Pester Lloyd - Abendblatt, April 1874 (Jahrgang 21, nr. 74-98)

1874-04-01 / nr. 74

» nach Fiume und wird erst nach den Osterfeiertagen wieder hie­­der zurückerwartet. — Kultusminister Trefort wird um dieselbe Zeit einen auf beiläufig acht Tage berechneten Ausflug nach Dres­­den, Leipzig und Berlin unternehmen. =Finanzminister Ghyczy weilt in Wien­ bekanntlich in "Angelegenheit der Vereinbarung des ge­­einsamen Budgets.Diese Gelegenheit soll der Finanzminister—wie,,Egyetörtös«vernimmt­­.———auch—dazu benützen,um die definitive Abrechtlustg der gemeini­­fi­men Aktiva zu urgirem Der auf Ungarn entfallende Theil ,"",der gemeinsamen AktiV.1 beträgt ungefähr zwanzig Mit­­welche die gemeinsa­­men­ Aktiva,bilden,sind die zwei Finanzministerien im Revien "7 m­it Ausnahme einer einzigen Post,bezüglich welcher sie trotz der seit langer Zeit gepflogenen Unterhandlungen kein Ueber­­h­eitskomm­en treffen konnten.Sobald diesbezüglich die gegenseitige­ sprechereinkunft zu Stande komm­t,wird die Summe vonL0 Millio­­nen dem ungarischen Finanzminister zur Verfügung gestellt. «·Betreffs dieser 20 Millionen­ hatte Kerkapoly den Plan, in dieselben als einen Theil zur Tilgung der jüngst aufgenommenen nichchtm­anabren zu bezahlenden 75 Millionent zu benützen und das »was­ eine­ wohm auch nicht annehmbare—Ursache,weshalb Ikapoly bisher die Erledigung der Angelegenheit der gemein­­samen Aktiva nicht beschleunigte.Ob Koloman Ghyczy sich be­­effs der Verwendung derL0 Millionen dem Plane Kerkapoly’s sind mir darauf neugierig, welches Zinsenerträgniß im Falle der definitiven Abrechnung für den Seit sieben Jahren im gemeinsamen Finanzministerium verwal­­teten Ungarn zusammenden Theil uns aufgerechnet wird? (Wie aus unserer im heutigen Abendblatt ebenfalls enthaltenen Wiener Depesche ersichtlich ist, hätte sich der Finanzminister Ghyczy­m mit dem gemeinsamen Budget und durchaus nicht mit andern Dingen beschäftigt. D. Red.­ — Mie , Rezéppárt" mittheilt, Hat der Abgeordnete von Großmwardein Zulins Györffy sein Mandat niedergelegt. = Ganz in dem Sinne wie der Artikel unseres heutigen enblattes bespricht auch das „Neue Retter Scurnal” den Angriff des , Napló" gegen den Bericht des Börsen- men? Und die Millionen, an Verspätungen verschleudert wurden. Man hat allerdings viele, nur allzu viele Eisenbahnen ge­­Aber wie? Sind etwa die Familienbahnen oder die drei­­fachen Parallel-Linien dem Handel und der Börse zugute gefom­ die in Frummlinigen und in dreimal verbesserten Bauten und in wiederholten Trace-Renderungen oder haben sie dem Handel 10 der Börse im Allgemeinen zum Vortheile gereicht? Man re­gulirt die Donau, aber wie? Man hat ein theueres, fostbares Bollgebäude aufgeführt, aber wo ? Lebteres geschah an einer Stelle, die von den Sinotenpunkten des Handelswerters ganz abseit l­iegt. Und wo sind denn die Gefegbücher im Allgemeinen ıind Die Handel im Besonderen betreffenden Gesete Sind sie vollrt, und hat das Börsepräsidium nicht volles Recht, wenn es auf den angel der fundamentalsten Gesete hinweist? Wir haben eine « en Gesetzen geschaffen,«wo ist über das Fieber­, in welchem Sta­mm befindet sich ,.Ha­ndelsrecht,in welchem das Wechsel-und KonkursgesetzP «;;Naple«'wirft der Börern dankbarkeitporz sie gießtz»den de­r Bitterkeit über die Reterung aus,die ihr erst jungst ·ang-separate Stem­pelgebüren-Ordnung gewährte und für an­it in sieben Jahren nicht die Reihe genom­men. ab er Veränderungen in der Honvedarmee nannt. Thomas Stoof KRuftreba­iR­igters­­e­nügter Dienstpflicht im gemeinsamen Heer in den Beurlauben­stand der Honvedarmee übernommen. tits Alex. Medveczky wurde zum Auditoriats-Praktikanten er­ Ei­eserve-Thierarzt und Franz E. J. Kadet-Offiziers-Stellvertreter , wurden nach des 98- Personalien) Der Ministerpräsident Stefan v. Bitte und der K­ommunikationsminister Graf Koser Zi­ch ( jun. sind heute Früh von Wien hieher zuriückgekührt. Herr Ricchard Türschmann­ reich­te gestern vor im tropisch heißen Saale Bei der Besprechung Dieser einem ungemein zahlreichen Auditorium des Grand Hotel Goethe’s „Faust”. Leistung sind wir jedoch leider nit in der Lage, die Negister‘ de Xobes, Die wir z. B. dem Vertrag griechischer Tragödien gegen­über so gern spielen ließen, wieder anzustimmen. Vor Allem,­­ doch nur eine Reihe von Szenen und Nummern der allzu lange Stüdes vorgetragen werden­­­onnte, hätten wir vom geehrte Künstler eine geeignetere Auswahl derselben gemünscht , mit dem Geschmach, der Lieder wie das von der „Ratt’ im Kellerloch“ oder Mephisto’s abscheulich-ceynische Serenade so alla camera gleichsam vorzutragen magt, da doch selbst die wichere Atmosphäre der Bahn sie nicht verträgt, können wir und nicht einverstanden erklären. & műre ein Anderes, wenn jemand den ganzen Faust vorträgt und also auf solche Einlagen nicht auslaffen wollte — zarte Ohren brauchten dann eben nur zu Hause zu bleiben, — mo abe ohnedies eine Y Aus­wahl getroffen wird, kann ein anständiges Publikum mit Recht eine geldmarkvollere Wahl verlangen. „Auer­­bach’s Keller” z. B. hätte mehl jeder gern für den herrlichen Ofter-Spaziergang hingegeben­ec. Was den Vortrag selbst betrifft, so war er gestern ziemlich ungleich ; neben einzelnen sehr gut ge­sproc­henen Stellen kamen gleich wieder auffallend schwache, bie denen theils die Charakterisirung der einzelnen Retsonen durchfiel, theils Inhalt und — Verständnis des Tertes sich nicht ganz bed (ein Kavalier) in Großmardein sagte, wie wir „Nagy.“ Tefen, dieser Tage ein Kavalier durch die Straße in­­­­­ stredtem Galopp, wobei er einen armen Bauer niederführte. Auf das Mechzen des Unglücklichen hielt der Gentleman an und reichte ihm als „Schadenerlag” einen­­ Guldenzettel hin. Zum Falliment des Bankh­auses Sot Mantihu und Söhne in Kronstadt­ werden uns von dort folgende Details gef­rieben : im Jahre 1863 nahm Sotir seine beiden Söhne in die 3 Die Firma Sotir Mantihu bestand seit dem Jahre 1832. Irivia. Das Haus galt als das erste Bankhaus Siebenbürgens, erfreute ich eines großen Rufes, allgemeinen Vertrauens, und die Firma­­führer verstanden es, figy mit einem Nimbus zu umgeben, welcher das Publikum vollends sorglos machte. Die beiden jüngeren Chefs führten ein futuriöses Leben, hielten Equipagen und N Reitpferde, der Haushalt verschlang Tausende von Gulden und Dies Alles in die Fremden, Mien war der Kredit des Hauses Mantjehu ein bei­ Sebt erst beginnt das Bolt nüchtern zu urtheilen und sieht ein, daß das ganze Treiben dieses saubern Brüderpaars auf Schwin­­del baff­te, man erinnert sich des maßlosen Lurrus, welchen diese Leuge entfalteten. So feierte vor anderthalb Jahren der jüngere Chef Konstantin seine Hochzeit mit einer reichen Pfarrerstochter. Der Hochzeitszug, bei welcher wirklich Ungeheuerliches geboten wurde. Zeitätage war die ganze Stadt auf den Beinen, aus 32 Equipagen bestehend, kam mit dem Brautpaare, der von einem P­iererzug geführt wurde, durch die sogenannte A Stadt an, da durch die Hauptstraßen in Kronstadt ein, ein Triumphbogen errichtet worden war i­n dem Ho­f auch alle Geh­einleger dieser Firma Theil nahmen. e3 Ii- mo aud e Am Abende war glän­­zender Ball, an welchem sämmtliche Honorationen Kronstadts, wie­­ Die Firma stand bis nach dem großen Krac) noch fest, sie hatte sich trob enormer Verluste zu halten, verstanden, und be­­ft­gte sich