Pester Lloyd, April 1912 (Jahrgang 59, nr. 91-103)

1912-04-16 / nr. 91

- ER Ké BF F — 3 ; 058­7 x 4 a | - en — - - 8 . - - - LLOYD — ne­­­ ­­ ue — Von unserem Korrespondenten Baris, 14. April. Der Konfeilspräsident hat gestern in seiner Eigenschaft als Minister des Aeußern Sir Francis Bertie für die Heinlichen­­ Gehässigkeiten entschädigt, die der“ großbritan­­­­nische Botschafter in I­ ris unter Monsieur Caillaux zu . „erdulden hatte. Dieser konnte es dem britischen Diplomaten­­ „nicht verzeihen, daß­ die Matoffoverhandlungen mit Spa­­nien nur sehr langsam vonstatten gingen, oder deutlicher, daß er England einen gewissen Groll nachtrug. Wenn­ man die gestrigen­­ Reden liest, wird man klar sehen, daß die Verstimmung des Herrn Caillaux, rein persönlicher Natur war, daß­ er „ihr­ nicht, zum geringen Teil sein rasches Verschwinden von der politischen Bühne zuzuschreiben hat, ein Verschwinden, das selbst hier, wo man rascher vergißt als anderswo, allem Anscheine nach ein ziemlich dauerndes bleiben wird.­­ Wenn man das Verhältnis zwischen Frankreich und Eng-' "als auß in Großbritan­­nen sowohl in Frankreich als auch i­­­nien von der Ueberzeugung beherrscht wird, daß die Her­stellung wirklich aufrichtiger freundschaftlicher Beziehungen zum Deutschen Reiche eine positive Aufgabe bilde. Die unter den gegebenen Verhältnissen nicht zu lösen sei, so ist nichts natürlicher, als daß diese beiden Mächte sich immer enger einander anschließen. Aus diesem­ Gesichts­­punkte betrachtet, hätte die entente cordiale ihren poli­­tischen­ Inhalt noch nicht völlig erschöpftz sie bliebe der Zusammenschluß zur­ gemeinsamen Mbivede eines in der Zukunft nicht als ausgeschlossen betrachteten Angriffes von der Seite einer Macht, deren Verhalten als zumindest nicht freundlich empfunden wird. — Die französischen und die britischen Staatsmänner sind jedoc unleugbar Realpolitiker; sie lassen sich von Tatsachen, nicht aber von Stimmungen beeinflussen. Die Frage läßt sich nun nicht abweisen, welche sind die wirk­­lhen oder scheinbaren Tatsachen, die in zwei mit realen­­ Dingen rechnenden Kulturnationen, die beide von der demokratischen­­ Entwicklung zur Friedenspolitik gedrängt werden, solche Bedenken hervorzurufen vermochten ? Eines muß man zugeben: sowohl die französische als auch die britische Staatsverwaltung würden die für die Rüstungen erforderlichen Milliarden weit lieber den Anforderungen einer modernen Sozialpolitik zuwenden, schon um innere Unruhen zu vermeiden, die Tag für Tag sich in bedroh­­lichen Erscheinungen äußern. Das Prestige wäre keine zureichende Begründung der immer unerschwinglicher wer­­denden Opfer, und der ehrlichen Versicherung, daß weder Kane noch England um einen Angriffskrieg denken, kann man umso beruhigter Glauben schenken, weil sie in den inneren Berhattnisen dieser Demokratien begründet ist. Wie entwielte sich also der Geisteszustand, der in Frankreich und England mit Deutschland als­ mit einer angriffslustigen Macht rechnet? Ich will zunächst meinen französischen Politiker sprechen lassen: „Deutschland meint es vielleicht ernst mit dem Frieden. Ic muß z­weifelnd sprechen, weil die Methode seiner Politik ihr eingestan­­denes Ziel nicht debt. Frankreich muß auf seiner Hut sein, weil die Geschichte der lezten Jahre es klar er­­kennen ließ, daß die Berliner Diplomatie den heraus­­fordernden Ton bis zur Uebertreibung liebt. Soll man annehmen, daß nichts dahinter stet, nur die Gewohnheit, lärmend aufzutreten? Wir sind“ höflich genug, an den vorausjegen, daß die starken Worte mir die Vorläufer starker Taten sind, denen wir in Ehren begegnen müssen. Frankreich zu panzern ist eine Existenzpflicht, der sich keine­­ Regierung entziehen kann, die nicht das Brandmal des Vaterlandsverrates riskieren will.