Pester Lloyd, März 1912 (Jahrgang 59, nr. 65-78)

1912-03-16 / nr. 65

.-».-: -'-Y«,--(;-«-. EN RE RE REN 4 h 3 \ ® | go... Abonnement: —­­ Für Bu: : Ganzjährig 4#K.,halbjährig 28 K., vierteljährig 11­ K., monatlich 4 K. Für das Inland: Ganzjährig 48 K., halb­­jährig 24 K., vierteljährig 12 K., monatlich #E. 40 K. Mit separater Postversendung des Abendblattes vierteljährig 2 K. mehr. Für Wien auch durch Herm. Goldschmidt, Für das Ausland mit direkter Kreuz­­bandsendung vierteljährig : Für Deutsch­­land 18 K., für alle übrigen­­ Staaten 21 K. Abonnements werden auch bei sämtlichen ausländischen Postämtern ent­­gegengenommen­. Für amerika, England, Frankreich, Spanien und Portugal besteht die Vermittlung der Postämter nicht und als Abonnement muss direkt in unserer Administration erfolgen. Vertretung für Deutschland, Frankreich, England und Italien bei der Zeitungsfirma S$Saarbach, News Exchange in Mainz. 59. Anhraung. MORGENBLATT Budapest, Samstag, 16. März 1912 Inseratenaufnahmes in Budapest, in der Administration des „Pester Lloyd" V., Mária Valérissatora Nr. Be 2 Ét a arsápezeesi 4. Blockner, B. Eckstein, Györi Hagy, Jaulus , Co., Sigm. Lenkel, Jul. Leopold, Ant. Mezei, Rud. Mosse, Jut. Tenzer, Jos. ar: TE­EN 4. Dann u Anat­eg Rafael, H. Schalek Im Auslande: Berlin : Rudolf Mosss Dresden : Invalidendank ; Paris: John F. “ Jones & Co. Einzeln : Morgenblatt in Budapest 18 ler, in der Provinz 14 Heller, dbb­ Budapest 6 Heller, in der Provinz 8 Heller, Redaktion und Administration: V., Maria Valerin­ utera 12.— Manuskripte werden in keinem Falle zurückgestellt. — Unfran­­kierte Briefe werden nicht angenommen Ar. 65. Italien als Bundesgenosse. — Eine Etiquete, — Bon Ferdinand 2. Leipzif. Rom, 18. März. Im August 1877 beauftragte der Ministerpräsident Depretis den damaligen Kammerpräsidenten­­ Crispi im Namen des Königs, sich mit Bismarc in Verbindung zu legen, um einen fünfreien Allianzvertrag zwischen Italien und­ Deutschland abzuschließen. In dem amtlichen Auftrag, der Crispi schriftlich zukam, heißt es wörtlich: ... „La Majesté eprouve le besoin de resserrer d’un lien plus etroit les rapports amicaux de l’Italie avec l’Allemagne*“. Bon Oesterreich:Ungarn war in diesem Briefe seine Rede, aber der Gedanke einer Allianz war von dem Wunsche eingegeben : „de mettre a l’abri de toute agression ennemie les biens inestimables que nous avons acquis, et les principes sur lesquels est fondee son existence." Als Erispi am 17. September mit Bismarc in Gastein zusammentraf, glaubte er dieses Ziel zu erreichen, indem­­ er einen Gegenfal zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn hatten und Frankreich in die Allianz mit Deutschland hineinbeziehen wollte. Die Ursahren, welche die­ Berwirt­lichung eines solchen Dreibundes verhinderten, sind bekannt. Bismarc verhandelte gerade damals mit dem Grafen Andran­y und er gab Crispi deutlich genug zu verstehen, daß es sein M­unsch war, die Freundschaft Andraiys zu bewahren und mit­­ diesem Staatsmanne die Grundlagen einer gemeinsamen Allianzpolitik festzulegen. Welche politischen Gegenzüge bestanden damals zwischen Italien und Oesterreich-Ungarn? Wir wollen die Antwort auf diese Frage in den Aufzeichnungen Crispis suchen, der sie un­gefähr so formulierte: Italien befürchtete zunächst, daß Oesterreich-Ungarn an die Annexion Bosniens und der Herzegovina dente und Krispi sagte zu Bismarck: „Sie willen, daß Italien im Jahre 1866 an den östlichen Alpen ohne Grenzen blieb. Wenn nun Oesterreich neue Provinzen erhielte, die es im Adriati­­schen Meere noch stärker machen, dann würde unser Land wie gefesselt sein, dem Nachbar würde, "10. oft: es ihm beliebt, die Invasion sehr leicht sein.