Pester Lloyd, Dezember 1855 (Jahrgang 2, nr. 280-304)

1855-12-01 / nr. 280

r Pest, 30. November. Die gegenwärtige Generation ist der politis­chen Wunder so ge­­­wöhnt, daß sie dieselben Faum mehr der Beachtung würdigt, wenn sie nicht ersten Ranges sind. Der Besuch einer britischen Fürstin an dem Grabe Napoleon’­ I. war noch ein Ereignis, das die Aufmerksamkeit auch der Blask­­eften auf einige Zeit zu fesseln vermochte, aber gerade wegen seiner drastischen Wirkung erfreuen sich die Du­­minorum gentium seitdem einer nur um so gründlicheren Vernachlässigung. Trogdem bringt ung fast jede Mode gewichtige Botschaften oder fördert grelle Kontraste zu Tage, wie unsere Väter sie für unmöglich gehalten hätten. König Rittor Emanuel reist nach Paris, um Sardinien’s Zukunft vol fändig an die Geschide vers Mannes zu knüpfen, dessen Oheim die Dy­­nastie Savoyen in Verbannung und Elend getrieben, um in persönlicher­­ Zusammenkunft mit einem Napoleon das gemeinsame Bündniß gegen ein Reich zu besiegeln, das während der Kriege des ersten Kaiserthums die Haupt- und beinahe die einzige Stüße des gestürgten Herrscherhaus­­es bildete — allerdings nur um aus dem Streite über die Einverleis­­ung Sardinien’s eine Waffe gegen Stanfreich und die Revolution zu schmieden! Und zu derselben Zeit, wo solche Entschlüsse am Po und an der Seine zur Reife kommen, wird an der Spree die Hoffnung ausges­­proc­hen: „Preußen werde auch ferner eine Friedensstätte bleiben‘, wird tort der Wille verfünnet „seine Verbindlichkeiten einzu­­gehen“ in dem Kampfe, weffen Zudungen man schon in ganz Europa spürt! Mit einer solchen Thronrede werden heute Die Kammern des­ selben Preußens eröffnet, weffen unmittelbare I­nteresse an der orientalischen Frage Friedrich der Große durch den denkwürdigen Ausspruch charakterisirte: „sind die Auffen erst in Konstantinopel, so stehen sie zwei Jahre später auch in Königsberg !" Wahrlich, der Gegentag ist schroff genug, und er würde nicht verz fehlen allgemeines Staunen zu erregen — wäre nicht alle Welt auf den Ausgang des noch ergreifenderen Dramas gespannt, das zu Btedholm in der Entwicklung begriffen ist. Man har­t des folgen­­reicheren Munders, Schweden die Binde, Die Bernadotte ihm umlegte, abwerfen und die Waffen wider, den Nachbarn ergreifen zu sehen, wer eg durch Die Anwerk­ung Norwegens mehr noch zur Abhängigkeit von der Petersburger Politik verdammte, als für das entrisfene Finnland entschädigte. Doch über den wirklichen Erfolg von Canrobert’s Mission muß es bald Licht werten, und bis dahin für die Erwar­­tung einer großartigeren Zukunft und nicht hindern, den weniger blens denten Thatsachen der Gegenwart gerecht zu werden. Die öffent­­liche Meinung in allen Ländern, in den großen wie in den Fleinen, ist es, an die Napoleon 11, bei dem Schluffe ver Ausstellung appellirt hat, eine Parallele zwischen der jesigen Haltung Sarviniens und verjeni­­gen­­ Preußend — wie beide sich eben in viesem Momente so recht aus genscheinlich dokumentiren — bietet, glauben wir, eine glänzende Illus­­tration zu dem Gedanken, wer dem kaiserlichen Nenner bei jenen Wor­­ten etwa vorschweben mochte. Die Verschiedenheit in der orientalischen Politik beider Neiche ist um so frappanter, wenn man die vielfachen Aehnlichkeiten beweift, die sich fur die Geschichte ihrer Entstehung hinziehen. Die europäische Anerkennung der preußischen wie der sardinischen Königs­würde beruht auf demselben Utrechter Vertrage vom Jahre 1713, und wenn ein fitr­voyischer Herzog einst Norditalien für eine Artischode erklärte, aus der er Blatt für Blatt, Graffchaft nach Graffchaft zu einem Diademe um die Eth­ne