Pester Lloyd, Dezember 1912 (Jahrgang 59, nr. 297-307)

1912-12-17 / nr. 297

/ «­­ erteljährig 2 K. mehr. Wien auch durch Herm. Goldschmidt. Für das Ausland mit direkter Kreuz­­bandsendung vierteljährig : Für Deutsch­­land 18 K., für alle­ übrigen Staaten 21 K. Abonnements werden auch bei die Vermittlung der’ Postämter nicht und Her esen­de­n. direkt in unserer Iministration 0] . Vertretung für Deutschlan­ i England und d. Frankreich, Balien bei der Zeitungsfirma Saarbach, News Exchange in Mainz. 59. Jahranna. MORGENBLATT .:Budapest,Z­­engtag,17. Dezember 1912 reich wie im Auslande übernehmen Kündigungen für den „Pester Lloyd“. Einzeln : Mo in 12 Hel em Een regen Budapest 6 Heller, in der Provinz 8 Heller, Falle zurü­ckgestell‘ lierte Briefe werden nicht angenommen, Nr. 297 .. Budapest 16. Dezember. Er it von guter V­orbedeutung, daß gerade heute, am Tage der Eröffnung der Londoner Friedenskonferenz, auch­ eine andere Angelegenheit anscheinend der friedlichen Austragung entgegengeführt wird, die bisher den gefähr­­lichten Erregungsstoff verbreitete. Wir meinen die Affäre des österreichisch-ungarischen Konsuls Brothazta in Mrnzren; &3 waren und sind über das Schiesal dieses Funktionärs im­ Publikum so abenteuerliche Gerüchte verbreitet worden, daß, man füglich behaupten kann, diese Fri­iflos. für wahr­genommenen Versionen hätten sehr viel dazur­ beigetragen, um die Aufregung in den Streifen des Publitums ins Maßlose zu teigern und Die politische Spannung bis zum Yeußersten zu erhöhen. Nun zeigt es sich jedoch, daß hier auch Die Phantasie mit am Werke gewesen, und es leichter, als man bisher geglaubt, möglich sein werde, den Zw­ischen­­fall durch eine Gewährung der völkerrechtlich vollberechtigten fuung aus den Welt zu schaffen. 3 wurde heute über den Abschluß, der Untersuchung in dieser Affäre das nach­folgende offizielle Communique ausgegeben: Wien, 16. Dezember. „Die, vom Tf. u. f. Ministerium der Weyßern, in Angelegenheit des Konfulz Brohastain Brizgrendu ersheinend von hier entsendeten. Delegierten ge­pflogene Untersuchung, die sich infolge der großen Entfernungen und der. dnd. Die Kriegslage geschaffenen Verhältnisse einigermaßen ist die Länge 309,.11 nunmehr abgejäh­rten Auf Grund ihres Ergebnisses famr. erfreulicher­­weise konstatiert werden, Daß die im­ Anlauf gewesenen Gerüchte monad - Konsul Brodjasta jerb­ischerseits auf seinem Posten förmlich gefangen gehalten, ja sogar mißhandelt­­ worden wäre, jeder Grundlage entbehren. Die seiner­­zeit von der serbischen Regierung gegen den genannten Konsularfunktionär mit dem See um dessen Beriegung: exhobene amtliche a­nschuldi­gung, daß beim Einzuge der serbischen Truppen in Brigien aus dem £. u E. Slonjulat auf dieselben ge­­schossen worden wäre, Hat fr als­­ vollkom­­men greundlos erwiesen. Dagegen haben di­­­e serbischen Militärbehörden in Prizren allerdings unserem dortigen, Konsulat und dessen Leiter und P­ersonal, gegenüber vom völkerrechtlichen­­ Standpunkt aus mehrfach ins Unrecht gelegt. Die in dieser Beziehung vorgenommenen Verstöße werden der königlich serbischen Regierung mit dem Begehren um entsprechende Genugtuung bekannt­­gegeben werden. Es ist sein Grund zur Annahme, daß die königlich serbische Regierung, welche sich der Mission , des Delegierten des Ministeriums des Meußern ent­­­­­hat, Diese Genughung verweigern mend verhalten wird.