Pester Lloyd, Februar 1911 (Jahrgang 58, nr. 40-50)
1911-02-16 / nr. 40
= « , — — j . N . . ag: yo elt a US Donnerstag, 16. Februar 1911 — "... - Brotofoli sz Ausgenommen in Budapest am 15.Februar 1911 in der Untersuchung Der in Verbindung mit der am 9. b. M. gehaltenen Parlamentsrede des Herrn Ladislaus Lufacs zwischen ihm und Herrn Zoltan Defy aufgetauchten strittigen Angelegenheit. Anwetend waren die Unterzeichneten. Die Unterzeichneten stellen aus den ihnen zur Verfügung gestellten Dokumenten, sowie aus den Heußerungen der ungarischen Regierungsmänner, die an den Ausgleichsverhandlungen mitgewirkt haben, fest, daß der Punkt 1/2 des in der Bankfrage geschlossenen geheimen Liebereinkommens aus dem Grunde in der im Laufe der Verhandlungen angenommenen Tertierung festgestellt wurde, weil man dadurch der Negierung und namentlich Franz Koffruth freie Hand in der Bankfrage erhalten wollte und dieser Buitt in der Weise interpretiert wurde, daß damit Das freie Entscliehungsrecht der Regierung aufrechterhalten wurde. Sie konstatieren ferner auch, daß dieser Punkt infolge seines unklaren Wextes mit vollem, gutem Glauben auch so interpretiert werden konnte, wie das Herr Ladislaus Lufdcs in seiner erwähnten Abgeordnetenhausrede getan hat. Budapest, 15. Februa 1911. Stefan Tipo, Eigmund Uhtris, als Bevollmächtigte des Herrn Ladislaus Lukacs, Dr. Alexander Gál, Dr. Johann Barosz, als Bevollmäctigte des Herrn Zoltán Defy. Das Protokoll überbrachte Graf Stefan Tipa nach 8 Úlv dem Finanzminister Ladislaus v. Luflács in dessen Wohnung. Bald darauf stattete der legtere dem Ministerpräsidenten Grafen Khuen Héderváry einen Besuch ab, um diesen von der getroffenen Entscheidung zu unterrichten Die Nltenftnde, die den Schiedsrichtern zur Einsicht überlassen wurden, werden dem Finanzminister morgen zurücgestellt werden. Es ist nach den voraus —— gegangenen aufregungsvollen Vorgängen im Parlament I natürlich, daß der Schiedsspruch in allen politischen Klubs Sehr lebhaft je nach der ‘parteistellung kommentiert und besprochen wurde. Darüber geben die nachfolgenden Berichte Hinreichenden Aufschluß: ,Seitdem die Obstruktion«gegen das Bankgesetz im Gangdiphct scheint der Partei der nationalen Arbeit die «szf«auf»erlegt,dauernd für die Berückungs-und Beschlußfähigkeit des Abgeordnetenhauses allein rat forgen, nachdem Die Opposition es liebt, Durch die Absentierung ‚aus Dem Beratungssaale die geschisst sordtItnggmäßiige Beschluß«fähigkeit in Frage zu stellen.Infolgedessetk sind die Räume "s des Klubs der Majorität in den Abendksmnden jetzt immer »sz«stark"bes1cscht.Eine so große Frequenz,wie an dem heutig«-,-gen-Abend,hatte indessen dieser Klub schon lange nicht zu «»verzeichnen.Die Abgeordneten und die externen Mitglieder «--w«are-1-kin Scharen herberge,st·röm1t,maswcie wohl deshalb, weil sie dem eigenen Urteile nicht voll vertrauend, sich hier in Wechselgesprächen eigentlich exit eine Meinung über die Natur und die möglichen Folgen des Schiedssprunes bilden wollten. Es sol nicht geleugnet werden, dakn von „bielen Gefüchtern Die Unzufriedenheit mit dem »‚Schiedsspruche flacher abzulesen warum .da und dort fand sich sogar eine Gruppe zusammen, in Der dieser Unzufriedenheit unverhohlen dram Den wörtlichen Tert des Schieds Herren hielten Siprundes, ohne urde ‚vielleicht sofort dessen Kompromißname zu erkennen und (in dessen Sinn fich) zu verrenten. Die Szenerie und Die (einen oder der anderen Partei einen empfindlichen Abbruch)stimmung nahmen jedoch eine andere Färbung an, als Graf Stefania gegen 7 Uhr abends in dem Klub erschien, und von einer wohl an 50 bis 60 Köpfe zählenden Korona von Mitgliedern umdrängt wurde. Die feinen Worten, als dem kompetentesten Interpretator des Exschiedsspruches, Laufchten. Es gehört sonst nicht zu den Gewohnheiten dieses Blattes. Die unter der Voraussehung der Vertraulichkeit in diesem Klub geführten Konvertsationen der Deffentlichkeit preiszugeben. Wir betrachten es sogar