Pester Lloyd - Abendblatt, Dezember 1856 (Jahrgang 3, nr. 277-300)

1856-12-03 / nr. 279

Die einzelne Nummer Foftet dir EM, Abendblatt des Pester 1 Redaktiong: Bureau, Do­­rotheagaffe 9 Ne, 12 im ersten Stod. Klittwoch , 3. Dezember, 1o, 279. Den, 1856. R. Wien, 2. Dezember. Sie werden sich erinnern, daß der „Pester Lloyd“ unter allen europäischen Blättern zwei­fl, und zur aus meiner Be­der, die Eristenz einer russischen Zirkularnote meldete, in­­ welcher der Bors­flag gemacht wird, den Pariser Kongreß wieder zu berufen, um die Lösung der Belgradfrage von der Entscheidung derselben abhängig zu machen. In neuester Zeit wurde nun von mehreren Seiten vie: Eristenz dieser Note in Ab­­rede gestellt, und behauptet, daß dem Baron Budberg nur die Instruktion zu­­gegangen sei, auf mündlichem Wege für die Wiederberufung des Kongresses zu wirfen. Diese Angabe ist aber sollfommien falig, die rufisce . Zirkularnote eriffirt und ist in Wien, Berlin, Paris und London an einem und demselben Zuge zur Kenntniß der betreffenden Regierungen gelangt. Die Antwort des diesseitigen Kabinets ist in diesem Augenblickk noch nicht nach Petersburg abgegangen, wird aber jedenfalls im Laufe dieser Wocde dahin erleich­t werden. Graf Bun! hat sich diesfalls mit Sir 9. Seymour ins­ Einvernehmen gefeßt, welcher Lehrere Die Antwort seines Kabinetes bereits in Händen hat. Wenn ich vet unterritet bin, — und ich glaube es zu sein — so wird der Inhalt dieser Antwort ungefähr folgender sein: „Oe­­sterreich sieht so gut wie England die Nothiwendigkeit der Wiederberufung des Kongresses vollkommen ein, da beide Mächte überzeugt sind, daß nur auf die­­sen Wege eine gründliche Lösung der vielen Differenzen zu erwarten sei, welche gegenwärtig das gute Einvernehmen zwischen den Orosmäcten in Frage stellen ; sie haben mit einem Worte gegen die Wiederberufung des Kongresses pr­in­­zipiell nichts einzuwenden , worauf sie jedoch beharren müssen, das ist, Daß Rußland vorher allen jenen Verpflichtungen Genüge leistet, melde es im Pariser Vertrage, übernommen hat. . Daß febter er eine Wahrheit werte, das ist Die conditio sine qua non, an­melde England wie Oesterreich ihre Einwilligung zur Wiederberufung des Kongresses knüpfen. " Sie dürfen überzeugt sein, daß man hiervon nicht abgehen wird, obwohl es gewiß, ist, daß, Rußland sowont hier wie auch in London alle Hebel in Be­wegung feht, damit diese Anschauung in einer seinen Intentionen mehr ent­­sprechenden Weise modifiziert werde. Daß Defterreich seinen Ansichten treu bleiben wird, kann im Hinwiif auf die bisher beobachtete konsequente Politik nir in Zweifel gezogen werden, und, was England­ betrifft, so Liegen, bereits bestimmte Anzeichen vor, daß Biscevant Dalmerston c­er vom­ Schauplatte seines Wirkens abtreten wird, als daß er in ein Kompromiß ein­willigen sollte, welches Niemandem alle nur Rußland zu Gute kommen würde. Der­ türkische Krönungsbotschaftr Mehemed Pasda if vorge fern aus Moskau hier eingetroffen. In seiner Begleitung befinden si­cie Gem­eräle und Obersten Ali Pafıya, Deman Bey, Teofif Bey, Mehemed Ef­fendi und Chevequil Bey, ferners der Staatsrath D­esem Bey, und der Ge Sandtschaftssek­etäir Sami Bey. Der Gesandte wurde gestern durch den Für­­sten Kallimahd dem Grafen Buol vorgestellt, welcher längere­ Zeit mit ihm Ton­­fertite, hierauf besuchte