Pester Lloyd - Abendblatt, Juni 1875 (Jahrgang 22, nr. 122-146)

1875-06-03 / nr. 124

ABENDBLATT DES PESTER (Einzelne Nummern 5 Fr. In allen Vierschreiglotalen.) «­ MA IN SG 77 im Schoße sämmtlicher Ministerien wird fleißig an den Vorarbeiten für die dem­ nächsten Reichstage zu unterbreis­e­nden Vorlagen gearbeitet. Die­ Regierung wird — mie „Re­im” vernimmt — nicht mit einem lange Zeit beanspruc­henden­ " Arbeitsprogramm vor den Reichstag treten, sondern beschränkt sich auf die Vorbereitung jener Gegenstände, deren Erledigung die „Aufgabe der ersten Gression des N­eichstages bilden sol. In den der Regierung nahestehenden Kreisen herrscht die Ansicht vor, daß, n­achdem durch die U­mgestaltung der Parteiverhältnisse die Arbeits­­lhigkeit des­­ Reichstages in großem Maßstabe gesteigert wurde, die d­ie sowie die folgenden Gessionen desselben nicht Länger als sechs Monate dauern werden und sich die sowohl für die Regierung als für die Abgeordneten so lästigen und nachtheiligen zehn- bis elfmonatlichen Situngsperioden nicht mehr wiederholen werden.­­ Die vielseitige Inanspruchnahme des A Justizministers macht es demselben unmöglich, den Plan zu verwirklichen, wäh­­rend der Parlament zierien im Lande eine Mundreife zur Inspizirung der Geb­chte erster Instanz zu unternehmen. Wie , Reform" erfährt, wird der Richter am Obersten Gerichts­­hofe Emerich GSzentgyörgyi im Auftrage des Ministers bei den siebenbürgischen Gerichtshöfen diese Aufgabe erfüllen. sz Bezüglich der Inangriffnahme der Katastral-Arbeiten hat das Finanzministerium — wie " Ellener" mittheilt — bereits umfassende Instruktionen an die Munizipien, Gemeinden und dies Katastral-Organe überhaupt gesendet, in welchen speziell der Wir­­kungskreis und Die Agenden der Bezirks und der Gemeinde- Schälungs-Kommisionen um­schrieben wird. Den ersten Theil der Arbeiten bildet die Prüfung des gegen­wärtigen Zustandes der an­fangs der fünfziger Jahre aufgenommenen grundbücherlichen Pro­­tokolie, worauf dann die Rektifizirungsarbeit beginnt. Desgleichen hat das Finanzministerium auch schon die Instruktionen für die nach den neuen­ Steuergefegen vorzunehmenden Steuerrepar­­tirungs-Arbeiten verfaßt und versendet. Gegenwärtig ist das genannte Ministerium hauptsächlich mit der Zusammenstellung des 1876er Budgets beschäftigt. — Ein bedeutender und überaus werthvoller Theil der Archive der gewesenen ungarischen und siebenbürgi­­schen Hofkanzlei und Hofkammer befindet sich auch rehr noch in Wien in den Archiven der einzelnen Ministerien unter dem Titel „Hungarica“ und „Transsylvanica“ zerstreut, so z. B. die auf Militär- und Grenzangelegenheiten bezüglichen Akten im ge­­meinsamen Kriegsministerium, die auf Rost-, Handels-, ja auch auf interne verwaltungspolitische Angelegenheiten bezügliche im Mi­­nisterium des Innern. Da einzelne prozessirende Barteien in unserm Baterlande häufig in die Lage kommen, eines oder das andere dieser Aitenstude zu benöt­igen, so bleibt ihnen nichts Anderes übrig, als die fostspielige Reise nach Wien zu machen, wo ihnen die Einsichtnahme oft sehr erschwert, ja mitunter gar nicht zu erreichen ist. Die ungarische Regierung — bemerkt „Reform“ — würde daher dem Lande einen patriotischen Dienst­­ leisten, wenn sie diese Dokumente, die zum großen Theil auch von historischem und kulturgeschichtlichem Werthe sind, von Wien herabbringen und dem Landesarchiv einverleiben lee. man nein mean mn men n­ ]— . Szalay. Im Tipalciker Bezirke des Szabolcser Komitate­s­ Bolef Szo­m las der Kandidat der liberalen Partei; im Bog­­danyer Bezirk­ Fandidirt die „Staatsrechtliche Opposition” Johann Zoltan; im Källaer Bezirke treten drei oppositionelle Kandidaten auf: Ros Kallay, Johann Nagy und Alois gátló In Sünffichen it­at Nagy, im Pecz­­vardaer Bezirk­ Simorsay der Kandidat der Unabhän­­gigkeitspartei. ı Mohács kandidirt die Liberale Partei den Stuhlrichter L­ey. »» ·­­ Zur Partei- und Wahlbewegung. ‚De Ausschuß des Sdempliner Komitats hat — mie man dem „Hon“ aus ©.