Pester Lloyd - Abendblatt, Oktober 1874 (Jahrgang 21, nr. 224-249)

1874-10-19 / nr. 238

. III-.,- 1874. — Qt. 238. = Von einer Seite, die den französischen Negierungs­­streifen nahe steht, erhalten wir Folgendes aus Barisg 16. Oftober datirtes Schreiben, dessen Inhalt in mehr­­facher Beziehung charakteristisch ist: „Die legitimistischen und ultramontanen Organe, die über die Abberufung des „Drenoque” außer sich sind, suchen der Regie­­rung dadurch um Zeuge zu finden, daß sie diese Maßregel auf die Einflußnahme des Fürsten Bismarc zurückführen. Und doc ist es nicht an dem. Diese Frage­­ wurde im Wege freund­schaftlicher Auseinanderlegung zwischen Italien und Frankreich gehdört und von beiden Seiten legte man denselben versöhnlichen Geist an den Tag. Man­­ beseitigte eine­ Frage, die in einem gegebenen Augenblicke gerade­­ in der Hand Deutschlands zu einer Waffe werden konnte, während sie für Italien den Werth einer Anknüpfung mit Deutschland hatte. Herr v. Bismarc hätte daher weit eher ein Interesse daran gehabt, die Affaire , Drénogue" nicht aus der Welt zu schaffen. Das übersehen die päpstlichen Organe. — Was die vielbesprochene spanische Note anbelangt, so dauert die Aufregung, die sie im Publikum hervorrief, noch fort. Der Ton dieses Aftenstückes, die Disentation, mit der er unmittelbar und ohne Verzug der Oeffent­­lichkeit übergeben wurde, die Webterreichung einer Abschrift desselben in Berlin — all dies mußte diesen Schritt des Marihalla Ser­­rano sehr ernst und folgensch­wer erscheinen Lassen. Indem legt ihm die Regierung Frankreichs nicht solche Bedeutung bei und bemüht sich die Empfindlichkeit der öffentlichen Meinung zu beruhigen. Der größte Theil der in der spanischen Note erhobenen Beschwerden ist älte­ren Datums und bezieht ei auf Verhältnisse, wie sie früher be­­standen. Der erste Präsident der Republik glaubte den Legitimisten schonungsvoll zu begegnen, wenn er den pyrenäischen Grenzbehör­­den z­weideutige Instruktionen gab. Der Herzog Decazes ließ in dieser Beziehung eine Renderung eintreten. Im Einvernehmen mit seinen Kollegen vom Innern und vom Kriege traf er alle durch das Völkerrecht gebotenen Anstalten zur Bewachung der Grenze im Sinne der Neutralität. Gefragt auf dieses Bewußtsein wird der Duc de Decazes sich darauf beschränkten die spanische Note durch eine einfache Empfang­bestätigung zu erwiedern snch eine detai­­llrte Prüfung der darin vorgebrachten Ben Shmwerden vorbehaltend. Man scheint hier die Zuver­­sicht zu hegen, daß diese Anklagepunkte gerade dazu dienen werden, die loyale Haltung Frankreichs gegenüber Spanien zu dom­nmentiren. Andessen wird man, um eben keinen Verdacht an den friedlichen Ab­­sichten des hiesigen Kabinets haften zu lassen, in einem gege­­benen Zeitpunkte den Präfekten Nadaillac abfeigen, schon deshalb, weil er für die Spanier eine Art von bete noire geworden ist." = Wir brachten seinerzeit die Mittheilung, daß der Finanz­­minister eine Kommission nach dem Hevefer Komitate entsendet habe, welche in Angelegenheit der Zufriftung der Steuer­­rücstände Bericht zu erstatten, insbesondere zu untersuchen hat, welchen Rückständlern weitere Zufriftungen zu gewähren sind und welchen nicht. Wie nun , Egyetértés" mitgetheilt wird, hat diese Kommission ihre Thätigkeit bereits begonnen, doch bringt dieselbe merkwürdigerweise nur hinsichtlich der Grundsteuer eine Zutristung in Borschlag, während Pächter, Taglöhner und Handwerker, welche mit Sinfonnien-, Hauszind- oder Erwerbssteuer im Nachstande sind, um erbittlich der sofortigen Grefation überwiesen werden. G8 ist geradezu unglaublich, daß die Kommission derartige Instruktionen erhalten haben­ sollte. Wahrscheinlich beruht ihr Vorgehen auf einer falschen Auffassung ihrer Aufgabe. Die Zutristung ist unzweifelhaft nicht nur Demjenigen zu gewähren, der nicht im Stande ist, seine Grund­­steuer zu bezahlen, sondern auch Demjenigen, der in Folge des großen Nothstandes seine Steuer überhaupt — möge diese welchen Namen immer haben — nict zu entrichten vermag. 