er den Lie Seymour, Breiheren von Bourqueney und Baron Budberg. Bon Seite Sr. f. 9, des Erzherzogs Franz Carl wurde er in besonderer Audienz empfangen. In den hiesigen diplomatischen Kreisen glaubt man, daß die türfiie Ministerfrisis erst nach der Ankunft des Mehened Par ha in Stonstantinopel als beendet angesehen werden kann, da aller Wahr­­scheinlichkeit nach dieser Diplomat das Portefeuille der auswärtigen Angelegen­­heiten erhalten wird, weldet Eihem Pascha nur interimistisch verwaltet. In Der That dürfte Mehemed Pascha unter den gegenwärtigen­­ Verhältnissen der einzige Mann sein, welcher in Verbindung mit Nejdid Paska im Stande ist. Das türkische Staatsschiff glücklich Durch die Klippen zu Teufen, melde gegen­­wärtig seine Sicherheit bedrohen. Der englische Gesandte, Sir 9. Seymour, hat die Abreise an das Allerhönfle Hoflager verschoben. Da seine Anwesenheit in Wien unter den ge­genwärtigen Umständen dringend nothwendig is, Lady Seymour wird hi­­er Doch in einigen Tagen nach Venedig begeben. Die Antwort auf die lebten nach Kopenhagen abgegangenen Noten der deutschen Großmächte ist bis jeit noch nicht in Wien eingetroffen, die aus diesem Anlasse von verfriedenen Seiten gemachten Angaben sind demnach als Serfrücht zu beraten. Im Allgemeinen hat man übrigens eben seine beson­­deren Hoffnungen, daß Dadurch die Situation wesentlich verändert werden wird, und zweifelt an der Nachgiebigkeit des dänischen Kabinets. Daß Granth­eid den Antrag, die Vermittlung zu übernehmen, abgelehnt hat, ist Ihnen bekannt, in neuester­ Zeit zeigt sich auch Rußland zurückhaltender. Ein förmlicher Protest Der septeren Macht hat übrigens niemals erkftirt, und glaube ich, daß ein sol­­cher auch in Berlin nicht übergeben worden ist. Die in der holstein-Tauenbur­­gischen Angelegenheit von Rußland unternommenen Schritte haben si bis jebt zur auf männliche Eröffnungen der betreffenden Gesandten bespränft. Ueber die Anwesenheit I, 3. Majestäten in Italien gehen mir von authentischer Seite folgende Mittheilungen zu: ‚Im Benedig war der Empfang ein wahrhaft enthusiarti­ger. Alles schwärmt für die Kaffe­­rin, deren Liebenswürdigkeit und Einfachheit Jedermann entzüg­. Noch weit prachtvoller dürfte jedoch der Empfang in Mailand sein, wo hierzu die großartigsten Vorbereitungen getroffen sind. Seit Wochen ist in leiterer Zeit keine größere Wohnung mehr zu haben und müssen viele Bestellungen unerfüll bleiben. Die Preise, welche man für eine Wohnung von 3—4 Zimmern zahlt, sind mitunter fabelhaft. Der Andrang zu den Audienzen ist ein ungeheurer, Lebermann, der nur immer irgend­einen Anspruch auf Hoffähigkeit machen zu dürfen glaubt, benügt die Gelegenheit, um von dem Alerh. Saiferpaare empfangen zu werden. Die in der Statthalterei in Mailand zu diesem Zweckk aufliegenden Bögen können die Namen derjenigen nicht mehr faffen, melde ich zu den Audienzen formierten Tiefen, und mußten bereits geschlossen werden. Unter den Borge­­rwerften befinden sich an viele piemontesische Unterthanen. X Heft, 3. Dezember. Die Trage des zweiten Kongresses behauptet sie fortwährend im Borbergrunde, bo­ sind weder die Borbedingungen desselben no der Ort, wo er stattfinden soll, bis jeßt entschieden. Es wird angedeutet, Rußland wolle Belgrad gegen eine Entschädigung herausgeben, ge­­gen welche ? Andererseits nimmt