Pester Lloyd - Abendblatt, Mai 1855 (Jahrgang 2, nr. 103-127)

1855-05-01 / nr. 103

\ Wiettsjcig,1.JUai. ro, 103. N Per, 1855. Abendblattdespes ter Klopp. ‚Telegraphische Depesche der „Desterr. Korrespondenz‘ Genua, 28. April. von Statten. Die Einschiffung der Expeditionstruppen geht in Ordnung = Meft, 1. Mai. Die Berichte, welche uns heute über Das Attentat auf den Kaiser der Franzosen zusommen, stimmen darin. Überein, daß dasselbe nicht französischen Parteibestrebungen zugeschrieben werden darf, daher nur wenig poli­tische Bedeutung hat. Der Piemontese, heißt es in einer Depesche, hoffte durch­ den Tod des Kaisers eine Revolution in Italien zu ermöglichen (2); eg erhellt aus Dieser Absicht, daß das Attentat nicht in Frankreich­ und auch nicht im Kopfe Bieler ausgeheert wurde. Es ist eben die That eines einzelnen und vereinzelten Individuums. Die Kaiserin, lesen wir in einem Schreiben, welche, während der Satfer in den elyseeischen Feldern seinen Promenadenritt machte, sich eben in den Gehölze von Boulogne befand, war tief erschlittert. Der Katfer soll seinen ehernen Gleichmuth nicht einen­ Augenblick lang verloren haben. Die Neffe des Katfers nach der Krimm ist nun wahrscheinlich gänzlich) auf­­gegeben. Schon am V­orabende des Attentates sprach man in Paris allgemein von Kontreordres, die an die verschiedenen, bei der Neffe betheiligten Personen ertheilt worden waren. Wie man der „Indep.“ schreibt, soll der Nath der Aerzte den Ausschlag gegen die Neffe gegeben haben. Wenden wir uns der allgemeinen politischen Frage zu, so sind die heute angelangten Details nicht ohne Interesse. Obenan stellen wir die Mittheidung der Debatsd. De Lacy bringt nämlich ber die Art, wie die Vertreter Oesterreichs sie in der entscheidenden Konferenzfigung vom 21. April ausgesprochen, folgende interessante Enthüllung : „Nach der Erklärung Nuplend’S, weder in eine Beschränkung­ seiner Kriegsschiffe, noch in die Neutralisirung des Schwarzen Meeres einzumilligen, schlug Lord Nufsell vor, in einen Schlußprotokolle die Vergeblichkeit der zur Herstellung des Friedens gemachten Anstrengungen so­wie die Halsstarrigkeit Nußlands zu konstau­ren und die Auflösung des Kongresses ausdrucklich zu verkünden. Dieser Antrag war auf dem Punkte angenommen zur werden, als die Gesamdten Oesterreichs und namentlich Graf Buol­fid ihr widerlegten. Wozu solche Eile? Hatten die kaiserlichen Abgeordneten gemeint. Warm in so brasser Weise auf die Chancen verzichten, welche die Zukunft noch darbieten mag? Der Schluß der Sikzungen und die Auflösung der Konferenz bedeutet den Abbruch der Luter­­handlungen; bedeutet das Verlöschen des festen Hoffnungsstrahles, einen, auf denjenigen Grundlagen beruhenden Frieden zu erhalten, welchen die verbündeten Mächte in Vorschlag gebracht und deren Prinzip das Petersburger Kabinet angenommen. Sobald die Unter­­handlungen faktisch abgebrochen sind, wird man, in Gemäßheit des Dezembervertrages, zur Eröffnung der Berathungen über die wirksamsten Mittel sehreiten, tue welche das Endziel der österreichisch-französisch-englischen Allianz erreicht werden kann. Wählend die gegenwärtige Lage in solchen Besprechungen nicht eben besonders günstig, und eine nahe bevorstehende Umgestaltung der Situation, durch welche Rußland geschmeidiget werden würde, liegt keinesweges außer dem Bereiche der Möglichkeit. Oesterreich fennt die Verpflichtungen, die ihm im Folge des De­zembertraftates obliegen, sehr gut, und lehnt seine einzige davon ab: es hat versprochen, mir einen ehrenvollen, seine eigenen und die deutschen Interessen sicher stellenden Frieden anzunehmen; es wird seiner Verheißung treu bleiben — und obwohl es seinen heißen Mund, den Frieden in Europa wiederhergestellt zu sehen, nicht verheimlicht, so erklärt es doch, Daß es, um einen ehrenvollen Frieden zu erreichen, auch vor dem Kriege nicht zurü­chschreden wird, wenn der Lebtere sich als nothwendig erweist. 