als eine durchaus falschverstandene angebliche Pflichterfüllung der Breise, olche Vertraulichkeiten regelmäßig an die Deffentlichkeit zu vermitteln. Der heutige Fall darf jedoch mit dug und Necht als ein N Ausnahmsfall angesehen werden und deshalb sei einiges davon, was Graf Stefan Tika über die Motive des Schiedsspruches im Kreise der politischen Freunde sagte. Hier dem Sinne nach ungefähr wie folgt verzeichnet: Graf Tika hob zunächst hervor, es liege weder im Interesse der Politik, noch in demjenigen des Landes, da keine Fehde fortgesponnen werde, die notwendigerweise der tun künne. ES sei ebenso wenig ein Interesse 063 Landes, die maßgebenden führenden Politiker der verschiedenen Parteien möglicherweise blarzustellen. Dagegen liege es vielmehr im Interesse des guten Einvernehmens der Barteten im Parlament und des Landes, seine losgebrochene Schule ohne Not bis zum äußerten zu treiben. Es müsse immer auf beiden Seiten der gute Glaube vorausgeseht werden. Deshalb sei auch er für ein Kompromik cim getreten, was nach Möglichkeit beiden Zeilen gerecht werden will. Der Opposition wurde nichts weiter zugestanden als das Streben nach der Belität der freien Hand in der Bankfrage, wofür in dem Geheimprotokoll ein hinreichender Anhaltspunkt zu finden sei. Dagegen wurde dem Finanzminister Ladislaus v. Lulacs volle Gerechtigken zuteil. Es wurde ihm nicht nur der selbstverständliche gute Glaube zugebilligt, sondern esst noch ungleich mehr geschehen. Sei es denn wirklich denkbar, von den Vertretern der anderen Partei, die am Ende doc der Kolluboration, also der Opposition angehören, mehr zu fordern und mehr zu erwarten, also daß sie selbst die Undarheit gerade jenes Teiles des Protofolls zur geben, der für den Standpunkt der Opposition der wichtigste ist? It Denn eine schärfere Verurteilung dieser Politik denkbar, als die, daß nunmehr nicht nur von uns, sondern an von den anderen erklärt wird, daß gerade an dieser Stelle die wünschenswerte Klarheit mangelt? Darum mußte logischerweise dem jenes Protokoll so zu lesen und so zu interpretieren, wie es Die Unklarheit der entscheidenden Stelle verursachte und wie er es in seiner am 9. Februar im Parlament gehaltenen Rede getan hat. Graf Tipa gab zugleich der bestimmten Hoffnung Ausbind, daß der Schiedssprug begüterend auf die weitere Haltung der Opposition einwirfen würde und es wäre im höchsten Grade bedauerlich, wenn diese Hoffnung sich nicht erfüllen sollte. Ex bezeichnete das Zustandekommen eines gemeinsamen, von beiden Teilen akzeptierten CSschieds-spruches als politisch erfreulich. Wäre man nicht zu einer solchen gemeinsamen Erklärung gelangt, und wären Die Vertreter des Finanzministers dadurch in die Notwendigkeit versegt worden, für ji allein eine Erklärung abzugeben, so hätte das Vorgehen des Finanzministers Ladislaus Lukacs eine noch ganz andere ungabich wirksamere dokumentarische Rechtfertigung erfahren. Heredy, Lırkacs sei jedoch ein viel zu einsichtsvoller Staatsmanga, am nicht leichten Herzensfinanzminster die Berechtigung zugesprochen werden, darauf verzichten zu können, wenn es gelungen it, in beiderseitigem Einvernehmen sich zu resolvieren und dadurch den Berunch der Beruhigung anzubahnen. Die Auseinanderlegungen des Grafen Ticha, die dieser in verschiedenen Gruppen einigemal wiederholte, führten eine gründliche Wandlung der Stimmung herbei. Die Mitglieder des Kabinetts waren im Klub nicht anwesend, da sie an dem Hofdiner im der Königlichen Burg teilnahmen. Erit kurz vor 8 Uhr erschien Finanzminister v. Zulacs in der Begleitung des Aderbauministers Grafen Serenyi im Klub. Als man feiner ansichtlig wurde, applaudierten alle Anwesenden mehrere Minuter lang und durch Den&aal brauste der Ruf: &ljen Luflacz! Der Finanzminister, der noch den Frad mit dem Bande des Großkreuzes des Leopold-Ordens , und mehrere Grachats trug, war von Dieser ungemein , warnten und herzlichen Dovation sichtlich überracht und gerührt. Alle Anwesenden