Oedenburger Zeitung, 1884. Dezember (Jahrgang 17, nr. 278-300)

1884-12-03 / nr. 279

WER a Ar.279 TIERen 3«. Dezember 18*4. — XVO 3aergang. | Oldenburger Zeitung. (vormals „Bedenburger Nacrichten“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Forttritt zur Ehre? — Bebrühten zur Wehr’ — Der Wahrheit eine Gaffe.” — mann — von Inseraten, Pränumerations- und Insertionsgebühren, sind um die Redaktion portofrei einzusenden. Kıchrnkerei­­, Nomtvalter , Sohn, Grabenrunde 121. Das Blatt erieint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn- oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations­­reife: * 8oen: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Bierteljähri­g Ba­te Mena , Für Andwärts: Ganzjährig 12 N, Batbfäßrig 7 fl., Biertel­­jähri­g fl. jährig 3 fl. Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme Administcation, Verlag und Inseratenaufnahme: EI Einzelne Nummern Rofen 5 Are. EU Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein & Vogler, Wall Kiegaffe 10, 9. Oppelit, ı., Etubenbastei 2, Heinrin Scalet, 1., Wollzeile 12, N. 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Man erwartet die Hilfe nur vom Staate, und man vergißt da­­bei, daß dieser nur die Summe aller Bürger und daß diese selbst die Lastträger seiner Spenden sind. Was ist die Folge? Die unbedingte Nordwendig­­keit einer Steuererhöhung. So sehen wir inmitten eines Ueberflusses an Gütern jeglicher Art immer mehr Kreise in Noth und Armuth versinken. Die Produktion steigt, der Konsum sinkt. Diese Erfgeinung verwirrt, man verwidert sich in Widersprüche, und so wird auch der Wuaren-Spe­­kulations-Handel, welcher immer größere Dimen­­sionen annimmt, einfach als Schwindel bezeichnet. Und doch waren zu allen Zeiten die Wettonen des großen Kaufmannes eine ununterbrochene Fette von Spekulationen. Die modernen Verkehrsmittel ha­­ben es ermöglicht, daß die Produktion aller Kul­­turstaaten mit der Konsumtion aller zivilisirten Länder in Kombination gebracht werden kann; sie gestatten dem Unternehm­e, jed­e Augenblic fi seinen Nugen oder sein Nifilo zu figiren. Die großen Vorräthe in Kalcutta und Chicago üben eine Wirkung auf die Gestaltung der BPreise in London oder Hamburg. Dies gilt insbesondere vom Terminhandel im Getreide. Durch die gegen­­seitige Arbitrage der Getreidebö­den untereinander wird jede Bewegung der einn von der anderen Börse sehr genau überwacht, wodu­r­fon an und für sich die Zunftionen in vielen Fällen neutrali­­sirt und die Preisg­etaltung mit dem internatio­­nalen Verhältnisse von Angebot und Nachfrage im Einklange erhalten werden. Wenn beispielsweise der Landwirth im späten Frühjahre wo mitten in seiner Feldarbeit auf dem internationalen G Ge­­treidemarkte einen Preis vorfinde, wider ihm volle Konvenienz gibt, so braucht er nicht erst zu war­­ten, bis seine Fehlung eingeheimst ist und er even­­tuell zu einem tieferen Preise verkaufen muß, son­­dern es ist ihm gestattet, sofort die Konsultur aus­­zunügen. Ebenso kann der Fabrikant sich vor dem Risito flingen, welches mit den Schwankungen in den Preisen von Roh-Materialien verbunden ist, er wird dadurch in den Stand gejegt, sein Fabri­­kat an auf längere Zeit zu flren Preifen zu ver­äußern. Alle diese Momente legen die Produzenten in den Stand, den Konsumenten zu billigen Preifen die Waaren zu liefern. Man hat überhaupt die Thätigkeit des Handels nir richtig erkannt, weil man sich