ihr Vertrauen. Durch das nun eingetretene Falliment leidet Kronstadt einen harten Schlag , die Stadt und Umgebung­­ und Viele, deren Ver­zweiflung jeder Beschreibung spottet, sind, um ihr fettes Hab und verlieren über eine halbe Million Gulden, '­­ Gut gebracht, dem Elende­n freigegeben. Am Sonntag Vormittags, als in der Umgebung von Kro­stadt das Falliment befannt wurde, eilten die Dorfbewohner (203­ ratenbefißer) schaarenweise in das Haus der Herren Mantjeehu, ver­­langten nach ihren Losen und fhrien, wo ist Kapdebo, wir fennen feinen Mantjehu, wir haben blos vom Agenten getauft, wer muß Grit­ald man das Bolt aufklärte, daß Kapdebo als Agent emein habe , belagerten sie das Haus. Die Leute wollten ihr eingelegtes Geld, ihre Originallose , als man sie nicht befriedigte, erfan­des Konstantin Mantschu, welcher eben im Begriffe war, sich zu erschießen, jedoch durch Darmwiichen­­­ U rhind: ‚ Banduren und Sicherheitsmänner konnten nur mit Mühe das erbitterte Bolt beruhigen, und dem energischen Eingreifen des Polizeikommissärs bef3 vom Bolt nicht gelyncht­e­­ Die Gemahlin des jungen Chefs ist unwahnsinnig geworden. Hauptbeschädigte sind Senator Zartler mit fl. 30.000 und Baron Gothenheim mit tít­e3 zu verdanfen, daß die beiden wurden, welcher auch deren Verhaftung vornahm. Langer Winter­ Wir leser in der „Hermannst. 3ta.": Im Bag Djtoz will der Winter gar sein Ende nehmen. Seit mehreren Tagen schneit e3 derart, daß seit dem 24. v. M. die Baffage ganz gesperrt ist. Hunderte Menschen werden zum Wegschaufeln des Schnees benöt­igt, um die Straße fahrbar zu machen. Am selben Tage ist eine Frau auf der Straße vor Müdig­­keit erfroren und gestorben, ebenso sind 4 Pferde und 1 DES. Man befürchtet durch das Eintreten von plößlichem Thaumeiter große U Weber­­melde auf dem Wege waren, mm­gestanden. Schwemmungen. Anonyme Drohbriefe­ Aus N.­Röcze (Rauscen­­bad im Gömörer Komitat) schreibt man dem „Beiti Napló", daß daselbst am 20. März an verschiedenen Punkten der Stadt in un­­garischer und florafischer Sprache geschriebene Briefe folgenden Inhaltes gefunden wurden: „Schwarze Kammer 13/3. 1874. Od­er im Molitöriß nicht binnen vier Monaten von heute an gerechnet , ger der Mitte der Stadt N.Möcze definitiv entfernt wird, so ms ganze Stadt nach der oben festgefesten Zeit, wenn auch auf Male, eingeäschert werten. Im Auftrage des Rathes: H Schriftführer. Dem Molitöriß laffen wir das unausfere Vergnügen auf später.“ — Bezirksrichter Molitörig — füg Berichterstatter des,,PestiNaple«'hinzu—erfreut sich’in,N­RH­ ZF so sehr der allgemeinen Achtung, daß ganze Deputationen und mehrere Private sich zu ihm begaben und ihn ersuchten, sich seiner Thätigkeit durch solche fchmähliche anonyme Drohen nicht beirren zu lassen. 63 wurden auch wegen dieser Nachforschungen eingeleitet. Ferner erwähnt der Berichterst, daß der genannte Bezirksrichter beständig mit Klagen und Prozessen gegen Professoren und Schüler des dortigen florafischen Gym fiums behelligt is. So mußte er eben jechs Studenten zu­­r Strafe von 60 fl. wegen Bienendiebstahls verurtheilen , dann h te er wieder den gemesenen Direktor Samuel Drmiß wegen jehmer körperlicher Verlegung zu verurtheilen und neulich wegen­ ei­es Kurdendiebstahls zu inquisiren, endlich gegen Professor Zoch eine Klage wegen Wirthshausschlägerei einzuleiten. Professor Oxmi bat auch nicht verabsäumt, ihn deshalb in der­ ‚Nar. Novine" a zugreifen und sich selber als Märtyrer darzustellen. Wo derglei vorkommt — bemerkt der Berichterstatter — darf man sich die Genesis solcher anonymen Drohbriefe nicht wundern. verhaftet­ Ein bei der Theißbahn seit 1868 b­ehensteter Konduk­eur wurde, wie wir im , Bihar" seien, vor einig Tagen verhaftet, weil der­ Verdacht gegen ihn vorliegt, er­wa 3500 fl. amtliches Geld veruntreut. .