Oedenburger Zeitung, 1882. November (Jahrgang 15, nr. 252-276)

1882-11-08 / nr. 257

ET EEE Kttwod, 8. November 1882. XV. Jahrgang. SedenburgerBeihung, (vormals „Oedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dan für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortscpritt zur Ehr? — Bebrühten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.” Az. 257. Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn= oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Selbjährig 5 fl., Vierteljährig · »2fl.60kr.,Mon­atsdilfl. Für Auswärts: Gamiäneh 12 A, Hetojährig 7 fl., Viertel­­jährig . . Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. Adminiseation, Devlag und Inferatenaufnahme, Buchdruherei­­, Homm­alter & Sohn, Grabenrunde 121, BI a Einzelne Nummern Rollen 5 Kreuzer. Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein & Vogler, Wall- Hapasie 10, A. Oppelit, ı., Etubenbastei 2, Heinrich Scalet,­­­­ ­ Wollzeile 12, R. Mofse, Seilerstätte 2, M. Dukes, ı., Ries­mergasse 12, Sn Budapest: Paulus Gy. Dorotheagasse 11, Leop. Lang, Gisellaplag 3, U. ®. Goldberger, Servitenplag 3. SInsertions:Sebühren: 5 fr. für die ein=, 10 Fr. für die­ zweis, 15 fr. fü­r die drei=, 20 fr. fü­r die vierspaltige und 25 fr. für die durchlaufende Petitzeile evclusive der Stempelgebühr von 30 fr. Bei mehrmaliger Einschaltung bedeutender Vabatt: Ein baufälliges Zifferngebäude. Oedenburg, 7. November 1882. „Die Schlagfertigkeit unserer Armee war bis Heute nicht in dem Maße gewährleistet alles im Inte­­resse der Machtstellung unserer Mo­narchie und mitdinklich auf eventuelle Kriegsgefahr unbedingt verlangt werden muß.“ Beiläufig mit diesen Worten äußerte sich der Reichskriegsminister — ohne etwa darüber eine merkbare Verlegenheit zu zeigen — als ihn Dr­­anderlis in der Sittung der Öösterreichischen Delegation vom 4. No­­vember, verschiedene Fragen über das Heeres­­erforderniß pro 1882 vorlegte, welche Fragen wir dann im Verlaufe dieses Auffaßes schon näher erörtern werden. Doch vorher wollen wir die in ihrer verblüffenden Einfachheit höchlich befremdende Erklärung des Heren Grafen Bylandt-Nheidt doch ein wenig näher in’8 Auge faffen. Also, Groß der Milliarden, welche die österreichisch-ungarische Armee den Steuerträgern bereits gefottet hat und die Unsummen, die sie Jahr für Jahr verschlingt, ist sie bis heute nicht schlagefertig gewesen. Das­st — zumal aus dem Munde des Kriegs­­ministers — eine von ihm vielleicht unbewußt ge­­übte, aber vernichtende Kritik des Gebahrens all’ jener großen Herren, welchen die Nation das Nest eingeräumt hat, den geießgebenden Körper zu bilden. Wie­ der Bürger verarmt, seine Kinder darben, seine erwachsenen Söhne dezimirt eine uns felige Negierungspolitik, die sie hieß an unnöthigen Okkupationen mitzuwirken, der Grundbefiß wird entwerthet, Handel und Verkehr an ihrem Auf­­blühen systematisch verhindert, felbst der Edelmann kommt immer mehr und mehr hirab und diekt Alles bloß um ein riesiges Kriegsbudget der Nation abzupreffen, das dann zwar allerdings dazu gedient hat, eine ungeheure Kriegs­­macht fortwährend auf den Beinen zu halten — von welcher aber der Herr oberste Armeeleiter selber sagt, das sie nigt schlagfertig ist. Mit welchem Vertrauen soll dem das ungas vische Volk seinen sauer erworbenen Erwerb zum großen Theile dem