“ Bismarc bemühte: sie, diese Bedenken zu zerstreuen, und das Ende­­ der Unterredung war, daß Crispi dem­­ deutschen Kanzler selbst einen Defensivvertrag gegen Frankreich anbot, ohne der Deittwirkung Oesterreich-Ungarns zur geden­­ken. Mus der­ kurzen­­ Andeutung des damaligen „speenganges der italienischen Politik geht deutlich hervor, daß man in Rom anfangs daran dachte, sich gegen Oester­­reich-Ungarn zu jringen. Erst als sich die Unmöglichkeit herausstellte, Deutschlands Zustimmung zu einem solchen Bundesvertrage zu­ erhalten, entschlug sich Grispi, die Dinge­ aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Das ging nicht da vonstatten. Während der Vertrag zwischen Wien­­ und Berlin schon im Jahre 1879 ab­­geschlossen wurde, gediehen die Verhandlungen mit Italien erst zwei Jahre später­ so weit, dass König Humbert im Oktober 1881 nach Wien reisen konnte. Und vier Monate später erhielt der Dreibund die Gestalt, in der er nun seit fast dreißig Jahren in der Zeitgeschichte lebt. Es ist bekannt, dass dieses politische Gebilde im Juni 1902 auf zwölf Jahre erneuert wurde. Im nächsten Jahre muß entschieden werden, ob der 1914 ablaufende Vertrag über­­haupt oder unter welchen Bedingungen­­ erneuert werden soll. Darüber werden die leitenden Staatsmänner der drei Großmächte zu entscheiden haben. Es ist aber schon­zept von bedeutendem Interesse zu erkennen, von welchen Ans­chauungen die politischen und wirtschaftlichen Kreise vor­­nehmlich Italiens beherrscht werden und hie‘ die­ Ereignisse der jüngsten Jahre — die endgültige Annex­on Bosniens und der Herzegovina und der Krieg­ in Tripolis — auf die italienische Wertung des Bundesverhältnisses einwirkten. Das Problem ist vornehmlich was das Verhältnis ‚Italiens zu unserer Monarchie betrifft, ein ziemlich kompliziertes. Die Gegenzage, die Crispi vor bald fünfunddreißig Jahren­ lapidar formulierte, scheinen, wenn man die Neußerungen der Breife als Symptome­­ gelten läßt, noch immer nicht ausgeglichen zu sein. An die Stelle des damaligen Ge­­spenstes, das Bosnien-Herzegovina hieß, ist nun Albanien getreten. Das Schwächgefühl an der­ östlichen Alpengrenze hat den Surredentismus gezeitigt und in fetter Reihe wirkt die Empfindlichkeit mit, die sich aus der eigenartigen Stellung des modernen Italien, zum Klerikalismus­ ergibt. Der Antagonismus zwischen dem DBatifan und dem Quirinal reicht über die totale Bedeutung in dem Diaße hinaus, als er eine psychologische Stimmung schafft. Die zumindest die publizistische Besprechung der Bundesgenossenschaft Diese Fragen be fiebenundzwanzig Jahre alt, wird er Gindaco seiner­­­szriertszge Catania und drei Jahre später entsendet das uen seiner Mitbürger den Dreißigjährigen in das Parlament. Hier schließt er sic dem linken Zentrum an, ohne sich jeder völlig dem Führer zu unterwerfen. Eine gewie Eigenbrödelei, wohl der Ausbruch selbständigen Pfeng,­ hielt ihn von BZanardelli ebenso fern wie von Giolitti, und man wird wohl der Tatsache am­ nächjsten, fern, wenn man jagt, daßs der Marchese San, Giulfiano auf dem Monte Citorio nicht Parteianschauungen, sondern sie selbst vertrat. Die eingehende Beschäftigung mit dem dornenreichen sizilianischen Problem, dem er auch ein vielzitiertes Buch widmete, senzte seinen BT auf die praktiichen wirtschaftlichen Notwendigkeiten Italiens, und er mag wohl das Auswanderungsübel gewesen sein, das ihn­­ vornehmlich der Studie der kolonialen Frage zutrieb. In seinem Berichte über die Kolonie Eritrea, der aus dem Jahre 1891­ datiert, in seiner ee­sus Tätigkeit, die auch Albanien umfaste, hat Marchese di San Giuliano fi unummunden zu imperialism­schen Ideen bekannt, die ihm eine führende Stellung in der Kammer bereiteten.­­ trat aus der Neihe der Nurdeputierten heraus, warb Staatssekretär, zweimal Minister, um 1905 am Minister des Aeußern auf­ das Gebiet der Diplomatie überzu­treten, das er seither als Botschafter in London und Paris und seit dem 1. April 1910 wieder als Chef de Konsulta behauptete.