­. 88 (Feuersbrunst.)In Großwardein brach dieser Tag in eine­n großen Stalle der Körös-Kaserne,auf dessentrödert bedeutendes Quantum Futter lagerte,aus noch unbekannter Ur­­sache Feuer aus, das mit riesiger Schnelligkeit sich ausbreite und, vom Winde getragen, bald auch die Nachbarhäuser ergrn Ungeachtet aller Anstrengungen der städtischen Feuerwehr und der Boden der Kaserne mitsammt dem daselbst lagernden Fı nebst noch drei Häusern ein Raub der Slammen. (Weder einen h­aarsträubenden Mord,) mer d­er sich am 10. März in der Gemeinde Driethoma im Trem­­csiner Komitat zugetragen, berichteten wir bereits im Morgen­blatte vom 18. März. Jenes Referat müssen wir nach uns zu­­genommenen neueren Nachrichten dahin wicchtigstellen, daß der Mord an einer 50jährigen Frau Dorothea Hrancsar begangen wurde. MWeiterd wird uns geschrieben, daß noch am 11. d. M. drei der Rädelsführer vom Trencziner königl. Gerichte eingezogen wurden und daß gegenwärtig die Strafuntersuchung fast ber­endet ist. l­onen. Bezüglich der einzelnen Pfosten,­­ angeschlossen, wissen wir nit. Do Morge Tontites. Das genannte Blatt sagt unter Anderm : baut­ e Diaffe von unnöcht bürgerliche .Gefebbuch geb 8 diente blos als Blendmert für das Bolt und denn auch in * nahe unbeschränkter. a­n zahlen. nicht3 mit der Firma ‚­ Aufregung stieg von Minute zu Minute, die 3 T ten. Das Ganze machte den Eindruck, als walte eine Indisposition ob, oder als sei der „Faust“ des Heren Türschmann wo nit so Xettere mit welcher der vollkommen durchgearbeitet wie etwa „König Oedipus“, Bermuthung bestärkt auch die Mangelhaftigkeit, Tert wiedergegeben wurde. So erstaunlich die Gedächtnißprobe ist dritthalb Stunden ununterbrochen Berfe zu veririren,­­ thue, wenn man die Berfe schon gehörig einftudirt that, so müüsfen wir doch verlangen dürfen, daß man dies nur dann ohne Souffleur im „Sauft” aber wären mit Leichtigkeit nicht Dusende, sondern Hun­derte von Verstümmlungen des Textes nachzumeisen, was den Zu­­se mehr ihm selbst der börer um so schmerzlicher berühren muß, „Sauft” schon in Fleisy und Blut übergegangen ist. Einen Text, der Einem Jo an’3 Herz gewachsen, riet getreu, nicht echt wieder­­u­ einigermaßen verstimmend. Ganz wirkungslos geben hören, blieb die Rolle Gretchen’3, wo viel Talent an Herr Türschmann gerade an sie gewendet hatte. Was der Künstler sich hier zumuthet, ist eben zu unnatürlich). Wer hieß ihn auch den „König in Thule“ mit Frauenstimmen singen — durch die Fistel? Und nun erst die Liebes- und Wahnsinnsszenen — Alles doch die Fistel! Wo man von der Darstellerin die reinsten echtesten Töne weiblichen Gefühl verlangt, kann eine schwache Imitation der . . . Sixtina- Chöre unmöglich befriedigen. E83 war eben ein Mißgriff, den man allerdings Herrn Türfehmann bereitwillig verzeiht um des vielen Guten willen, das er Einem anderweitig schon geboten. (Breßprozeß) Der Thordaer Gemeinderath hat, wie die „Hermannst. Ztg.” meldet, beschlossen, gegen den , Recht" wegen einiger Artikel, doch die sich die Thordaer Bürger tief verlegt fühlen, einen Viefprozeß anzustrengen. » (Todesfall.)·In Großwardein starb am 28.v.M. August Vucskics,der im Jahre 1848 als 17jähriger Jüng­­ling in­ der Honvädarm­ee als Pionierhauptmann diente und seit 1867 alangenieur t­ätig war. Magistrat! Nach Beschluß der am 10. d. Nachjte um 11­ Uhr ab­gehaltenen Bersammlung von 11 Verschworenen gebe ich zu wissen Wenn der ungerechte, cholerische und rachgierige Bezirksrichter vergriffen, sie sich an der treten des Polizeikommissärs daran verhindert wurde. fl. 40.000. kr­d: Yi= «­­ .