Pester Lloyd, Juli 1908 (Jahrgang 55, nr. 158-169)
1908-07-02 / 158. szám
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In Budapest, in der Administration des „Pester Lloyd“ V., Mária , Valeria uteza Nr. 12 und in den Annoncen-Bureaus : J. Blockner, B. Eckstein, 3. D. Fischer, A. V. Goldberger, Györi & Nagy, Jaulus , Co., Jul. Leopard, Ant. Mezel, Rud. Mosse, Sul. Tenzep, Jos. Schwarz. In Wien: bei Ed. Braun, J. Danneberg, M. Dukes, Haasenstein , Vogler, Rud. Mosse, Rafael &witzer, H. Sohalek. im Auslande: Berlin: Rudolf Mosse, Daube & Co.; Paris: John F. Jones & 69. Einzeln : Horgenblatt in Budapest 12 Heller, in der Provinz 4 Heller. Abendblatt in Budapest 6 Heller, in der Provinz 8 Heller. Redaktion und Administration: V., Mária Valeria utcza 12. — Manuskripte werden in keinem Falle zurückgestellt. — Unfrankierte Briefe werden nicht angenommen. K. 158. Budapest, 1. Juli. Man wird an Dutintilianz Jucus a non lucendo gemahnt, wenn man den Berjnd unternehmen will, dem heute ausgebrochenen Streit der Budapester Gastarbeiter in die richtige Beleuchtung zu raden. Das it ein Ereignis ohne Licht und von tiefen Schatten verdunkelt. Es ergeht uns iniesem Lande mit der sozialen Stage wie mit allen anderen Erscheinungen und Errungenschaften der Zivilisation vorgetrittener Gemeinwesen. Die Segnungen werden uns nur in geringen Mahe zuteil, die Nachteile in vollgerüttelter Fülle. Die Gliederung der Schichten unserer Gesellschaft hat alle Stadien der Entwicklung so lange nicht durchtreffen und dennoch über Straffentampf auf der ganzen Linie entbrannt. Und gerant so ergeht es uns auf wirtschaftlichem Gebiete. Von der Hochkonjunktur der lethten Jahre, die in der alten wie in der neuen Welt unermedliche Reichtümer aufgestapelt, sind kaum einige Brosamen für unser Land abgefallen. Nun aber, da die Hohe Welle des Aufschwunges wieder in die Talgründe der Niederung fällt und dort verflacht, tuitt um der Wechsel tiefer und empfindlicher als die anderen, die glückcheren, die sich einen Notpfennig zurücklegen konnten. Damit ist der Gegenfall noch nicht erschöpft. Vor wenigen Tagen erst verzeichnete der Kalender den längsten Tag des Jahres und heute noch muß der Zeiger der Uhr weit berrüden, wie die Schatten der Nacht sich herabfenfen und die Onslaternen in den Straßen der Stadt ihr Haderndes Licht ausstrahlen. Und gerade in Diesen Zageıt, da sie am entbehrlichsten sind, treten Die Gasarbeiter in den Streit. Sit das Zufall? Sit es. Absicht? Mer vermöchte Das heute, in den ersten Stunden des Musstandes, schon zu entscheiden ! In den Gasometern Budapests hantieren feit heute mittag andere Pioniere mit militärischer Pünktlichkeit und mit einer Selbstentäußerung, als hätten sie ihre Brot alle mal in dieser schweren, mitduftenden Arbeit verbracht. Die Loswerte sind die Zeugen einer Betriebsamkeit, wie schon seit langen Jahren nit. Denn ihre autochthonen Wertleute haben dem offenen Ausbruch des Lohnkampfes den patenten Streit des Netardierens ‚nach amerikanischen Muster vorausgehen Taffen. Um den erhöhten Lohn zu erreichen, verringerten sie die Zeistungen nach der früheren Entlohnung auf das Divideftmaß. Dieser Umstände muß aus vielfachen Gründen gedacht werden. Einmal, weil das Einspringen der technisch doch einigermaßen geübten