Pester Lloyd, Oktober 1910 (Jahrgang 57, nr. 246-258)

1910-10-16 / nr. 246

— — . — — — ker — SI SERE u TENKES — ÉN ES — — . ate / § :j«« PR KORA EJTTTTKÉ. Verdienst des Verbündeten, wozu] wirklich das alleinige hat dann Herr Kossuth die Millionen des Rüstungskredits bewilligt, doch den nicht die Armee des Bundes genossen, sondern umfere, eigene in den Zustand zuverlässigster Kriegstüchtigkeit gebracht wurde? Und glaubt er etwa, der „mächtige“ Verbündete hätte sie auch dann als ebenso „getreu“ ertwiesen, wenn ihn der hohe Wert des mit uns eingegangenen Bündnisses duch die Schlagfertigkeit unseres Heeres nicht in einleuchtendster Weise beigebracht worden wäre? Solche Mäschen, dächten mir, sind eines Mannes von dem politischen Exm­it eines Franz Kosfuth nicht ganz würdig. Und wenn Kosfuth es dennoch nicht , verschmäht, diesen dichzadturs einzuschlagen, so gibt es dafür zwar kaum eine hinreichende Entschuligung, aber als Er­klä­­rungsgrund mag man immerhin gelten lassen, daß auch­er sie von der bei ung epidemischen Wandlungsfähigkeit der ungarischen Politiker nicht hat isolieren können. Die mangelnde Gedächtniskraft der öffentlichen Meinung, die bei ua das politische Komvertitentum propagiert, hat auch ihn in die Versuchung geführt, Meinungen pathetisch zu vertreten, die im schroffsten Gegenjab zu seinen verflossenen Handlungen stehen. Das geflügelte Bismarckwort, konsequent sei nur der Däs, denn der fresfe immer Heu, hat bei uns allzu eifrige Adepten geworben. Die letteren übersehen freilich, daß­ Bisimard sein Hohes Ziel, die Erkämpfung der deut­schen Einheit unter preußischer Führung, nimmer aus Dem Auge verloren und sich nur in der Auswahl der zu diesem unentwegt festgehaltenen Ziele führenden Mittel einer biz zum Xeußersten gehenden Schmiegsamkeit be­­­fassen hat, die aber mit dem prinzipienlosen Neophyten­­tum nichts gemein hatte. Daß­ Politiker von heute auf morgen ihre alten Grundlage über Bord werfen, die gestern geschmähte Richtung heute als die allein richtige bezeichnen, um morgen, wenn flüchtige Vorteile das als unwünschenswert erscheinen las­fen, wieder eine Dritte Nic­­hung einzuschlagen, ist nur in einem Lande möglich,­­wo­­ die öffentliche Meinung die Erscheinungen der politischen Tätigkeit mit einer barbarisch primitiven Leichtgläubigkeit hinnimmt und über dem Schein das Wesen preiszugeben geneigt it. Ueppig aufwucherndes Komvertitentum in der­­ Bolitít ist ein Zeichen der politischen Unkultur, oder ein Beifallssym­ptom. Die Kritik und die Charakterfertigkeit der öffentlichen Meinung allein vermag den Gefahren, die mit solcher Entartung Hand in Hand gehen, erfolgreich entgegenzuwirken.­­ . Die Die Rede des Grafen Ah­renthal. Budapest, 15. Oktober. Die heutige Rede des Grafen Nehrenthal in dem ‚Österreichisichen Delegationsausschusse ergänzt in bemerkens­­­werter Weise fein vor der , ungarischen, Delegation ein­­. Wwidelt es Erpose, Dr. Kramar hatte sich gestern das wohl geile Vergnügen geleistet, an der Hand von in ausländi­­—­hen Prüforganen veröffentlichten Pikanterien nicht Die — Tatsache der Annerion selbst, sondern die diplomatischen Hilfsmittel, die zur Erreichung dieses Zweckes führten, zu kritisieren. Seine mächtigste Waffe dünkte ihn das mi­steriöse Wort „Buchlau“, das zahlreiche diplomatische Geheimnisse An Sich Schließen soll. Man wird ‚dieses Wort überall finden, in Zeitungsartikeln und Revueauflagen, deren Autor andeuten will, daß er in die tieferen Miysterien der Diplomatie eingeweiht, aber mit seinen Kenntnissen m­it —— merer Einzelheiten die neugierige Mitwwelt nicht verblüffen will. Nun, nach der Rede des Grafen Wehrenthal wird — — Dieses magische Wort wohl aus der publizistischen Literatur Achtwinden. Einmal, weil es wirklich überflüssige Mühe ist, Vorgeschichte der Annexion in den politischen Tages- Streit zu stellen, wenn die Tatsache selbst in einwandfreier­­ Weise vollzogen ist.Und dann,was für die internationale­n­0er 1 Symptome einer Besseiung der Beziehungen zu betrachten. Nti die Uebertreibung als Damit wäre die Ijo­­la vesd des Dr. Sramar wohl endgültig abgetan. aviiche Bolitifer gab aber auch zu einer­­ weiteren interessanten Erklärung des Grafen Aehrenthal Anlak, besser, zu einer prägnanten Formulierung unserer Be­­ziehungen zu unserem italienischen Bundesgenossen. Nach der Entrevute in Salzburg und nach ihrer Fortlegung in Turin erschien es­ klar, daß eine innigere Vertiefung des Bundesverhältnisses fi ergeben habe. Immerhin blieb das Problem, wie gewisse kleinfische Tagesereignisse, Die oft die Stimmung der Bölter beeinflußten, in ihren­ Wir­­kungen­­ abgeschwächt werden könnten? Die­ italienische Breite befürtwortete vor Salzburg eine dem. Bündnisse günstige Beeinflussung der Stimmungen. Das klingt theoretisch sehr wohl. Ein anderes aber ist es, den Ca­ in der Praxis zu verwirklichen. Es scheint nun eine glückliche politische Lösung der Frage gefunden worden zu sein. Diese Funktionen sollen eben als Tagesereignisse betrachtet und ihnen jeglicher Einfluß auf die Grundlinien der Bündnispolitik verwehrt werden. Oder wie Graf Aehren­­thal er formuliert: „Aus singulären Erscheinungen sollen seine allgemeinen Folgerungen gezogen werden.“ Diese Formel it realpolitisch gedacht und sie ist Darum geeignet, die Einwirtung kleinlicher Geringfügigkeiten auf die N » nftsmtmög­lichjkzw politiks ist durch die heutige Miniker­­rede nicht gerüdt worden. Bornehb und was Graf Aehrenthal über den Neoslavismus sagte, wird in manchen Betracht aufklärend wirken. Auch in dieser Frage geht­ der Minister von jenem schon int­erpose ausgedrückten Prinzip der Nichteinmengung in fremde Angelegenheiten aus, w­ie überhaupt das Verhalten zu dieser Bewegung in Hervorragendem Maße eine bloße Takt­frage ist. Was vornehmlich von jenen S Politiker u­nd Publizisten­­ beherzigt werden sollte, die daheim ohne bes­­onderes Gewicht, doch auffallende Rollen im Aus­lande der öffentlichen Aufmerksamk­eit sich aufzudrängen suchen. Die­ wirtschaftliche Tendenz­ unserer Balkanpolitik und die schon Heute zu verzeichnende günstigere Aus­gestaltung unseres Verhältnisses zu Serbien werden auch die Auswüchse der neoslavistischen Tendenzen zu befeis­tigen helfen. Allerdings muß hiezu die bedingungslose Vorauslegung einen für frei bewegenden Wirtschafts­­politit erst geschaffen werden. Graf Aehrenthal hat heute von seinem Skalvarienwege gesprochen. Wer die enge Verbindung zwischen Mitt und Wirtschaft zu­nd Ausspruch nicht als bloß e digen vermag, wird Dielen · Pgrasp empfinden. C3 ist nicht nur fcjiwierig, sondern geradezu unmöglich, mit den Balkanstaaten politische Freundschaft zu halten, wenn man sie auf wirtschaftlich­em Gebiete unfreundlich behandeln muß. Es ist wohl­­feil, sich in sagen Darüber zu ergehen, daß unser Er­port nach dem nahen Orient abnimmt, daß die wirt“ schaftliche Stellung unserer Monarchie dort von i wirt« schaftlich aufgeklärteren Rivalen eingenommen wird. ‚Kein politisches Genie, Wird da Wandel Schaffen können, wenn jede Möglichkeit, engere Wirtschaftsverbindungen zu Schaffen, mutwilig ‚verhindert wird. Insolange der Klassenegoismus der Agrarier jeden politischen Ort» sehritt hemmt, werden die schönsten Nachsichten umserer ‚auswärtigen Politik Lediglich Theorien bleiben müssen. Bedenkt man nun, daß wir , irgendwo auf Dem Erden» rund aktivere Interessen zur verfolgen Haben als auf dem­ Balkan und daß uns Dieses fast einzige Gebiet internationaler Tätigkeit doch die Präpotenz agrarischer Selbstsucht zu entgehen droht, so wird man wohl vers­tehen, daß Graf Aehrenthal mit den bisher erreichten Ergebnissen nicht zufrieden ist, aber auch emergisch for­­dern müssen, daß die Parlamente die Hindernisse hirt wegschaffen, die der Minister des Aeukern beklagt. Sonst kann