der Gegenfall zwischen den Westmächten mit jedem Tag zu. Die englische Flotte vor Konstantinopel erhält neue­­ Verstär­­kungen, und wenn den gewöhnlich gut unterrichteten Konstantinopler Korrespon­­denzen des „Papst zu glauben, so hat Thouvenel in einer sehr katego­­rischen Note es ausgesprochen, „daß, wenn die Pforte nicht die Räumung der Donaufürstenthümer und die Entfernung des englischen Geschmachers aus dem Schwarzen Meere forderte, eine französische Flotte vor Konstantinopel erleinen würde und die Rufen Kara beleben künnten.” Der Korrespon­­dent weiß überdies aus guter Quelle, daß sehr bedeutende Truppenbewegungen nag Ddeffa sattfinden, um die Oesterreicher in den Donaufürstenthümern überwachen zu können.­­— In einem Petersburger Briefe der«K.Z.«lesen wir:.Kaiser Alexander II.hat nicht die Feindschaft,wohl aber eine entschiedene Abneigung gegen die englische Politik geerbt.Nirgend kann wohl ein Gesandter mit solchem Mißhrauery solcher Kälte und Gezwungenheit behandelt werden,als der gegenwärtige britische Geschäftslager am hiesigen­ Hofe.Er gehört in Wahrheit ein stoischer und kaufmännischer Muth dazu,auf einem Platze zu beharren,aufgassc­em er sich so sehr isolirt findet und höchstens dem Gesandten Oesterreichs begegnet.Unddock­ liegt in dem Benehmen des englischen Ges­sandten-sei es durch dritte oder vierte Personen,eine Zudringlichkeit,die sprichwörtlich geworden ist.«« Ueber die Neuenburger Frage liegen uns heute folgende Mits­theilungen,,preußischer«-Blätter vor: «­­Wie es heißt,soll Dufour vom Kaiser Napoleon die Zusicherung erhalten haben,daß Preußen um eine Modifikation seiner­ Forderung an bedingungslose Srellaffung der Gefangenen angegangen werden solle. Die Spee, daß preußische Trup­­pen Schaffhaufen, wenn den Forderungen Preußens nicht entsprochen wu­rde, in Befug nehmen sollten, findet in vielen Kreisen Glauben. Uebrigens rathen selbst­­ tbe­­sale Blätter zum Einlenzen. Auch im Bundesrath scheint man den bisher eingek­omme­­nen Standpunkt nicht um jeden Preis behaupten zu wollen. Im Oktober nämlich er­­klärte der Bundesrath, nur wenn gleichzeitig die volle Unabhängigkeit Neuen­­burgs als gesichert betrachtet werden künne, merke er sich entfehltegen, die Stellafung der Gefangenen zu empfehlen. Ebenso erklärte er, Eröffnungen über die Neuenburger Brage nur anzunehmen, insofern sie die Anerkennung der volständigen Unabhängigkeit Neuenburgs zur Grundlage haben. Iin der neuesten Erklärung gegen Preußen und den deutschen Bundestag ist von dieser vorgängigen Anerkennung der Unabhängigkeit Neuen­­burgs nicht mehr die Rede; der Bundesrath erklärt sich bereit zu Unterhandlungen über­­haupt und spricht nur gegen bedingungslose Freilastung. Eine andere Korrespondenz sagt: Die augenleh­nliche Lage dieser Angelegenheit ist ziemlich Har. Die Verhandlun­­gen mit der Schweiz sind, was die Vorfrage, die der Amnestirung, betrifft, geschlossen. Preußen hat, von seinen deutigen Bundesgenossen unterfragt, die Forderung gestellt, welche die Schweiz abgelehnt hat. Preußen erwartet die Wirkung eines weiteren Ber­­fuches der nicht deutschen Mächte, die Schweiz zu einem anderen Entschlusse zu vermögen. Entspricht der Erfolg der Erwartung nicht, so­ wird Preußen unter Zulassung der Mächte Europa’s das Net, das man ihm verweigert, erzwingen. In der Schweiz scheint man