seiner Nachkommen zusammenfügen wolle — so liegt der Vergleich mit der Art, wie die Hohenzollern für das Schwert und durch Verträge eine norddeutsche Großmacht schufen, nahe genug. Da, bis auf den heutigen Tag bildet das piemontesische Militärsystem tag­getreue Abbild des preußischen. Es beruht auf der allgemeinen, unbedingten Wehrpflicht jedes Einzelnen für das ganze kräftige Mannesalter, die aber eben deshalb nur eine kurze aktive Dienst­zeit zuläßt: es basert auf dem Gedanken, durch­ Die Kampfbereitschaft DES gesammten Volkes zu erregen, was dem Staate an materiellen Mitteln zur Behauptung seines moralischen, territorialbestand und Bevölkerungszahl Übersteigenden Ranges abgehen mag. Wie viel besser als Preußen aber hat Sardinien es verstan­­den, sich bei der gegenwärtigen Krifig der Höhe jener moralischen Siel­­lung gewachsen zu zeigen, die Glück und eigenes Verdienst ihm ange­­wirfen! „Eine zwisfache Politit — sagte Graf Cavour, als er von Züriner Kammern den Allianzvertrag vorlegte — bot sich uns bar: die Neutralität, d. h. die ISfüh­rung, oder das Bündnis mit den Westmächten. Allein die Geschichte sehrt und, dag die Neutralität selten glücklich ist und daß ihre noch am wenigsten bittere Frucht darin bricht, dem Berragt und Hohn beider Parteien Nahrung zu geben. Stets Dagegen brachten Allianzen Piemont Bortheil, dem der erhabene Muth seiner Fürsten immertar eine entschlossene Politik vorzeichnete. Des­halb auch gelten wir mehr in Europa, als ein Blid auf unser besehränf­­tem Gebiet ahnen läßt!” Und diesen hochherzigen Worten gemäß han­delt Pirmont nunmehr bereits seit vier Vierteljahren, während Preußen noch fort und fort in der Neutralität nicht die Siolk­ung,, sondern von Stein der Welsen gefunden zu haben glaubt. Uns teucht, Viktor Emanuel habe es nicht zu befragen, daß seine Truppen Cavour’s und seiner eigenen Vorfahren Prinzipien an der Traf­­terbrüde mit ihrem Blute besiegelt! Eine kriegsgeübte Armee; ein enthuz fiastischer Empfang zu Paris; Beilegung des Streites mit Toskana der Napoleon’s Intervention, ein achtungsvolles Entgegenkommen des französischen Klerus und selbst des päpstlichen Nuntius, das vielleicht auf baldige Applank­ung des Bruches mit Rom hindeutet: das sind schon gegenwärtig Die erfreulichen Früchte des Fahnen, aber Iohnenden Entfehlunses, das Banner Savoyen’d neben Stanfreich’s Adlern weben zu lassen! Dollten preußische Kammern ihrer Regierung nicht au begreiflich machen können, daß das mindestend glänzendere Trophäen sind als die Missionen Mfenom-Wedell, oder all jene offiziösen Bermittz­lungsprotekte, die von der ‚Preuß. Korr eben so oft dementirt werden müssen, als sie gescheitert sind? Preußen’s Deputirten gilt Napo­­leon’s Mahnruf: „soll der Krieg kurz sein, so muß die öffentliche Mei­­nung in Europa sich für oder wider erklären!’ und für den Staat, der, gleich Sardinien, nicht durch traditionelle Macht, sondern nur durch „eine entschlossene Politik ferner Fürsten“ geworden ist, was er­beute ist: für ihn fönnen Job wahrlich auch die vielgerühmten „ Err­sparnisse“, da wo es sich um des Vaterlandes politische Zukunft handelt, eben­so wenig in Betracht kommen, wie für den sparsamen großen Kurz­fürsten, den haushälterischen alten Sii, oder selbst den Fnauferigen Friedrich Wilhelm I., so oft die Gelegenheit günstig war, einen neuen Efstein zum Aufbau der norddeutschen Großmacht herbeizutragen. „Per ardua ad astra!" — Das muß sie Lösung sein für Preußen wie für Sardinien: beide würfen vor „Dinoderniffen“ nicht zurück­­schreien, ohne was ihr „Stern“ sofort erbleicht. E. €. London, 27. November. Die englischen Journale bringen