-A.­Ujhely telegraphirt — in der am 2. b. M. abgehaltenen Sigung an die Regierung eine Ver­trauensadresse, zu Senden beschlossen. . Wie mir erfahren, beabsichtigt der Richter am hiesigen Fön. Gerichtshofe Herr Kornel v. Emmer in Tirnau als Kandidat der liberalen Partei aufzutreten. — Aus dem RKäsmarfer Bezirk wird uns geschrieben, daß am 30. Mai eine­ zahlreiche Deputation unter Führung des Herrn Georg v. Syafmary nach Groß-Lomnig 309, um dem dortigen Gutsbesiger Herrn Aegi­­d­ius v. Berzevschy die Kandidatur anzubieten. Dieser nahm die Kandidatur an. — Man schreibt uns aus Kula voml. uni: Am­ heutigen Tage hat hier die Fusion der zwei Parteien — früs­e­re Linie und et eninadat — des Verbäßer Wahlbezirks statt­­gefunden und hat sich die neue vereinigte ‘Partei als liberale Mer gierungspartei. fonstituirt. Die zu diesem Wahlbezirk gehörigen Gemeinden waren zahlreich vertreten. Die Konstituirung der neuen Partei, so­wie ein­­ Vertrauensvotum für die Regierung wurde der­­selben auf telegraphischem Wege zur Kenntniß gebracht. Ferner wurde an unseren bisherigen Reichstags Abgeordneten Herrn Lud­­wig Bärman von den versammelten vereinigten Wählern die­­ses Wahlbezirk telegraphisch eine Vertrauensfundgebung abgesandt und derselbe aufgefordert, auch für den­­ nügsten Reichstag die I­­d " Gageswenigkeitet. (ernannt) wurden­ vom Justizminister Anton S d­er­a­­vita zum Kanzlisten beim Dettaer Bezirfsgericht; vom Buda­­pester Ober-Staatsanwalt Leopold Oesterreicher zum Kerfer­­meister beim Temesvárer Gerichtsgefängniß ; vom Finanzminister Son. B Paulovics zum Fiskal der­ Csatad-Szöreger Aerarius­­herrschaft ; von der Szegediner Finanzdirektion Karl Rainer zum Tabalverlags-Kontrolor und Hugo Weißkopf zum Se­gediner Steueramts-Kontrolor 3. Kl (Nc»imensänderungen.)Die Bewilligung zur Um­­änderung ihres Zunamens erhielten:die Raaber Einwohner Lud­­wvig Schu­ltzerin»Somorjai«und Ignaz Frischm­ann­ in»Serenyi«».»­­» (Quiti»irt)haben Dr.Alex­ander Klein,Regiments­s­arzt und Sebastian Stanic,Hauptmann im Beurlaubungs­­stande der»Honve­darmee. »Ein neues Postamt­»für die Beförderung von Brief-und Fahrpostsendungen trat in der Gemeinde Zemeni­dorf(Zemenye)des Oedenburger Komitats am­ 1.Juni ins Leben,zu»dessen Bestellungsrayon die Gemeinden Hierm(Felper­­salu),Klein-Frauenheid(Kis-Bordogaspony),AntauC Otto vo Pet­­telsdorf(Petőfalva),­Stöitera(Stodra),Kronsdorf(T»oi­ niasalu) und Zemendorf und dithermer Pußta und Zuckerfabrik gehören (Ori­entalisch»e Rinderpest.)Nach den bis zum 25.v.M.»reichenden offiziellen Berichten herrschte auf demk Gebiet der ungarischen Kronländer die Seuche nurm­ehr in der einzigen Gemeine Letovanic(Agramer Kom.)und ist sie«daher,da auch die österreichischen Provinzen seuchenfrei,in der ganzen österr.-ungar. Monarchie auf diesen einzigen Punkt beschränkt. (Der Minister des AuswärtigerO Graf Julius Andrássy ist nach einer Meldung des»Fremdenblatt«vom König Alfons zum Granden von Spanien ernannt, worden. Der neuernannte Großprobst des Erlauer Erzkapitels Nik­olaus Lengyel­ wurde am 31. Mai als solcher installirt. Die Installationsfeier vollzog — wie „er lenker“ berichtet — Bischof Johann Danielit. Gedeon Mindpenty schrieb aus diesem Anlaß ein vorzügliches­ Gelegenheits Gedicht. Zum Abrlaufe der h­interlassenen Schrif­­ten Szechenyis­ hat Baron Simon Sina, dem „Naplo“ zufolge, mit wahrhaft fürstlicher Munifizeng d­reitausend Gulden gespendet. Sina­ hat in dieser Angelegenheit folgenden Brief an den Grafen Lonyay gerichtet: „Lieber Freund! 