3 Trogdem darf man sich nicht darüber tauschen, daß der, für den Abschluß eines Offensiv- und Defensivbündnisses zwischen Desterreich und den West­­möcht. im Dezembervertrage vorgesehene Fall noch nicht eingetreten is, da die Feindseligkeiten zwischen Desterreich und Naßland noch nicht ausgebrochen sind. Der Schluß des Kongresses wird daher Schwierigkeiten hervor­rufen, auf die man nicht gehörig vorbereitet ist und denen man durch eine bloße Suspension oder Vertagung der Situngen entgeben kan. Die Vertagung bietet Vortheile aller Art dar: sie gestattet die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen sammtlichen Mächten in jedem gelegenen Augenblicke; sie er­mächtigt Oesterreich, sein Vermittlungswert in St. Petersburg fortzulegen. Oesterreich wird seine Anstrengungen verdoppeln, und wenn — wie man hoffen darf — die Erfolge des Krieges seine Bem­ühung unterfrügen, so wird es sicherlich von Nußland Konzessionen erhalten, welche diese Macht heute verweigert. Da die Verständigung bei den dritten Punkt die Hauptfrage für den einstigen Frieden bildet, so­lt es wichtig, die Auslassung in dem Protofolle vom 28. Dezember, nie aus dem­ Auge zu verlieren: „ „Wal die, in dieser Beziehung zu treffenden Anordnungen anbelangt, so hängen sie zu unmittelbar von dem Verlaufe der kriegerischen Ereignisse ab, als daß man über deren Grundlagen schon jet etwas bestimmen könnte; man muß sich vielmehr mit Feststellung des Prinzipes begnügen.” " Mu liegt sein Motiv vor, auf die Friedenschancen zu verzichten, die aus dem Schoße des Krieges hervorgehen mögen: eine umsichtige Politik muß sich vielmehr die Mögl­­ichkeit vorbehalten, die Berathungen des Kongresses augenblicklich wieder aufnehmen zu können, sobald die Wechselfälle des Krieges die Situation modifizirt haben werden. — Demgemäß schlugen die österreichischen Bevollmächtigten die Suspension der Situngen und die Vertagung der Konferenz vor, was auch ang­el 0 i­­­en ward.” Nicht minder interessant zu, was wir in einer Wiener Korrespondenz der „Nat. 3“ über die festen ruffischen Vorschläge sesen: „Die vierzehnte Konferenzfigung wurde anberaumt. Dieselbe fand am Donnerstag, den 26. April, statt. Die in derselben gemachten ruffischen Vorschläge bezogen ich auf eine Erweiterung des Vertrages vom 13. Juli 1841. Die Souveränitätsrec­hte des Sultans sind durch diesen Vertrag bekanntlich insofern beeinträchtigt, als die Pforte sei­­nem fremden Kriegsschiffe die Einfahrt in die Meerengen des Hellespont und des Rospo­­nd gestatten darf, so lange si die Pforte nicht im Kriege befindet. Wie nun verlautet, sol nach den gemachten Vorschlägen die Basis dieses Vertrages beibehalten, jedoch die Beschränkung für den Sultan fortgefallen sein. Dieses neue zufftische Gegen­projekt fand gleichfals keine Annahme, und so dürften wohl die Konferenzen einstweilen­­ als vertagt betrachtet werden, obgleich noch anderweite resultativse Sieungen folgen könnten. Der „Börsenhalle“ wird­ Näheres über eine angebliche Manifestation ge­­schrieben, welche österreichischerseits für die nächsten Tage im Werke sein ımd der Welt für aich deutlich zeigen soll, daß Oesterreich sei ebenso, wie bisher, auf Seiten der Westmächte stehe. Der Korrespondent spricht von einem Manifest und einer Veröffentlichung des Textes der zwischen Oesterreic­h und Frankreich abge­­schlossenen Militärkonvention. Das Testere mit Neferve, „da dies eine indivefte Herausforderung an den rufsischen Versandten wäre, seine Waffe zu verlangen.