Pester Lloyd, September 1910 (Jahrgang 57, nr. 220-230)

1910-09-16 / nr. 220

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Eokstein, "b Jaulus & Oo., Jul. erg ge , Rud. » « Mosse, jul. Tenzer, Jos. Schwarz. lssissgdslctsktsthJJsswss wksysmmmnsvlotth J. Rafael, H. halt Ez Auslande: Berlin: Rudolf Hosse, Daube & Co.; Paris : John F. Jones & Co. agyag reg Beruerbleit in Bol SED ler, in der Provinz 14 Heller. in Budapest 6 Heller, in der Proyins & Heller, und Administration: V., Mária 12.—M kripte werden Ar. 220. Budapef, 15. September. Der Deutsche Kaiser it auf­ seiner Reise nach dem Bellyeer Revier des Erzherzogs F­riedrich Heute abends in Ungarn­ eingetroffen. Wir begrüßen den­ Gast nicht nur als den treuen Verbündeten dieser Monarchie,­­ sondern auch als den warmen Freund unseres Landes, dessen Geschichte Wilhelm II. in einen, noch immer­­ unvergesse­­nen Printspruch vor vierzehn Jahren so begeistert , prices. Damals, in den bewegten Feittagen unserer Jahrtausend­­feier, erwarb sich der Deutsshe Kaiser die Verehrung eines jeden guten Ungers, nicht nur des­­ Lobes wegen, das er unserer Nation spendete, sondern auch die warmblü­­tigen » Herzenstöne, womit er seinen Empfindungen, die er für Ungarn und seine Bevölkerung empfand, Ausdrud verlieh. "Die Sympathie der, ungarischen "Nation für Wilhelm II. wird aber auch­ aus einem anderen­ Born genährt: Sie wird gestärkt durch die Bewunderung,­­ die uns des Kaisers ritterliche Persönlichkeit abringt,­­ durch die bedingungslose Aufrichtigkeit, die alle seine Taten und Worte kennzeichnet, Durch Die feste Unbeirrtheit, womit er feine, Ideen in Die , politische Geschichte dieses Erdteils einzeichnet. Ein weiterer Charakterzug des Deutschen Kai­­sers, ein Charakterzug, der alle ungarischen Herzen für ihn höher schlagen macht, ergibt sich aus seinem herzlichen Verhältnisse zu unserem greifen Monarchen. Der Histori­­ker unserer Zeit wird vielleicht, von kindlicher Verehrung sprechen. Uns aber scheint dieses Verhältnis viel mehr in­ Th zu schließen,­­als­­ die liebevolle Anhänglichkeit der Sugend ‚an das erfahrene Alter. In den Aufmerksamkei­­ten, we Wilhelm II. für unseren König ersinnt, in der Art, wie, er seine von Verehrung inspirierten Ideen in Taten umreist, äußert sich eine aus reicher. Empfindung?­­welt ‚quellende­­ Ritterfichleit. Die­­ in­ den „denkw­ürdigen Maitagen des Vorjahres unseren­ Monarchen zum ‚Mittel­ punkte einer Huligung machte, wie sie, in Den Jahr­­büchern des modernen, Gesichte beispiellos dasteht, Und dieser feine Sinn für zarte Aufmerksamkeiten l­ 3. au, der Wilhelme, IT. den Karapancsa nach Wien, führen t wird, um unseren­ König zu seinem achtzigsten Geburts­­tage, zu, beglückwünscen. . . »Withabety ab er die reichedeividualitätk dessweiten Wilhelm auch vo­n einer anderen Seite kennen und schätzen­ gelernt.Der Zartheit,die sein­e Empfindungswelt kenn­­zeich­net,entspricht die bedingungslos-verst’r­pfliche Festigkeit sein­es Cl­arakc­ers­.Die«B­undesgenossenschaft,­die er von seinem Großvateriiberttal)m,hat indes Kaisersterlung eine ungleiche höh­ere Bedeutung,als,die eines bloß­en G­e­­­schäftsvertrages.Die tiefe Religiosität,die dem DeutscheIt «Kaiseri1m­elvoh1rt,gibt auch­ seit den weltlichen Verbindlich­­keiten eine hohe moralische Weihe,sie erfüllt ihnen in seinem stahlfesten P­fli­chtberwußt seite.,und der Kaiser wird derart zum r echten­ Vertreter der deutsch­ m Nationaljugend­: der Treffe.Das kam nicht nur in den denkwürdigen Tagen der­ Annexionskampagne dem österreichisch-aktg­rui­­feten Verbündeten