Armee-Motoh in den Machen werfen, wenn d­as Gebäude, das man aus den enormen Ziffern errichtet, die der Fiskus er­­barmungslos einhebt, so baufällig ist? A­rmee und Zinsen der Staats­­schuld verfälingen meh­r als die gesammten­­ Steuererträgnisse ausmachen und dennoch w­üsfen wir hören, daß die Armee im eventuellen Kriegsfalle, nicht entsprechend wehrfähig und daß die Schul­­den des Staates immer größer werden. Wohin soll uns das führen ? Das gemeinsame Erforderniß ist vom Jahre 1869 bis 1883 um 28,7 Millionen gestiegen ; an dieser Steigerung partipizirt mit dem größten Berzentrage das ordentliche Heeres­erforderniß, welches von seinem niedrigsten Stande im­ahre 1868 mit 68.9 Millionen auf 93.8, fir 1883 aber um 26 Millionen gestiegen ist. An dieser Steigerung partizipirt mit 28 Per­­zent die Periode seit Beginn der bosnischen Okfupation, indem sich seit 1870 das Ordinarium des Kriegsbudgets von 81.4 auf 94.9 Millionen erhöht hat. Die allein für Bosnien bewilligten Kredite stellen sich wie folgt: für die Okkupation­ und Erhaltun­g Bossniens aus­­gegeben haben. Dabei sind die Kosten für die Erhaltung der bosnischen Flüchtlinge, welche sich auf rund 10 Mil­­lionen belaufen, nicht berücksichtigt. Bezieht man diese in die Hehnung ein, so stellen sich die Aus­­gaben für Bosnien auf rund 207 Millionen ! Allein bei alledem wird — laut Friegsiminister vielen Exrpose — Oesterreich Ungarns Armee erst dann schlagfertig sein, wenn die neue Armee siefern durchgeführt sein wird! .... Sollen Zwir noch weiter die Worte drs Herren Grafen Bylandt-Nheidt kommentiren ? Dr. Fanderlif, dessen Interpellation wir Eingangs dieses Auffages berührten, trug­ daher aus sehr triftiger Ursache den gemeinsamen Leiter der Heeres-Angelegenheiten: 1. Welche Gründe hat die­ Heeresverwaltung eine Armee-Reform zu beantragen ? 2. Welche Prinzipien liegen die­sen Reformen zu Grunde? 3. Welche Erfolge ver­­sprgt sich die Kriegsverwaltung von der Durch­­führung dieser Neformen ? 4 Warum hielt das Kriegsministerium gerade den jenigen Zeitpunkt für dem­ geeignetsten zur Durchführung dieser Neformen ? 5. Sind die fraglichen Neformen mit den im Vors liegenden Voranschläge zum Ausdruch gelernten organisatorischen Aenderungen abgeschlosfen? Der interpetlirte Reichskriegsminister entgege­nete hierauf (was wir hier nur in knappem Aus­­zuge bringen können) beiläufig: Daß zunäc­hst seine Mittheilungen nur als g vertrauliche angesehen werden möchten, daß dur die beabsichtigte He­er­­esreform und indem dabei jedes der in der Monarchie zu bildenden vierzehn Armeestorps (im Ostupation8= Gebiet gelangt ein Fünf­zehntel zur Aufstellung) in einem bestimmten Territorium mit allen erforderligen Anstalten auss­gerüstet werden soll, der Aufmarse erleichtert, wascher bewerfstelligt, und die Schlagfertig­­keit des Heeres, die bis heute noch problos Ende 1883 den Betrag von 194,77 Millionen matisch (!) gewesen sei, erhöht wird. Jeuitleton. Pfandereien aus dem Gebiete des geselligen Lebens. Bon re Bertef, (Fortlegung.) Ein zartes Bäumen ohne [hügenden Stab wird bald vom Sturme gefiicht werden; — ein jugendliches Herz, ohne sittlcche Leitung, bald ein Naub der wuchernden Leidenschaft sein. Sudessen, beide weise beschirmt, und Liebevoll gepflegt, an Kraft, Ausdauer und Fruchtbarkeit zunehmen und segensreiche Früchte bringen, fähig