“ Die „Times“ proklamirt den Grundfaß,, daß England sehr endlich einen ernsten und wirklich großen Krieg fü­hren müsse. So wie der Krieg, welcher nach dem Frieden von Anens ausbrach, einen neuen Charakter annahm, ebenso wäre es ein Irrthum, zu glauben, daß der Kampf, den die Fruchtlosigkeit der Wiener Konferenzen zur Folge haben mut, derselben Art, wie der bisherige, sein Könne, Merkwindiger Weise sei mit dem Kaiser Nikolaus die rechte Aussicht auf eine bil­­ige Verständigung zu Drabe gegangen. Alexander I., dem ein so­ allgemeiner Ruf der Milde und Friedensliebe vorausging, habe in sechs Wochen alle Ilusio­­nen der Art vollständig vernichtet. — „Sehr endlich sind die Nebel der Diplo­­matie zersprengt, und wir sehen die Dinge, wie sie wirklich sind. Unsere eigene Stellung sind Die unseres Gegners, was er herrscht und was er von uns erwar­­tet, Alles dies wird uns jet­bar und deutlich, Wir führen nicht mehr Krieg, dam­it Rußland nicht die Schirmherrschaft Aber die griechischen Christen, in der Tirket an sich reiße oder einen ü­berwiegenden Einfluß in ihrem Nat gewinne. Rußland muthet­ung die Unterzeichnung eines Friedens zu, der unsere alten Alliis­­ten an Händen und Füßen gebunden der Gnade seines Unterdrü­eers preisgäbe ; wir aber sollen die umbefangenen Zuschauer Spielen und zusehen, wie das tifissche Reich, durch die Ereignisse des legten Jahres bis im’s Herz erschlittert, durch die­­selben Hände, vor denen wir es zu fchügen suchten, Über den Laufen geworfen wird.“ „Selbst einer Macht zweiten Ranges wären diese Dinge unerträglich, wie erst England!" Also Krieg auf Tod und Leben. Selbst wenn Oesterreich passiver Zuschauer bliebe — gibt die „Times“ zu verstehen — bleiben „England und Frankreich Arm in Arm" stark genug, um Rußland in die Schranken zu fors­dern und aus dem Sattel zu heben. Der Sieg über den Außen Feind wird leichter sein, wenn erst die Korruption und der Schlendrian zu Hause besiegt sind. Die Energie des Volkes muß sich daher gegen den Außern und den iuern Feind zugleich wenden. Die österreichische Negierung, berichtet der „Moniteur“, hat ee Spezialkommilston ernannt, welche den Auftrag hat, in Paris wäh­­rend der ganzen Dauer der Ausstellung zu fungiren. Die Zusammenlegung der Kommuiljton in folgende:­r­­dustrie, Präsi­dent Herr Baron James Noth­­schild, österreichischer Generalkonsul zu Paris, Kommissar Ritter Adam v. Burg, Negierungsrath und Professor an der polytechnischen Schule zu Wien; Kommissär und Generalsekretär Dr. Wilhelm Schwarz, Kanzleidirektor des österreichischen Generalkonsulats zu Paris.