Pester Lloyd, Mai 1912 (Jahrgang 59, nr. 104-115)

1912-05-01 / nr. 104

: « Fr h. Mit separater Postversendung . des Abendb­lattes vierteljährig 2 K. mehr. 7 r Wien auch durch Herm. Goldschmidt Für das Ausland mit direkter Krenz- 2 . bandsendung vierteljährig : Für Deutsch­­­­land 18 er für alle übrigen Staaten ‚81 K. Abonnements werden auch bei sämtlichen errang Postämtern ent­­d, Frankreich, Spanien und Portugal besteht­­ die Vermittlung der Postämter nicht und des Abonnement muss direkt In unserer Italien bei der Zeitungsfirma­­ Saarbach, News Exchange in Mainz. MORGENBLATT 59. Jahrgang. Budapeft, Alittwod, 1. Alni 1912 Budapeft, 30. April Das Erpose des Grafen Berchtold beginnt mit dem Hin­­weise auf die Zustimmung, welche die Politik des Grafen Wehren­­thal in Oesterreich-Ungarn fand. Dieses Zurückgreifen muß in doppelter Hinsicht einen sympathischen Eindruck bewirfen. Das tragische Ende des Grafen Wehrenthal hat in ganz Europa Teilnahme erweckt und es bedeutete für die Monarchie einen herben Verlust. Graf Berchtold trug dem mensch­en Empfinden Rechnung, indem er die ersten­­ Betrachtungen seines Crpofes dem Vorgänger widmete. Zugleich erfüllte er einen Wunsch­ der öffentlichen Meinung der Monarchie, indem er die Fortlegung des Werkes Aehrenthals als seine Aufgabe bezeichnete. Dabei verwahrte er sich aber gegen die Annahme, daß die Kontinuität von ihm als „beschauliches Stillstehen” aufgefaßt würde. Die Hinfälligkeit dieser Annahme ergibt sich im übrigen auch aus zahlreichen Einzelheiten seiner Darlegung. Allerdings konnte er uns Dorf nichts Neu­es mitteilen, wo er von Ariomen unserer Außenpolitik sprach. Ueber das Verhältnis der beiden Zentralmächte brauchte er nicht viel zu sagen, weil das Einvernehmen zwischen­ Oesterreich-Ungarn und Ir N­oyc auch in seiner heutigen Innigkeit und Fertigkeit nur kals die Verkörperung einer Gemeinschaft erscheint, die schon längst von den Beteiligten, von den Freunden und Gegnern als unnerschütterlich­ und unabänderlich betrachtet wird. Auch unsere Beziehungen zu Italien haben durch den Italienisch türkischen Konflikt keine Beeinträchtigung erlitten. Oesterreich-Ungarn konnte allerdings seine­nteressen nicht jenen Italiens unterordnen und Deutschland hat dies ebenso wenig getan. Die Klarheit und Offenheit der Politik der Zentralmäche hat aber, vielleicht auch wegen des Gegenzuges zur Haltung Dritter, bei unseren Nachbarn einen starren Eindeud bewirkt und sie zu erhöhter Vert Ihäßung der Bündnisse veranlaßt. So konnten die Aus­­führungen des Ministers über den Dreibund ein von feinem er getrübtes Bild bieten. t «­em Kriege zwischenhalten und der Türkei ist heute die Aufmerksamkeit der gesamten politischen Welt zu­ gewende. Man kann es daher nur natürlich finden,daß«GrafBe»Ich­­told dieses Thema wiederholt berührte. Er betont mit glei­­chem Nachbruche die unverbrüchliche Neutralität Oesterreich- Ungarns und die Bereitwilligkeit des Wiener K­abinetts zur Förderung jedes auf dieser Grundlage einzuleitenden Ver­­mittlungsversuches. Dabei konstatiert er­ das Verdienst des Grafen Wehrenthal, der durch seine Anregung­ ein gemein­­sames Vorgehen­ aller neutralen Mächte in der Mediations­­frage sicherte und so auch die Voraussegung für die jüngste russische Initiative Schuf. Mit besonderem Nachdruce erör­­terte Graf Berchtold­ die Notwendigkeit, störende Rück­­wirkungen des Krieges auf dem­ Balkan zu verhüten. Die betreffenden Zusagen der­ italienischen Regierung und die Ergebnisse weiterer Fühlungnahme mit der Gonfulta er­­scheinen ihm als Gewähr dafür, daß manche nicht unberech­­tigte Befürchtungen doc dur die Tatsachen entkräftet werden dürften. Trotdem erklärt er noch