drängten auf ih zu und er konnte sich der ihm zum Gruße entgegengestrebten Hände Taunt einwehren. Der Finanzminister befand sich in der heitersten Laune. Man erzählte im Klub, daß der Gerele nach dem Sofdinen von langer Dauer war, da der König beinahe alle 36 geladenen Gäste ins Gespräch zog und insbesondere mit Dem Ministerpersidenten Grafen , Khuen-Hedervary und dem Finanzminiter Ladislaus v. Vulacs auffallend lange Zeit konvertierte. Die Minister waren voll des Entzüdens über das blühende Aussehen und über Die Seutseligkeit des Königs allen seinen Gäften gegenüber. Auch in der Gegenwart des Finanzministers ging nur viel die Rede von dem heute gefällten Schiedsspruch, allein is it dabei keine Bemerkung gefallen, die aus politischen Gründen verzeichnet werden müßte. Aus der Korinthpartei. Sir der Koriuthpartei bereichte Heute abends reges Leben. Im Sparteiklub waren die Vizepräsidenten Der Partei, sowie zahlreiche Mitglieder erschienen. Aid Der Abgeordnete Zoltan DEjY war anwesend, der von den Mitgliedern Der Partei mit Lebhaften Eljenrufen empfangen wurde. Den Gegenstand der Konversation bildeten nahezu ausschließlich jene Anklagen, die Finanzminister Cufacs gegen die Partei und deren Führer erhoben hatte. Mit dem Schiedsspruche betrachtet die Partei die Angelegenheit nur für den Abgeordneten Boltan Deig als erledigt, sie wird jedoch ganz unabhängig davon, auf Dent eingeschlagenen eg weiter schreiten, weil nur foe Umstände auf ihre Haltung Einzug haben können, die im Parlament, vor dem ganzen Landefich abspielen. Aus der Luftpartei. Der Klub der Unabhängigkeits- und Achtundvierzigerpartei war Heute abends außerordentlich gut besucht. Die erschienenen Abgeordneten beschäftigten ‚ih ausschließlich mit der in der Affäre Lukács— Deiy gefällten Entiheidung. Man besprach sticht nir den Inhalt des geheimen Protokolls, sondern auch das Vorgehen der früheren Regierung in der Banffrage. Man glaubt, daß die Entscheidung der Jury noch viel Staub anwirbeln werde. An einer besonders lebhaften Debatte gab die Deutung des an 1/2 des geheimen Prototolls Anlaß; es wurde lebhaft bedauert, daß der ungarische Tert des geheimen Protololls nicht veröffentlicht wurde, so daß die öffentliche Meinung lediglich auf den deutschen Tert angewiesen it. Man sieht den weiteren Entmdlungen der Affäre mit geclten Interesse entgegen, a 5 Die Parteimitglieder äußerten unverhült, worin Führen und Parteimitglieder eines Cinnedt waren, bat der Schiedsspruch tede seines Kompromißcharakters die Bagshale, tief zugunsten des Finanzministters Qufacs herabdrüht. Franz Kossuth habe in der unklaren Fafsung nichts weniger als Die Sicherung der freien Hand in der Bankfrage erreicht, und Aus demsklab der Majorität, wenn man ihm die Totengräberstelle für Lebenszeit läßt. . Eicher ist sicher, denkt er sich. Am Ende gibt es gar seinen Coljat. Und er täuscht sich nicht. An der Stelle, wo die Soldstüde gefunden worden sind, liegen noch vier andere — ambras ist alles. Die ganze Aufregung war umsonft und den Profit davon hat nur Tille, die einige Tage lang ‚eine umworbene und gefeierte Millionärin war. Gewiß ist die Handlung nur groß und die Idee nicht von berühender Originalität. Die Figur des armen Zeufels, der in den Verdacht gerät, steinreich zu sein, der Chatb, der alle Dienstden wandelt, alle Geisten der Halogen und des Egoismus hervorlobt, das sind ewige Motive der Lustspielliteratur. Was aber den Reiz des Stüdes ausmacht, das ist Die Charakteristik dieser jüdischen Menschen amt, diese Charakteristik liegt eben in der Sprache. Wenn man die Sprache ändert, so nimmt man dem Stüde ad seinen größten Reiz. Dann bleibt freilich nur ein halbwegs guter Schwank übrig und als solcher wurde er auch von Der Kritik hier gewertet. Aber selbst wenn man das Bessere des Etüdes hier unterschlagen hat, die Schluffene blieb mit ihrer guotesten Rhantastit, und fon um Diesen Friedhofsszene willen mit ihrer wilden Jagd über und ein anderer fragte im höchsten Distant ‚Wo ist Den Die Notleine?