Berichte aus der Krimm, die bis zum 15. November reichen. Die Hauptneuigkeit im englischen Lager, schreibt wer Korrespondent ver n € ímeg", war die Abreise General Simpson’s und die am 12. erst folgte Uebernahme des Kommando’d von Seiten Sir William Codrings­tons. Man kann wohl behaupten, daß Die Abwanfung des Ersteren von seiner Seele im Lager bedauert wird, denn es fehlten ihm alle Eigen­­schaften zum selbst­ständigen Führer einer großen Armee; dafür darf er getrost sagen, daß er sich seine Neider und Feinde gemacht hat, denn seine Neulichkeit und Anspruchslosigkeit war von Allen anerkannt und ges würdigt worden. Er war, wie Kord Raglan, ein Opfer der Kanzlei­routine; seine beste Zeit war von Schreibereien in Anspruch genommen, und der Fehler mag vielleicht an der veralteten Dienstordnung mehr als an ihm selbst gelegen haben. Mit der ErnennungSis«William Codrin­gton’s ist die ganze Armee auf’s Herzlichste einverstanden.Er hat sich als einen tü­chtigen Divisionsgeneral bewährt,der für seine Leute zu sorgen verstan­d,der durch seine Kaltblütigkeit und Tapferkeit dem Feinde gegenüber sich die Bewunderung Aller errang.Er hat den Ruf eines zugänglichen Man­­nes und die Offiziere nennen ihn einen der tüchtigsten Soldaten des Heeres.Sein­ erster Tagesbefehl lautet: Hauptquartier Sebastopol, 12. November, 94 Habe, den Befehlen 3. M. gehorchend, das Kommando des Heeres übernommen. Ich hhat es mit Stolz und voll Zutrauen in die Unterstüßung, Die jedem mit einer solchen Stelle betrauten Offizier, wie ich weiß, von ganzem Herzen zu Theil werden wird, Die Heere Stanfreichs und Bardinieng stehen auf diesem Boden an unserer Seite, Wohl rennen wir ihre Tapferkeit, denn mir waren Augenzeugen derselben ; wir fennen Ihre Freundschaft, Denn sie ist uns zu Stat»­ten gekommen; wir haben Mühseligkeiten, Osfahren und Erfolge mit einander getheilt — das "gibt eine Grundlage für gegenseitige Achtung, und mir werden es als eine Freude und als eine Pflicht ansehen,, diesen freundschaftlichen Ber­­eht aufrecht zu erhalten, wie er sich für Die innige Allianz der Länder ziemt. Unsere Armee wird im Zelte jederzeit ihren großen Ruf wahren. Mäßigkeit, gu­­tes Betragen und Mannszucht, die zu bewahren unsere Pflicht ist, sind die besten Bürgschaften für weitere Erfolge, und ich vertraue auf die Bemühungen und den Beistand eines Jeden in allen Rangstufen, damit die Armee ein Werkzeug der Ehre, der Macht und des Ansehens von England bleibe.‘ W. 3. Bodrington. General Simpson hatte den Abend vorher in folgendem Tags» befehle von den Truppen Abschied genommen: „General Sir James Simpson kündigt der Armee an, daß die Königin ihm Huldreichst gestattet hat, das Kommando dieser Armee niederzulegen, und geruht hat, General Sir W. Codrington zu seinem Nachfolger zu ernennen. Indem der General somit das Kommando niederlegt, wünscht er den Trup­­pen seine volle Anerkennung der bewunderungswerthen Haltung der Offiziere und Mannschaften während der ganzen Zeit, die er mit ihnen zu dienen die Ehre hatte, auszudrüsen. Er dankt, Abschied nehmend, allen Chargen und widmet ihnen seine aufrichtigsten Wünsche für ihre Ehre und ihre Erfolge in allen zu­ fünftigen Operationen dieser edlen Armee. General Sir W. Eodrington wird das Kommando des Heeres morgen, den 11. d., antreten. Auf Befehl 9 W. Barnard, Chef des Stabe. Die Hauptstraße von Balaflama nach dem Zentraldepot steht fertig da; sie sol solid genug gebaut sein, um Jahrhunderte aushalten zu können. Sonst gab’s im Lager wenig Neuss. Ein russischer Deser­­teur erzählte wieder, daß er von einem beabsichtigten Angriff auf die Stellungen der Alliirten