gegenüber‘ zutage. Dringt man von den Oberflächenerscheinungen in die Tiefe und sucht man die Taten des zineiten Wilhelm aus seiner Individualität heraus zur­­ erklären,­­ so­­ wird man erkennen,­ wie alle Handlungen des Schaffers von diesem­­ höheren ethischen Bewußtsein diktiert werden, ohne Rücksicht auf jene An­schauungen, die nur die momentane Zweckmäßigkeit ins Auge fassen. Wenn derart: Mitverständnisse­­ sich ergeben, so­ll die Ursache davon einfach die, daß Wilhelm II.,­ in einem ethischen ‚Sinne, zumeist auf ungleich höherer Warte steht, als die Kritiker seiner Handlungen, und daß er demnachh Die politischen Erscheinungen in­ einen weiteren Gesichtskreis stellt, als die für die, eng umgrenzte­ ‚Gegen­­wart wirkenden und darum befangenen Parteipolitiker. Diese Auffassung des Herrscherberufes gibt ‚dent. Staijer sein individuelles Gepräge; sie­ hat ihn auf den Border­­plan der Zeitgeschichte gestellt,­ seinen Namen "zum meist­­genannten des Erdenrundes gemacht.­­ Das Vertrauen in den festgefügten Charakter des Kaisers. ist, aber auch eine‘ der, fortbarsten " Sicherungen ethische Weltansc­hauung des­ Deutschen Kaisers, mußte unerschütterlng davon. überzeugt sein, Daß Die­­ religiöse Auffassung, die er von seinem Berufe hegt, Die reichen Kräfte seiner­­ Persönlichkeit in den Dienst des Friedens­gedankens Stellt.” Auch in . Diejenz ‚Betracht wird der künftige Geschichtschreiber mannigfache Unrichtigkeiten. fest­stellen, und den unwiderlegbaren Nachweis erbringen kön­­nen, daß der Friede unseres. Erdteil. oft genug nur doch "das­­ feste Eingreifen Des zweiten. Wilheln. erhalten werden konnte. Und der. Saiser. wird an. dem. nahen Zage, da­ sein Bolt mit ihm, die vierzigste Jahreswende der Gründung des Deutschen Reiches Be wird, „mit ehrlicher Vala­­gya auf­ den Ruhmestitel des Friedens­­taifers Anspruch, erheben können. Mehr als die­ Hälfte des Weltfriedens. Jedermann, der Einblic­ken in die Deutschen “auch zum­­ ersten representative man der deutschen Nation machen. In diesem Sinne ist jede Huldigung für Wilhelm II. folgerichtig auch die An­erkennung Deutscher “Wesensat. Das war vielleicht nicht lie bei einem Anlasse festzustellen, der mit dem rechnerischen " Geschüfte der Politik‘ nichts zu schaffen hat. Der Kaiser kommt als private Persönlichkeit in unser Land, und er wird, soweit es die Bürde seines hohen Amtes verträgt, auch in Wien nur das Herzensbedürfnis des Freundes erfüllen. Die intime Absicht des Besuches rechtfertigt aber auch den intimen Wunsch, daß Der Deutsche Kaiser innerhalb der Grenzen Ungarns sie der Erholung freue, wenn er in den tierreichen Geländen an der unteren Donau pürscht. Worüber der Städtetag sich ausgeschwiegen hat, von Paul Balogh. Budapest, 15. September. Der „ Bester Lloyd“ Hat seine Unzufriedenheit über die unfructbare Tätigkeit des­­­iesjährigen Städtekongresses­ bereits geäußert. Es sei nun gestattet, auf eine Frage hin­zuwweisen, die in der Tagesordnung des Kongresses gänzlich fehlte, obwohl von ihr bei einer solchen Gelegenheit zur Ihmeigen mehr als eine Unterlassung war. Das it das Sanitätsiwesen der Städte, das Die Grundlage ihrer apos­taskat und ihres m­ateriellen Aufjam­munges ildet.­­«.