34 theile vollständig Deine Ansicht, daß die Grmwerbung der hinterlassenen Schriften des­ verewigten Grafen Stefan Szechenyi für die Nation eine unerläßliche Aufgabe u­. 54 freue mich besonders, daß Du zu diesen Zwecke die Initiative ver­­griffen hast. Gerne trage ich meinerseits zur Erreichung dieses edlen Bieres meine geringe Gabe bei und obwohl ich bis fest seinen Substriptionsbogen erhielt, habe ich doch die Verfügung getroffen, daß für mich zu diesem Zweckk bei dem Ung. Boden­kredit-Institute 3000 fl. ausgezahlt werden. Ich hoffe Dich bald bei mir zu sehen, bis dahin empfange meinen freundlichen Gruß und den Ausdruch meiner Hochachtung. Wien, 1. Juni. Dein Freund Sina. taple" erwähnt, daß Baron Sina in dem Briefe, in dem er die Auszahlung der 3000 fl. anordnet, die Bemertung macht, er trage freudig zur Erwerbung dieses nationalen­­ Literaturfchages um so lieber bei, da sein Vater zu dem Grafen Szechenyi in inni­­gen Beziehungen stand. Diese patriotische That schließt sich würdig den glänzenden Verdiensten an, die sic Baron Sina ídon bisher um die Förderung der nationalen öffentlichen Angelegenheiten er­worben hat.­­Eine rechtshistorische Gesellschaft is, wie „Naple“ erfährt, hier im Entstehen begriffen, an deren Spibe der Zuder Guriae Georg v. Majláth steht. Die Gesellschaft sol nach dem Muster der Kisfaludy-Gesellschaft organisirt werden. Ihre Aufgabe wird "in der Pflege der heimischen Rechtsgeschichte und der kritischen Beobachtung der Entwicklung unserer Rechts“ Literatur bestehen. Mit der Ausarbeitung der Statuten wurde der Redakteur des „Sogt. Közlöny“, Alexander Darday, betraut. Im Herbste fd­ sich die Gesellschaft Konstituiven, an deren Mir­jamfeit sich große Hoffnungen bezüglich der Entwicklung unseres­­Rechtslebens und Rechtswesens knüpfen. In der Theresienstadt­ findet heute in den Lo­­yalitäten der Horn-P­artei eine Konferenz statt, an welcher nicht blos der Ausschuß, sondern jeder Theresienstädter Wähler theilneh­­men kann. Aus­ der gestrigen Generalversammlung der hauptstädtischen Repräsentant) erzählt das „Neue Peter Kournal” folgende Episode : Die Herren Stadtväter befanden sic in der heutigen Ge­­neralversammlung in ganz besonders heiterer Stimmung. Die frohe Laune, welche unsere geehrten Stadtväter erfaßt hatte, äußerte sich besonders bei der Behandlung der Frage, ob­gleich den Kaffeehausbefigern auch den Gastwirthen die Trottoir-Benäsung­­ erlaubt werden könne. 63 entspann sich hierüber eine Debatte, während welcher die heitere Laune der Herren N Repräsentanten ihren Kulminationspunkt erreichte und in förmlichen Lach-Salven fi äußerte. Große Heiterkeit erregte bereits das von Herrn 3.­­ Weiß vorgebrachte Argument, wonach man der ärmeren Bevöl­­kerung nicht verwehren könne, beim Glase Wein oder Bier frische Luft zu genießen , wird doch auch den Sträflingen gestattet, eine oder zwei Stunden in frischer Luft sich zu ergehen. Als dann der Repräsentant Markus gegen das Motiv, in den Wirthshäusern könnten Teicht Ausschreitungen geschehen, seine Ansicht dar bin äußerte, Ausschreitungen erfolgen nur seitens Betrun­­fener , und er wille es , daß die Betrunfenen­­ gemöhn­­­ig nah geworfenen Gasthausfreuden ins Kaffeehaus wan­­dern, da erxicholl ein geradezu bomerisches Gelächter, und von­­ allen Seiten wurde ihm die Trage zugerufen, moher missen Sie denn dies? Markus ließ sich aber nicht aus dem Gleichgewicht bringen und erklärte ruhig, nicht, aus eigener Er­­fahrung, was natürlich ebenfalls stürmische Heiterkeit, hervorrief. Herr Andreas Tarapi konnte