“ Das Communigud bedarf eigentlich seines Kom­­mentars, denn er führt eine Dachaus gem­einverständliche Sprache. Wie man über den Zwischenfall an unterrichteten­­ Stellen der Monarchie denkt, erfährt man aus den nach­folgend verzeichneten Erläuterungen: 7! Wien, 16. Dezember. „Im­ besseren Verständnis " des heute ausgegebenen Communiques über die Affäre Prochasfa wird er we­sentlich beitragen, wenn man sich den Verlauf der Affäre vergegenwärtigt. Die Affäre­­ begann damit, dass die ser­­­bische Regierung sich eines Tages über­­­ das Verhalten des Konsuls Prochasfa beschwerte und eine Genugtutung dafür verlangte, daß, wie sie behauptet, aus den Fenstern­­ Proc des österreichisch ungarischen Konsuls in Britren auf die serbischen Truppen­ geschossen worden sei. Ein Beweis für die re­chtverm­­ögenden Behauptungen wurde nicht gez­­iefert. Auch dem­ begreiflichen Wünsche der­ österreichisch­­ungarischen Regierung, den Tatbestand nach Entsendung eines Delegierten an Ort und Stelle erheben zu lassen, wurden Schwierigkeiten in den Weg gelegt und es hat bekamntlich längerer Verhandlungen bedurft, bis der Wi­­derstand, den die serbischen Militärbehörden der Entsen­­dung eines österreichisch-ungarischen F­unktionärs entgegen­­seßten, beseitigt und die A­ustimmung, zur Mission des Konsuls Ed gegeben wurde. Mus, dem Communnique geht hervor, daß­ die Angelegenheit von unserer Seite von Anfang an in denkbar objektivster­­Weise' behandelt wor­­den it. Man braucht, sich diesbezüglich­­ daran zu er­innen, mit welcher ihm vielfach sogar ü­belgenomm­enen Ruhe und, Zurückhaltung der Minister­, des Weußern Graf Berchtold, in den Delegationen über die Affäre erprochen hat. Er hat sich eben schon damals nur von­ der Erwägung leiten lassen, daß er stoß der begreiflichen Ungeduld, des “worden is,­t aber einzig und allein auf das onto der serbischen­­ Militärpartei zu fegen, ebenso wie es mir Durch ihren Widerstand "gegen eine Untersuchung der gegen Bro- Hasta erhobenen Beschuldigungen dahin­ tam, daß Ti die, wie ei nunmehr glückkicherweise gezeigt hat, über­triebenen Gerüchte verbreiteten, die eine so große­ Erre­­gung im Publiku­ Hevorgerufen haben. Die Durch die Untersuchung des Konsuls Ed erhobenen Verstöße gegen­ das Völferrecht, deren fid) die Behörden in Prizren Zhulig Feng werden der­­ internationalen 1­­1 pr wird, als die Belgrader Regierung ohnehin fid idon Das amtliche Communiiquie wie der Kommentar atmen den Geist wiürdevoller Gelassenheit, dem der Mi­nister des Reußern Graf Berchtold in Diefer . Teidigen Sade vom ersten Augenblick ab Eonsequent angeschlagen und festgehalten hat. Als die Wogen der dundy die bes­unruhigenden Gerüchte aus­ Prizren verursachten Berwe«­gung in der Monarchie und gleichzeitig in­ der ganzen Meltpreise an höchsten Re berwahrte Graf Berchtold sein Phlegma, die leidenschaftslose­ Ruhe seines Urteils mit ‚einer Unerschütterlichkeit, die allenthalben dem impo­­santen Kraftbewußtsein Oesterreich-Ungarns zugeschrieben wurde. Bor nicht ganz einem Monat war «3, daß in den­­ beiden Delegationen wiederholt Anfragen am unter Auswärtiges Amt ergingen, wie es um die Affäre chaska stünde. Am 18.. November eriiiderte Graf Berchtold in der österreichischen Delegation auf eine In­­terpellation des Delegierten Dr. v. Langenhan: Die ser­bische Regierung habe über das Verhalten des Konsuln Brodasta während der Einnahme vom­ Prizren amtlich Beschwerde geführt und um dessen Berfegung ersucht. Graf Berchtold fügte Hinzu, wir hätten uns­ bereit erklärt, den­ Sachverhalt zu untersuchen,­­ doch seien , bei den­­ serbischen Militärbehörden , bes­züglich der Entsendung eines­­ u. Í. Kurier nach Prizren Schwierigkeiten aufgetaucht. Die, dies­­fälligen " Eröffnungen schloß Graf Berchtold mit dem Ausbruch der­ Erwartung ab, unseren Wünschen werde von serbischer Seite baldigit Nednung getragen werden, und die Monarchie werde es fit