“ Ein Engländer, der­­ berufen ist, über die Stimmung seiner Landsleute Auf­­schluß zu geben, sagte mir: „Wir­ begiben keine gem­ein­­­­schaftliche­re Grenze mit Deutschland und könnten wohl freundschaftlich nebeneinander leben. Nie würde es einem Briten­­ einfallen, eifersüchtig zu sein, weil Deutschland das­­ stärkste Heer der Welt besißt. Aber wozu baut es seine­­ Riesenflotte? Nicht gegen Frankreich, nicht gegen Ruß­­land, denen es seine Armee entgegenzustellen vermag. Nicht um den Frieden zu beschüßen, den niemand bes droht, Also, wohl nur gegen England. Das will man in Deutschland nicht Wort haben. Gewiß nicht. Ich muß denn ich habe bisher noch niemals eine befriedigende Antwort erhalten können auf die Frage: Gegen wen baut: Deutschland seine Flotte? Welchem Ziele opfert es Milliarden? Denn mein Respekt vor dem Deutschen Reiche und vor seinen Staats­­­­­männern ist ehrlich genug, um mich nicht annehmen zu lassen, daß sie die ungeheuerlichen Rüstungsgelder ziellos vergeuden.“ In der Beleuchtung dieser zwei Aeußerun­­gen betrachtet, wird man den an der Riviera laut ge­wordenen Reden eine vornehme politische Bedeutung nicht versagen können,­­ aber auf meiner Behauptung beharren, in­ ­ Caillauy­ ließ es den­ Botschafter MCHN, land­rein aus dem Gesichtspunkte der Marokkoverhand­­lungen mit Spanien betrachtet =­ ein Irrtum, in den der­­ impulsive Caillauy verfiel­­, so wird man notwendiger­­­­weise zu falschen Konklusionen gelangen müssen. In diesem Betracht­­ muß man daran denken, daß die Verhandlungen z­wischen­­ Senor Garcia Prieto und Monsieur Geoffroy wohl gleichsam unter der Kontrolle des britischen­ Bot­­schafters­ Six Maurice Bunsen stattfinden, daß dieser Diplomat dort aber umso mehr auf seinem late ist, als­­ Der Anteil Spaniens an Marokko in einem Vertrag stipu­­­­liert wurde, den England und Frankreich zeichneten. Es se­hlt auch im Verlaufe der Madrider Verhandlungen niemals Vorwurf gegen England erhoben worden, und diese Tatsache muß man sich vor Augen halten, wenn­ man die­­ gestern in Nizza ausgetauschten Toaste auf­ ihren realen­­ politischen Wert prüfen will. Auf den ersten Blic wird man geneigt­ sein, sich zu verwundern, daß­ die Entente, die inhaltlich genommen , etwas eigentlich schon konsumiert ist, noch­ immer als Wirksames und Entwicklungsfähiges gepriesen wird. Tat­­­fähig war der Zwe der entente cordiale kein anderer,­­ als der, die Mittelmeerfragen zu lösen, und dieses Ziel ist durch die Marokkoliquidation voll und­ ganz erreicht worden. Man könnte für den heute noch zwischen Paris ;­­ " Inte. für­ den I "9. wise Dan, Ernst der deutschen Politik zu glauben, und wir müssen at Der Austritt der Italiener aus der Inter­­­parlamentarischen Union ist bekannt, daß in den Septembertagen des vorigen Jahres die XVII. Konferenz der Interparlamen­­tarischen Union in Rom hätte stattfinden sollen. Der Ge­sundheitszustand, der damals in Italien herrschte, ließ es erwünscht erscheinen, eine Vertagung dieser hochwichtigen Versammlung herbeizuführen. Nur mit Mühe konnte dieser Wunsch zahlreicher führender Persönlichkeiten der Union­ durchgeseßt werden, da die italienischen Arrangeure der Konferenz von einer Vertagung Die Vertreter von mehr sollten der­­ Ausstellung und nichts wissen wollten. Jast zwanzig Jahre nach dem Zeitpunkt, an dem die Das­mals noch junge Union ihre dritte Tagung­ in Rom­­ abge­­halten hat, sollten wiederum die. Vertreter des pazifistischen Gedankens in den Parlamenten der Welt in der ewigen Stadt­­ zusammentreten, um­ Zeugnis abzulegen , von dem Anwachsen des Gedankens, den sie vertreten, und von­­ der Erstarkung jener