natürlich bei einer derartigen Debatte nicht den ruhigen Zuhörer abgeben. Er wendete sich mit großer Energie besonders gegen das Argument, daß, erfolge die Erlaubniß der Zrottoiv-Benügung, durch die hiebei sich ergebenden Abfälle und Unreinlichkeiten die öffentliche Gesundheit gefährdet werden könne. Man sagt — ruft Zavapi pathetisch aus , daß durch die Bewilligung der Zrottoir-Benegung, gemilse Gerüche entstehen. Gerüche sind sehr relativ. (Heiterkeit) Gerüche sind eben Ge­schmadjade. (Stürmische Heiterkeit.) Die Ginen lieben das PBatschouli, den Duft der Orangen; die Anderen ziehen den Duft eines guten Rostbratend oder Bapritás vor. 34 muß offen ge­­stehen, ich stimme mit den Legieren. (Lange andauernde, st­rmische Heiterkeit.) Aus den angeführten Motiven spricht sich Herr Tavapi für, die, Ertheilung der Erlaubnis aus. Ganz anderer Meinung it Herr Zmeskal. Derselbe ist überhaupt indignirt über den Ton, den die Debatte angenommen und erklärt mit lauter Stimme: „Ich protestire gegen die Noftbraten-Dotive und Ba­pritäs-Argumente des Heren Borredners. Ach will ihm seinen Ge­­schmach nicht streitig machen, aber ich glaube denn doch, daß Moft­­braten und Bapritás, nicht vor ‚die Generalversammlung an Man kann si denken, welch stürmisch heiteren Widerhall dieser Protest nach fi zog. Herr Zmesfal blieb aber bei dieser Verwah­­rung nicht stehen. Er wendete sich gegen das Argument, daß man bei den schlechten Zeiten das Einkommen der Gastwirthe nicht schmälern dürfe. Man tragt über schlechte Zeiten — ruft Herr 3mestal — wenn die Zeiten so schlecht sind, warum gehen die Leute ins Wirthshaus ? Und wenn sie [hm­ ins Wirthshaus gehen, warum ihnen die Sache so fommod machen und ihnen das Wier­­glas für mich auf dem Trottoir entgegentragen ? Man kann si denken, daß diese Argumentation nit darnach angethan war, die rumorenden Lachgeister zu bannen. In solcher Stimmung durften die Gastwirthe natürlich nicht betrübt werden und so wurde die Trottoir-Benügung mit großer Majorität bewilligt. Under Margareth­en-Insel-Brücer wird soeben der fette Bogen montirt. Bis gegen Ende dieses Monats dürfte auch diese Arbeit vollendet sein und mit den Brücentöpfen begonnen werden. Jener Brüdentheil, welcher dem ursprünglichen Plane nach auf die Margarethen-Insel führen sollte, wird der großen Kosten wegen erst in späteren Jahren erbaut werden. (Selbstmord im Berliner Börsensaale.) Die Berliner Produktenbörse war am 1.Juli der Schauplatz sehr an­liegender Szenen.Eine Reihe von Firmen hatte,wie wird er ,,«7Jiordd.Allg.Ztg.«entnehmen,eine sogenannte»Schwänze«­in Hafer in Scene gesetzt,welche an x genannten Tage den Preis von 194 auf 210 hinaufschnellte, während Hafer per Mai-Suni mit 160 zu haben, so daß ein Deport von ca. 50 M. per Wispel er­ftirt. Der Getreidehändler Wilhelm Münsterberger, seit Jahrzehnten Mitglied der Berliner Börse und als solches ziemlich angesehen, sah sich durch Diese plönliche Preisschwankung vollständig zuintrt und außer Stande, seinen Verpflichtungen betreffe der Differenz­­zahlung nachzukommen, da er, wie man wissen will, ziemlich bedeu­­tende Bailfe-Engagements in Hafer eingegangen war. In Folge hievon nahm IR. in der Börse eine Dosis Cyankali, um seinem Leben ein Ende zu machen. Der Vorgang wurde sofort bemerkt, da Herr M. in fonvulfivische Buchungen verfiel und bald war ein Arzt zur Stelle geschafft. Here M. wurde aus dem Börsensaal hinaus­­getragen und außerhalb desselben waren der Arzt und helfende Stunde nachdem er das Gift genommen, war Herr M. eine Leiche. Die Aufregung, welche diese Katastrophe hervorrief, war erkpär­­licherweise eine ungeheure und hemmmte zeitweise nicht nur an der Produkten­, sondern an an