt sich heute schöner und zus versichtlicher als je auf den beruhigten MWogen. Glaubte man nicht, baß Die Belagerung und Der Kom­muneaufstand Die Stadt um ein Jahrhundert in ihrer Entwickklung zurückgefipleudert, Haben? Nun Denn, Die BES” Die Heutige Nummer ertant zehn Eck­en, SB

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