speziell, daß Oesterreich Ungarn auch wegen seines freundschaftlichen Vers­­ältnisses zur­­ Türkei die möglichste Einschränkung von Komplikationen anstreben müsse, welche das ottomanische Reich in Mitleidenschaft ziehen könnten. Ferner heißt es in dem Bajsus über die Diediationsfrage, die Bemühungen der beiden Mächte würden hoffentlich „eine für beide Teile annehmbare Lösung“ zutage fördern, wodurch den Interessen beider Kriegführen­­den gedient und auch die Gefahr einer Ruhestörung auf der Balkanhalbinsel gebannt wäre. Die Bemerkungen des Ministers über die Dardanellensperre kennzeichnen die wohl­­wollende Tendenz der bezüglichen Ratschläge, welche das Wiener Kabinett Schon wegen der­ internationalen Bedeutung dieser Frage, aber auch behufs Wahrung der Wirtschafts­­interessen Oesterreich-Ungarns an die Pforte richten mußte. Die gesamten im Erpoje enthaltenen Erörterungen des ita­­lienischtürkischen Konflikts verstärken den Eindruck, daß unserer Diplomatie die Bewältigung der höchst sc­hwierigen Aufgabe gelang, die Stellungnahme der Geonarchie zugleich mit der Bundestreue für Italien und mit der Freundschaft für das ottomanische Reformreich in Einklang zu bringen. Die türkischen Machthaber zweifeln nicht an der Fortdauer dieser Freundschaft und in Italien glaubt man heute fester denn je an unsere „Korrektheit und an die Aufrichtigkeit unserer Sympathien. Man weiß dort, daß es nur von der italienischen Politik abhängt, ob die Grenzen, innerhalb deren wir diese Sympathien im ferneren Verlaufe des Kampfes und bei dem Friedensschluffe zu beweisen vermö­­gen, verengt oder noch weitergezogen werden sollen. Die ruhige fachliche Methode unserer Orientpolitik befindete sich auch dadurch, daß in einer­ Zeit, in der zahlreiche Berufsschwarzieder unermüdlich den Umsturz im nahen Osten vorhersagten, der Ausbau unserer wirtschaft­­lichen Beziehungen "zu den Balkanstaaten dur den Han­­delsvertragsabschluß mit Bulgarien fast vollendet wurde. Unser Güteraustausch mit Bulgarien war früher nur auf einen N Reziprozitätsvertrag­­ gegründet, der Jahr für Jahr erneuert werden mußte und daher unseren Industriellen und Exportenden keine sichere­­ Basis für ihre Betätigung bot, es­ entfällt diese­ Schmierigkeit und ist dem Unter­­nehmungsgeist freier Spielwannen gegeben, wovon hoffentlich umfassender Gebrauch gemacht wird. Die freudige Begrüßung und weitgehende Kommentierung des Vertragsabschlusses seitens der öffentlichen Meinuung Bulgariens bestätigt die Anschauung, daß eine konziliante Handelspolitif einer der wichtigsten Behelfe einer guten Balkanpolitik sei. Graf Berchtold hat, sich, wie aus seinen Bemerkungen hervor­­geht, diese Anschauung völlig zu eigen gemacht und er ent­wickelt sie in Worten, welche vermutlich in Sophia, auch Belgrad und Getinje die entsprechende Wür­­digung finden werden. E­nfer Verhältnis zu Nu­mänien bedarf kaum noch einer Nusgesta Berchtold hat es in einem einzigen Gate, aber n Herzlichkeit und Prägnanz gekennzeichnet, daß eine atmige Darlegung gewiß nicht mehr und nichts sagen könnte. Kehren wir zu dem Thema unser­ politif zurück, so dürfen wir hervorheben,­­da seit an auf internationalem Gebiete immer Geltung kam. Graf Berchtold erinnert an bsterreichi ihr ungarischer Unternehmungen für dehalte, von denen die Zustimmung Deftertei dem deutsch-französischen " Mearoffovertrage ablehi macht wurde ; er verheißt ferner den beteiligten K möglichste Förderung ihrer Bestrebungen anläßlich gestaltung in China. Davon, daß seine Am­ts Abbruch der Verhandlungen über die Exm­euer Brüsseler Zuderk­onvention verhütete, hat er nichts, diese positive Leistung soll aber hier nicht unerwähnt . Die Beziehungen