“ In diesem Höllenspettatel konnte man Faunt , mehr die Schauspielen versiehen, Ieogdem erschien Der Dichter nach den Altschlüffen, und als er, mit einem soprillen Bfeitfonzett empfangen wurde, legte er die Finger in den Mund und pfiff einen Gegengruß. Mutor und Publikun, die sich gegenseitig verhöhnen — das ist sein erbauliches Schauspiel. «Hat»Wiela«nd«dieses furchtbare Schauspiel verdsieut» lautt dnein!Ja,deuneg ist ein sprottschildichtes,a«lberucs, dsiletterustisch gemachtes Stück.Neil1,demiin dieser elenden Mißgestalt steckt ein genialer Kern. Zu den schönsten deutschen Sagen gehört die Wiekindsage der Edda,die Geschichte vor dem Schmied,demnsein1 Herr,der König,die Kniekehlen durchschneiden läßt,damit er nicht entfliehen könne und in seinen Diensten bleiben müsse,daer sich ian dem König rächt,indem er des Königs Solm tötet und die Königstochter verführt und schließlich sich ein Flügelkleid macht und als erster Vorlist der modernen Greißstärces ein dankbarer Vorwurf. Das alte Wielandmärchen im modernen Sewande vorzuführen, und Das Flugproblen: hart od seines Dichters, Aber wie Fakt Vollmoeller diesen Stoff an? In eine engltische Kolportage geschiehte Ichlinmster Art Stellt er einen schindelhaften Deutschen Klavierlehrer, der Wieland heißt und eine Oper „Wieland“ kommponiert hat, und nun Wielands Schicsale bald ernsthaft, bald parodistisch erlebt. Dieser Wieland erfindet, man weiß nit wie, eine Flugmaschine und macht den ersten menschlichen Flug von Frankreich nach England. Aber er macht ihn unfreiwillig. Er wollte einen Versuch machen und aus dem Versuch wird das große, Die ganze Welt in Aufruße verlegende Ereignis. Natürlich erzählt er von der Wonne des Fliegens, von dem herrlichen Hochgefühl, dem Vogel gleich durch die Luft zu schweben. Er wird als Held gefeiert und sofort finanziell in der unerhärterten Weise „verwertet“. Zu seinem Rückfluge von England nach Frankreich strömen Hunderttausende zusammen. Aber Wieland hat gelogen, als er von dem Hochgefühl sprach. Er hatte während seiner Fahrt nun das altererbärmlichste Angstgefühl, und seine Zucht it jo groß, daß er sich vor Antritt seines zweiten Fluges erschiekt. Was font um Wieland herum geschieht, it jo Tächerfng und jo Läppisch, daß es das Erzählen nicht lohnt. Aber die Figur des Helden, der wider Willen eine große Tat begeht, it psychologisch jede interessant. Es gibt einen Augenblit in diesem verpfuschten, verfehlten Stück, wo man angesichts der Todesangst Wielands anbleist und seinen „Brinzen von Homburg“ denkt. Und einen anderen Augenblick, wo man sich sagt, was für ein unerhörter Gedanke es ist, hak wir heute wirklich und wahrhaftig uns in die Luft erheben künnen. Wie das Flügelvaufchen einer neuen Zeit geht es dar, die Szenen Dieses Stüces, 10 die Sehnsucht nach der Freiheit im Wertenbaum wie eine wunderbare See über die Szene schreitet. Bollmoeller war der Ikarus, der Schmählich abstürzte, als er auf der Bühne fliegen wollte. Aber wie dem Status die Brüder Wright folgten, so werden nach Vollmoeller andere Dramatiker kommen und das Flugproblem dramatisch bezwingen. Was font jest auf den Berliner Bühnen um den Beifall des Rubiitums buhlt, in nicht vieler Rede wert. Französische Schwänze, die Sie fernen, deutsche Schwänfe, die wohl kaum über das Weichbild Berlins hinauskommen werden. Der Winter verläuft dramatish fast ebenso trostlos wie meteorologisch. Die Dramatiker klagen, daß die Konflikte abgebraucht, die Situationen erschöpft, die Verwidlungen bis zum Ueberdruß abgeleiert sind. Sie seufzen nach neuen Problemen. Und siehe das Ein neues Problem ward uns ja beschert. Daß just das miserabelste Erzeugnis des Dramenjahres diese Reicherung brachte, ist ein Schlechter mit der dramatischen Muse. Darum aber soll es troßdem Bollmoeller unvergessen bleiben, daß er zuterst int fliegenden Menschen das dramatische Objekt erkannte " Minatit der Gefangenschaft entfliegt.