reden gehört habe, und mag die Russen große mit Fellen überzogene Bote bauen, die sie selbe beim Uebergang über die Donau bewüßten. Diese Vorbereitungen können sich jedoch nicht auf die Trebernaja beziehen, die fest wenig Wasser hat, und die Wahrschrins Vichfeit eines feindlichen Angriffs tritt immer mehr in den Hintergrund. — Auch von Seiten Der Verbündeten wird nichts mehr geschehen, na­he dem die Expedition gegen Kaffa und Arabat aufgege­­ben worden ist. Aus Dublin wird telegraphisch mitgetheilt: Gestern sollte der Prozeß gegen den neusrvings vielgenannten Bibelverbrenner und Nedemptoristen — Pater Pecherine — beginnen. Auf Antrag seines Anwalts wurde die Errkand­ung bis Mittwoch vertagt. Der Angeklagte ist von fremdartigem Aeußeren, 45 Jahre alt und flein. Was das In­­terisfe de Progiffes erhöht, ist, daß er ein Nuffe is. Nach seinem Namen gefragt, antwortete er in herausfordernder Weise: „Mein Name it Mladimir Perherine, der Name des russischen Heiligen.” — Im­rer Stadt herrscht die größte Aufregung. Eine starre Abtheilung Polizei ist zur Stelle. Maffen von Gefingel lagerten um den Gerichtshof und verschiedene Verhaftungen fanden statt. Alle Vorkehrungen zur Aufrecht­­haltung der öffentlichen Ruhe sind getroffen. Daß der Herzog von Cambridge an Biscount Hardinge's Stelle Chefkommandant der britischen Armee werden solle, so wie, daß Sreverif Peel als Unterstaatssekretär im Kriegsdepartement seine De­mission eingereicht habe, waren leere Erfindungen. —..n..— Szegedin, 27. November. Was mir seit Langem befürchtet, von dem wir nicht in einer, sondern fast im jeder unserer Korresondenzen gez warnt, it eingetroffen. Die Theißregulirungsarbeiten sind wegen Mangel an Geld eingestellt worden, und diese so un­umgänglich nöthige Arbeit muß insolange fiftirt bleiben, bis es den dabei ber­­heiligten Grundbesigern belieben wird, die auf sie entfallende Rate freiwillig einzuzahlen, oder bis es dem Zentralfomu­s gelingt, im langwierigen Wege einer gerichtlichen Erolution die Betreffenden zum Zahlen zu zwingen. In der That eine traurige Alternative, entweder ist ein ganzer Landstrich der Nebelsehnents mung und allen damit verbundenen Iammern in Folge der Indolenz oder des üblen Willens Einzelner ausgefegt, oder aber müssen die sonst in jeder Bezie­­hung intellektuellen Grundbesißer dieses Landstrichs zu ihrem eigenen und dem allgemeinen Besten Durch den Arm des Gerichtes gezwungen werden. Es wäre eine wahre Wohlthat, mollte der Staat das vielseitig besprochene Projekt der Uebernahme der ganzen Theißregelung in Ausführung bringen, die Grundbe­­fiher würden jedenfalls, Doc, wohlverdient, den Kürzeren ziehen. Am Bődrog- Gyulaer Durchstiche läßt die Stadt Szegedin fleißig arbeiten, auch die Entrumpfung des schadhaften Maroschdurchftiches wird energisch fortge­­tet; am rechten Ufer läßt Mark­graf Pallavicini ohne Unterlag dämmern, diese Arbeiten sollen nach Konstituirung der Gesellschaft des rechten Ufers in großar­­tigem Maßstabe fortgefeßt werden. . Der Markt, welcher gestern seinen Detailverlauf begonnen, ist ein mög­­licht schlechter, so­wohl für den Handelsmann als den Käufer; fortwährendes, hier und da­mit Schnee gemischtes Regenwetter hat die Wege grundlos ge­­macht, und auf dem Hauptplage selbst, wo der Markt abgehalten wird, muß man bis über die Knöchel im Kothe waten; sehr erwünscht wäre es für das zu Fuß gehende Publik­um, wenn die betreffende Aufsichtsbehörde die Herstellung jenes Holztrottoirg anordnen wollte, das, obwohl auf dem Hauptplabe, nicht durch die Gemeinde, sondern dur die Herren Herr und Fellmayer aus Privatmitteln gelegt wurde. Die genannten Herren