Vereinigung, von der man sich im Jahre 1891 noch nichts träumen ließ. Diese XVII. Konferenz sollte daher der Entschluß“ eine der glänzendsten werden; große Feste waren geplant, die Anwesenheit der Minister, die Eröffnung durch den König selbst waren in Aussicht ge­stellt, als zwanzig Parlamenten dem­ Jubiläum des italienis­­chen Staates erst, die rechte Weihe verleihen. Kein Wunder, daß diejenigen, die den Kongreß in Rom vorbereiteten und Zeit, Arbeit und Geld dafür verwendet hatten, nach hartnüdigem­ Kämpfe entschlossen, sich­ nur dem allgemeinen Verlangen nach Vertagung nachzugeben. Erst kurze Zeit, nachdem Biete Vertagung beschlossen worden war. Die Weigerung wurde, brach der italienisch-türkisc­he tagung, der aus Konflikt­­ aus­ Italiener, den Wunsch nach der gemacht beste Beweis dafür, wie, jäh italienis­­cher Absicht getragen, Tripolis­ zu annek­ie­­ren, so wäre ihr die Cholera ein willkommener Vorwand gewesen, marum begeistert die Völkerleben der ferenz in Rom das­­ternationale der Parlamente der ganzen Welt des Kriegsplans, des Truppen aus­­Flottenentsendungen ins Land zu rufen.­­Denn just an Straßen Frie­­densparlament unter dem Vorsit­zes Ministerpräsidenten und unter dem Protektorat des Königs am Monte Citorio tagen­ sollen. Das Blamage gewesen, , und man weiß nicht, ob in höherem Grade für die italienische Regierung "oder für die I Interparlamentarische­­ Union. Leute, die die große Bedeutung nicht unberechtigte Frage nicht am Ende durch Abhaltung mieden werden können, nicht ausgeschlossen, daß eine Regierung, Königshaus interparlamentarischen hätte, raschen jenem Roms wäre eine Entschluß Tage, ob an dem das Ulti­­die Massen kriegsfreudig erfüllten, hätte der Imponderabilien int . haben­­ allerdings aufgeworfen, das län­­der interparlamentarischen­­ Kon­­tripolitanische. Abenteuer hätte vor der Tat ist die Möglichkeit die sich und Das es nicht vielleicht ,­die un­­verpflichtet Hemmnis , für “den zum Kriege gesehen Hätte. Man­­ kann es nicht wissen, ' E83 . schen gere nur "5 u zu Zeit mit allzu efommen in Bon Alfred H. Fried, der erfüllen, Regierung die Mitglieder ‚nicht als Zeugen­marsches und die Recht wäre, Anlaß ist gereift der der war. gestellt wurde, an­­ dem vielleicht de< darin, ein und Cholera geltend zu dem unseligen Kriege so ungeheurem Maße, Hätte richtig abzuschoßen wenn In das diese bei sich wissen, Festtage geplant war, Choleragespenst der schon ob den B Völkerfrieden nicht Be Wien, 14. April wie­ es für­ auf das anders seine sei“ sind verdienstvolle Leistungen. Künstlern. gewid­­Was will der Künstler er­­ob die Seele der Mutter, bevor sie ihr letztes Heim aufsucht, zurückgekehrt“ wäre, — um ihr rosiges, geliebtes Kind zum leßten Male zu herzen „und zu wiegen. In der Tiefe des Gedankens und in­­ der Einfachheit der Auffassung gemahnt dieses Bild“ an eine alte Ballade. In seinen­­ „Herbstbäumen“ geht Schiele mehr auf das Ornamentale. Die „Stilleben“ von Anton Kollig haben sehr feine Qualitäten und interessieren wegen der Farbenharmonien und der Komposition. Dagegen sieht Anton Faistauer nur auf die Form und vernachlässigt die Farbe, seine Bilder wirken dadurch wie schmäßig. Reizend­st sein „„Kinderbildnis“ wie auch der „Frühstüskorb“. Sehr schön it der „Obstleser“ von dem Prager Hugo Böttinger, nur eine ganz flüchtig hingeworfene Frit­­a aber gut beobachtet, fein in der Bewegung und der Handlung der Fleischtöne. Professor v. Benkhard überrascht mit seinem­­ Bilde „Der Park in Nagybánya, Noch sind einige Damen als Gäste zu verzeichnen. — Louise Hahn-Fränkel hat sich die Blumenmalerei als eine Met Spezialität zu eigen gemacht. Sie zeigt ihre Liebe für die Farbensinfonie, bewahrt dabei ein richtiges Ge­­fühl für Stil und Form,­­ obgleich ihre Kompositionen rein malerisch behandelt scheinen. Frieda Konstantin- Lohwag und Ernestine Frischauf-Lohwag, beide Mitglieder der ungariscen Bereinigung „Keve“, sind hochwillkommene­­ Gäste. Beide Schwestern weisen gründliche Technik, und er­­­­ große Reiden und Maltalente auf, obgleich­­­­ er lizien, die Bukowina, Rumänien und die Türkei gewonnen hat.