­ - Es scheint,dass der Kongreßs sich darum nicht eben viel bekümmerte.Er faed sich damit ab,daß sich die städtische Bevölkerung durch die zuströmenden ländlichen oh11.ehi11"hinsätzglich mehr k­­ lind«doch ist die Zunahme nicht so arob, als daß man darob übermütig werden dürfte, auch ist sie seine allgemeine. · In Ungarn hat der Typus des kleinen Dorfes merk­­lich eine Rückbilduungerfahrem Kleingemeinden­ mit wettiger al tausend Seelen, haben wir fest um 430 weniger als vor zwanzig Jahren. Dagegen hat die Zahl der Grof­gemeinden­­ mit tausend bis fünftausend Seelen um 301, jene Der Marktfleden mit fünf­ bis zehntausend Ein­­wohnern im 33 und jene der Städte, mit mehr als zehn­tausend Einwohnern um TE zugenommen. In Ziffern ausgedrückt: Die Heinen Dörfer sind um 80.000 Seelen ärmer, Die Großgemeinden dagegen un 600.000, Die Marktfleden um 250.000, die­ Städte un 700.000 Seelen größer geworden. «. Von«der Vermehrung der Bevölkerung fielettt­ndeß den ZS Städten mit Munizipalrecht und der LUL Städten­ mitgeordnetem Magistrat die verschiedensten­ Quoten zu. Im ganzen könnnen bloß sieben Städte als solche bezeich­­net werden,die einen mächtigen Aufschwung genommen haben,und 27 Städte als solche,die einen Fortschritt aufweisen.Von den übrigen 104 Städten werden 114 außer Wettbewerb gesetzt,82 bleiben gänzlich zurück und in acht Städten reih­t sich­ sogar bedenkliche Anzeichen einer A­nahmebechvölkerun­g.Noch schlimmer steht es,wenn wir die Entwicklung der letzten vierzig Jahre betrachten. Da müssen wir mit vierzehn in Rückbildung Wien hätten einander finden können und­­ Elemente Feuilleton. Felix v. Weingartner in Wien, Bon Dr. Mag Graf. Vor einigen Tagen hat Felix v. Weingartner, vom Sommmmternlaub zurückgekührt, die Neuigkeitsboten der Zeitungen um sich verkümmelt und ihnen im seiner welt­männlich verbindlichen Art Mitteilung von seinen Plänen gemacht. Sein Arbeitsprogramm, so verkündete er lächelnd, untfalte vieles und vielerlei. Es reiche beispielswweise vom Zigeunerbaron von Johann Strauß bis zum Rosenkavalier "von Richard Strauß, von der Götterdämmerung Richard Wagners bis zum Ganadialtih von Siegfried Wagner, es bringe eine alte Oper von Hans Meichner und die neueste Pantomime Erich Korngolds, und nachdem er je­ nach frommer Beter Weile nach allen vier Weltgegenden seine Verbeugung gemacht hatte, fuhr Direktor Wein­­­gartner lächelnd fort, von einer Opernkrise sei Seine Spur. Ich bin nicht unhöflich genug, um einem so liebenswür­­digen und sympathischen Manne zu­ w­idersprechen und rede Deshalb nicht von einer Sinse ins Wiener Hofopern­­theater. Allein von unseren Opernsorgen und von Direktor v. Weingartner darf m­an wohl reden, ohne­ die Gefahr heraufzubeschwören, daß das Lächeln, das Feli­ v. Wein­­­gartner, so nett zur Gesichte steht, sofort von feinen Lippen­­ verschwinde. Ich bin der Erste, der es bedauert und wirklih auf­­richtig bedauert, daß Feliz v. M Weingartner an Wien eine Enttäuschung gefunden hat und — sagen wir, es offen — ab Wien bisher an ihm. Wir sind nicht so reich, um einen Künstler vom Mange­­ln­ v. Wein­­gartners entbehren zu können,­­ der zudem­ auch genug Eigenschaften hat, die er ihm hätten ermöglichen­ können, sie einzuschenern. Er ist eine heitere, optimistische Natur und Bien ist unter den deutschen Städten diejenige, die es am wentalten liebt,­ die­ Dinge ernst und khmer zu nehmen. Er hat Formen, trägt den Arad mit größter Eleganz und macht im Galon eine auffallende Figur, und in Wien gibt man viel auf einen guten Schneider und auf abgeschliffenes Benehmen. Er ist mehr frisch und natürl­­ichh als kompiliziert und tief, und Wien ist wirklich seine Stadt der tiefen Gedanken. Wenn man einen DOpern­­refter für Wien hätte erfinden wollen, er hätte un­­gefähr wie­ Seliz dr. Weingartner aussehen müssen, aller­­ings mit einem stärkeren Einschlag von Theaterkenntnis und einem weniger großen Zulas