weiter angelegen sein lassen, mit allem Nachdruch auf Die Wiederherstellung ein­er normalen Verbindung mit ihren Sensularvertretern hinzuwirken. An demselben Tage hatte Graf Berchtold auch, in der ungarischen Delegation Gelegenheit, sich in Dieser Sache zu äußern. Auch da stellte er bloß fest, Daß wir zu Schritten eginungen seien, um mit den Drgamen unserer auswärtigen Vertretung frei verfehren zu könnten, und er knüpfte daran die Erwartung, das dieser unser auf dem Wölferrecht beruhender eine Wuns­te eher günstige Erledigung finden werde. A 20. 6­a endlich ließ Graf Berchtold in den beiden Delegationen durch die Se­ktionschefs Graf Widenburg und Freiherr v. Machio die Erklärung abgeben, unsere Berbini mit dem Konsul in PBrizien sei seit einer gewollten Zeit­­ der Tat unterbrochen geb­esen, die energischen Chhri unseres Auswärtigen Amtes hätten aber zu den g­­­eführt, daß die serbische Negierung nunmehr ihre Zus nung gegeben­ habe, daß die Serstellung dieser un­­mittelbaren Verbindu­ng erfolgen könne, so daß noch all­en Tage Konsul Edl über Belgrad nach Prizren geteilt sei.­ntsch­uldigung S»erbiejks Und d­urch dies Genug-- Verbindung m­­­­­­­­­it Be Ä jé -­­ Feuilleton, Vom­ Prinzregenten Luitpold von Bayern, Von 3. 2. Graf v. Voltolini, Die blausweiße Rautenfahne, auf dem Königsschlof der Wittelsbacher zu München weht traurig auf Halbmatt — Der greise Regent, der unverdrossene Weidmann, der König seiner geliebten Berge it nicht mehr! Mit ihm versc­­windet vor allen ein Stück der alten Zeit: der Sohn des „allerteutschesten” Königs Ludwig I. von Bayern, der Schwiegersohn­ Leopolds II. von Toskana und­ der Schwager Franz V. von Modena ragte mit seinen Ju­nd- und Manneserinnerungen in eine Zeit hinein. Die fir uns schon Geschichte im! A­Z Greis an die Spibe Bayern 3 berufen, hat er das Steuer dieses großen deut­­schen Bundesstaates 26 Jahre, getragen , vom Geist der Versöhnung und, nach dem Motto. seines Eunstsinnigen Baters: „Exit: Deutscher,, dann Bayer“, geführt. Doch auf er einen tüchtigen Regenten, dessen Berson in den Annalen des Deutschen Reiches fühl ihren ehren­­vollen Bla gefiltert hat, it mit Luitpold von Bayern auch eine markante P­ersönlichkeit, eine interessante Indi­­vidualität vom Schauplat ‚unserer Tage abgetreten. Wer Gelegenheit Hatte, dem Regenten nahe zu kommen, war nach den ersten Worten überzeugt, daß er hier eine außer­gewöhnliche Persönlichkeit vor sich habe. Selbst in einer einfachen Audienz wußte der Regent dieser allen höfischen Rang zu nehmen. Die „Higarren des Regenten" sind in Deutschland fast sprichwörtlich geworden, denn selbst ein leidenschaftlichen Raucher, konnte er es nicht sehen, wenn der Gast nicht auch mit einer Havanna kräftigster Sorte war. Da jedermann die Abneigung des Re­­nten gegen Nichtraucher nannte,­­so ziwangen sich auch ichteauicher, al feine Gäste die Dargebotene Zigarre pflichtschuldigst anzurauchen. Da man dem Regenten liie­­rt hatte, so bereitete er ihm­ ein besonderes Ver­ ae .. .­. MIALEHHLMYHMIHELMdikäsz in Brand steckte. So ungefchieter dies gescjah, umso größer war die Freude des hohen Herrn. Starke Raucher sind niemals Freunde eines übergroßen steifen Zeremoniells, aber der­ verstorbene Regent war geradezu ein abgesagter Feind desselben.­ Trogdem er in jüngeren Jahren ein tüchtiger Soldat war und auch im Feldzug gegen Frankreich mitten in die Granaten von Gravelotte und Sedan hineinritt, so war ihm der Gebrauch der Uniform speziell in den lechten Jahrzehnten wenig sympathisch und außer bei offiziellen in und fest­­lichen Anlässen 309 er stets schwarze Bivilkleidung vor. Oft merkte er an den erstaunten Bliden der Herren seines Gefolges, daß Diese mit dem immer mehr vom Negenten beliebten Ziviltragen nicht einverstanden waren. Dann pflegte er lächelnd zu sagen: „Wundern ! Sie sich nicht, meine Herren, in meinen Jahren ist jeder andere längst pensioniert, und trägt auch die Uniform nur, wenn er muß !