“ Man sieht aus ihnen, daß es dem Künstler haupt­­sächlich darum zu tun ist, die Bewegung der Menschen mnt­­ Ruten und Geißeln sHlagen, Bilde darzustellen. Er liebt das Gedränge, den Wirrwar„“ des Lebens: aus bunten Farbenfle>en erhebt sich das Gewoge­ der pulsierenden, vibrierenden, neugierigen, hastenden, nachhinkenden Volksmenge. Diese Bilder haben meistens" als Vorstudien zu "seinem Hauptwerk, dem Temperabild „Die Kreuzigung“ gedient. Was er versucht uns nahezulegen, ist, wie Christus für die leidende, bejammernswerte Menschheit stirbt. Das Bild ist ganz architektonisch aufgebaut, weit im Hintergrund, aber das Gekreuzigten hängen. Von nah und fern strömen auf­­lange Straße des Ortes hinunter, aus den Ds über den Fluß her, durch den abseits gelegenen Pinienwald. Die Dächer der orientalischen Häuser, die Kuppeln und ganze beherrschend, liegt der Berg Golgotha, wo die drei wird von einem­ Soldaten überritten; es­ ist ein­ Gewimmel von Treibern, Strolchen,­ Sklavenhändlern,­­­Totschlägern, Mördern, Dieben und Falschspielern. Keiner achtet auf die Tragödie des Menschen, die sich auf dem Berge abspielt.­­ Unweit sieht man das Zelt, in welchen Laster aller­­ Art getrieben werden. Man merkt, daß Laski von Breughel stark beeinflußt wird, doch ist er seiner selbst sicher. Das Bild ist höchst geistreich empfunden und gibt uns eine wahre Kraftprobe des genialen Künstlers. “Hugo Baar ist diesmal nach Holland gegangen und zeigt sich als gleichen Meister in der Behandlung des Wassers, wie der Schnee­­massen in seinen Bildern aus Mähren. Karl Huch“ in seinem „Berggeist“ zeigt uns einen monumentalen Geier auf einem Felsen fibend, mächtig in seiner erhabenen Ruhe, umgeben von einem Kreise von Naben. Es hat nur rein ornamentale Wirkungen, die aus den schwarz­­weißen­­ Elementen zusammengesetzt sind. Ullmann bringt seine, stimmungsvolle Landschaften, ebenso Adolf Groß, z. B. Kramer, der diesmal sehr gut vertreten ist; Josef Beyer, Amit Roth, H. Revy, Man Kurzweil und Ja­­rones verdienen­ ein Wort des Lobes, auch Ludvik Kuba, dessen Doppelporträt viele­­ Vorzüge aufweist. Otto Bartha „Letter Gang“, ein Tiroler Dorfbegräbnis, ist eine treff­­liche Leistung. geregte Menschen massen den Berg hinauf, sie kommen die. an, ja selbst die Bäume sind von Menschen belebt, an sieht Zeltlager, ausgeschirrte Pferde, Krieger, Wagen, kurz ein Gewühl. Da und dort gibt es sogar Kämpfe und Handgemenge. Links ist die Auffahrt; eine vornehme, aber ganz teilnnahmslos dreinbildende Gourtisane sitz auf einem Dromedar unter einem Baldachin, Männer werfen Die graphische Kunst ist diesmal außerordentlich reich­­haltig. Es gibt prächtige farbige Radierungen von Simon, sehr gute von Michl, Stretti-Zamponi und August Brömser reizende Aquarellzeichnungen von Pank -Böhller, die er von­­ einer Reise in Ostasien heimgebracht hat, sehr gute Holzschnitte: von Dittrich. Dr. Junk, ein Meister­­ der zeichnerisch-dekorativen Kunst, hat die eigenhändig ge­­schriebene Adresse für Professor v. Schröder und, den Bucis­mus für Hevesis Werk „Rudolf Alt“ ausgestellt; von F. Staeger, den wir aus der „Jugend“ kennen, finden wir sich vor ihr in den Staub; ein Prediger, der sie zurecht­, Fein abgetönte delikate und phantastische­­ Tuschzeichnungen“ ;

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