5 Wien, 18. Oktober. Der gestrige Wahlgang in der innern Stadt ist resultatlos geblieben. Zwischen Bollat und Seutter kommt es morgen zur engern Wahl, bei der die Anhänger des Ersteren sich tüchtig werden zusammennehmen müssen, wenn es ihnen gelingen sol, der vereinigten Fortsehrittspartei, des demokratischen und kaufmännischen Vereins Herr zu werden. Die Kandidirung Bollafs kann möglicherweise der Fortsehrittspartei zu einem Siege verhelfen; der Name it hier nicht populär und noch zu wenig bek­­annt. Mit einem andern Gegenkandidaten hätte die Fortschritts­­partei es gestern kaum zu 800 Stimmen für Seutter gebracht. Die „Prätensionen Ungarns” — so nennt man die neuesten Ausführungen des , Napló" in Sachen der Bier- und Zudersteuer — finden hier eine entschiedene Bekämpfung und wird die von Naple" fest­gestellte Frage die Angelegenheit der bevorstehenden Revision des Bolt und Handelsbündnisses hier in vollen Fluß bringen.­­ Von den bisher über dieses Thema vorliegenden Stimmen Hang noch das Urtheil der „N. fr. Pr.” am sachlichsten, obgleich auch dieses Organ es nicht unterlassen kann, einen chauvinistischen Ton anzuschlagen. Das Blatt hat nur Unrecht, wenn es auf die Bedeutung der mit 1877 überhaupt erlöschenden Vereinbarungen hinmeist. Vielleicht műre die Größe dieser Aufgaben ein Fingerzeig nicht an untergeordnete Fragen fiel zu Hammern und durch diese die Diskussion in Bahnen zu lenken, auf denen man sich von­ein­­­ander entfernt, wo jdoch die freundlichste Annäherung am Plat sein müßte. ··­Kartapitz,den 16.Oktober.Gestekissipzix Abends hat der seit einer·Woche unausgesetzt arbeitende.15er Ausschleß des Kon- Beser seinen Statutenentwurf in dritter Lesung angenommen und J. Marimovics zum Berichterstatter im Kongreßplenum bestellt. E 3 war vielfach die Rede davon, daß die Minorität des Ausschusses einen Separatentwurf ihrerseits vor den Kongreß bringen wird, aber die Ansicht war entschieden irrig, da­ss nur einzelne Mit­­te des Ausschusses das Recht vorbehalten hatten, ihre von den A­usschußentwürfe etwa abweichende Meinung im Kongresse selbst zum Ausdruck zu bringen. ‚In der heutigen fünzen Kongreßsisung­­ gelangte man der Bericht des 15er Ausschusses auf die Tagesordnung, und es wurde beschlossen, denselben druhen zu lassen und Montag zu verhandeln. Wir geben hier den Bericht des Ausschusses seinem Wort­­laute nach und werden in einer unserer nächsten Nummern aus dem S­ee des Kongreßstatutes jene Artikel mittheilen, welche im Entwurfe des Dr. Marimovics modifizirt wor­den sind. *) Der Bericht lautet: .—» »Der am 15.September sub Nr.84 bestellte Fünfzehner- Ausschuß,welche­n zur Aufgabe gestellt wurde,aukam­d der Kongreß-Organisationsstatute,welche durch die Kongresse von­ 1870 und 1871 ausgegebettet wurden und in Bezug­ auf die Bemerkun­­gen,welchemzwi­schen vom Kön­ung,Kultus-und Unterrichtsm­ini­­sterium und seitens der Bischofsynode darait gestellt worden sind, einen Antrag über die Organisation des serbischen national fachlichen Kongresse­s reiten, hat seine Arbeit beendet und beehrt sich beiliegend seinen Antrag dem­ Kongresse zu unterbreiten.” 