Pester Lloyd, Mai 1913 (Jahrgang 60, nr. 103-114)

1913-05-01 / nr. 103

"Mit separater Postversendung Abendblattes vierteljährig 2 K. mehr. Für Wien auch durch ‚Goldschmidt. ittlung der Pi das Abonnement muss direkt Administration erfolgen. Vertretung für Irland, Frankreich, England und Italien bei der Zeitungsfirma Saalbach, in unserer BR News in Mainz. ee nes w Ru 55 na 4. ép" a + MORGENBLATT Ludapest, Donnerstag, 1. Ani 1913 vs 8 353 Sg = — nd ez fid "zeigen, ob die­ sechs größten Erdteils imstande sind, ‚einen einmütig 3 gegen den Kindlichen Trot des Königs Berg.. gefaßten von Montenegro durchzujegen. Nach den­ bisherigen mn­liebsamen Erfahrungen hat unssere Monarchie . Diese Frage der für ‚morgen 3 Uhr 30. Minuten einberufenen Botscafterkonferenz in­ London in einer­ Soru vorgelegt, Die von einem Zeile der ausländischen reife als ein „Ultimatum an Die Mächte“ seternggiänet wird. Der Ausdruch ist insofern berechtigt, als es heu­te bereits für niemand ein Geheim­­nis sein ann, mag Oesterreich-Ungarn für den Ball, daß sich die Botschafterreiinion auch­ diesmal zu seinen end­­gültigen Beicheide in der Skutarifrage aufzuraffen­ ver­­mag, fest entschlossen it, den unabänderlichen Richterspruch des eu­ropäischen Mreopags nötigenfalls allein zu voll­­strecken. Selbstverständlich handelt unsere Diplomatie in tiefem Falle im­ vollen Einvernehmen mit unseren Bundesgenossen, von denen Deutschland abnvertüdbar auf dem Standpunkte beharrt, dem der Reichskanzler v. Beth­­mann-Hollweg in seiner denkwüidigen Rede vom 2. De­­zember v. 3. beredten Ausdruch verliehen hat, während­­ostasien in den sechten Stunden nicht nur­ seiner Zustim­­mung zu der in Wien­­ betäroffenen Aktion erteilt hat, sondern wahrscheinlich daran teilnehmen wird. Wie schwer auch für Die Consulta gewisse Rücksichten und volkstüm­­­ige Gefühlsmomente in die Wagid­ale Fallen mochten, so liegt es nichtsdestoweniger für­ jeden italienischen Bolizi­­ker Kar am Zuge, daß die Ereignisse, die sich­ seit der Einnahme von Skutari in Albanien zugetragen­­ haben, die Interessen Italiens nicht minder ernst bedrohen wie Diejetungen Oesterreich-Ungarns., Im Buitte­ 3 des im Jahre 1897 in Monza zwischen dem Marchese Visconti- Benotta und­ dem Grafen Agenor aan berein­­barten Vertrages verbürgten sic­h beide Mächte gegenseits für, die Autonomie oder Unabhängigkeit Albaniens un­sklärten, daß Albanien in keine, dritten ‚Hände gelangen bitfe. Dieser, Fall ist Heute akut geworden. König Niko­­­­laus von Montenegro hat die Einnahme von Skutart, die er mit dem­ Schwert nicht zu erreichen vermochte. Durch einen unrühmlichen Handel mit dem­ K­omm­andanten Chad Bafdja Zoptane durchgeseßt. Der verräterische Bafdja hat sich either angeblich zum Fürsten von Albanien­­ auf­­geworfen. Das­st ein Mann von einer fast grauen­, erregenden Vergangenheit, der stets­ offene Hände fire die Gaben , der verschiedensten Negierungen hatte und mit seinen Bruder Gani einmal Abdul Hamid van die Jung­türfen, ein anderes Mal, die­ Jungtürfen an Abdul Hamid betriet. So wurde er, ohne jemals Soldat gewesen zu sein,­­zuerst Gendarmeriekommandant­­ und dann General. Beide Stellungen wüßte er, zum Verkauf einträglicher Stellungen, an bekannte Räuber und zur Verpachtung von Staatsgütern zu Schleuderpreisen aus. Seinen Chef, den heldenmütigen Hasjan Riza, Pajda, hat er in einem für das belagerte Ctutari britischen Augenblick zu Gute ge­laden und unmittelbar nac­h aufgehobener Tafel erm­orden lassen. Lange vorher war es bekannt, daß er am helleni­­schen Königshofe erschien, für die Förderung griechischer Interessen Waffen, Munition und Geld entgegennahm und bald darauf im Yildizu­ost in Höchster Gnade stand. In wessen Bunde er heute