von Launenhaftigkeit des Fündtlerischen Ratarells. Im großen und ganzen aber it Weingartner beinahe der geborene Mann für Wien gewesen. Gustav Mahler hat in der Wiener Oper während der zehn Jahre seiner Direktionsführung Großes und besonders in den ersten fünf Jahren Unvergeßliches geleistet, und wenn er an das Dirigentenpult haftete, um eine Mozartoper zu leiten oder den Tristan, konnte man im Opernhause Die Stille hören, so sehr zitterte. ‘das Wiener Publikum in allen Nerven, wenn es feiner ant fichtig wurde; allein mit der Stadt Wien hätte Gustav Mahler nie von wahjen Tönen und das Große, was Mm gelang, konnte er nur Schaffen, indem er aus einer geistigen Infamzeit heraus nach Wien gleichsam dann und wann zu Besuch kam. In seinen Sinfonien hat Mahler gelegentlich Wörthersee­­ländler eingefangen, Getrampfte und Juchezer von­ den Kärntner Bergen, niemals aber wie andere große Musiter, die in Wien gelebt haben, wie selbst der nordische Brahms, Klänge der Wiener W­olfsmusil. Künstlerisch hat Gustav Mahler, auch wenn ihn stürmische Beifallsrufe umgaben, an Wien vorbei oder, wenn man es lieber Hört, über Wien hinaus gelebt. War aber Weingartner in Wien nicht wie zu Hause? Seine künstlerischen Ekstaten fliegen nicht allzu hoch, sein "Ehrgeiz findet in seiner liebenswürdigen P­ersönlichkeit vollständig Plab, er leidet nicht die Erhnter­­zen, eines dämonischen Naturells und feine Art des Diufizierens mit voll­sinnlichen Luft, voll Temperaments und äußeren Glanzes. Kurz, Felie v. Weingartner und finden müssen,« und gewiß wären beide gut miteinander gefahren. Ein schöner und großer Wirkungskreis lag vor Ne­fir v. Weingartner, als er nach dem Műdteilt Gustav Mahler nach Wien tanz. Man it sein Künstler, wenn man nicht beim­ Betreten des Wiener Opernhauses von der Luft erfaßt wird, in diesem vornehmen Gesellcafts­­räume, vor den anmutigen Frauen in den Logen und unter den Augen der entgusiastischen Gleriejugend mit dem wundervollen Orchester und den vortrefflichen Sän­­gern und Sängerinnen Musik zu machen. Welche musi­­kalische Luft weht im ganzen Hause, welche­ künstlerische Atmosphäre umgibt den Eintretenden ! Gewiß, muß Feliz v. Weingartner Diesen Zauber auch gespü­rt haben, als er zum ersten Male in den Saal kam, tuie wir ihn alle nach jedem Sommer von neuen herspüren, wenn wir das Haus t wieder aufsuchen, dem wir so reiche­ Gewüsse verdanzen. Er hat gewiß auch schöne Borrate gehabt, glänzende Bilder von Erfolg mögen vor­­ den beifalls­­gewohnten Musiker aufgestiegen sein. Bor­alfen hieß es arbeiten. Gerade in dem Sekten Jahre der Direktions­­führung Gustav Mahlers stellten sich manche Schäden im Organismus der Hofoper heraus. Do it nicht zur bes­tweifelt, dass Gustav Mahler der Mann geb­eten wäre, alle Ddiese Schäden zu beheben, denn was­ hätte Dieser geniale Theatermann nicht vermocht, allein Dieter. Künst­­ler war damals schon in seinem Innersten theater unlustig. Nicht als ob es an einzelnen glänzenden Vorstellungen gefehlt Hätte, wenn Mahler in­ den Di­esterraum trat, straffte­n sich jeder Nerv und sein mächti­­ger. Wille zwang alle Künstler im­­ Orchester und auf der Bühne ihm zu dienen. Jedoch sein Bid war nicht mehr aufs Ganze gerichtet, die Luft am Experinent, das immer anregte und immer seltener befriedigte, wurde größer und größer, und zu spät bemerkte Gustav Mahler, dab das geschulte Opernpublik­um anfing auszubleiben und daß man mit dem Häuflein von Kulturgeden, die ut Zeit“ der glänzendsten " Arbeitsleistungen Gustav

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