Pester Lloyd - Abendblatt, September 1860 (Jahrgang 7, nr. 201-224)
1860-09-11 / nr. 208
ibendblatt as Pester Lloyd. Bet, 1860. Dienstag, 11. Septemb. Kr. 208. (Die einzelne Nummer Eoftet 3 Er. 8, W.) Politische Mundihan, 11. September, In Gaeta, dessen Befeiligungen nah. der Seeseite hin betramptlich vermehrt worden sind , sollen 5000 Mann fremder Truppen liegen. Garibaldi is shon am 6., und zwar allein, in Neapel eingezogen. Er desavouirte Das Komité , welches in unberufener Weise fonstituirt hatte; der Präfekt wird die Mitglieder desselben bestrafen. Romano wurde als Minister des Innern bestätigt; Corenz erhielt das Kriegs-, Pianelli das Justizministerium. Auch in Mefftina unterhandelt man seit dem 31. wegen Uebergabe der Festung. Sonst tragen wir aus den neapolitanischen Berichten noch nach : Die " Nazione" erstattet ausführlichen Bericht über den legten Kriegsrath im küniglichen Schloffe zu Neapel. Zuerst nahm Pianellt das Wort, um die Zusammenziehung aller bispontbeln Truppen zu befürworten,, die dann Garibaldi entgegen geworfen werden sollten. Der Kriegsrath stimmte ihm bereits bei, als ein anderer General auftrat und vorschlug,, die Provinzen aufzugeben und es auf eine lange Bertbetbigung der Hauptstadt selbst anzulegen, da Garibaldi’d Stärke in raschen entscheidenden Schlägen bestehe, während er ohnmächtig unwerbe, sobald zähe Auspauer entscheide. Der Mann, welcher diesen Rath ertheilte, und namentlich Nabegky als Mutter anführte, „welcher im Sahre 1848 nur durch seine Ansauer das Italienische Ungestüm brach" , war ‚Niemand anders, als der bekannte Vertheibiger Venedigs, Ulloa, den Garibaldi’s Ruhm nicht schlafen läßt, derselbe Ulloa, der im vorigen Sabre sich als seinem früheren Ruhme bei Weitem nit mehr gewachsen zeigte. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß auch Bosco, der einzige energije General des Königs, unter Ferdinand II. lange Jahre nicht avanciren konnte, weil er des Liberalismus verdächtig war, während Nunziante, der jegt zu Ritter Emanuel Überging, das Leblingswerkzeug der Dynastie war. Medrigens hat laut der Pariser „Prefse” Bosco am 31. Augus bereits dem Köstige erklärt, daß die Vertheidigung Salerno’s nit mehr thunlich sei, da bereits das ganze Land gegen den König stehe und nur ein einziger Gürtel an der Kite schieiden Salerno und Gaeta noch nicht in offener Feindfeligkeit gegen die königlichen Truppen mwirfe. Indeß feht der Berichterslotter der „Pigffe“ hinzu, daß Die Aussagen über Die Provinzen noch etwas Nebelhaftes hätten : seit Hehe nur, „daß in ganz Kalabrien, im größten Theile der Basilicata , in einem Theile der, Sapitanata und in Benevent der Aufstand volständig geflegt habe.“ Je länger die Krisis dauert, desto mehr befehren sich die Neapolitaner zur Annertion; denn sie sagen so: die Bourbonisten haben den Kopf verloren, die Föderalisten haben nie ein Haupt gehabt, welches wußte, was 28 wollte, während die Anneronisten Viktor Emanuel, Garibaldi, Cavour u. s. w., also zehn für einen Mann von Kopf und Herz haben. Der Marseiller , Semaphore‘’ bringt in einem neapolitanischen Briefe vom 5. Sept, Näheres über die septe Kabinetsfrists. Den Reigen hatte dieses Mal de Martino eröffnet, der am 1. Sept. seine Demission einreterte, weil der König auf eine Menge Vorstellungen nicht zu einer Entscheidung gebracht werden konnte. Die übrigen Minister folgten de Martino, weil der König nicht in die Verbannung von siebenzehn Personen einswilligen wollte, unter denen sich der Graf von Trapant, Oheim des Königs, der neue Prankommandant von Neapel, General Cutrofiano, der Für Ischitella und der Kardinal Erzbischof Sforza befanden. Der König