es ärger kommen, als es drei Jahrzehnte hindurch gewesen ist. Der frühere Beharrungszustand kann zum Rückschritt werden. Rn­­ — — Die Delegationen. Telegramm des „Bester 210yb.) »( Fa, Wien, 15. Oktober. Der Ausschuss der österreichischen Del­gation für auswärtige Angelegenheiten war heute, mit einer kurzen Unterbrechung in den ersten Nachmittagsstunden, beinahe den ganzen Tag über ver­sammelt. Es bestand ursprünglich die Absicht, die Debatte über die austwärtige Politik und über das Budget des Ministeriums des Reukern heute durchzuführen. Troß der langen Dauer der Gitung, bis zur achten Abendstunde, konnte die Beratung jedoch heute noch nicht zu Ende ge­bracht werden. Der Minister des Reußern Graf Aehren­­thal griff zweimal in die Debatte ein. Die erste Rede wurde im­ Berichte des Abendblattes bereits in einem Aus­­zuge mitgeteilt. Mit Nacsicht auf die große Bedeutung einzelner Partien dieser Rede erscheint es jedoch angemessen, dieselbe in dem nachfolgenden Bericht in ihrem ganzem authentischen Wortlaute zu reproduzieren. — — Gegentat zu den Franzosen stellen könnten. — Mit Goethes ——Italienischer Reife“ Läßt sich die von Taine nicht ver­­gleichen, denn der französische Meister der Geschichts­­— — pindologie gibt eine planmäßig objektive kulturgeschichtliche — Darstellung des Gegenstandes, Goethe dagegen ein im — — vollsten Sinne subjektives Merz, das als Beitrag zur — — L ebens- und Entwiclungsgeschichte des­­ Verfassers, und Somit zur deutschen und allgemeinen Kulturgeschichte, eine viel größere Bedeutung besißt, wie “als gegenständliche — S­ilderung Italiens. Nicht abel bemerkte Schon Niebuhr in dem freilich etwas feindseligen Urteil, das er dem — Cvetheiden Werfe­rleich nach dessen Erscheinen zuteil Be werden ließ, wie der Berfasser „eine ganze Nation und ein ganzes Land bloß als eine Ergegung für sie be­­etrachtet.“ Soeben geht mir eine neue Publikation zu: „Die BV Horentinische Landschaft. Tostanische Wanderungen. Stutt: —­gart, Greiner u. Pfeiffer, 1910.“ Die fchenklichen Tila­­- farbenen Llustrationen stammen von Carlo Böhlin — fein und, in die Fußzapfen eines so großen Vaters zu treten! Der Terz von Karl Store ist in stilistischer Beziehung so­­ jammervoll, daß ich in dem Berfasjer faum einen Schrift­­­ fteller von Beruf vermuten darf, warum wollen, beiläufig gesagt, die Deutschen noch immer nicht Lernen, daß man­­ Machiavelli mit einem ec schreibt? Doc damit genug der — Bolemit. Kein Merger über heutigen Stumpfsinn sol — unsere Begeisterung für die glorreichste Vergangenheit trüben. 68 gibt zwei Namen in der Weltgeschichte, welche das Borrecht haben, hell und heiter wie seine anderen an das Ohr der Menschen zu Elingen: Athen und Florenz. Die­­ Tihren Namen aber zaubern uns sofort eine bestimmte Zeit vor die Augen, das fünfte Jahrhundert vor, und das fünf­­zehnte nach Christus, die Zeitalter des Perikles und F­lorenzos des Prächtigen. Es ist indes nicht allein der Glanz, den Kunst und Poesie über jene beiden Flede und Diom­ente ausgebreitet, welcher jenen einzigen Eindruck hervorbringt; auch nicht die größere Menschlichkeit, die sie vor anderen Staaten und Zeiten auszeichnet; an Blut hat’s auch in Athen und Florenz leider nicht gefehlt; wenn’s­­ auch sparsamer als beispielsweise in Argos oder Perugia gefrofsen und weder Berifles noch Lorenzo scheuten vor Gewaltmitteln zurüc, so oft es die Unterdrückung der Gegner galt, wenn sie auch schonender als ein Philipp von Miatfer­donien oder ein Ludwig XI. verfuhren. Was jenen beiden seinen Punkten den un widerstehlichen und unvertilgbaren Netz verleiht, den sein Großstaat der Geschichte je geübt hat, ist die Harmonie, in der hier Natur und Mensch, Geist und Materie, Inhalt und Form, Staat und Kunst auftreten. Man wird gewahr, wie wenig auf die Ausz­­ehnung ankommt, wie es die vollkommene Medereinstimmung der Verhältnisse ist und wären sie