wünschten nun, die Stadt möge Dieses Trottoir, welches bereits bedeutende Auslagen gefoftet, repariren lassen. Da dies aber nicht geschehen, ließen sie dasselbe als ihr Eigent­um wegräumen,­ und das Publikum ist gezwungen, entweder bis an die Knie Dies ist nicht um ein Härlein übertrie­­ben) in Roth und Wasser zu gehen, oder bedeutende Ummege zu machen. Mit besonderem Vergnügen erwähnen wir d es aus der lithographischen Abtheilung der bereits einen bedeutenden Aufschwung genommenen Drusterei des Herrn Sigmund Burger hervorgegangenen „Promiuars für Srachten, Eilgut und Fahrpreise, von und zwischen jeder Station der fündstlichen Linie, in Verbindung mit allen inländischen Hauptbahnen, mit Mailand, Paris und Lon­don, zum Gebrauche für Aemter, Kaufleute und Spediteure‘’. Außer dem Gemeinwußen und der Zweimäßigkeit der summarischen Zus­­ammenstellung ähnlicher Daten besonders für die kommerzielle Welt, was ein Verbienst des Herrn Salvadory ist, kann die Ausstattung sowohl als die Zeichnung und der Druc ausgezeichnet genannt werden, und gereicht sowohl Herrn Burger als feiner Lithographie zur Ehre. Die Prominare für die nörde­liche Staats- und Ferdinandenordbahn sind unter der Presse, Der Gastgeber zum „shhwarzen Adler” hat figy Maler von Pest kommen lassen, um seine Zimmer neu malen zu lassen ; nun sollen die hiesigen Maler beim Magistrat einen Protest gegen dieses Verfahren eingelegt haben, da sie es für die Pflicht eines jeden Szegediners halten, feine Zimmer durch sie malen zu lassen. Die Antwort wird ohne Zweifel eine ab­weifende sein, da man nach bie­sem Prinzipe auch feine Stiefel und Kleider , sowie Meubles und andere in der Hauptstadt billige und solid gearbeitete Handelsgegenstände blos hier laufen dürfte. Der Violloncellist, Herr Lafner, gab unlängst ein sehr schwach besuch­­tes Konzert, so das er mittels eines Zusammenschusses zur Weiterreife unter­­sügt werden mußte. — Pizmán’s ungarische Schauspielergesellschaft erfreut sich eines zahlreichen Besuches, — Wasserstand der Theig: 5’ 8” 9, RK. Bad Sklewo (Glashütten), 26. November. Ich berichte Ihnen heute über eine Leser, an welche die Mitglieder der hiesigen Konkordia-Gewerkschaft sich lange mit Freuden erinnern werden. Durch die energische Leitung des Herrn Die­vertor i ist nämlich der Poch­werfbau bereits so weit getriehen, daß die Außeniwerfe vollendet sind, und wir schon an die Legung des Pochtages, dieses wesentlichen Thei­­leg des Pochwerfs, gehen­ künnen. Dies bot nun den Anlaß zur gestrigen Speier. Nachdem Vormittags ein feierliches Hochamt in der Kirche zelebrirt worden war, versammelten sich Nachmittags um zwei J Uhr mehrere Gewerfen von hier sowohl, wie von Schemnig, sammt den Prinzipalen im hiesigen Gasthaus, und gingen, ber­gleitet von den Arbeitern und den Gemeindegliedern von Sfleng,, und von Re­­pistye, nach dem Bauplan. Unter dem Donner der Pöller verrichtete der Orts­­pfarrer das Gebet um Gedeihen des Werkes und reichen Bergmannsfegen, und schloß mit einer der Gelegenheit angemessenen Predigt. Nach dem Gottesdienste wurde der Grund hinabgelassen , der Herr Direktor stieg hinab, und sprach unter dreimaligem Klopfen auf den Grund ein Gladauf , zuerst für Se. Majestät, dann für Die vom Kaiser eingefegten Behörden und zuleit für den Herrn Prinzipal, die Gewerke und Arbeiter, welche das Werk befördern halfen, und fehloß damit, indem er allen Ber­­gen und Thälern Glad und Segen wünschte. Nach diesem Akt wurde ein eigens für diese Gelegenheit verfaßtes Lied gesungen, und unter vielen Segenswünfchen verließen wir den Bauplan, „.