der Fondsbörse das Geschäft gänzlich. Das Börsenkommissariat sah sich sogar genöthigt, die Produkten­­börse kurz nach 2 Uhr räumen zu lassen, da man an den Vertre­­tern jener Sym­men, welche die „Schwänze“ inszenirt hatten, Lynd­­­jastiz üben wollte und sie dadurch zwang, die Börse zu verlassen. Namentlich geschürt war die Aufregung durch die Nachricht, daß der Verstorbene noch gestern Vormittags die Arrangeure der Be­­wegung flehentlich gebeten hatte, ihn bei einem schon ziemlich hoch normirten Kurse aus seinem Engagement zu entlassen, was diese indeß abgeschlagen haben. Herr M., der seine Familie hinterläßt, it das befragenswerthe Opfer einer jener ge­waltsamen spekulativen Bewegungen geworden, welche, wie das genannte Blatt sonftar­tirt, von Zeit zu Zeit die Getreidebörse in Schreden verlegen und fast niemals ohne bedauerliche Opfer zu fordern inszenirt werden. —., Karl Hugo’s „cantomimische Akademie”, welche gestern Abends im Stande war, den Kleinen Nedoutensaal in so vorge­­rückter Jahreszeit mit einem distinguirten Publikum zu füllen , be­­wies schon Dadurch semwohl ihre exzeptionelle Natur, als auch das Genie ihres Unternehmers , der es verstanden, an der Schwelle der Hundstage eine so große Partie von Entreebillets abzufeten. Die Erwartungen des Publikums, das sich zum Theil noch an die einstigen „automimischen“ Leistungen Karl Hugo’s erinnerte, waren begreiflicher­weise hochgespannt, aber sie wurden seineswegs ent­­täuscht. Die , Gantomimit" läßt, was Niedagewesenheit betrifft, nu­r zu wünschen übrig und die italienischen Blätter haben seiner­­zeit sehr unrecht gethan, eine Kunstweise so spöttisch zu behandeln, welche in einer sehr fernen Reitepoche, — vielleicht wenn die Wagner’sche „Zukunft“ sich fon überlebt haben wird, — in der Oper möglicherweise auf die Tagesordnung gelangen dürfte. Daß es Karl Hugo an Stimme nicht fehlt, ist seit jeher bekannt, nur konnte man mit Grund annehmen , daß sie den ersten Schmerz der Jugend­ton eingebüßt haben würde; dem mar aber nicht so, die Zeit ist über diese Kehle spurlos hinweggegangen und ihr Gesang flingt heute nicht unmelodischer als vor zwei Dezennien, im­ Gegen­­theil hat sie durch rationelle Gymnastik sich zu einem Umfang er­weitert, der selbst Sänger von Profession in Erstaunen fegen muß. Was ein begeisterter Zuhörer jeder zweife sagte, daß nämlich Hugo’s Stimme „vom tiefen Dach bis zum hohen Geis“ reiche, ist buch­­stäblich wahr, denn sie vermag in allen Lagen „ohne Unterschied des Glaubens und der Religion“, von der Kontra-Oftave bis zu der zweigestrichenen Oftave, ohne Anstrengung zu singen und schön zu sein. Hat man in einem Moment den tiefen Bak Lablad­e’s zu hören vermeint, so wird man im nächsten, wenn der Ausdruch es fordert, möglicherweise an den hellen Sopran der Nilsson erinnert werden. Er springt in die Augen, welche ungeheure Vortheile ein Sänger aus so seltener Stimmanlage zie­­hen kann, wenn er das Talent dazu besigt und nebenbei über eine gediegene Gesangstechnik verfügt, melde, zwar nicht nach verfnd­­derten Schulregeln, aber aus des Sängers eigener Intuition heraus, als wäre der bel canto ihm angeboren, mit feingedrechselten Koloraturen, in Silber gegossenen Solfeggien, schwindelerregenden Zriffern in höchster Höhe und Piatti’schen Staccati F ebenso Leicht umspringt, als sie andererseits die Schönheiten des getragenen Gesanges, das Seelenvolle der Gantilene zum ergreifenden Aus­­druch zu bringen weiß. Wie der „Santo“, so­ll auch die „Mimi“ des ersten Gantomimikers eine in ihre Art einzige. Eine gewaltige Leidenschaft pulfirt in ihren Bewegungen und tropfen, weiß Der Künstler mit größter­­ schauspielerischer Umsicht alle zufälligen