eine Ahnung davon zu haben, wnohin sie das Augenmerk der deutschen Macht für diese Eventualität richtet. Ich renfe beispielsweise Ihre Aufmerkffam fett auf den Über­raschend Inpalen Ton, welchen die Preise von Ba­sel einzuhalten bestrebt is. Zu den von Preußen angeregten Konferenzen ad hoc haben bereits Frankreich, Oesterreich und Rußland ihre beistimmende Erklärung notifiziren Taffen. Die legten Nachrichten aus dem Kaufafus lauten für Rußland wenig günstig. Sefer Vajda sol ganz Abchasien bis zur pontischen Süfte unter seine Herrschaft gebracht und sich mit seinem alten Rivalen Sch­angi, der immer noch das Sunere des Kaufafus befigt, ausgeführt haben. Go scheint denn eine Allianz sämmtlicher Gebirgsstämme zwischen dem sehrwargen Meere und dem Taspischen See bevorzustehen, die sodann unfehlbar den Kampf gegen Rußland mit mehr Energie aufnehmen würden, als seit 30 Jahren der Fall war. Mittelst der Waffen- und Munitionsgegenstände, melde die Westmächte ihm zusammen Tiefen, hat Sefer, wie es heißt, 9000 Mann asiatischer Rei­­terei und eben­so viele, mit guten Musketen versehene Infanteristen ausgerüstet ; außerdem hat er einen Park von 18 trefflich bespannten Feldgefhligen zu seiner Verfügung. Die Streitkräfte, mit denen Schamyl bisher so glückfich oyerirte, bestehen dagegen aus irregulären, auf's bunttwhertigste bewaffneten Banden, deren Stärke in dem piöglichen nächtlichen Ueberfalle liegt. Offiziere­, die im Kau- Talus gedient, veranschlagen das Heer, Das beide Führer zusammen aufbringen können, auf 35.000 Mann und glauben, daß die größten Anstrengungen und Menschenopfer erforderlich sein werden, um sie aus ihren fast unzugänglichen Positionen zu vertreiben — eine Operation, an die während des Winters über­­haupt gar nicht gedacht, sondern die erst mit dem Srüßlinge in Angriff genom­men werden kann. Zwischen Rom und dem französischen Kalinet, schreibt makt der,,A.A.Z.--aus Paris-erheben sich Schwierigkeiten-welche mehr religiöser als politischer Natur zu sein scheinen.Abgesehen von politi­­schen Parteitendenzen, die einen Theil des französischen­­ Klerus in einer ges­tissen Opposition erhalten, haben Die Medertreibungen der Partei des „Univers“ den antiekirchlichen Geist wieder lebhaft angeregt, und eine ganz andere Stim­­mung hervorgerufen als die Kirche und der Staat wünschen mußten. Bon Hin. Rouland wurde schon bei seiner Ernennung­ zum Unterrichts und Kul­­tusminister gesagt, er werde ultrareaktionären Bestrebungen im Bereiche der Kirche und Schule mit größerer Seftigkeit als fein, vielfach gebundener und verpflichteter Vorgänger entgegentreten. Dieses Gerücht, das bisher durch That­­sachen nur wenig gerechtfertigt wurde, erhält sich fortwährend. Aus Rom wird gemeldet, daß der Abbé Bonaparte es abgelehnt hat Die Priesterweihe zu empfangen. Er antwortete, er se dazu noch nicht vorbereitet, und wolle daher diesen feierlichen Schritt bis über ein Jahr verschieben. Berner meldet man, daß die nationale Bewegung auch unter dem römischen Adel um fi greife. Er erregt Aufsehen, daß die Fürsten Piatelli und Doria der Hundert-Kanonen­­subsiription ihre Namen öffentlich anreißten. Aus Paris wird unter dem 29. November berichtet : Es­­ bestätigt sich, Daß Versuche stattfinden, im SHinblide auf die nächsten allge-

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