«-" s,» Ä Velegr. Depelchen des Yester Slopd. Wien, 1. April. Original-ZTelegr) Nach einer Mittheilung der , Brefse" verhandelte Ghyczy hier mit über das­­ gemeinsame Budget. Die Nachrichten von Verhandlungen ü­ber die Banfffrage und über Die ge­­meinsamen Aktiven sind unrichtig. Wien, 1. April. Original-Telegramm­ . Zum Präsidenten der österreichischen Delegation ist Medie­bauer bestimmt. Der Finanzausschuß der Delegation wird in Wien tagen. : d) Unfehlbar. Betitroman von Mar Ring. 2. Fortlegung. 1. Buch. Auf dem Wege nach der Synagoge fand Gabriel für seine ich den Streit Heraufbeigeworene Verstimmung nur fortwährend­eue Nahrung. Nachdem er lange Jahre in, der eine gelebt, Köln, Brüsfel and Paris mit ihren herrlichen Kirchen und präd­­gen Basalten gesehen, die großartigsten Verhältnisse kennen gelernt ein wahrhaft belegtes und wechselvolles Leben geführt hatte, die ihm natü­rlich seine unansehnliche P Vaterstadt sehhr doppelt und unbedeutend erscheinen. die große Zeit und die unweltgeschichtlichen Ereignisse hatten avan geändert. Das waren noch immer dieselben alten, d Shmubigen Straßen mit den fehieren Häusern, folgen­­­dem Mark­plage, dem sogenannten „Ring“, stand nach das graue, traurige Rathhaus, daneben der öffentliche on mit den plumpen Figuren der katholischen Heiligen aus Sandstein. Rings umher saßen die Vorläufer in ihren Boden und hielten ihre ärmlichen Waaren feil, bunte Baummolltücher für das Landvolt, Pfefferfuden für die 5 saure Gurken und irdene Schüffeln, mit grob gemalten­nd unorthographischen Neimen verziert. Auch die Menschen waren dieselben geblieben und keines­­der Zeit fortgeschritten. Dort ging der alte einäugige er auf und nieder und schnitt der lärmenden Straßen­­ein grimmiges Gesicht oder drohte den zaufenden Markt­­, mit aufgehobener Hand, im Gefühle seiner polizeilichen und Wi­rde. Sin der Thür feines Ladens Stand, der mun Mohrenapotheker und raudte feinen braunen Meerb­aum­­oll­engrimm, dide Dampfwolfen ausstoßend, wenn ein an ihm vorüber in die Apotheke zum „goldenen Engel“ bei seinem Konkurrenten ein Rezept anfertigen zu lassen. t dem Warenstoß unter dem Arm begab sich der alte satb nach dem Stadtgerichte, die Vorübergehenden starb an ob sie ihn aug mit dem gebührenden Respekt grüßen Der Gymnasialdirektor trug wie früher seinen Hut im­nd stolperte, in Gedanken verfunden, so daß er bei jedem , den N­innstein zu fallen drohte. An der Ehe bes­aß die dide Schlächterfrau und unterhielt figg mit dem igen Nachbar, dem dürren Schneider in derselben Weise, abriel vor Jahren gesehen hatte, grade als ob beide ‚wären.­­ Erscheinung eines Fremden und noch dazu eines in Uniform, an der Seite des bekannten Samuel Obren­­ein dem Kleinen Orte ein ungewöhnliches Aufsehen, eben auf der Straße stehen und sahen ihm mit lard- Halfe nach. Der Wachposten vor dem Hause des Kommandeurs präsentirte verwundert dnd Gemehr vor verbreitete sich mit Blu­esshhnelligkeit die Nachricht von echt und mit jedem Schritte wuchs die Zahl der Frem­de­nten, die sich um ihn drängten, um ihn zu begrüßen und Sagenkreises,eines modernen Epos,gefeiert wie Judas Makka­­bäus wegen seines Muthes und seiner Kriegsthaten Seins Gang nach der Synagoge gestaltete sich unwillkürlich zu einem förmlichen Triumphzuge,an dem sich die angesehensten Mitglieder der­ Ge­­­meinde,der reiche Aki­teelieferant Joel Milch,der Weinhän­d­ler Levy und der Lederfabrikan­t Mendel betheiligten.Die Franen­ blickten mit Bewunderung und Wohlgefallen auf den stattlichen Offizier und beneideten im Stillett die bleiche Rahelmn ihren gefeierten Mann. Den schwarzgelobten Knaben