Behelfe in seiner Nähe, die Ehe des Klaviers wie die hinter ihm wagende Säule, den gefährlichen Hand des engen P­odiums so­wie das verhüllende Mysterium einer spanischen Wand effektvoll aus­­zunügen. Durch das K­ostüm sogar weiß er den Charakter der betreffenden Piecen eindringlichst zu betonen, indem er den sywar­­zen Rad, das schwarze Beinkleid und die weiße Weste zwar überall als Grundlage beibehält, die Arie des Nemorino aber mit vorher, die de3 Glvino mit kaffeebrauner Krawate und aufgestreif­­ten NRodärmeln singt, während er als Arnold Skravate und Hemdfragen ganz ablegt. Wir haben bereits erwähnt, daß die Sensation, welche der Künstler mit jeder einzelnen Piece erzielte, eine ungeheure mar. Gleich die er­ste, zwei Zeilen von Dante, welche er hinter der spanischen Wand unsichtbar sarg, mußte er viermal wiederholen, wobei es hochinteressant ist, daß er jedesmal eine ganz neue Variante brachte — ein N Reichthum der musilas lischen Arer, wie­ er nicht oft gefunden wird. In der Romanze . " Ein Ehestandsdrama. $toman in vier Theilen von. Franz v. Nemmersdorf. Bierter Theil. (76. Fortlegung.) »Eine kurzelInterredung,Bar­on v.Uchtenhagen,­­bat der eben eingetretene Abbe von Javon,der in der Nähe in einem geistlichen Hause lebte,wenn er nicht eben in einer Mission thätig war,und welchen die Frauen vom­ h.Herzen berufen hatten.“ Albert folgte der Einladung,Darinka hing sich ängstlich an den Arm ihres Freundes. „Er wird Sie bereden, wie er meine Mutter bered­te. Viel­­leicht macht er auch Sie ultramontan.” „Kaum! Bleiben Sie bei mir, Darinka, und seien Sie ruhig.“ „Sie kommen, um Darinka diesem Hause zu entziehen ?" begann Hexfules. „Sa“, entgegnete Albert, „es it der ausgesprochene Wille der jungen Dame, ich bin mit allen gefeslihen Bollmachten dazu ausgerüstet.” „Ich halte Sie für einen ernsten Mann, Baron v. Ud­en­­hagen, für einen solchen, der das Leben nit als Luftpartie ansieht.“ „Sewiß nicht, sondern ich glaube, daß der Mensch an sitt­­liche Regeln gebunden sei und daß er eine Pflicht zu erfül­­len habe.” „Wenn dem so ist, dann beschwöre ich Sie, lassen Sie Da­­rinfa hier. Was sol ihr die falsche Welt gewähren ? Warum mol­­len Sie das Mädchen dem süßen Frieden dieser heiligen Mauern entreißen ?" „Aber ich will nicht bleiben!“ rief Darinka dazwischen, durch Albert’ Gegenwart ermuthigt, „und mit dem süßen Frieden der Nonnen ist es schlecht bestellt, sie streiten fortwährend unter­einander“. . . .,verblendete,Sie gleichen dem jungen das Nest verlassen den Vogel,der mit gelähm­ten Fittigen wiederkehrt.In der Welt dro­­hen dem Heile Ihrer Seele tausend Gefahren,denen Sie hier entgehen.“ „Darauf lasse ich es ankommen”, erwiderte Darinka. „Hoch steht die Ehe“, fuhr der Abbe fort, „aber höher noch die Entsagung, seine Gattin, seine Mutter der Erde fommt der Braut Christi gleich. In den Klöstern entspringen die die Welt be­­­­fruchtenden Gnadenquellen.” „Hier ist der jede Vereinigung zwischen uns unmöglich ma­­chende Punkt, Abbe. Es kann keiner mehr leisten, als seine Pflicht ; es vermag Niemand besser zu handeln, als vernünftig.” „Recht so, Uchtenhagen , ich will bheirathen und glück­­lich sein.“ Herkules von Javon feufzte tief. „Sehen wir", mahnte Darinka. Die Nonnen sahen sie scheiden mit einem Gemisch von Ent­­reßen und­­ Neid. Darinta jubelte auf draußen in der Luft der Freiheit, jen­­seits der finstern Klosterpforten. „Mein Befreier ! mein Retter !“ rief sie wieder und schlang die Arme um Albert’s Hals. Er entzog sich ernst ihrer Umarmung. „Was ist Ihnen? Sind Sie böse?" fragte Darinka be­­fremdet. „Rein, mein Kind, aber ich bitte Sie, seien Sie minder leb­­­­haft, minder ausdruchsvoll in Ihren Freundschaftsbezeugungen.