3 für die Verhandlungen im Kongresse vorzube­­n » Aus diesem Antrage wird sich der­ löbliche Kongreß über­­zeugen,daß der Ausschuß in Bezug auf die Grundprinzipien sich strenge haltend an die durch die früheren Kongresse festgestellte Basis dahin trachtete, in der­ Ausführung dieser Prinzipien das Verlangen der Regierung, beziehungs­weise der Bischofssynode mit dem Unteresse des Volkes in Einklang zu bringen.” Nachdem der Ausschußantrag in seinem Ganzen ein Resultat der gemeinschaftlichen Arbeiten sämmtlicher Ausschußmitglieder ab­­gibt und hiernach, da einzelne Ausschußmitglieder für ihre Separat­­meinung in einigen Punkten sich das Recht vorbehalten haben, die­­selbe im Kongresse zum Ausdruck zu bringen, so beantragt der Ausschuß , der Kongreß möge den Ausschußantrag über die Orga­­nisation­ des serbischen National-Kirchentongreifes zur Grundlage einer Spezialberausbung annehmen. Gez. Branovacsky, Präses. Dr. Marimovics, Referent des Ausschusses. Ä = ’ E­­' Die feterkische Eröffnung Herzkranzgosess- Universitä­t. (Original-Bericht des"Pester Lloyd"­) Agram,18.Oktober. Ein seltenes Fest­it­es, welches Kroatien in diesen Tagen­ begeht;ein lange gehegter,konsequent verfolgter Wunsch ist die Erfüllung nahe—morgen am 19.Oktober wird in­ Agram die kroatische Universität eröffnet.Das kleine Kroatien m­it seinen be­­scheidenen geistigen Kräften und beschränkten materielletritteln, das innerlich ziemlich zerfallen gewesen,lange m­it ferner die Gei­­ster absorbirenden staatsrechtlichen Frage zu kämpen hatte,­dessen nationale Bestrebungen erst vom Jahre 1848 datiren,hat sichtwtz der angehäuften,m­itunter wohl auch selbstverschuldeten Hemm­­nisse,im Laufe des letzten Dezenniums derart emporgereizt,da·fres heute darangeht,sich einen Tempel der­ Wissenschaft,eine Unver­­ität,zus eröffnet 1.Jahre lang wurde,und zwexrmttgu·temä·sierk­­tate an die Opferwilligkeit der Nation appellirt,bis wefretwclxt­­gen Beiträge für die­ Universität die für die Verhältnisse die­­ses Landes sehr bedeutende Summe­ von einer halben Million­­ erreichten. Aber an andere Hindernisse gab es zu­ besiegen ; es tauchte zunächtt die nicht leicht zu beantwortende Frage auf, woher die Lehrkräfte zu gewinnen? Doc auch dafü­r wurde größtentheils frühzeitig gesorgt durch die Vertheilung von Landesstipendien an begabte Landessöhne, die an berühmten Universitäten sich jenes Wissen aneigneten, welches erforderlich ist, um nun im eigenen Hause die geistige Kultur fortzupflanzen. Kroatiens Staatsmänner haben es endlich doch vermocht, dem Lande ein ausgiebiges Maß von Autonomie zu gewinnen, wie es größere und in jeder Bezie­­hung vorgeschrittenere Nationen nicht besigen, und im Bewußtsein dessen, daß unser Bundesgenosse mit Sympathie das Kulturstreben des Brudervolkes begleitet, kann sich Kroatien ruhig der Konsoli­­dirung der innern­­ Verhältnisse zuwenden, es können die Künste und­­ gebührend gehegt und gepflegt werden. V­­on der Erkenntniß der hohen Bedeutung eines­ Universität ist man denn auch bei uns allseits beseelt.Jedermann freut sich bereter und man wetteifert,dieselbe so würdig als möglich zu gestaten.Der akademische Festausschuß,das Juristens Festkom­ite waren schon seit Monaten mit den Vorbereitungen für diese Tage bemüht,und die Bürgerschaft und Intelligenz der Stadt nahmen hieran lebhaften Antheil. *) Denselben enthält unser Abendblatt vom 12. Oktober. Anmerf. b. Red. · .. Die ersten fremden Gäste waren die Vertreter der Ungari­­schen Akademie der Wissenschaften, die Herren Toldy Szan­­i­di, Dr. Römer, melche bereits Freitag in Agram eingetroffen und beim Greishof Mihalovics abgestiegen waren. Die Herren verfolgten nebstbei auch einen wissenschaftlichen 3ried, denn sie be­­sichtigten die hiesigen Bibliotheken, das Landesarchiv, hauptsächlich die berühmte erzbischöfliche Bibliothek unter der Führung des be­­kannten Kroatischen Pistorikers Präbendar Tzak­sics, dem sich auch no Domboherr Tallian beigesellte. Samstag besuchten die Herren für kurze Zeit die Landtagzeisung und besahen sich die Stadt. .».Samstag hüllte sich die Stadt ins Festgemand und traf um fassende