zum Genuß und zur Erhaltung. Eine vorzügliche Sorge sei also jene der Er­­ziehung, und Ledermann, im dessen Wirkungskreis er­liegt, trachte auch sofort, daß sein einziges Mit­­glied der Gesellschaft dieser Wohlthat baar bleibe. Erziehung ist ja der Weg zur Bildung! Erziehung und Bildung ist ja das Bestreben der Zeit, das Losungswort der reimenden Menschheit. E83 ist aber auch leider nur zu gewiß, daß die Erziehung des Menschen von gar vielen Klip­­pen bedroht ist, an denen­ sie häufig scheitert. Wenn Eltern und Erzieher dem Materialis­­mus Huldigen, wenn insonderheit die Eltern zur Erziehung gar nicht geeignet sind, wenn sie sonst auch zur Erziehung seinen anderen Beruf machtei­­sen können, als den, daß sie die Eltern sind, wenn sich die Lehrer mit politischer oder religiöser Parteigängerei befassen, und diese ihre Lieblings­­beschäftigung aus all ihrem Wirken hervorfoitiert wenn den Eltern die Auslagen für die Schule und den Unterricht ein Gräuel in den Augen sind, wenn dan­­ ihr Unmuth über die Schulforten oft in Gegenwart der Kinder in Schmähungen gegen den Lehrer Quft findet, wenn man die Schule als eine verkehrte Einrichtung bezeichnet, weil sie mit ihon die U-B-C-Kandidaten in der Mädelei unter­­richtet; wenn man die sittliche und religiöse Moral als etwas zwar Unschädliches, aber gerade nicht Nothwendiges betrachtet, dann liefert die Erziehung eben die Mesultate, die wir gegenwärtig an den erwachsenen Leuten erkennen. So verschieden die Menschen sind, so ver­­schiedenartig ist auch ihre Auffassung vom Leben, daher die verschiedenen Stadien der Zölpeljahre auch in verschiedenen Formen und Richtungen ers­cheinen. Eine bedeutende Richtung ist der Hohmuth. Der ungebildete Mensch ist zu Nichts mehr geneigt, als zum Hohmuthe, zumal wenn er­ sich in glück­lichen äußeren Verhältnissen befindet. — Wenigen nur genügt 8 — Mensch zu sein! Man will große Familie, großes Haus sein und glänzen; Eigener, innerer Werth ist Nebenfade! Nach ein paar Jahren des Fleißes richtet man sichh bequem ein, macht aus dem Acer einen Blumengarten, zehrt vom Vorrath und­­ haut da­­bei die Leute über die Achsel an. Fury man ergibt sich Schwindeleien und dünft sich dabei — nobel­­gäcerliche Gravität, feine Stoffe als Futteral grober Vorurtheile, papageimäßig einftudirte Redens­­arten, ein paar Zeitungsflosseln, Parfümerie und Equipage sind dann das Deforum und der Kul­minationspunkt aller Bildung. Ueberspannung matt Abspannung, und un­­berechnete Steigen bringt zum Falle! — Do einem Jeden nach feinem Geschmach. A einem ansehnlichen Hühnerhof befand si unter anderem Geflügel auch eine wohlbeleibte Gans, die, weil sie eben nicht Noth hatte, für Nah­­rung besorgt zu sein, um so mehr Muße gewann, verschiedene Betrachtungen anzustellen. — Da sah sie öfters den Adler majestätisch die Lüfte durc­­hreuzen, und un­willkürlich erhob sie dann mit ein­ gebildeter Kraft die etwas plumpen Fittige zum Fluge. Die Sperlinge, die das Innere der Gans leicht erforscht hatten, spornten sie noch an, aufzu­­steigen. Bist ja ein wohlgenährter, glattgefiederter Bogel jagten si, — majestätiig — ein Schwan im den Lüften! — Was fan Dich auch daran hindern, Dich da oben in den Lüften zu wiegen? Da erst faunst Du Deine Orazie entwickeln und Dein imposantes Wesen vollständig zur Geltung bringen,­­ 7

Next