“ Darinka Scmollte, sie saß sch­weigend im Wagen. Auf der ganzen Reise wechselten die Ausbrüc­he von Zärt­­licheit mit Anfällen von Unmuth bei dem jungen Mädchen. Al­bert wies die ersteren sanft und fest zurück, duldete die legteren ihm eigend. So erreichten sie Venedig. Die Uhtsenhagen’sche Gondel hielt bei dem Palazzo Parr­­ecipazio. „IH bringe Sie zu einer Dame, bei der Sie wohnen sollen, Darinfa”, verjegte Albert. „Warum nicht bei Ihnen ?" ermwrderte das junge Mädchen. „Weil dies den Anschauungen der Welt nicht entspräche.“ „Aber was kümmert mich die Welt! ich mill bei Ihnen bleiben ! ich liebe Sie !“ Slühendes Roth, flammte auf den Pfirsichwangen, die Augen birgten. „Darinka, Sie sind flug und gut, ich will Ihnen ein Ge­­heimniß anvertrauen, das nie noch meine Lippen überschritt. Auch ich liebe, liebe seit Jahren und die Frau liebt mich, doch sind wir durch die Verhältnisse von einander geschieden und tragen schwei­­gend, was wir nicht ändern künnen.“ Die Wangen des Mädchens erbleichten, das euer der Augen erlossch. Darinka war auffallend ihm weigsam und niedergeschlagen, als sie mit Albert bei Adriana eintrat, Lettere blickte unzufrieden auf das Mädchen. „Sonteffa“, sagte Albert, sich über Adriana’s Hand neigend, „dies Kind übergebe ich Ihrem Schuß.“ „Sie sol mir theuer fein als ein von Ihnen anvertrautes Gut", murmelte Adriana bewegt. Die Gazellenaugen flogen neugierig von ihm zu ihr. , Adriana ist es, welche Albert liebt“, dachte Darinta. Ungern nur richtete sie sich in der Häußlichkeit ihrer­­ Nebenbuhlerin ein. Ungern nur empfing Adriana den jungen Gast, aber es gab einen Willen, mächtiger als der von Mädchen und Frau, der fesselte sie Beide. 42. Was bindet Sie noch? An einem Aprilschauer von Thränen erlosch die junge Liebe aus Mangel an Nahrung. Darinka gewann die reizende Heiterkeit ihrer Jahre zurück, sie tanzte auf den Bällen, sie freute sich ihres Eifersüchtig bemachten die Augen der Gran im Anfange den Mann und das Mädchen. Aber auch der der Liebe geschärfte Talfenbli vermochte nichts wahrzunehmen. In Scham ging die Eifersucht unter. Hatte Adriana ein Not, an Albert zu zweifeln ? Sanft glitten die Monate dahin in trügerischer, dem Glücke gleichender Ruhe. Der kleine Bad­o begann hinzuziehen.­­­­Darinka liebte das Kind,sie trug es aus den Armen sie wiegte es in den Schlaf,sie gehörte zu den weiblichen Wesen,in denen der Muttersinn instinktmäßig lebt. Adriana vermochte diecheunde ihren Kummer wegen des Kindes des Andern nicht anzuvertrauen.Er war immer ein wenig scheu in Bezug auf Paolo. So kam es,daß sie sich jetzt weniger als sonst sahen. Auch war Adriana,um bessere ärztliche Pflege für Paolo zu haben,von dem Landausenthalte rasch wieder in die Stadt zu­­rückgekehrt.Albert lebte auf seinem Schlosse in den euganäischen­­ Hügeln,bereiste seine steierischen Eisenwerke,daher fanden sie sich auch räum­lich getrennt. Bald vereinigten sich Adriana’s und Darinka’s Thränen um­­ den kleinen Paolo. Mit dem Ende des Knaben schien auch das letzte,die Gatten verknüpfende Band zerrisse ,,Was bindet Sie noch?««fragte Cavaliere Costa,nachdem sich Adriana’s Schmerz etwas gemildert hatte. «Nichts«,entgegnete sie,,,jede Vereinigung mit Otto ist die drückendstcissel,sie beschämt mich und macht mich unglücklich, wer mich von ihm befreite,wäre mein bester Freund.«« »Hätten Sie früher meinen Rath befolgt,machten Sie sich damals gänzlich von ihm los,so ersparten Sie sich vielleid Ich leugne nicht,daß seither die Aufgabe eine weit schwierigere geworden ist«Gründe,welche wir ehedem gegen Ronneburg anfüh­­ren konnten,verloren durch die Zeit an Kraft.Aber lassen Sie mich es im­merhin versuchen,Contessa,Sie mit den möglichst geringen Opfern von Ronneburg zu befreien.