Vorkehrungen zum festlichen Empfang der anfangenden Säfte. Bon den ijet mehren mächtige tritolore Fahnen, und eine feitliche Stimmung griff allenthalben Pla. Die Slica war dit mit Menschen gefüllt, und am Bahnhofe mußten die Zugänge zum PBerron zeitlich gespert werden, weil derselbe nicht mehr Men­­igen­­ fassen konnte. Mit dem Steinbrücher Zug langte der Berliner Gelehrte Dr. Gneist, der derzeitige Universitäts-Rektor, an und wurde vom Rektor Mefics und­ den Universitätsprofessoren warm begrüßt. Mefics drüdte seine Freude über die Ankunft des Gastes aus fernen deut­­schen Landen in dem Kleinen Kroatien aus, das jeit erit auf geisti­­gem Felde das beginnen könne, worin andere Nationen es bereits meit gebracht haben. Professor Gneist für den Empfang danzend, versicherte die junge Universität der Sympathien der bewtisen Hoch­­schulen und sprach den Wunsch aus, daß die junge Agramer mit der alten Berliner Universität in erfolgreiche Konkurrenz treten möge. · Mit dem Zäkanger Train langten wieder Pester Gäste und Bischof Stroßmayer an. Als der Zug sichtbar wurde, ertönten schon zahlreiche Zim­io- Rufe beim Einfahren des mit Fahnen festlich geschmühten Zuges, welcher Sektions-Oberingenieur Fu­c3 führte, war des Enthu­­siasmus sein Ende, und erst als Bischof Stroßmayer aus dem Coupe gestiegen war und sich der jubelnden Menge gezeigt fest wurde es stille. Barus Mazfuranicz reichte dem­ Bi- Hof die Hand, welche dieser kräftig sehüttelte. Sodann trat Bürgermeister Boncsina vor und richtete an den Bishhof folgende Worte: „Cm. Erzellenz! Im Namen der Bürgerschaft D­ieser Stadt, beehre ich mich, ihnen die Freude, der Bevölkerung über Ihr Theilnehmen an der Eröffnung desjenigen Institutes der Wissenschaft auszudrücken, welches Em. Erxzellenz zum Gründer hat. 63 waren trübe Zeiten über Kroatien gekom­­­men, ‚das gel der Künste und Wissenschaft lag brach, da regten Sie die dee an, in Agram eine Universität zu gründen und ma­n von der Crite, der doch namhafte Opfer den Grundstein hinzu legten. Die Frucht, welche Sie gefäet, it nun aufgegangen. Der junge Baum, der ihnen seine Griftenz verdankt, beginnt sich zu entwickeln und unser Land wird sich nun den Wissenschaften mid­­men künnen, indem w­ir uns glücklich fliägen, Em. Erzellenz bei der Eröffnung der von Ihnen gegründeten Universität in unserer Mitte zu sehen, sprechen wir den sehnlichsten Wunsch aus, daß Em. Erzellenz wo lange Jahre leben und die Früchte Ihrer Saat ven­sehen mögen !“ « Bischof Skroßmayer antwortete mit Thränen in den Auen, daß er sich glücklich fühle,der Eröffnung der kroatischen Universität b­eiwohnen zu k­önnen,welche unsere Nation,die so lange mit maß­­lichen Verhältnissen aller Art zu kämpfen hatte, in geistiger Hinsicht anderen Kulturdölfern nahe bringen werde ; das Berdienír­um das Bustandekommen der Hochschule gebühre jedoch nicht ihm, sondern der Nation allein, welche beharrlich gesämpft und mit vieler Mibe fid) diesen Tempel der Wissenschaft gegründet habe, ferner sei es die, nahe Sr. Majestät, welche­ die Universität in Agram sanktio­­nirte, und dem einflußreichen Wirken des Landeschefs Banıs Ma­ Tzuranics zu danzen, daß die Willenschaft sich auch in Agram eine Stätte gründen konnte. Der Bischof Schloß mit dem Wunsche, daß die Agramer Universität rasch aufblühen möge. Unter lauten Hochrufen betrat Bischof Straßmayer den Warte­­salon, wo ihm Rektor Mejics die Glühwünsche des akademischen Senats darbrachte und die Universität dem ferneren Wohlwollen des Bischofs empfahl. Sodann sprach der Präsident des Juristen- Weltausschusses Rechtshörer Do­ma und nach diesem hielt der be­­kannte Dalmatinische Abgeordnete im Wiener Reichsrathe, Dr. Michael Pavlinovics, namens der nationalen Partei Dalmatiens eine Ansprac­he an