Soldaten eine ziemliche Gewähr dafür bietet, ha; weder die Beleuchtung der Straßen und der Käufer, noch auch die auf die Triebkraft des Gases eingerichteten Werkstätten unter den Folgen I des Aufstandes empfindlich lerden werden. Sodann, weil das Militär wieder einmal auch in Friedenszeiten Den Beinweis liefert, daß es die Stüße und die Zuflucht der Gesellschaft in ihren Nöten ist. Endlich, weil man sofort den Nachweis führen kann, daß dieser Lohnkampf nicht von qualifizierten industriellen Arbeitern, sondern überwiegend von Tagwerkern geführt wird, Deren Lenntniffe sich im der Eingewöhnung erschöpfen. Das eröffnet wejendi verschiedene Gesichtspunkte für die Beurteilung Dieses Lohnkampfes und Dieses nsstandes. Je tiefer Derselbe in alle Lebensverhältnisse der Bevölkerung eingreifen kann, umso größer ist die Verantwortung derer, die ihn angezettelt haben sind weiterführen. Und je geringer Die Qualifikation Der Arbeiter ist, die im Streit das Heil suchen, umso höher muß wieder die Verantwortung der Führer veranschlagt werden. Die Frage des Lohnkampfes an sich muß sogar ausgeschaltet werden. Sein Gebiet it das Verhältnis der Gaswerte zu ihren Arbeitern. Nur die beide allein sind berufen, die Grenzen dieses Gebietes abzusteden. Unsere Tage haben das Recht auf Arbeit proklamiert. Dieses Net enthält auch die Berechtigung des Ausstandes. Es interessierten die Gaswerte als Erwerbsgesellschaft ganz und gar nicht. Es it ‚L eine öffentliche Angelegenheit, ob sie die Beleuchtung der Straßen, die Heuleitung des Nabgases um Diefen oder um jenen Gestehungspreis versorgen können. Das öffentliche Interesse erschöpft sich in der Frage, ob sie überhaupt in Stande sein werden, ihren Verpflichtungen gegenüber der Stadt und ihren sonstigen Kontrahenten zu entsprechen. Diese Frage des öffentlichen Interesses aber ist bis auf weiteres Durch das Eingreifen des Militärs in befriedigender Art beantwortet. Die Antwort reicht jedoch nur für wenige Tage sind. it an Die Vorausseßung geknüpft, daß dieser Ausstand ein iolierter bleibt. Wir wollen es wünschen und hoffen. Denn darüber müssen sich die Inspiratoren des Streits im Flaren sein, daß in Diesem alle die Sympathien der Bevölkerung, nicht eina bei Bourgevisie nur, nein, aller, Intellektuellen, aller‘ Arbeit, tenden und Grwerbenden, die nicht in Sachvereinen organisiert sind, den Arbeitern nicht zufliegen. Su Gegenteil! Wenn c83 richtig ist, was amtlich behauptet wird, Dab die Gaswerte die Lohnforderungen ihrer Arbeiter vollauf befriedigten, Diese aber in Dent Mugenbliche, in Dem ihre Bünde Erfüllung fanden, die Forderungen erhöhten. Danır fehlt dem Musitande die Grundlage, damit es nicht mehr der Proletarier, der seine Lebensbedingungen verbessern will. Dan ist es der Proletarier, der nach Macht hungrig geworden ist, der: „Diesen Streit herauf beschmoen. Lohnfragen und Machtfragen aber sind ges und verschiedene Begriffe, wenngleich sie in der modernen Entmdhung häufig in innigster Paarung Fi manifestieren. Die Machtfrage reizt zur Reaktion aller anderen Mendstrattoren der Gesellshhaft. In solchem Kampfe aber müssen die Gasarbeiter unterliegen, so lange sie auf sich allein gestellt bleiben, mögen sie von außerhalb noch so gescnkt gelenkt werden. Diese Lenkung von außen her, das ist