ni­ die Mühe nahm, denselben nach sei­­ner wirtsschaftlichen Funktion zu ergründen. Der Handel hat die Aufgabe, die wirtschaftlichen Güter aus einem Zeitraume in einen andern Binüberzu­­leiten, ferner die wirtschaftlichen Güter aus einem Orte oder einem Befige in einen andern Ort oder andern Befig zu bringen. Insbesondere die Teitere Aufgabe erfordert einige Zwischenglieder, die man als Zwischenhändler bezeichnet. Die Zahl der Verkehrsmittel in der Welt ist riefig angewachsen. Post, Telegraph, Stiffe, Eisen­­bahnen, Klearinghäuser vermitteln den­­ Verkehr. Es zeigt sich überall die Ernennung, daß dort, wo d­ie Intensität des Berftehres zu­­nimmt und die Summe oder Ber­­fehlersmittel steigt,auch der Zwe­­igenban­del sinkt. Diese Erscheinung gilt von allen Ländern, wie durch eine Nachfrage der niederösterreichischen Handelskammer bei den aus­­wärtigen Konsulaten, bei verschiedenen Korporatio­­nen in Deutschland, Frankreich, England und Nord­­amerika konstativt ist. „Ueberall suchen die Yabris­santen mit den Konsumenten direkt in Fühlung zu treten“, so schreibt die Breslauer Kammer, „unsere Getreidehändler führen Sage über dem Beifall des auf dem hiesigen Plage einst so bedeu­­tenden Getreidegeschäftes. In gleicher Weise führen die Kolonialwaaren-Händler Klage“. Die Leip­­ziger Handelskammer theift mit, daß inländische Fabrikanten den Zwischenhandel umgehen. „Durch den Pafetpost-Tarif treten die Fabrikanten mit den Privatkunden im ganzen deutschen Reiche und in Oesterreich-Ungarn direkt in Verbindung.“ Die röm­ische Handelskammer sagt, daß al dort der Zwischenhandel daniederliegt, und sie bemerkt ausdrücklich, dag es kein Meittel gebe, diese natur­­gemäße Entwicklung des Verkehrs zu hemmen, res­­pektive den legtern wieder in die früheren Bahnen zu leiten. In ähnlicher Weise äußert sich auch die Mannheimer Handelskammer. Die Bari­­ser Kammer sagt, daß auch in der französischen Hauptstadt ähnliche Erscheinungen zu Zage getre­­ten sind. Dasselbe bemerkt die Handelsfammer von Rouen. „Diese Umwandlung“, jagt die Handelsfammer von Lyon, „oder noch besser ge= jagt, diese kaufmännischen evolution hat i­on viele Opfer gekostet und wird noch viele Opfer foften. Aber ob man sich bedauert oder sich des glüdwünscht, wir glauben nicht, daß es möglich sei, diesen Fortschritt einzudämmen. Unser Plaß bietet zahlreiche Beispiele dieses wirthschaftlichen Verder­­bens. Ale Branchen des Zwischenhandels, wie Baumwolle, Tuch- und Kolonialmaaren, welche sich früher in Lyon großer Blüthe erfreuten, sehen ihre Bedeutung von Jahr zu Jahr immer mehr schwin­­den. Große Detailhäuser, deren Uebergewicht für den Kleinhändler so fatal ist, versehen sich selbst direkt in den Fabriken und machen dadurch den Zwischenhandel vollkommen entbehrlich.* Die Hans derölammer von Manchester schreibt: „Es deuilleton. Gräfin Mildred. D Original-Novelle von Elvira Leopoldine hat mein Kind! Jede Stunde, jede Minute kann die (Kortlegung.) — Du hast Recht, erwiderte die alte Dame jäh abbrechend. Es schien fast, als bereute sie, dem Lespräde eine solche Wendung gegeben zu haben. — Sage mir, liebe Mildred, bist Du auf vollkommen sicher, daß Ellinor durch irgend eine­­n nicht Deinen wahren Namen ver­­räth? — Boll­ommen ! entgegnetie Mildred gelassen. IH habe ihr ja die Gründe auseinandergefegt, die mich zwingen, rau von N­atenow unter fremden Namen entgegenzutreten. Aber — sie hob langsam den tiefen, seelenvollen