einherzieht, it für niemand ein Geheimnis. Italien kann offenbar nicht zugeben, daß das Spiel so ende, wie man es in Cetinje und­ Belgrad haben möchte. . Eine weitere Verzögerung in der Durchführung des Beschlusses der Mächte üb­er Skutari kann Oesterreich- Ungarn ebenso wenig wie sein italienischer Bundesgenosse dulden.Leider haben sich die Mächte in der letzten Konf­ferenz zu­ einem einmütigen sofortigen Vorgehen n­it entschließen künnen. Wenn al England aus seinen Sympathien für den österreichsch-ungarichen Standpunkt sein: Hehl­mat, glaubten Rußland und: Frankreich noch immer, bent venitenten, Montenegriner‘ gewisse Radjisten zur schulden, und tanzen von der Konferenz vom­ leiten Montag mit : Borihlägen, deren Unzwehmäßigkeit und sennesamkeit schon damals einleuchten mußten, und die angesichts der fortgeseßten Weigerung des Königs Niko­­l­­aus,­­Skutavi zu räumen, heute überhaupt nicht mehr zur Erörterung gelangen künnen.. Ebenso : unannehmbar 'er­­scheinen auf­ die immerfort herbeigezerrten Kompen­­sationsvorschläge. Serbien und Montenegro sind, für Skutavi reichlich entlohnt worden. Ihnen wurde nur nur Djesova, sondern das­ ganze fruchtbare Kosiowo­­gebiet überlassen mit allen seinen wichtigen wirtschaftlichen und konmerziellen Knotenpunkten, die Nordalbanien mit Salonisi ‘verbinden. Den­ Serben und Montenegrinern wurden rein albanische Städte wie Ipel, Djarova und Prizren nur deshalb hingeopfert, weil sie einst,­ vor fünf­­hundert Jahren, in der Geschichte des alten Serbenreiches eine mehr oder minder bedeutende Role gespielt haben, troßdem alle Welt weiß, daß die ehemalige serbische Bevölkerung aus jenen­ Gegenden mit dem Watriaxchen von Opet an der Sprbe mit Hab und Gut nach Ungarn übergesiedelt it, und die nachgerückten Albanier seit­ jenen entfernten Tagen als die einzigen, rechtmäßigen­­ Besiker alles Grund und Bodens vie’ Koffowotale erscheinen. Ein den Serben und V­iontenegrinern freundlich gesinnter französischer Publizit Gabriel Louis Jaray hat kürzlich als Ergebnis einer län­geren Forschungsreife­ ein bemerken­swertes ‚Werk veröffent­licht, das sein ‚als deu, ne Elauen­­freund Gabriel Sanotator, mit’ elment" geistreichen Geleit­­wort versah. In diesem Buche stellt der Verfasser fest, das es unter den 3000 Häusern den Djakova kaum zwölf der Kilche gibt, achj die gehören gänzlich verarmten erben. In der Umgebung von Djakova­ hat "Here Jacay gar feine­ Serben gefunden. Und auch dieses serbenlose, rein albanische Djatova wurde den beiden Serbenstaaten als lestes Kompensationsobjekt für Sfutart hingereicht. Wer ba­ned von einer antislavischen Tendenz der österreichisch­­ungarischen Politik zu prechen­ wagt, rechnet offenbar auf vollkommene Unkenntnis der wahren Sachlage und geht lediglich auf Betörung und Verhegung der Einfältigen 108. autonomen Albanien zuerkannt. Skutari als 9 alles nordalbanischen Kultur und Geistesleben­ , als strategisches Bollwerk gegen die künfzigen, weit tigeren, unfreundligen Nachbarn der Sfipetaren, Sfu als Knotenpunkt des gesamten Ein- und Ausfuhrhande des neuzugründenden Gemeinwesens. Weder Skutari noc, sein Hinterland konnten und durften Albanien entrissen werden. Ebenso wenig der vielgenannte Hafenort San Giovanni di Media, der eigentlich bloß eine kommerzielle Varstadt Skutaris­­ it. und­ dessen Cgidjat teilen muß. Ueber alles: das herrschte auf der Londoner Botschafter­­reunion: völlige Uebereinstimmung, wie sich auch niemand darüber Täuschungen hingeben konnte, daß Skutari ethno­graphisch von Albanien untrennbar sei und weder Gerber no Montenegriner innerhalb seiner blutig verteidigten Mauern zähle. Das alles hat auch der russische Minister des Reukern Sergej­­ Dimitrievich Sajonow in seinem