es, was wir meinen. Immter geiwohnt, Den Gedanken, der ums besvegt, nicht zu umschreiben, sondern Eipp und flat auszudrücken : die Verantwortung für das Lagemach, das man der Bevölkerung der Haupt und Residenzstadt Budapest zugedacht hat, trifft. In Diesem Falle mindestens er übren es auch nur im Musdruch, niemals schuldig gemacht. Wir Haben Sie allezeit als einen politischen Sattor bon großen Bedeutung, menn man will auch als einer Machtfaitorieres öffentlichen Lebens ohne Nachhal anerkannt und alle Zeiten, wenn sie Die Arbeiterfolonner zu politischen Demonstrationen von tiefem und nachhaltigem Eindrude aufmarschieren ließ, gerade unter den Dies dieser Partei die eindringliche Mahnung zu richten, das Borabende schwerer politischer Kämpfe stehen, in welchen‘ Direktion Den jeßen habte) beiseite, ihren ver andere. teil 57 exeise gegenüber, i wie Dudivettreichendes Feuilleton. Edgar v. Spiegl. Bon Ludwig Geberi 8 © 7 Avr éz Wien, 30. Juni. Edgar Spiegl Edler von Thurnsee — wer nennt ihn nicht, weit über Oesterreich hinaus? Wer hat ihn nicht gekannt? muß ich Heute schreiben, mit aufichtiger Trauer über den Hingang Dieses seltenen, weil in seiner Weise schier unerreglichen Mannes. Nicht berühmt und doc allbekannt, sein namhafter Schriftsteller und Dod) einer, ohne den die Wiener Schrifttellerwelt forschte nur Schwer zu denken if. Er war Präsident wiseres Schriftstelle- und S Journalistenvereins „Concordia”, zehnmal hintereinander als solcher gewählt und eigentih als lebenzlänglich betrachtet. Unablesbar, weil uns erregbar. Er wird ja erjöst werden, selbstverständlich, aber er wird allen Zeitgenossen, die von seinen ganz besonderen Begabungen jahrzehntelang Naben gezogen , immerfort fehlen. Man wird ihm nie vergessen können, weil er Borbild bleiben wird auf Gebieten, wo er tatsächlich eine Tradition geschaffen hat. 7 —vor mehr als zwei Jahren sah ig ihn zum rechten Male in öffentlicher Funktion. Auf jenem idyllischen Friedhofe zu Sievering, am Grabe Ludwig Speidels, dem er als Wortführer der " Concordia" die Grabrede hielt. Ein schanerliches, halbweiches Schneebetter, Talter Wind über die bloßen Köpfe Hin. Er sprach nicht lange und ich glaube, er vermirrte Tr au, aber gerade so war es gut. Denn er war ein guter Mensch und so ein Trauerfall ging ihm nahe. Und ich glaube, zunächt weil er sie absolut mit den materiellen und geistigen Interessen der " Concordia" eins fühlte, daß dieser geistige Verlust des Vereins ihm wie eine schwere persünliche Einbuße erschien. Co und so viel verlorenes spezifisches Gewicht, zeitgenössisichen. Rıcher, unbestrittenes Ansehen des Bereins legte er da in Die Erde und mußte ihm als ‚Meister Ludwig”, kurz als Dazugehöriger, als schiver and frühling hinzu. In seinem Barzimmer lag der Bogen un" . Wegz denkbaren Eine Grabrede war für ihn immer eine harte Viertelstunde,und vollend s eines nicha Auch,stand er damals selbst1icht 111ehr so fest in seinen Schulxen, wie alle die blühenden Alltersjahrcer.Wir hcchten ihm immer ein langes Batriarchat in hohen Ehren verkündet. Er war so rüstig, sich muß man jagen; wir stawnten oft genug über seine so amnaufjälig und selbstverständlich) befundete Leistungsfähigkeit den Ansprüchen des Alltags gegenüber. Sein Wandel war schicht, aber aufrecht. Wie ein