erschien er wie ein höheres Wesen, wie­­ einer jener alten Helden Gottes, von denen sie im Buche der Richter geb­sen. Reiner aber war glücklicher, zufriedener und stolzer, als der w­ürdige Gemeindevorsteher Samuel Ohrenstein, als er sei durch die von allen Seiten grüßende Menge durch die Pforte des Tem­­pels schritt und sich an der Seite seines angestaunten Schmieger­­sohnes auf seinen Ehrenplas dicht unter der Bundeslade niederlie. Gabriel selbst konnte sich jedoch­ mit dem Anblick der alten grauen Synagoge nicht befreunden. Die Fahlen, schmuclosen Wände kanien ihm so nüchtern und ärmlich vor. Unmilitärlic mußte er an die herrlichen christlichen Dome mit ihren riesigen Säulen, ihren leuchtenden Fenstern, ihren wunderbaren Bildern denken. Der einzige Schmud des jüdischen Tempels war die auf der Ostseite angebrachte Bundeslade, von einem rothseidenen mit gol­denen Fransen befesten Vorhange bedeckt. Darüber flammte der Name „Sehovah“ mit goldenen Buchstaben auf einer purpurnen Glastafel, die fest von der Morgensonne beleuchtet wurde. Rings um die Wände 309 sich eine hölzerne, mit gelber Delfarbe angestrichene Galerie, mit einem plumpen Gittermert ver­­sehen, hinter dem die Frauen und Mädchen im Festtagsschmud, abgesondert von den Männern, sahen und die ihnen meist unver­­ständlichen, in hebräischer Sprache abgefaßten Gebete mechanisch ablasen. Juddhitte erhob sich ebenfalls ein hölzernes,niedriges Chor,zu dem von beiden Seiten einige Stufen­ emporführten.Ein großes Pult diente zum Auflegen­ der heiligen Gesetzesrollen,die in der Bundeslade verwahrt wurden. Wie dürftig war das Alles im Vergleich mit den zum Him­­mel ragenden gothischen Kirchen,die er auf seinem ZugI nach Frankreich in Rheims und Rouenn mit ihrem sinne berauschendert Gottesdienste,m­it dem brausenden Orgelklangt und dem feier­­lichen,herzerschütternden Gesang kennengelernt hattte. Statt des ergreifenden,großartigen Schauspiels fand er hier fast das Gegentheil,eine traurige Leere,eine armse­­lige Nüchternheit,die ihm das Herz zusammenschnürte.Rings umhersaßen und standen die Mitglieder der Gemeinde und ent­­falteten jene eigenthümliche Unruhe und Beweglichkeit,die der Mehrzahl angeboren schien. Die älteren Männer trugen um die Schultern ihre Gebet­­mäntel von weißer Wolle, mit dunkelblauen Streifen durchzogen und mit den sogenannten Schaufäden behangen. Während des Gebetes neigten und beugten sie sich, wodurch die wunderlicsten Stellungen und Berrenfungen entstanden. Da sie meist mit lauter Stimme beteten, so herrschte in dem Tempel ein Summen und Murmeln, das zumeilen in einen verlegenden Lärm ausartete. Dennoch empfand Gabriel troß dieser sich ihm aufdrängen­­den Mängel eine tiefere Rührung, als er je in den riesigen Da­­men empfunden. Unmilitärlich bemäc­htigte sich seines Herzens eine umheschreibliche Wehmuth, als der Vorsänger jene alten, tief er­­greifenden Synagogalmelodien anstimmte, welche vielleicht schon das Bolt Ysraels in der Verbannung an den Strömen Babylons gesungen, jene wunderbar schmerzlichen Klänge, jene Trauerlieder eines tausendjährigen Leid.­­ A­­ud Gabriel sonnte sich nicht dem Zauber dieser wunder­ P Braht wieder aufzurichten. Daran dachte er fest, an seine Kindheit, an al die tiefen, gemüthlichen Gindrade, die er seinem Glauben zu verdanzen hatte, an das wahrhaft schöne patriachalische Familienleben, an die stille Rube des Sabbaths, an al die schönen S Fefttage, die mit inniger Andacht und freudigem Säbel gefeiert wurden, an all die reinen, großen und heiligen Schoße, die das Judenthum troß sei­­ner unscheinbaren und verachteten Außenseite in seinem Schoße für seine Belenner und