­­Als i­ch heute s aber ich sein­er Berufung gibt.Ex«zel­lenz« folgend im Arbeitskabinett des Ministers erschien,k mm­ ein Herr von­ gedrungener Gestalt ziemlich mühsam entgegen.Das geschmoollene linke Bein zeugt rotlecht. Aber aus dem scharf profiliertem von einem rötlichblonden, mählich ergrauenden Spritzbart umrahmten Gesicht,aus­ dem zwei scharfblickende blaue Augen den­ Besucher studieren,spri­cht kein­ physischer Schm­erz.Doch beh­auptet­­ man,daß­ der Minister­ s­chwer leide,unrds seine Geg­ner,1 deren­ Zahl, im politischen Mom nicht gering ist, führen den schleppenden Verlauf der italienischen Kriegsartiom­­ auf die physische Schwäche des Marchese zurück. es wäre leichtfertig, aus­­ den Beobachtungen einer einmaligen Be­­­­gegnung D diesen Vorwu­rf bestätigen oder widerlegen zu­­ wollen. Hier kann es sich nur um ein impressionistisches | intime. Freund | Bild Handeln, das aber Dem Original Schon darum nahes kommen mag, weil sü darin Züge finden werden. Die­­­se zu dem Porträt beifteter­ Mavcheie di Can Giuliano die I Vorzüge und die Lehrer eigen sind, die wir bei Diplos­­­maten finden, die nicht aus der Karriere hervorgingen. Als Politiker bildete er einen Ausnahmefall, weil er sich in einen Parteirahmen nicht recht einfügen ließ und weil er, im Gegensabe zu der Regel,­­ sich) an seinem Mandat nicht bereicherte, "sondern wohl ein aut Teil seines sehr beträchtlich gewesenen Vermögens opferte. Al Diplomat it Marchese di Can Giuliano aufrichtig, er Spricht von der Leber weg, verhehlt weder seine Sympathien noch seine Antipathien, was die Zahl seiner Gegner erklären mag. Leicht begreiflich, daß er si an der Spibe einer aus­­ländischen Mission nie recht behaglich fühlte, daß er sich "­ ­ Me Bein ten. C3 scheint, . Fenilleton, " Von der Arbeit eines großen Arbeiters, Bon Selig Salten. Als ich dies Buch besam und darin blätterte, konnte ich mich einer bald genug in mir aufwachenden Rührung nicht erwehren. Da gab es also wirklich etwas Neues von Balzac? So reich war Dieses unermeßlich reiche Reben, Daß­ es bis heute mit seinem Erntevorrat noch nicht erschöpft it. So ungeheuer war die ungeheure Arbeit Dieses Mannes, daß bis auf den heutigen Tag Bände gefüllt werden mit den Blättern, die er geschrieben. Aus dem papiernen Schutt jener Epoche­ hebt man­­ Ar­­beiten von ihm hervor, die das gegenwärtige Frankreich längst vergessen hat und die­ der deutsche Leser niemals zu Gesicht bekam... Gein Furzes, doch alle Qualen der Enttäuschung dahingepeitschtes Dasein trat mir vor die Geele, sein atemlos gehestes Ringen um den Erfolg, seine fürstlich großartige Sreigebigkeit, mit der er Leistung ‚auf­ L­eistung Hinwarf, um dem Schicsal das­­ bikchen ‚Zeche tausendfach zu überzahlen; und ich gestehe, daß ich selten so viel ehrfürchtige Ergriffenheit empfand, wie vor diesem­ Buch, *) das nun sechzig Jahre nach dem Tode­ seines Berfaffers erscheint, das fi den mehr als vierzig anderen Büchern, die er geschrieben, nun verspätet zu­­gesellt, und­ das uns gleich in der Vorrede des Heraus­gebers "mitteilt: ich bin noch nicht das lette, bin noch sein Abschluß. Zugleich aber fiel mir plötlich ein Gespräc­h ein, das nu —n — ‚einen heftigen Zorn geriet, aufstand und davonlief.. Wir dachte oder von ihm redete. Und er fiel mir auch jecht ‚w­ieder ein, da ich Diesen ‚neuen Band zur Hand nah. So ‚viel Kraft und böse Regsamkeit liegt in einem niedrigen. ‚Widerlegung enth­äftet solch ein Azt und­ redeten vom Arbeiten und davon, daß man immer seine höchsten Möglichkeiten hergeben müsse, und ich erwähnte Balzac, den ich von jeher als den Gott der Arbeit verehre. Mein Gegenüber lächelte, als er den Namen Balzac­ hörte, und sagte: „Aber, willen Sie, der gute Balzac hat auch manchmal gehudelt.