denkwürdigen Communiqus rackhaltlos anerkannt, indem er die Montenegriner und übrigen Slawen geihzeitig auf die Gefahren aufmerksam machte, die der­ Anjaluk von nahezu 70.000 Mbaniern für den­ flavischen Charakter Montenegros im Gefolge haben müßte, das auch bisher über­ zwanzigtausend nichtassimilierte Albanier zählt und neuestens ebenfalls im Sinne und Geiste der vielgenann­­ten Kompensationsprojektes auch­ noch Die Fatholic)­­albanischen Stämme der Grudt und Holi jam­­en mohan­medanisschen Albanien von Plava und­­ zuerkannterhielt.Trotz alledem vermochten die ihrem einmütigen Beschlüsse über Skutari keine Gen, zu verschaffen­.Einst sagte Friedrich der Große wehmu­ng u Mirabeau: „Wenn ich König­ vos „uanfreid) wäre, ürfte ohne meine Erlaubnis in Europa sein Kanonen, [das losgehen.” Damals war der König von Frankreich mächtiger als Europa. Wie zwerghaft nimmt sich indes die Machtfülle jenes Königs zu der des heutigen gei­al­­tigen, im Laufe­ der jepigen Baltanírije mühsam ges­einigten Europas aus. Oesterreich-Ungarn . Tonnte und durfte nicht darausfegen, daß sich Die, jede größt Mächte des heutigen Europas den wingzigsten ” toefen unserer Tage gegenüber ohnm­ächtig ertrei­­­­den. Es hat im festen Glauben an die Macht und an die Zukunft­ des europäischen Konzerts mit Hintanießung seiner minder wichtigen Interessen auf seinem Posten ausgeharrt, redlich und opferwillig mitgetan. In dem Augen­­­­bliche, da das geeinigte Europa seine Ohnmacht bekundet, tritt an unsere Monarchie die unab­wendbare Pflicht heran, wenn möglich, im Vereine mit anderen Mächten, wenn nicht, allein und auf­ eigene Verantwortung das­ Urteil Europas in der Sfutar­frage zu vollstreben. Oesterreich-Ungarn hat­ sein­ Techtes Wort gesprochen. Auf der morgigen Konferenz will es den Möchten noch einmal Gelegenheit bieten, ihre Entscheidung vom vers­­angenen Montag zu revidieren. Es wird uns nu­r aus richtiger Genugtuung erfüllen, wenn die sechs Groß- und Weltmächte morgen zur Erkenntnis ihrer selbst gelangen; aber nichts wird uns hindern, den einmal gefaßten Ent­schluß mit dem Aufgebote der nötigen Tatkraft unver­züglich zur Ausführung zu bringen. Budapest, 30. April. A Feuilleton, Ein Wiener Phünke, Bon Feliz Salten. Weil das Buch Diesen et­was abgegriffenen und fon fun wenig veralteten Titel führt, hat es mich angelobt: us dem Leben eines Wiener Phänfen. € 3 gibt ja, seine Schanfen mehr in Wien. Der wenn­ es welche gibt, dann eint nann sie nicht. einesiwegs sind sie jebt noch Die SHerrfichenden. Gott sei Dank. Denn sonst wären wir noch weit schlimmer dran, als wir es ohnehin schon sind. Weil man also font Die­ Gelegenheit findet, für einen sagen­­haften Wiener Khäaken im­ Leben zu erbliden, kommt es mir regt erwünscht, ein Erenplar dieser Sorte einmal in einen­ Buch zu finden und ihn, da­zu betrachten. Ciwa, wie man einen erotis­chen Schmetterling, gespickt, in der Stasischachtel begibt, oder einen seltenen co­ in Spi­­ritus. Siehe da, es ist Der gemütliche alte Castelli. Der be­­rühmte Rollsdichter, von dem ich niemals etwas gelesen habe. Wahrsceinlich haben auch die anderen­ Menschen meiner Generation, nichts von Gattelli gelesen. Deine Werke (wenn man Dies Starke Wort auf so niedliche Kleine Schreibereien anwenden darf) sind alle vergessen. Längst idon, die und da lebt noch eines seiner netten Bolts­­lieder, flattert no­ da und dort auf, und man weiß nicht einmal mehr, daß es der Kastelli war, Der diese bes bheiden herzlichen Dialektreime ersonnen hat. Und der Nam­e selbst lebt noch. Lebt ganz allein weiter, "ohne das ihn irgend» eine übriggebliebene Leistung von Gedächtnis zu Gedächt­­nis tüge. Daran läßt sich erkennen, daß Dieser Name bereinst Hochberühmt gewesen