Angehörigen birgt. Aber diese tieferen Eindrücke und ergreifenden Erinnerun­­gen, welche die alten Melodien hervorgerufen, verschwanden eben­so Schnell wieder, wie sie gekommen waren, als der wegen seiner Gesangsfuift berühmte und deshalb eigens für das elf aus dem benachbarten Polen verschriebene Vorbeter plöglich eine moderne italienische Opern-Arie des damals hoch gefeierten Rossini einem erhabenen Psalme anpaßte und dazu die seltsamsten und lächerlh­aften Grimaffen Schnitt. Bald ließ der dide Sänger, der große Kafııtan genannt, den tiefsten Bau erschallen, bald fistulirte er in den höchten Tönen, die an sich schon überladene Melodie mit den fühnsten Läufern und­ er mit der um die An auch äußerlich halsbrechenden Trillern noch verschnörfelnd, während fetten Hand den angestrengten Kehltopf unterstügte, Strengung, womit er seinen Gesang herauspreßte, bemerkbar zu machen. Das kleine „Singerchen“ an seiner Seite, ein Knabe von ungefähr dreizehn Jahren, mit altflugem Gesichte, begleitete den Gesang des Meisters mit einem hohen, Ereifch engen Organ. Je mehr die Beiden tremolirten und trillerten, je lauter sie schrieen und mit dem ganzen Körper gestifulirten, je vorher das Gesicht des apopleftischen Borbeters anschwoll, je wilder das Singerchen die gleich Pfropfenziehern gedrehten Lödchen, unter dem schwarzen Sammtmüschen fiehüttelte, desto­ beifälliger nichten die entzüdten Zuhörer, als wenn sie jagen wollten: Dex versteht es, und einen solchen Sänger, wie den großen Rafchtan hat keine andere Gem­einde in der ganzen Welt. Nachdem der Gesang endlich verstummt war, bestieg der Nabbi, ein kleiner, alter Mann in einem langen, Schwarzen Talare, auf den ein ehrw­ürdiger, silber­weißer Bart niederfloß, den erhöhten Chor, um die Festtagsrede zu halten. Dieselbe war ein Meister­­stüd talmudischer Weisheit und afuiftil, eine wahre Blumen­­lese von fpisfindigen Grübeleien, von Gleichnissen, Bildern und Barabeln. Hauptsächlich behandelte der hochgeehrte Redner, ei des jüdisch-deutschen Sargons bediente, den vorgeschriebenen Ritus für die Osterfeier. Mit beminderungsunwürdiger Gelehrsam­­keit entmwickelte er den Unterschied der gesäuerten von den unge­­säuerten Speisen und am längsten verweilte er bei der Wichtigkeit der „Maszze“ für das jüdische Bolt. Nach seiner etwwas Führen Be­­hauptung versicherter er seinen andächtigen Hörern, daß die Engel selbst während des Baflahfestes sich an Mazzes " delettirten und diese allen himmlischen Speisen, selbst dem füßesten Manna des Himmels vorzögen. = und dem Talmud gemirzte Exkursion über die erlaubten und un­erlaubten Speisen, von deren Genuß nach der festen Ueberzeugung des frommen Rabbi das Wohl und Wehe nicht nur seiner Ge­­meinde, sondern des ganzen jüdischen Wolfes abhinge. Der bloße Gedanke, daß in einem israelitischen Haufe sich während der Ostertage auch nur ein Brümchen gefäuerten Brodes vorfinden sollte, erfüllte den Redner mit Abfhen und Gntfegen, daß aber gar ein Glied seiner Gemeinde so verrucht und gottlog sein könnte, einen Biffen davon zu genießen, erschien ihm als das ihm erste, fluchwiürdigste Verbrechen, als eine kaum zu sühnende Todsünde. Konsequent leitete er alles Unglück, welches die jüdische Nation betroffen, von der Uebertretung dieser Speisegefäße ab und zum Schluffe verglich er dieselbe mit Adam, der ebenfalls, weil er von dem verbotenen Apfel geworfen , aus dem Paradiese ver­­trieben worden sei. So müsse fest Israel zur Strafe seines Unge­­horsams unter fremden Völkern in der Gefangenschaft leben und nachdem es das gelobte Land verloren, den Tempel eingebüßt, so Schweres und Trauriges bereits erduldet habe, sogar sei unter