Wiener Stheinbürger ging er einher, nach halbverscholfener Mode gekleidet, man glaubte ihn jahrzehntelang in den nämlichen Kleidern zur sehen. Sommer und Winter schwarz, Höchstens daß er sie in der heikesten Jahreszeit einiges Grau mit _ gestattete. Denn er trug ewige Trauer, felt dem Tode seiner zärtlich ge esta, mit der er ein einziges Jahr Des Glückes gewossen hatte. Die Marmorbüste, welche Tilaner nach ihrem Zode geschaffen, war das Heiligenbild feines Hete, vor dem ei dne unaufhörliche Andacht verrichtete. Nach einer Photographie. Der ettek Der Wiener Porträtbiürfte dieses haffen, ‚mit jenen genielen Instinkt für Das Seerausahnen der wirklichen Persönlichkeit aus unzulänglichen Bildnissen, das er irte sein, anderer Hatte, „Tilgner, itelt Gott,“ sagte er, ‚er einschafft Menschen aus Dent, Staub, der sie geworden.“ Sein Weib — sein Sohn,das waren die zwei Angeln seiner Seele. Gatte und Vater war er weit vor allen anderen. Seit zwei Jahren sahen wir ihn dann verfallen, Ueber Nacht wurde einmal eine Operation wegen grünen Ctaars nötig. Doch erholte er sich leidlich. Dann ging er plögisch ein. Bon heute auf morgen fast tant er als Durchsuchter ‚Greis Yoteder. Ebenso plössig verjüingte er sich noch ein Tebtes. Mal, Für kurze Zeit. Dann kam der unaufhaltsante Niedergang, Si b EZ Tier, den Winter auf, wo Die Nachragenden sich einschrieben. Sonntagmittags, bei hellem Sonnenschein, wäre einem Getreuen ausgefahren. Ich schrieb meinen Rauf, mit der Bemerlung: „Sehr erfreut, Ste’ nichteoffen zur haben." Ueber diesen Scherz empfand er lebhafteste Freude. Daß es ihm an Getteuen nicht fehlte, mag ma wohl denken. Außer der Schriftstellerwelt stand ihm besonders die Theateriwelt nahe, von Lindesbeinen auf Schon aß Jüngling, als er in Budapest erst an dem Nierländerischen Theaterblättchen arbeitete, bart (glaube ich) ein Wochenblatt : „Der Spiegel“ Herausgab, wurde er mit allen Großen und Stleinen, Den Wiener Bühnen:welt ‚vertraut. Ihre Reiter Gastspiele, in den Damaligen deutschen Bretterbuden, fanden ihn stets in erster Reih Er lebte sich in sie ein, er war ja eigens Dazu geboten ; Theaterjournalists jenes guten alten Chlages, wie man ja, heute wohl jagen Darf, da das ermeierisch-Borz närzliche des damaligen theaterkrilligen.. Handwerks nachgerade einen „altiwienerischen‘ Reiz von volfsmäßigent ‚Sofalmesen geionnnen hat, Wie oft Blättert Heute der literarisc-Fortaeschrittene. Forscher im, jenen Endlich trimmelnden » Sahrgängen, um den ‚Zeitinnzer.. ertappert und seine eigenen jeütgebornen Zefer, auf die Chimmung von Arno Dazumel zer Deinen. Dieses Mikleben in Der Kulissenwelt, mit ihrer modernisierten oder auch versebelten Schmierenromantik, wurde ihm die hohe Schule des savoir faire, jenes bewunderungswürdigen Mathentönens, jener Bimosität im (zunächst theatrafischen) Beranstalten, dessen Großmeister er mit der Zeit wurde. Seine Fruütliche und feuilletoniätiige Tätigkeit an verschiedenen Wiener Blättern (Neues Fremdenblatt“, „Seutie Heitung“, „Bieffe“, jälieblich als Chefredakteur Des„Sertifizierten Wiener Ertinblatt”) war bloß Der Üvers der Spieglmedaille. Ihr Revers zeigte den Mann der wohl senfteit, oder dem Giandesinteresse dienendenBeranstaltungen, den unermüdten, an Musturiftsmitteln unerschöpffegen, mit alkali