ist, daß er jahrzehntelang Tag für Tag im Munde von vielen Tausenden war, daß er s­chon abertausend Lippen erklang. Gastelli. Iebt ist er Er war in jenen Zeiten berühmt, da man don Beethoven und Schubert sprach, von Nestroy und Mai­mund, von Grillparzer und Hebbel. Eine große Epanne Beit. Sie reicht von den Tagen Napoleons bis zum Botz­märz, von der achtundvierziger Revolution bis zum Be­­inn der sechzigerjahre. Kaiser Franz, Kaiser Ferdinand, ab­er Franz Sofer, Beethoven und Clhubert, Nestroy und Raimund, Grillparzer und Hebbel sind, bei Gott, feine Bhäaken­ gewesen. Ihre großen Gestalten könnte man auferstehen lassen, wenn­ man einen Begriff vom Wiener Wesen geben will. Aber ich weiß nicht, wie das zugeht: als Repräsentant der Wiener Art gilt der Castelli. Diese anderen, Dem Wiener Boden entsprossen oder­ ihm doH heimatlos verwurzelt, waren K­ünstler und Dichter. Der Castelli war . . . ein Briűafe. Diese anderen haben unsterbliche Werke hervorgebracht. Er hat . . . Badhendel gegessen. Deshalb gilt er als der echte Wiener. "Sein Name dringt nicht auf den­ Fittichen Der Poesie bis zu uns her. Sondern auf den Flügen all der vielen Bad­­hühner,die er sich so trefflich schmeden sich.­­" Ist­?will ihm nicht unrecht tuI­!Er hat sich zu den­ große!"­Ereignissen seiner Epoche schon auch verneignen lassensz Als die Revolution­ausbrach,stand­ er auf der Seite­ der Freiheit.Gewiß.Nur hätte es ihm niemals passierenkö 1111e1:,dass er wie Robert Blum erschossen w­ord­en wäre.Denn er hielt in diesen Dingen eine k­luge Diät.Er war mehr für eine gemütliche Aussimunder­setzung mit den Machthabern des AbsolutismuDals· für Barrikadenbau und was es sonst noch mi solchbrtigen Manieren gibt.Es lag­ in seinem gemütliche Ib­sett,daß er sich am liebster mit allen Parteien vertragen hätte. Mit den Demagogen ebenso wie mit dem Winkoischgrätz, mit den Anhängern der Konstitution genau so, wie mit den Anhängern des General Jelacsics. So i­ar der Sartelli. Hätten sie ihn zufällig­­ troß seiner gänzlich harmlosen f. £. Gemütlichkeit festgenommen und in der Eile totgefoffen, man würde bis auf den heutigen Tag behaupten, er sei ein Opfer­ der österreichischen Schlamper* geworden. Aber von sold herbem Schicsal ist er verjdjo geblieben. Er blieb überhaupt sein ganzes Leben lang vor jeglicher Herbheit des Geschides verschont, Führte ein br­ingliches Dasein, amüsierte fi göttlich, sammelte Theor­etüde und Schnupftabassdosen, [tek sich Ejsen vie Fri aut jchmeden und wurde bei andauernd beitem weit über achtzig Jahre alt. Ein einziges Mal wäre es ihm beinahe sd­gangen. Aber nur beinahe. Er Hatte ein Kriegsli Napoleon gedichte. Und der Sailer Napoleon gegen alles Erwarten, auch gegen das Elima bis nach Wien. Theodor Körner Hatte ja an­gedichtet, hatte aber dann selbst das Eher­­tar auch wirklich in den Strieg gezogen. Der dachte nicht an so „erzentrische* Dinge. Deshe weit über achtzig Jahre alt­er worden, malt Sörner als junger Mensch auf dem verbhttete. Das ist der Un­terschied. Wie nu hörte, daßs Napoleon näher und näher senn die Geschichte verdammt ungemütlich. Dr Lie der damals schon Wien geräumt Hatte und ı. Gattelli mollte ihn bitten, daß er Doch mit Transport nach Ungarn geschicht werde. Na wurden nämlich damals viele CHübe az Wier um vor dem Eroberer verstect zu werden. ? liebte Battelli die Gunst, für einen Transp des B Vaterlandes und zur eigenen, persönlchh begleiten zu dürfen. Denn er Hatte d Gedichtet, um andere zun Kampf und zu ermuntern. Er selbst dachte, wie geje jolh ein unfreundliches Ding wie e wohlgenährte Hüfte zu gürten. Dem­ niederösterreichischen Landstände. und A­ Z er dem Kaiser Franz nun seine Bi­­­ER

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