die bescheidensten, welche den mächtigsten Eindruck, die dauerndste Wirkung hervor­­bringt­ , öm kleinsten Punkte die größte Kraft.” . Wer das Heine Städtchen im Arnotale zum ersten Male erblicht, ist kaum überrascht: nichts Ge­waltiges, Un­gewöhnliches — hier gipfelt der beständige Gegenjas zu Rom — stört seine Phantasie heftig auf. Erst nach und nach wirft der Zauber Dieses Fieblihen PVtaßes. Nichts Uebertriebenes in Natur, noch in Menschenwert. Mäfige Hügel umschließen das offene, villenbelebte Tal, in dem man sich frei und Doch begrenzt fühlt. Die Vegetation ist heiter und die Stadt trägt nicht umsonst den Namen der Blumenstadt, aber sie ist nicht Iururiös, noch ihre Formen fremdartig. Zwischen dem weichen Blaugrün des bescheidenen Olivenlaubes zieht sich die braune Erde hin und die dunkle Bypresse gibt Charakter und Farbe. Das sind die Grund­­töne­ der paradiesischen toskanischen Landschaft, wie sie uns in den Werten des gedankenreichsten Malers und des gewaltigsten Lyrikers aus der zweiten Hälfte des 19. Jahr­­hunderts, Böclin und Carducci (zweier Kraftgestalten, die man doch endlich, schon wegen ihrer merkwürdigen Ber­­einigung von flassisch antiken Motiven und romantisch moderner Stimmung, eingehend vergleichen sollte), fort, während entgegentreten. Mit wunderbarem Natur­ und Formensinn haben die Meister des Quattrocento Klöster und Kirchen, Landhäuser und Schlösfer den Linien des Terrains angepaßt, so daß sie dieselben abzuschließen, zu vollenden scheinen, wie finnigr Schmud die Scön­­heit eines anziehenden Weibes. Und wiederum ver­­einigen si, wie in inniger Umarmung, Stadt und Landschaft: nie fühlt sie der Bewohner der Natur entfremdet, in fünftlicher Atmosphäre, wie der Großstädter , nie von der geselligen Kultur ausgeschlafen, wie der Bauer. Kühn geschwungene oder heiter belebte und bewohnte Brüden verbinden die beiden Ufer. Palast reiht sich an P­alast, einfach, umherausfordernd, wie die Schönheit der Toskanerin: man geht daran vorüber, ohne sie zu beachten ; da zieht ein Lächeln über die Lippen der Schönen, ein Sonnenstrahl fällt unerwartet auf die Loggia und die Rumdbogen der Fenster, und plöglich geht dem Borübers wandelnden das Geheimnis der wunderbaren Harmonie auf, Die in dem anspruchslosen, ruhigen Antlis s­chlummert. Und wie die Werke der Architektur, so die der Bildhauers­kunft, der Malerei, Natürlichkeit und Simplizität bei erquisiter Feinheit sind die Charaktere alles Toskanischen in Kunst und Staat, in Poesie und Leben. Denn alles hat Charakter. An Rom sind von jeher alle Elemente der Kultur importiert worden, in Florenz ist nichts nachgeahmt oder hereingebracht. Alle Erzeugnisse sind autochthon, wie in Athen, soweit überhaupt in der Geschichte etwas autochthon genannt werden kann. Naturgemäß, wie ein gesunder Körper, wie ein schöner Baum, ist die florentinische Staltue herausgewachsen, ohne ge­waltsame Mittel, ohne Treibhauspflege ist sie langsam und stetig herangereift. Der etruskische Keim hat sich nie verleugnet: lateinisches Staatsu­nwesen, römische Kirche, griechische Zivilisation haben die Entwicklung beeinflußt, ohne sie je zu hemmen oder ge­walt­­sam in ihr fremde Bahnen zu reißen. Schon die ersten Früchte zeigen den eigentümlichen Charakter; Dante, Giotto, Arnolfo waren nur auf diesem Boden möglich und ihre Werte tragen ganz die toskanischen Familienzüge : Naturtreue, Bestimmtheit der Unreisje, Vollendung des Details, Maß und Geschmach. Auch politisch und religiös hält sich das Florenz des Mittelalters fern von jeder Uebertreibung. Intoleranz oder gar Fanatismus sind ihm ebenso unbekannt, als revolutionäres Auflehnen gegen die bestehende Kirche. Savonarola war bekanntlich sein Floren­­tiner und die Bürger haben­­ abgesehen von wenigen Aus­­nahmen, zu denen freilich ein Michelangelo gehört haben " . —

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