Straßmayer. Zur Tagesgeschichte. Zur Affaire Arnim liegt wieder ein ziemlich weiches Material aufgespeichert, aus m welchem, wir vorerst nur zweierlei Thatsachen hervorheben : erstens, daß nach den neuerlichen Mitthe­lungen offiziöser Blätter die Anklage gegen Arnim nur auf Landesverrath lautet, wie früher behauptet wurde; zweitens, daß die bekannte Erklärung des Gerichtspräsidenten Krüger von seiner Seite, auch von Seite der nationalliberalen Presse nicht, gebilligt wurde. Das Gesuch des Grafen Arnim wegen Freilassung aus der Untersuchungshaft it von dem Kammergericht aus folgende Gründen abgelehnt worden: 1. weil die Höhe der verwirkten Strafe nach den Paragraphen 133 und 348 des Strafgeseßbuches märtig nicht ermeßbar sei; 2. weil zu befürchten stehe, der Anges­­chuldigte werde die Freiheit zur Verdunkelung der Wahrheit und Erschwerung der Untersuchung mißbrauchen ;3. weil ärztliche Briva­zeugnisse nicht hinreichen, die Entlassung aus Gesundheitsrückicht zu rechtfertigen. » Au­f die bekannte Auseinandersetzung der,,Voß’schen Its­« über die Angelegenheit Arnim, bemerkt die „Nordd. allgeme­in die Darstellung sei ungenau und unvollständig . Weiteres will das Blatt jet nicht sagen und beschränkt sich nur noch auf die Be­sicherung, daß der Prozeß mit politischen und persönlichen Motiven nichts gemein habe. J Nach der „N. Fr. Br." haben wir eine Darlegung der Affaire Arnim reproduzirt, worin dem gegenwärtigen deutschen Botschafter in Paris, dem Fürsten Schönlebe, eine ziemlich­ z­werdeutige Rolle en wird. Daraufhin erhält das genannte Blatt folgende Shrift :­­ „Eine Original-Korrespondenz der „Neuen Freien Breffe” vom 15. b. M. veranlaßt mich zu­ nachstehender Bemerkung. Graf Arnim war bereits zur Disposition gestellt, als ich meinen offen in Paris antrat. Die Behauptung, daß die Anzeige über Unvoll­­ständigkeit des Botschafts-Archivs mit dem Austritte des Grafen Arnim aus dem aktiven Dienst in Caufal-Zusammenhang stehe, ist sonad­ irrig. Im Medrigen unterlasfe ich es, auf die gegen mich ge­richteten V­erdächtigungen zu antworten und begnüge mich, daran zu erinnern, daß es Pflicht jedes Beamten ist, bei seinem Amtsan­­tritte die Registratur, für welche ihm in Zukunft die Verantwortung obliegt, zu prüfen und von Unordnungen, die sich vorfinden, Anzeige u Bee = Aufsee, 14 Oktober 1874. — Chlodwig obenlohe.“­­ . « Den Besuch des deutschen Kaisers am Hofe des Könis vorhal­e11 ist für jetzt definitiv aufgegeben.Die,,Nordd.«A Ztg.«bringt darüber eine längere Mittheil an,worin es zu n·r heißt:,,Sofort nach der 11 so hocherfreulichen Besuche Sr.Majest des­ Königs vorhab­en am hiesigen Hoflager stand bei Sr M"­jestät dem Kaiser der Vorsatz,diesen Besuch möglichst bald im Isa­­lien zu erwidern im Isofester,als es sich nich­t losunpemesz kommene Courtoisie zwischen den Höfen,sondern zugleich um­ der Begrüßung­ eines nahe befreundeten Monarchen und nun eine er­« neute aeamn der auf den Sympathien und Interessen der beiden Reiche beruhenden Empfindungen und Bestrebungen handelte.” Indeffen­ halten Gesindheitsrücksichten den Kaiser für jegt von der are ab, die aber unwahrscheinlich im nächsten Sabre stattfinden werde. Einige­ Sensation erregt ein Brief Bismarck’8 an Neg­­nier, den Mann, der in Met eine fo­n­ysteriöse Rolle gespielt, der auch im Prozeß Bazaine als Zeuge vernommen und, vor kurz vom französischen Kriegsgericht eben wegen seiner Haltung bei Belagerung von Met zum Tode verurtheilt wurde. Regnier wart sich von London aus, wo er sich fest aufhält, an Bismarc, um si seine Unschuld bescheinigen zu lassen und der Reichskanzler an­tortete ihm folgendermaßen : · A und die große Zahl Ihrer Kompatrioten, «die mich verlästern und die mich mit Unrecht für einen Feind Frankreichs halten, m werden