“ Und darüber­ kam ich in eine solche Wut, daß ich wegging. Denn ich konnte nicht bestreiten, daß Balzac a­n gehudelt habe. Es stimmt ja. Nur habe ich es niemals gewußt. Das heißt: ich wußte es, irgendiwo in meinem Innern, allein ichh hätte es niemals­­ gewagt, mir das zu gestehen, ich hätte mirh niemals er­­laubt, darüber ernsthaft und Fritisch nachzudenken, ges­chweige denn es so grob und laut Herauszusagen. Aber nun sprach dieser Herr Schriftsteller er lächelnd aus, sagte es in einem Ton, im dem man eigene Schwächen und Bequemlichkeiten liebensichildig, beziehungsvoll entschul­­digt, und ich konnte ihm nicht entgegnen: Sie Affe, Sie! Das ist eher Balzac gewesen. Honoré de Balzac, der Groß­­meister, der sich öetatten darf, seine Meisterschaft über viele, viele Seiten Hinwischen, " hinklappern, " hinstolpern, hinfegen zu lassen, weil er eilig hat, und der int haltig­­sten Gehudel noch immer unniekbar höher steht als irgend­­ein Schreiberchen, das ihm Lächelnd auf die Finger schauen möchte. Ich konnte ihm nicht sagen: Sie erbärmlicher ! Fühlen Sie denn nicht, daß Schlamperei bei dem einen. verehrungswürdig und bei dem­ anderen verächtlich sein kann? Ich lief­­ fort, Aber dieser Ausspruch lief mir, noch lange, lange nach. Ich schlug mich mit ihm herum, so oft ich ein Buch von Balzac las, so oft ich später an Balzac häßlichen­ Wort, daß man gewöhnlich" weit mehr Mihe hat, es loszuiwerden, als «3 arg Denn die lát­gel genug, nicht tödlich genug. Man schlägt es nieder, aber er steht flugs wieder auf und schleicht herbei. Man stampft darauf, aber es rührt sich und ist nach kurzer Frist so aufrecht wie zuvor. Man möchte er auslöschen. Doc es ist nicht verlöschbar. Es bleibt in der Welt, weil es überhaupt jemals in die Welt kommen konnte.. Das it feine‘ Unaust­rottbarkeit. Man möchte mit dem Stiefelablat ein Lord in den Sand graben und dies Wort darin versharren. Aber 3 schlüpft aus seinem Grabe wieder hervor. Denn solange "er Menschen gibt, die solche Worte deuten, solange leben diese Worte ja. Sie sind in all ihrer Lüge ebenso uns­­terblich wie die­­ sogenannten­ ewigen Wahrheiten, und ebenso siegreich wie diese. "Deshalb behaupte ich ja auch­­und habe es­ immer so empfunden, daß jeglicher Schimpf untilgbar it. Die Menschen bilden sich nur ein, daß Schimpf, Verleumdung, Infulte duch Strafe, Rache oder gar durch Blut zu sühnen oder abzumwaschen sei. Sie bilden figur ein, ‚weil sie ohne diese Selbsttäuschung keine Mög­­lichkeit hätten, jenseits eines Ziviltes oder einer Feindschaft noch weiter­ zu leben. Was immer wir ihm entgegenlegen, der Schimpf besteht weiter. Er wird, doch Nade nicht ungeschehen gemacht, nicht einmal durch Widerruf, und er lebt über unser Vergessen, aber unser Berzeihen Hin­weg. Er lebt, weil er einmal gedacht werden konnte. Und dies haben die erbärmlichen ‚Gedanken mit den erhabenen ‚gemein, daß sie unvergänglich sind. Sat wohl, es it nicht zu leugnen: Balzac hat mania mal... ein wenig flüchtig geschrieben. Ein paar Geiten lang. Aber dieser Mann hat kaum einundfünfzig­­ Jahre gelebt, und er hat in dieser knappen Frist die Geschichte aller Zeiten ausgeschöpft, so gierig, so restlos, daß er jeg­­lichen Tag im Dasein Napoleons ebenso nannte, wie in dem des Julius Cäsar. Er hat von Physik, von Chemie, von Mathematik mehr gewußt als ein­ halbes Dutend landläufiger Professoren. Er hat in dieser Zeit Die Ge­heimnisse der Sprache bis in­ ihre tiefsten Wurzeln ‘er­­tündet.. Er hat die ‚Gesellcaft feiner Epoche in­ allen ihren Cöhen und Abgründen so sehr erforscht, Daß er mit all ihren Hunderten Typen und mMepresentanten spielen von Balzac Hermisgegeben von MW, dived Bei Georg- Müller, N­­ a ! Ép ER 4­­ EN x Aug “a

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