Oesterreichh-Ungarns zur Tripe sind im Erpose nur in allgemeinen Umrissen, doc plastisch geschildert.. Der­ Bafsus über­ das Verhältnis Nukland ist auf den Ton gestimmt, den Herr Gaj jüngst anschlug. Graf Berchtold quittiert mit Ire Danke die Erklärungen des russischen Staatsman versichert, daß er die Relationen zu dem Zarenre­fäh­ig pflegen­­ werde. Das­ Beispiel seines PR Kollegen nachahmend, vermeidet er Meberjhhm was gewiß zu billigen ist. Zwischen Oesterreich-Ungarn Rußland besteht ja bereits­­ eine Uebereinstimmung un­d der wichtigsten das Interessengebiet beider Mächte. renden Fragen. Diese Uebereinstimmung ist ausgeht fähig und wir­ können in Gelasfenheit die weitere lang abwarten. Impulsive Beschleunigungsversuch unserer Seite dürften kaum von außen sein. Dis­führungen, welche Graf Berchtold an die britische richtet, müssen den Eindruck erweden, daß man in Deft Ungarn bereit ist, die alte schöne Tradition des O­mens mit England neuzubeleben, und daß die Verwirktü dieses Gedankens daher unschwer erfolgen kan, wer Kabinett von St. James in der Zukunft das Genie in das Auftauchen von Wirhverständnissen zu ver! Ohne ähnliche Verklausulierung, ja mit auffälliger Wär kennzeichnet der Minister die Beziehungen zu Frankreich „ausnehmend gute" und konstatiert er das Nichte sein irgendwelcher Interessengegensätze zwischenQs- Ungarn und der­ Republik,sowie die Kongruenz­." lichen Bestrebungen",beider Mächte im ngh Maßk Hinweise gestatten die­ Deutung, daß unsere Diplom Entwicklung unseres Verhältnisses zu Frankreich lediglich von den Relationen zwischen Wien un­abhängig betrachtet. Ein starrer individueller Zug ist in den Da des Ministers über "die internationale Gefi 2" Feuilleton. ‚Die Dardanelleı. "Bon Albert v. Berzeviczy. Diesem­­ heutzutage­ überall landläufig gewordenen eographishen Begriff gnubte ig um sio mehr einige, er­äuternde Bemerkungen widmen zu können, weil ich vor einigen Wochen die Dardanellenstraße unter Umständen befahren habe, welche schon­ auf die seither dort vorgekon­­menen Ereignisse hindeuteten. „Dardanellen“ wird heutzutag­e wie bekannt — die Meerenge genannt, welche in süd­westlicher Richtung den­ Musfluch des Marmarameeres nach dem Hegatischen Meer bildet, und südöstlich von der Rrovinz Myflia der asiati­­schen Türkei, nordwestlich von der zur Provinz Adria­nopel gehörigen Halbinsel Chersonefos umfasst wird. Sie hat eine Länge von 60 Kil­imetern, eine minimale Breite von 1350 Metern­ und eine maximale von 7% Kilo­­metern; ihre Tiefe variiert zwöischen 50 und 90 Metern. Eine merkwürdige Naturerscheinun­g der Dardanellenstraße sowohl wie des oberhalb des Marrharameeres liegenden Bosporus it Die ‚beständige starre Etrörnung von Dit nach West, das heißt vom Sihiwarzen gegen ‚das Aegäische Meer, twelche wohl ‚auch), mit dem absoluten Mangel einer periodischen Ebbe beider­ Meere zusam­m­enhängt. Seltsamersweise war­­ diese Naturersgeinung auch schon Shakespeare bekannt, welcher sie­ zum Gegenstande eines kräfftigen Vergleiches machte. Im­ „Dibello“ fügt der­ zur Eifersucht­­ erivachte Mohr zu seinem bösen Geist Iago, der ihn gleißnerisch zu beschmichtigen trachtet:­­ „Never, Jago. Like to the Pontic sea, ‚Whose ‚icy. current; and compulsive course Ne’er feels retifing ebb, but keeps due on To the Propontic and the Hellespont : Even so my bloody thoughts, with violént pace, Shall neer look back, ne’er ebb to humble love, -Til that a. cäpable and wide revenge Swallow then Up...“ -.