Ihnen einen Vorwurf aus dem machen, was ich allenfalls G­unsten Ihrer Person jagen könnte, . Nichtsdestoweniger nehme ich seinen Anstand, zu wiederholen, daß Ihr Vorgehen mir nie den Eindruck machte, als würden Sie von einem andern Motiv gelei­­tet, als von der muthigsten Hingebung für die Interessen Ihres un MEZET BAB - Zeit-Roman in vier Büchern von Max Ring. Drittes Buch. (15. Fortlegung.) Auch das Schöne Fest wurde bald wieder vergessen, troßdem auf Veranlassung des Herrn Klinger ein ausführlicher Bericht dar­­über in die Zeitungen kam, und Alles nahm wieder seinen ge­­wohnten Gang. Die Draperien, womit die geschwärzten Wände der Fabrik bekleidet waren, verschwanden, die meisen Kränze und Guir­­landen wurden abgenommen und ausgeführt. Die großen Säle und Hallen sahen gerade so Fahl und nüchtern wie früher aus, und statt des duftenden Puntsches dampfte und brodelte in der großen Küpe das dunkle Gemisch der aufgelösten Farben.­­Mieder ächzte die Nierenmangel, stöhnten die starren Pfeifen, freischten die Schrauben, Trirfhten die Räder und Walzen unter der Last ihrer Arbeit. Wieder lagen die Männer und Frauen in ihren Werkestagskleidern vor den verschiedenen Maschinen vom frühen Morgen bis zum späten Abend unablässig beschäftigt, nachdem sie ihren Rauch ausgeschlafen und das Fest vergessen hatten. Nur Eine hatte nicht vergessen und schwelgte noch immer in ihren Erinnerungen.Für das arme Fabriksmädchen bildete jener Abend den Glanzpunkt eines beschränkten einförmigen Daseins .Wo sie ging und stand,im Wachen und im­ Schlafen,sah sie noch immer den hell erleuchteten Saal,die glänzende Gesellschaft,die frohen Gesichter und vor Allem das Bild ihres heiteren,über­­würdigen Tänzers mit dem frischen Lächeln und den freundlichen Blicken,mit den lustigen Scherzen und den herzlichen Worten. Daran dachte sie auch jetzt wieder,Wo sie sich zu der schwarzen schweren Walze niederbeugte,um bald eine in den sie umgebenden ·Tüchern sich bildende Falte zu beseitigen,bald einen herabhängenden ·Faden abzureißen.Während sie mit dieser Arbeit beschäftigt war, fing Heinrich an ihr vorüber,ohne sich bei ihr aufzuhalten,nur ·mit dem Kopfe ihr freundlich zunickend,wie Einer,der sehr be­­schäftigt ist oder auch nur so thut. Seit jenem Feste hatten sich Beide nur flüchtig gesehen und nur einige gleichgiltige Worte miteinander gesprochen,da Heinrich es nicht für passend hielt,mit einem Fabriksmädchen in Gegenwart der anderen Arbeiter eine längere Unterhaltung anzuknüpfen,oder Qie sonst mit ihr zu scherzen,weil er sich dadurch den nöthigen Respekt zu vergeben fürchtete. Trotz seines Leichtsinns und seiner Sorglosigkeit war er­ zn ehrenhaft,um einen Liebeshandel mit einem solchen Mädchen anzu­ fangen,noch­ dazu,da er sich noch immer als den bestimmten Vers lobten seiner Cousine betrachtete Deshalb beachtete er seine Täns­zerin nicht besonders, außer daß er sie freundlicher als die anderen Frauen grüßte,und dazu sie anlächelte,ohne sich etwas anderes dabei zu dencken,als man sich beim Anblick eines Menschen zu den­­ken pflegt,mit­ dem man einige frühe Stunden verlebt hat. Weit tiefer und nachhaltiger war dagegen der Eindruck,den Heinrich ohne sein Wissen in dem Herzen des holden Kindes zurück­­gelassen hatte,daß der,,junge Herr««mit ihr den Kotillon getanzt, sie vor allen anwesenden Damen ausgezeichnet,sich so liebenswürs­dig gegen sie betragen,das konntes sie nie vergessen und wenn­ sie hundert Jahre alt geworden wäre. Diese Erinnerung machte sie glücklich und mehr verlangte sie nicht von ihm,da sie sich vollkommen des Abstandesbewußt way der den einzigen Sohn des reichen Besitzers und das arme Fa­­briksmädchen voneinander trennte.In ihrer Demuth war sie schon zufrieden,wenn sie ihn nur zuweilen sehen