«" ,,Sie meinen,ich müsse meine Freiheit erkaufen.«« »Ich fürchte­ ja­« ,,Vermeiden Sie nur um jeden­ Preis alles Aufsehen,Cava­­liere,alle Anknüpfungspunkte fü­r böswillige Gerüchte,durch solche wäre ich weiter als je von meinem Ziele entfernt.«­­ Barum ?" Bittoria gab ihrem Vater ein Zeichen und Adriana’s dunkles Geglühen leitete den Appellationsgerichtsrath auf die rechte Fährte — es handelte sich um Albert. Der Tag verging traurig und aufgeregt für Adriana. Abends sah sie ängstlich harrend, sie lauschte jedem Geräusche, bis plöglich wohlbefannte Tritte sie freudig aufschredten. Albert war nach Venedig gekommen. Adriana liebte stet3 in der Furcht ihn zu verlieren, es hatte ihre Liebe zwar glücklich die Krisis mit Tatiana überstanden, aus jeder Probe ging sein Charakter glänzend hervor und Adriana gebrach der­ leiseste Grund, an Albert’­ Beständigkeit oder Treue zu zweifeln. Allein das Unnatürliche der gegenseitigen Beziehungen rächte sich unaufhörlich und flößte Adriana immerfort neue Un­­ruhe ein. Sie mußte erkennen, daß auch Albert unter der Lage litt. 63 fehlte ihm die Gattin, die Hausfrau, der Erbe seines Stammes. est trat er ein mit feinem ruhigen Lächeln, seine Hand preßte die Adriana’s. Er feste sich auf seinen gewohnten Blut. 63 war gar nicht möglich, ihn sich verändert zu denken. Albert’s bloße Gegenwart übte wieder ihre beglühende Macht aus, Adriana fühlte sich ruhig und befriedigt. Mitten in freundlichem Gespräche wurde Adriana h­inaus­­gerufen. Cavaliere Botta war gekommen, ihr das Resultat seiner Unterhandlung mit Otto Fund zu geben. Sollte Adriana frei werden? Ihre Füße wankten, während sie der Entscheidung­­ ent­­gegen­ging. Schon ein Blick auf das lebensfrische Gesicht ihres Rath­­gebers genügte,um Adriana’s Hoffnungen zu vernichten. Sie sank schluchzend in einen Lehnstuhl. «Fassen Sie sich,liebe,«gute Contessa,«hat der Appellations­­gerichtsrath...Für den Augenblick läßt sich allerdings nichts unter­­nehmen,aber bauen wir auf die Zukunft.Wie in sämm­tlichen Unterhandlungen mit dem Menschen,blieben mir auch gegenwärtig dessen Beweggründe unklar.Nonneburg lehnt bestimmt alle Scheidungsvorschläge ab.Ist er nur bos Haft,Hofft er durch Schwierigkeit mehr Geld zu erpresfen ? Beabsichtigt er auf sonst jemand einen Druck auszuüben? Ich weiß es nicht. Ebenso gut kann es sein, daß er einfach als Narr, wofür ich ihn halte, handelt.“ „Ich Sol niemals glückli werden,“ troftlos. „In Ihren Jahren, mit Ihrer Gesundheit, Ihrem Vermögen bietet das Lelten so viel, Sie können auch warten.“ Adriana kehrte an Costa’s Arm bleich und verstört zur Gesell­­schaft zurück. Theilnehmend blichte sie Albert an, seine Hand strebte sich der ihrigen entgegen: „Bleiben Sie mein Freund,” hauchte sie leise. „So lange ich lebe !“ betheuerte er ernst und feierlich. 63 wollte sein rechtes Gespräch mehr zu Stande kommen, es war als liege eine gemisse Bangigkeit über den Hauptpersonen, Gofta’3 muntere Laune vermochte nicht durchzudringen. Albert­­ zog eine Revue aus der Tasche und las einen interes­­santen Urtikel vor. Der wohllautende Klang seiner Stimme beschwichtigte wieder Adriana. 63 war b­öricht, an dem Manne zu zweifeln — sie durfte, sie mußte ihm unbedingt vertrauen. So lehrte wenigstens wieder die äußerliche trügerische Ruhe zurück und warf ihre Fülle über ungelöstens wie spalt. (Fortsetzung solgt.) jungen Lebens, Respektspersonen und thums ihres Gefühles, allmälig erschienen ihr Adriana und Albert als sie lachte ihres Michverständnisses, des Srı­­­­­» ” jammerte Adriana W ' 17 te digó: érési Se EST 4

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