& Nöda, 26. November, Aufgemuntert durch Ihre in Ihren geschägten Blättern abgedrucke Aufforderung zu Korrespondenzen aus der Provinz, beeile ich mich, Ihnen von hier Nachrichten mitzutreilen. Leider sind sie trauriger Art, denn sie melden von der Unsicherheit der Person und des Eigenthums hier sowohl, als ín der Umgegend. — In der Nacht vom 16. zum 17. d. M. wurden einem Wiesel­­burger Früchtenhändler, der bereits seit zwei Monaten hier weilte, in seinem Sim­­­mer von vier verkleideten Räubern neun lebensgefährliche Wunden beigebracht. Das Bellen eines Hundes wehte wohl das Stubenmädchen, und diese einige Hausbewoh­­ner, aber ihre Hilfe kam zu spät­; die Raubmörder waren bereits mit ihrer Beute, einem Koffer, worin sich 3600 fl. EM,, Wäsche und Papiere befanden, und einer Uhr entflohen. Sogleich wurde ein Arzt gerufen, und die Anzeige bei der Gensdar­­merie gemacht, die bisher nichts weiter als den Koffer gefunden hat, worin sich nur noch die Wäsche befand. ‚. In der Nacht vom 22. auf den 23. wurden auf dem hiesigen Grenzgebiet 56 Stud Nindvieh, von fünf berittenen und mit Pistolen bewaffneten Männern gewalt­­samer Welfe fortgetrieben,­­ Wiener Plaudereien. Metter und Theater, — Die Welfen und Ghibellinen von 1855, — Frl. Seebach, Fr. Würzburg und Herr Laube, | Wetter und Theater! sie find­en , die guten Dienst fertigen Plaudergei­­ster, die sie noch nie vergebens an den geschmücten Tisch der Balons, oder an den einsamen Pult des Seuilletonisten hervorrufen ließen; wir aber zählen nicht zu jenen geistreichen N­euerern, Denen nichts Altehrwürdiges heilig ist, und die sich zu vornehm fühlen, um über Wetter und Theater zu sprechen. Das Wetter also, ja das Wetter ist wirklich abscheulich. Es hat für dies­­mal sein Sommerrepertoir geschlossen, und gibt es mit großer Entflossenheit und Energie seinen spätherbstlichen Vergnügungen hin. Nun Adieu , lachender Sonnenschein, farbenreicher Blätterschmuch, Adieu, fröhliche Landpartien, ge­müthliches Frühstücken im Paradeisgärtl, beschauliches Bummeln am Waffergla­­eig, Adien für lange, lange Zeit! — Die Winde, die, wie jeder Wiener weiß, ihr permanentes Hauptquartier auf dem Stephansplade aufgeschlagen haben, schütteln ihre luftgewebten Flügel, machen, als ob sie ihre Flugkraft üben wollten, einige kräftige Touren um den Stephensplag. Lasfen sich mittelst einiger herabge­­worfener Hüte von den Vorübergehenden begrüßen, versehen den offenen Senftern freu­ndschaftliche Nasenstüber, daß diese laut aufächzen, oder gar Eh­rend auf das Pflaster fürzen, und ziehen Dann unter gleichen Heinen Späten auf die Basteien. Hier jagen sie mit ihren Flügeln ganze Staubwolfen auf, übersehütten damit noch einige flüchtige Epaziergänger, und flürgen dann kopfüber in den Stadtgraben hinab, wo sie Die ehrwürdigen Greife, die Pappeln, dermaßen zu schütteln und mit jähen Sußtritten zu trastiren beginnen, daß diese entrüstet mit ihrem Haupte wadeln, und in lautem Chor gegen diese undelifate Behandlungsweise protesti­­ren. Entrüsft darüber jagen sie nun pfeifend auf­ dem Glacis herum, Wo sie vorüberziehen, erblaffen die Gräser, laufen die Blätter, in wilder Haft sich über­­stürzend, davon. Er gelangen sie an die Glacishäuser und streichen nun an die­­sen, spienirend und laufend, herum. Auf­ da haben sie am Senfter einen blühenden Blumenstoff entwedt; alsbald streifen sie ihre Flügel nach ihm aus, und siehe da, sehen siegen sie an, die armen Kinder Slora’s, todt auf dem Pflaster. Dort an der Ehe trost ihnen ein Kafetier; er hat die grünen Bänfe noch nicht in ihre Winterschlafstube gelegt, und ein fühner Gast liest sogar beim dampfenden Moffa im Freien seine Zeitung. Noch wenige Minuten, und um