* Bequemlichkeit und seineswegs­ Gucht nach politi­­fer Demonstration betrogen ihn, statt des Helmes für seine Person den abgeschafften alten bayrischen General3­ but beizubehalten. Aber auch sonst liebte­ er ein einfaches, von den höfischen Libranten freies Leben, und zwar nicht nur auf seinen Jagden, sondern auch in München selbst. Kaum war das offizielle Diner vorbei, das der Regent alltäglich in 2 Uhr einnahm, so Hörte jedes­­ Zeremoniell auf: der Regent wollte dann — iwieser jagte — „mut Mensch sein“ ! Und in der Tat, wenn man an den intimen Sou­­per3 im Schloßpart von Nymphenburg, wo er Männer der Kunst, der Feder und der Wissenschaft um sich sam­melte, den Negenten sah, wie er mit Eifer mitten unter seinen gleichfalls in einfachem bürgerlichen Promenaderod erschienenen Gästen die Unterhaltung führte, konnte man sich davon überzeugen, daß der leutselige Fürst Hier nur ein Mann unten Männern sein wollte. Auch in der Residenz in München gab es intime Gyupers, und zwar für einen Heinen Kreis Geladener aus der zahlreichen königlichen Familie des Hauses Wittelsbach. Hier wollte der Regent, in, voller Ungestörtheit nur das Haupt, der­­­­ He­ld ein mächtiges Stad­elgäuer ‚Leinen sein. Nicht einmal Diener, hatten „hier nit damen heben, mit szelét kie. fiz Mala brachte nur der getreue Kleibjäger, Gefolge des unglücklichen Mexiko übernommen Hatte, die Speisen, stellte sie auf den Tisch und entfernte sich wieder schnellsteng, während der Regent seinen Gästen Kan eigenhändig vorlegte. Bei diesen Familiensoupers erschien der Regent in der von ihm so sehr beliebten Lodensoppe. Je Häufi­­ger ein Mitglied des Königshauses zu Diesen intimen Soupers beigezogen wur­de, umso Höher , konnte es rechnen, in der Gunst des Chefs, des Hauses zu stehen. Ebenso war bei den­ Jagden jedes­­ Zeremoniell ab­­geschafft. Luitpold von Bayern liebte Die Jagd und fröhlichen, ungezwungenen SJägerbrauch über alles! Ganz besondere Vorliebe hegte er neben den Revieren von Berchtesgaden und Hohenshiwangan für die wildreichen Gemsenreviere von Hinterstein im Maiu und die Rehwildreviere von Heigenbrüchen im­ Spessart. In Hinterstein brachte der Regent auch noch im hohen Alter ganze Wochen in einer auf wilder Berghöhe, zirka­ 1400­ Meter Hoch, gelegenen Jagdhütfe mußte hier, schon aus Mangel an Raum, auf das gez­wingste bescjrünzt sein, aber umso höher war die Aus­­zeichnung, hieher eine Einladung zur Jagd zu erhalten.­ „Auf die Jagd gehört nur ein Jäger,“ pflegte den Regent, zu jagen, wenn­ seinen Gärten mitten in nebligen Regen­­schauern ein frugales Frühfiück auf trotiger Bergeshöhe, das Mittagsmahl erregen mußte. Auch am Abend folgte seinesswegs, wie es sonst wohl bei den 3agden Herren üblich ist, der „lebte Trieb‘ im­ Olanze eines feenhaft erleuchteten Speisesaals und im Schranze schöner Frauen, sondern man speiste im Jagdhaus in­ dem­ ge­mütlichen, niederen, holzgetäfelten Stübchen, aber viel­­leicht mit noch besserem Appetit als bei fuzuriösen Hof­­jagddiners anderer Souveräne. Denn in dem guten, ge­segneten Appetit war der greife Regent ein ermunterndes Beispiel für manchen, der weniger als die Hälfte jener Jahre zählte. Und er hielt­­ duch alle Gänge mit, während am Schluffe auch eines kräftigen Diners den zu. Das’ Gefolge Haher 6 "

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