den Soldaten dienen, das Schredlichte, was nach der Meinung des Rabbi, der dabei deutlich auf Gabriel anspielte, einem jüdischen Kinde pafsiren könnte. "­­­Während des ganzen Vortmges herrschte ein andächtiges Sch­weigen,das nur selten durch­ ein beifälliges Gemurmel ü­ber den Scharfsinn und die stupende Gelehrsamkeit des Rabbithiers brochen wurde,wenn derselbe ein besonders schönes Beispiel an­brachte oder einem Spruche eine Deutun­g unterlegte,dick ein an­­­­derer Mensch darin je gefunden. Keiner der Hörer war jedoch so begeistert von der Bered­­samkeit des frommen Rabbi, als der Retter Goldfu­cher. Bei jeder besonders fpttfindigen Wendung leuchteten feine Augen von Ber­­gnügen, und er konnte sich dann nicht enthalten , bald den würdi­­gen Samuel, bald den neben ihm fißenden Gabriel durch einen leisen Stoß mit dem Ellbogen aufmerksam zu machen und zu einer Bewunderung aufzufordern , welche zu seinem Mißvergnügen der Lebtere keineswegs zu theilen schien. Die Strafe für­ diesen Mangel an Geschmach und Ver­ständniß talmudischer Gelehrsamkeit und rabbinischer Rhetorik sog dem Sünder auf dem Fuß folgen, so daß der Retter nun von neuem in dem Glauben an die Wunderkraft des berühmten Kab­­balisten Rabbi Maufcig Kapauner bestärkt wurde. Nachdem nämlich der große Redner seinen meisterhaften Schurs beendet hatte, fand die hergebrachte öffentliche Vorlesung eines auf das heutige Fest bezüglichen Abschnittes der Gefeches­rolle statt. Zu diesem Emoede wurde Gabriel Laut aufgerufen, um den üblichen Segen über die Thora zu sprechen ; eine besonders große Ehre, die ihm als Fremden und Sch­wiegersohn des ange­sehenen Vorstehers von dem reichen Armeelieferanten Mil über­­tragen wurde , wofür dieser bei der förmlichen Versteigerung d­es Rechtes eine anständige Summe in die Gemeindefaffe zahlen mußte. Nach so langer Abwesenheit und Entwöhnung vom jü­di­chen Gottesdienste war es gewiß eben so natürlich als verzeihlich, daß Gabriel den üblichen Segensspruch halb vergessen hatte rein stotternd herausbrachte , so daß der neben ihm stehende Bo­lefer seinem schwachen Gedächtnisse einflüsternd zu Hilfe kommen mußte. Dieser an sich unbedeutende Vorfall blieb von der Ge­­meinde nicht unbemerkt und wurde besonders von dem ehrgeizige Schwiegervater und dem orthodoxen Retter übel aufgenommen, während Gabriel selbst­ sich diese offenbare Niederlage Feines­ zu Herzen nahm. »­­ Seele wehten und mit unwiderstehlicher Gewalt ihn an die Ver­gangenheit mahnten. Vor seinem Blide stand das Bild seiner Ju­gend, seiner verstorbenen Eltern, mit denen er als Knabe den­selben grauen Tempel bejuht und einst bewundert hatte. Damals lauschte er mit heiligem Entzüden den frommen Gefängen, damals glühte no sein Herz voll flammender Begei­­sterung für sein armes Belt. Damals betete er no voll Inbrunft zu dem Gotte seiner Väter, glaubte er noch an all die Wunder, vor denen die heilige Schrift erzählt; damals träumte er noch von dem Messias, erwartete er noch mit Sehnsucht den verheißenen Erlöser, der da kommen sollte, um Ihrael vom Koche der Knecht: ‚Schaft zu befreien, um den zerstörten Tempel in nie gesehener G­­­­­­­­­­­­­­­erücht vergrößerte seine D Verdienste und mit echt Lebendigkeit erzählten sich seine Glaubensgenossen und zur­ Belohnung hatte er Gabriel ganzen Heeres umarmt und auf der Stelle zum baren Töne verschließen, welche die alten Erinnerungen in seiner Hieran Schloß ft­eine mit zahllosen Zitaten an der Bibel Es war dies jedoch der erste,leichte Schatten der Bild seiner glücklichen Heimkehr trübte. (Fortlegung folgt.)" welcher * .-« s"— m 908 lichte 7

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