·S«hwkespeasre. she füg. also nom; der altertüm­lichen Namen der „Bropyutis“ Für das Marmarameer und. Des ‚„Hellespont“ für Die Dardanellenstraße. Diese lektete Be­ nenuung- ‚Ttammt ou ber Sage: der „gelle” . bet, dev « " Tochter des Athamas und der Nephele, welche sich, ver­eint mit ihrem Bruder Phriros, durch ein Traumgesicht gewarnt vor dem Zorn ihrer Stiefmutter Io flüchtete, und von einen Widder mit goldenem Fell über diese Meerenge getragen werden sollte. Aber nur Phriros ge­­lang die Flucht, der dann zum Dant den Widder in Kolchis dem Zeus opferte und sein Fell — das „goldene Rhep" der nachmaligen Argonauten — im Tempel des Ares aufhängte. Helle fiel untermens vom Widder hinab und ertrank in­ der See, welche seitdem zu ihrem Andenken den Namen „Hellespont“ trug. Auch der­ Name der­ „Dar­­danellen“ winzelt übrigens im griechischen Altertum: ex­mahnt an die Stadt Dardanos, welche auf dem­ asiatischen Ufer des Hellespont lag, und deren Spuren noch­ vor­handen­ sind. Im Weberhaupt ist diese Küstengegend vielfach von den schimmernden Fäden der Sage und der Geschichte umspon­­nen. Abydos, am schroffen Vorsprung­­ des asiatischen Ufers, jenseits der „Dardanellenschlöifer‘, wo die’Meerenge am jomalsten ist, bezeichnet den Weg, wo’ Leander zu seiner Hero hinüberschwimmen wollte" und in den Wellen seinen Tod fand; diese Sage begeisterte wohl Lord Byron, der ein leidenschaftlicher Schwimmer war, zu dem fühnen Unternehmen, hier durch die Meerenge zu Schwinmen.. Er widmete übrigens­­ diesem Oit auch ein Dichterisches Werk: die romantische Erzählung von der „Braut von Mbydo3”, darin er die „Dardanellen“" mit herrlichen Farben schil­­dert. Stier überschritten Kerres, Alexander der Große und später die eroberungssüchtigen Türfen die Wasserstraße, die Alten von Europa scheidet. Am­ südlichen Eingang der Meerenge, um das kleine Borgebirge herum, welches jet das vielerwähnte türkische Fort Kum-Sale trägt, hatten sich einst die Kriegsschiffe den­ Griechen, welche Troja belagerten, und die Weberliefe­­rung iet auch die Stellen bezeichnet, wo — am Meeres­­rand — Agilles, Patroklos und Aias ihre Gräber fanden. Die Homeris des Heldensage erhielt in unseren Tagen eine überraschende Bestäftigung durch die epochalen Ausgra­­bungen Schliemanns ud später Dörpfelds bei Hilfarlis, deren Besucher auf der­ Dätsanellen-Haltestelle ausgeschifft werden. Die­­ Schutthalden der Ausgrabungen sind auch von der Meerenge aus sichtbar. Hier lag auch Sigeion,­­der die er unter Perfaltrator eroberten, während big­ Reine verteljetet. Dann tam führten Spartaner: bezeichnen. "Im Chersone von Gallipoli, herrschte einst der edle Miltiades at weit fließt der Tichan-Tihat — einst Granitos- Aeran der der Große die Perser in blutigen­­ fiegte. — « g Tass Mittelerlter und die Neuzeit hinter Kikpsan d­eutendisterr Spuren in den Festungen weichen Ufern errichtet wurden.Am imposantestenpx die 1111th­­a­ 1bsvolr"Abyd­os einandergiegen beide­r»Dachsanellenschlösser«,Kilids BahOM schetrukkdsKalö Sultaniä auf­ der­ asi­atischen« hat der­ große Eroberer Mohammed II. erbaut. Mündung der Dardanellenstraße gegen das Re­st von ziver Festungen bewacht, nördlich von © und südlich von Humz-Sale­­m­ . Landschaftlich bietet eigentlich­ nun die und den Dardanellenschlöisern buchtartig Bieggung der Meerenge einen " fesselnden Anblic; wend­et auch der Eindruck der amphib­en Uferhöhen hin gelag­erten Stadt Gallipoli,­»» östliche Grenzmarke der Da­rdan­elkenstraß­e«­­schon das Marmarermeer unsere­r Augen­­asiatische Ufer wird grö­ßtenteils s von s·—I-»« Hügselland gebildet;die europäische Küste heran,ist aber ai­chs meist nur mit kärgli­ch setzt deckt,.11ur einzelne Talöffnungen bieten » Weinp­flanzungen Aussichtan«pittoresker,»­­sichwlsod«ie·Dardsanellenstr·aßemitd « weitem nichtmessm VI dag vi W- En a fi 3 7­ au , ze 4: 26

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