­­ Schöne Künste, Kommissar Herr Michael Stohle, Maler, Das Bureau der Kommiliton befindet sich Ne Laffitte Nr. 21. Schwarzes Meer. Bis zum 27. ist sein wichtiges Ereigniß im. der Krimmm eingetreten. Ueber den Telegraphen schreibt man dem „Moniteur“ aus Barna vom 8. d.: Der englische Dampfer „Spitfire“ ist mit dem unterseei­­schen Telegraphendraht an Bord hier angenommen. Dieser Draht wird nicht von Barna aus gezogen werden, wie er anfangs beabsichtigt wurde, sondern vom Kap Kalagria, 35 Meilen nördlich von Barna. Von hier wird ein unteriseischer Draht längs der Küste bis Monastere gezogen, und zu Lande an den Barna: Bufuretter Draht gesmipft werden. Der englische schrieben: Pascha. „Die Kriegsminister­in ES scheint, daß nieder Sir Lord. Naglan folgende Depefdhe er halten: Bor Sebastopol, 14. April, 1855. Mylord! Seit meiner Depesche vom 10. d. M. ist ein lebhaftes Feuer von feinmtlichen Batterien der Verbündeten gegen die feindlichen Werke gerichtet worden. Das Feuer der briti­­gen Artillerie, besonders gegen die Batterien des Gartens, der Kaserne, des Nedan, des Ma­­lafofftar­mes und des „Mamelon“ gerichtet, war von großer Wirkung, und die feindlichen Werke haben viel gelitten, obgleich die Nuffen, ihrer Gewohnheit gemäß, die Nächte zur Her­stellung der Schäden gut benust haben. Das Feuer der Marinebrigaden und der Artillerie wurde auf's vollkommenste geleitet. Die Verluste waren sehr bedeutend, trafen aber vorzü­glie die Matrosen. Die königliche Marine befragt den Tod des Lieutenants Douglas, der seit dem Beginne der Belagerung mit großem Talent und vielem Eifer gedient hatte. Die Lieutenants Urmston und d’Ueth von der küniglichen Marine und Steele von der Marineartillerie, alle sehr verdienstvolle Offiziere , sind verwundet worden. Die Artillerie befragt zudem den Tod des Lieutenants Luce, eines Offiziers von Verdienst; die Lieutenants Sinclair und Lestrange sind unter den­­ Verw­undeten. Man hat jedoch die größte Hoffnung, ersteren troß der Gefährlichkeit seiner Wunde zu retten. Auch der Geniekapitän Groffton, der im Laufe der Belagerung die größten Dienste geleistet hat, ist verwundet und wird, wie ich fürchte, fir lange Zeit dienstun­fähig fett. Unsere Batterien und unsere Brustwehren fahren fort, trok des ungünstigen Wet­­ters zu­­widerfichen. Das Feuer des Feindes ist verhältnißmäßig langsam, aber gut­ gerichtet, und da er die Tragweite unserer Batterien gemessen hat, so sind mehrere unserer­ Kanonen auf der Linken und Rechten unbrauchbar gemacht. Nach der Tiehernaja hin ist nichts Erhebliches wahrgenommen worden; man hat jedoch keine Korps von 150 bis 500 Man mit einer Ka­­none von schwerem Kaliber und mit Munitionswagen längs den Höhen von Inferman nach dem Pachthofe von Macenzie ziehen sehen, wo sie sich aufgestellt haben. Obgleich der Dienst während der ganzen Nacht und bei Tage sehr mühselig war, it er doch mit einer Willigkeit und einem Eifer versehen worden, der Offizieren und Soldaten die höchste Ehre macht. Der unterseeische Telegraph ist vom Kap Kelegra nach dem Skloster gelegt; die Ingenieure werden ihn bis Barna weiter führen, wo er, wie ich hoffe, in acht oder zehn Tagen in Thätigkeit treten wird. Die erste Division des 10. Husarenregiments langten heute zu Balatlama an.‘ Genehm­igen Sie 9t. Raglan. Aus dem Lager vor Sebastopol vom 13. April wird der „Times“ ge­ mit Omer G. Brown, nod) Sir 6. Campbell, nod irgend­ein anderer General, mit Ausnahme vielleicht der Generäle Simpson­ und Jones, in die Geheimnisse Lord Naglan’s eingeweiht wird, und daß der geringste Soldat im Heere den Operationsplan eben so gut fennt, wie die Divisions­generäle.* Der als Intendant beg fardinischen Expeditiongroßs nach Konstantinopel Kriegsschauplan. hat von verbündeten Generäle haben häufige Konferenzen

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