Blick — aber es läßt mir der Gedanke nicht ruhen, was zwischen meiner und der Familie der Frau von Natenow vorgefallen, daß es ihnen hr feiner Takt gebietet, daß der Name Mindenheim in ihrer Gegenwart ungenannt bleibe. — Eine feine Reihe zog über das Gesicht der Baronin. — Mildred, jagte sie mit etwas unsicherer Stimme, Du forshert hier nach einem Bunkte, der gerade sei und zumal für Di unter jeder­­ Be­­dingung verhült bleiben muß! Vertraue mir, Entfgerdung bringen ; ich habe ja unserm guten, seligen Grafen, versprochen, für Dein Glück zu sorgen ; ich erfülle ja nur meine Pflicht ! — Hängt die Verschweigung meines Nas mens denn mit Ihrer liebevollen Pflicht zusam­­men ? fragte Mildred mit feifem Vorwurf. — Sa­ sprach die alte Dame fest. So darf Dir vorläufig nit mehr jagen. Du bist fest einfach Elfe Balduin und unter die­­sem flihten Namen den Deine Mutter einst in ihren Mädcenjahren trug,unter diesem Namen erringst Du Dir vielleicht das, was Dir als Gräfin Mildred für alte Zeiten vorenthalten würde! Das sei Dir genug! — Seit aber komm’! Im Spielzimmer erwartet man uns, wir k­ünnen nicht länger räu­­men; denn auch Theo ist bereitd drüben. Komm nun! — Die alte Dame wendete si um und sehritt, von Mildred geleitet, dur den Salon. — Drüben im Spielzimmer berrchte die heiterste Stimmung. Hier hatte man das allmählig ent­­schwindende Tageslicht als unnüßg oder unbrauchbar befunden, denn man hatte ihm einfach durch die dichtzugezogenen Vorhänge den Eintritt verwehrt. Dafür aber brannte die große Hängelampe, ihr wohlthuendes Lit Durch den behaglie eleganten Raum werfend ! — Als Mildred das Gemach betrat, saß Baron Herider am großen runden Tische und debattirte eifrig über die legten Tagesereignisse mit einer alten Dame, die ihm gegenüber in einem alt» modischen hohen Armstuhle sah. Es war eine hohe, gebietende Frauengestalt mit tadellos vornehmer Haltung und feinen, wo immer schönen Gesichtszügen. In einiger Entfernung von ihnen war ein Schadhu­sch aufgestellt, an welchem Ellinor mit dem jungen Barone fa, welcher ihr Unterricht im Spiele ertheilte. Er schien seine Sache sehr ernst zu nehmen und stellte mit unerschütterliger Nähe die Figuren wieder auf, wenn Ellinors kleine, muthwillige Hände bei irgend­einem schwierigen Zuge dieselben bunt durcheinander geworfen hatte. Hiebei strahlte ihr rosiges Rindergefichtchen förmlich vor lauter seliger Heiterkeit, Mildred trat leise an das Klavier und nahm — als alte Bekannte des Hauses — Davor Plap. ‘ Unhörbar hatte sie den Flügel geöffnet und nun begann sie zu spielen. — Sofort verstummte das Gespräch am großen Tische, Theo erhob sich und fhlich sich in den Hintergrund des Gemacher, Ellinor aber trat zum Klaviere und lehnte sich mit verschlungenen Händen an den Stuhl der jungen Gräfin. Mildret hatte eines der neueren Konzertitüde gewählt , brach eben mit einigen genialen Griffen ab und trug nun eine ihrer eigenen Phantas­­ien vor.­hr ganzes Wesen schien sich in der Ent­­faltung ihres Spieles zu offenbaren. Weld’ wunder­­bare Fülle der reinsten Melodien schwebte da dur das Gemach! Segt jauchzten die Töne auf, wie das fröhliche SSubeln eines Kinderherzens, dann sangen sie leise, glühverhalten, wie das Wiegen­­lied einer jungen Mutter — und nun bradenn sie sich Bahn, wie ein lange zurückgedrängtes Web, (Bertiegang folgt.) Alle Rechte vorbehalten. Re­de °

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