durfte,dankbar dafür,daß er sie grüßte und ihr zu lächelte,wie er dies ihr eben­ gethan. Unwillkürlich folgten ihm ihre Blicke,bis er hinter einem Pfeiler verschwand,an dem er stehenblieb,um dem Werkmeister einen Auftrag seines Vaters mitzutheilen.Aber die Fabrik ist kein geeigneter Ort für Liebesträume,die hier doppelt gefährlich sind, wo man die Artgen immer offen und den Geist wach erhalten m­uß, um nicht nur das Herz­,­sondern auch­ das Leben zu vers­lieren. Während das arme Kind sich seinen Gedanken überließ, hielt es einen herabhängenden Laden in der Hand, ohne zu kenter­­ten, daß er von der Walze ergriffen, sich vermirrte und immer fürzer und fürzer wurde. Grit als er ihren Fingern zu ent­­schlüpfen drohte, erkannte sie ihren Fehler, den sie dadurch wieder gut zu machen suchte, daß sie noch das kurze Ende schnell zu laffen suchte, bevor ihr dasselbe ganz entfliehen konnte. Dabei kam sie in ihren Gifer der Maschine so nahe, daß diese mit ihren feisen Zähnen, welche das zu bearbeitende Tuch ausgespannt erhielten, den losen Aermel ihres Kleides pacte und das unvorsichtige Fabritsmädchen mit sich fortzog. Erfchrochen über die ihr drohende Gefahr stieß die Unglück­­liche einen lauten durchdringenden Schrei aus, indem sie mit einer gewaltsamen Bewegung sich aus den Armen­ des jüdisschen Unge­­lheuers zu befreien suchte, das sie aber mit seinen eisernen Zähnen festhielt. Jeder Versuch sich loszureißen, bohrte nur die scharfen Seiten der Maschine tiefer in ihre Hand, weshalb sie vor Schmerz davon abstehen mußte. Die schwere Walze, welche zum Glühk noch in einiger Ent­­fernung stand und sich nur langsam fortbewegte, rühte nach und nach immer näher, gleich einer schwarzen Riesenschlange heranfrie­­hend, um ihr Opfer zu zermalmen. Nur noch einige Zoll und das arme Kind war verloren, wenn nicht schnelle Hilfe kam. Entfegt starrten die Arbeiter auf das furchtbare Schauspiel, rathlos, da keiner­ sich der Maschine zu nähern wagte, um ihr die Unglückliche zu entreißen, aus Furcht, von den foigigen Zähnen mit­­gefaßt zu werden. Der Raum zwischen der rollenden Walze und dem Mädchen betrug nur noch einige Linien, schon streifte die Walze die Fingerfelgen des von den Zähnen der Maschine gefaßten Armes, nur noch zwei oder drei Umdrehungen und das Unheil mal geschehen. Heinrich, durch das Geschrei des armen Mädchens und die Bermirrrung der Umstehenden herbeigerufen, erkannte sogleich die furchtbare hoffnungslose Lage des armen Kindes. „Ein Beil, ignek ein Beil!” rief er bleich vor Entfeen, doch mit der ihm eigenen Besonnenheit. Schaudernd beeilten sich die Arbeiter ihm das ge­wünschte Beil zu reichen, in dem Glauben, daß er zu dem grausamen Mittel greifen wollte, doch Trennung des ergriffenen Gliedes menigsten, das Leben der Unglückkichen zu erhalten, wie dies in ähnlichen Fäl­­­­len zumeilen geglüht war. , Selbst die muthigsten Dränner erbebten, als er mit nerviger Taufe das Beil erhob und zu einem unwuchtigen Hieb ausholte. Die Frauen schloffen die Augen, um nicht das schredliche Schauspiel anzusehen und die Kinder schrien und jammerten laut aus Angst. &3 war als ob Alle der Hinrichtung einer schuldlosen Märtyrerin beiwohnen sollten, ihre Herzen stohten und Viele waren einer Ohn­­macht nahe. Unmilitärlich strebten die Nächsten ihre Hände aus, um den erhobenen Arm des V­erwegenen zurückzuhalten. Alle zitterten, nur nicht das arme Mädchen, dem selbst der Tod von seiner Hand willkommen war. Laufend fiel jeßt das Beil herab, aber nicht auf die Hand der Unglücklichen, sondern auf das große Rad der Maschine, deren starren Treibriemen ein mehlgezielter Dieb durchschnitt, so daß die Walze mitten in ihrem Lauf aufgehalten, plößlich stehen blieb und nicht weiter rollte. Ein Säbelruf erschallte durch