geworfene Tische, zerbrochene Taffen bestrafen des Kaffeefiebers jeden Widerstand. Haben endlich diese stürmlichen Vergnügungen ein Ende erreicht, da fängt das Wetter an, sich einer trübseligen Sentimentalität hinzugeben, Die noch­ viel fataler if. Die Sonne, welche nur strahlende Heiterkeit vertragen kann, versteht sich vor Dieser empfindsamen Laune so gefickt, daß sie gänzlich in Verlust gera­­then zu sein scheint, worauf si denn auch, die Thränendrüsen des Himmels öffnen und einen nie geahnten Inhaltsreichthum zeigen. Es ist nicht jener tüchtige, plögliche Schränenstrom des Sommers, welcher Die Luft erfrischt und aufheitert, sondern es ist ein einförmiges Sort- und Sortwimmern. Das nicht aufhört, bis es Alles recht gründlich melancholisch und uncomfortable gemacht hat. Dies sind die abwechselnden zwei Vorstellungen, mit denen und das Wetter seit einiger Zeit beglüht, und daß unter solchen Umständen die Langemweile unum [kränfte Königin ist, können Sie si um so mehr denken, da Die Saison es noch nicht erlaubt, daß man den Winter als Souverän anerkennt und ihm mit Kon­zerten, Bällen, Thees danfants se, seine Huldigung darbietet. In der That hat sich sie Langeweile recht breit und gemächlich über die gute Stadt Wien hingela­­gert, gähnend und mürrisch eilen ihre Bewohner die­­ haubigen Straßen entlang, nur hie und da erblich man eine elastische, angeregte Gestalt, die Monologe hält, fie mit lebhaften Schwenkungen des Stodes, zur großen Gefahr der ahnungslos Vorübergehenden, begleitet, und endlich imaginäre Zahlen in die Luft zu schrei­­ben beginnt. Es sind dies Komptoirjünglinge, Kapitalisten, Bankiers. Die Ersteren haben sich um reichdotirte Anstellungen bei der neuen Kreditgesellschaft beworben, die Lekteren rechnen nach, wie viele Ak­ien sie zeichnen sollen, und mühe jen im Geiste sehen in den reichen Dividenden der Zukunft herum. — — Gehen wir nun zum Theater über, so tritt uns vor Allem ein Ereigniß entgegen, das in den Reihen der Welfen und Ghibellinen, deren Wahlspruch Fräulein Würzburg oder Fräulein Seebad ist, keine geringe Aufregung hervorbringt. Die Einen, melde in Fräulein Seebad die geweihte Priesterin der Kunst verehren, trauern, weil sie Durchaus auf ihrer Entlassung vom Burg­­theater beharrt. Sie fürchtet einerseits, daß das Schweigen der Zeitungen dem Adlerfluge ihres jungen Ruhmes hinderlich sein könnte , während sie andererseits ihre ganze Urlaubszeit dem Einsammeln von Geld und Lorberen widmen will, die Intendantur aber ohne Ausnahme darauf besteht, daß sich Die Herren Künst­­ler oder Damen Künstlerinen während der lebten vierzehn Tage ihrer Erholungs­zeit wirklich erholen. Die Andern, welche sich vorzugsweise aus den Reihen der jungen Män­nerwelt rezentiren , und deren Herzen durch Die mehr objektiven Reize Fräulein Würzburgs unterjocht wurden, haben mit eifersüchtigem Schrecen vernommen, daß sie ihren küniglichen Nasen in das Zoch der Ehe legen will. Der Glückliche, dem es schon auf der Bühne so oft genannt war, zu ihren Füßen zu sehlachten. Sabillon, so sagt man, ist der zukünftige Eigenthümer ihrer Hand und ihres Herzens. Beide feindlichen Parteien aber haben es mit gleichem Bedauern ge­hört, Daß auch Herr Raube seine Entlassung genommen hat, unter dessen intelli­­genter Leitung Doch die Höheren Interessen der Sunft, wie jene des größern Pus blikums auf gleiche Weise gepflegt wurden. Auch er sol zu Diesem Schritte vere­inlaßt worden sein,­­weil er aus dem Turniere, in dem er für seine Kollegen in der Teder Die Lanzen eingelegt hatte, nicht siegreich hervorging. EEE TITTEN NIE

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