erfaufte das vorläufige Bleiben des Kabinets der Entfernung Eutrofiano’s und Sschttela’s. Für die Zustände in Neapel fehlt es an Ausdrücen ; ein Korrespondent der Pariser „Breffe” hat das Wort gefunden : Neapel ist jegt Üiberfließend von Unerhörtheit (ruisselant d’inouisme.) Sion beginnt übrigens Die römische Frage an die Stelle der neapolitanischen zu treten. Am 9.anuar wartete man in Turin noch die Antwort Antonelle auf Das farbinische Ultimatum ab, ehe den piemonesischen Truppen der Befehl ertheilt werden sollte, die Grenzen des Kirchenstaates zu überschreiten , gleichzeitig aber sah man dort „der Ankuift einer Deputation der provisorischen Leitung des Aufstandes in den Marken“ entgegen. Das Turiner Parlament wird wahrseinlich dieser Tage zusammentreten, um den König, wie dieses auch im lechten Kriege der Fall war, mit außerordentlichen Semwalten zu befleiven. Der Nachfolger Goyon’s in Rom, General de Noue, befindet sich in Marseille, wohin ihn der Kaiser berufen hat, um ihm mündliche Inszentionen für die kommenden Ereignisse zu ertheilen. Die Erklärung der „Opintone" über die Politik des Kabinettes Cayvour, welche auszugsweise fon intelegr. Depefche mitgetheilt wurde, lautet : „Man kann unsrem Staate den Plan, als wolle er Oesterreich oder wohl gar Rom angreifen, nit beilegen. Die Italienische Revolution hat den unfragbaren Vortheil, daß sie sowohl dur die Weisheit ihrer Führer, wie Durch die Begeisterung der Maffen geleitet wird. Die Franzosen sind in Rom, und es kann Niemandem einfallen, die Franzosen angreifen zu wollen. Sodann fast nur erst die 22 Millionen Italiener vereinigt,einmüthig und disziplinirt sein, so wird die österreichische Herrschaft in Italten von felöst ein Ding der Unmöglichkeit. Aber von unserer Regierung darf der Angriff nicht ausgehen; auch darf sie sich nicht von denjenigen fortreißen lassen, die den Augenbile des Kampfes gegen Oesterreich fon gekommen mnwähnen. Unsere Ressierung kann von einer Politti nicht abweichen, deren Ergebnisse so gut ausgefallen sind. Sie wird sich auf seine abenteuerliche Bahn verraden lassen, die ihr ganz Europa auf den Hals liegen würde. Müsse eine andere Politik befolgt werden, sollte Die Macht der Ereignisse eine neue Haltung nothwendig machen, so künnte das jegige Ministerium die Verantwortlickeit für eine Situation, die es nicht zu bescherríchten im Stande wäre, nicht Übernehmen. Wir sind überzeugt, daß die liberale Partei, welche das Ministerium nieterfragt hat und noch unterfragt, derselden Ansicht ist, und daß es in Italten gefunden Menfgenverstand genug gibt, um neue Bermchclungen zu vermeiden. Aber auf seinen Fall könnte das Ministerium für Dinge verantwortlich gemacht werden, die zu einem Kampfe mit Oesterreich oder mit Frankreich führen würden. Wir willen nicht, ob jemand den Muth hätte, solche Verantwortung auf sich zu laden , aber er dürfte nicht auf die Unterfragung des Parlamentes rechnen, bag zwar zu allen Opfern für die Errettung des Diaterlandes bereit i. Doch nur unter der Bedingung, das die Regierung sich nicht Die Zügel aus der Hand entreißen lasse, sondern die Bewegung Seite, welche Stalten zur Unabhängigkeit führen sol." Im B Zusammenhange mit obigen Zeilen scheint der gleichfalls schon kurz erwähnte Artikel des „Konftitantionnel" zu flehen, worin Grandguillot seinen Schmerz über die neue Bolittif Piemonts ausbrächt, melde dasselbe von der Politit des Kaisers trennen werde. In dieser Politik der Mitenteuer, bemerkt der BVerfasser, würde Piemont isolirt bleiben. Er hoffe noch, Piemont werde sich nicht gänzlich der Prinzipien und der Achtung des DVölferrechtes entschlagen wollen, | | see kel