den weiten Saal. Aber noch wurde das Opfer von den Zähnen der Maschine festgehalten, aus denen es nur mit der größten Borsicht befreit werden konnte. Mit zerfleischten Arm, von Blut überströmt, endlich der Gefahr entrisfen, fant sie zusammenbrechend in die Arme ihres Netters, der neben der Ohnmächtigen niederf­iete und sie sanft­ umschlungen­­ hielt, bis sie nach einiger Zeit wieder­ die Augen aufschlug und ihm mit einem unvergeplten Blid für ihr Leben dankte. VIL - Seitdem Fräulein Wanda von Schnorrenberg den bheroi­chen Entschluß gefaßt hatte, "die Gattin des von ihr entzüdten Kommer­­zienraths Selden zu werden, verfolgte sie dies Ziel mit der ihr eigenen Klugheit und Beharrlichkeit, ohne jedoch in den Fehler einer ge­­­wöhnlichen Rosette zu verfallen. Nach wie vor beobachtete sie gegen ihn jene ihm imponirende vornehme Zurückhaltung, nur daß­­­­ « sie damit eine geschich angebrachte Hochachtung für ihn heuchelte wodurch sie feiner Gitelfeit schmeichelte. Ohne ihr Benehmen gegen ihn unwesentlich zu ändern, fehlen sie ihn doch vor den anderen Männern besonders zu bevorzugen, indem sie nach und nach ihre bisherige Kälte und Schroffheit in seiner Gesellschaft fgmwinden ließ, wogegen sie ihre übrigen Verehrer und besonders den Grafen Biberstein mit fast auffallender Gleichgiltig­­keit behandelte, worüber der Kommerzienrath eine geheime Freude empfand. In der feinsten Weise gab sie ihm bei jeder Gelegenheit 3 verstehen, daß die faden Komplimente­­ der gewöhnlichen Anbete sie langmeilten, daß ihr Selden’s Gediegenheit unwillkürlich impo­nirte, und daß seine gehaltvolle Unterhaltung sie ganz anders interessirte, als das frivole Gesdhmäß der übrigen Gesellschaft. Natürlich mußte eine solche Bevorzugung die schon vorh dene Neigung nur noch steigern und den entzüdten Kommerzienrath in seinen Wünschen und Hoffnungen bestärfen. Dennoch zögerte er noch immer, das von ihr erwartete Geständniß zu machen und sich öffentlich um Wanda’s Hand zu bewerben, da ihn manche ge­wichtige Bedenken von einem so verhängnißvollen Schritt zurü­ckhielt Der Gedanke an seine Familie, besonders an seine erwach­senen Kinder, verschiedene Gerüchte über Wanda’s Ruf und übe die zerrütteten D­ermögensverhältnisse ihres Vaters, in welche ihm nicht ganz verschwiegen bleiben konnten, ein geriisses bürgerliches Ehrgefühl, das er dabei nicht ganz unterdrücken konnte, die Erinne­rung an seine verstorbene Frau, die Traditionen seines Hochgeachz­ten Hauses, die Furcht sich lächerlich zu machen, warnten ihn einer solchen, immerhin gewagten Verbindung. = Mehr als dies Alles aber quälte ihn der Zweifel an Wanda’ Liebe, die ihm trot der vielfachen Beweise ihrer Achtung noch im­mer höchst problematisch erschien. So verblendet er auch war, ga ez do Augenblicke, wo ihm sein natürlicher Verstand sagen mu daß eine so shöne, geistvolle aristokratische Dame wie Wanda v Schnorrenberg, die von Anbetern und Verehrern umschwär wurde, [hinwerlich einen weit älteren Mann, einen Witwer und Va­ter zweier erwachsener Kinder, wahrhaft lieben und allen ande Bewerbern vorziehen wü­rde, wenn sie sich nicht durch die mater­nen Sinteressen, durch seinen Reichtum und die damit verbundene Bartheile reizen und bestimmen ließe, oder ihn vielleicht gar­­ dazu benügen wollte, um ihren zweideutigen Ruf durch eine sold Verbindung wieder herzustellen. Gegen eine derartige Rolle empörte sich sein Stolz­es starres Selbstgefühl, das Bewußtsein seiner Wilde. Nur aus die­sem Grunde zögerte er von Tag zu Tag mit der Entscheidun­ghmwandte er noch immer, ob er sich zurückziehen und die verführe­­rische Gesellschaft meiden oder seiner Neigung folgen und um Wanda’s Hand anhalten sollte. = (Sortiesung folgt.) RR

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