Pester Lloyd, Mai 1913 (Jahrgang 60, nr. 115-128)
1913-05-16 / nr. 115
- N .-- A iz A . a 8 NBR f IDEN nag? SZETA ER Kahn Day ad ka Ra BR EN U OLE . s-- . -- Ins-sp, vierteljährig 2 K. mehr. Für Wien auch durch Herm. Goldschmidt. Für das Ausland mit direkter Kreuzährng : Für Deutsch- A übrigen Staaten 21 K. Abonnements werden" auch bei sämtlichen ausländischen Postämtern ent- Für Amerikas, Inseratenaufnahme : — In Budapest, in der Administration des Nagy, Jaulus & C Sigmaa, alle Lloyd“ und in den Annoncen: 3. Blockner, B. Eckstein, Győri & Leopold, Ant. Mezei, Rud. Mosse, Jul. Tenzer, Jos. Schwarz. Generalvertretung des „Pester Lloyd“ für Oesterreich und das gesamte Ausland: M. Dukes Nachfolger A.-@, Wien, Wollzeile 9. — Auch alle anderen ierten Itend in Oesterreich wie im Auslande übernehmen Ankündigungen für den „Pester Lloyd“, Peg nu gr geen Yanter, in der Provinz 14 Heller, latt in Budapest 6 Heller, in der Provinz 8 Heller,Redaktion und Administration : V., Mária Valsra-utera 12. — Manuskripte werden in keinem Falle zurückgestellt. —. Unfrankierte Briefe den nicht 60. Jahrangen MORGENBLATT Sudapest, Freitag, 16. Ali 1913 Az. 115 7 . fudapest, 15. Mai. Seit gestern halten die internationalen Truppen Sfutari bereit. Das Schidsal Nordalbaniens ist damit entschieden. Die von Belgrad angekündigten Vorbehalte werden und können an der einmal bereit festgestellten Abgrenzung nichts ändern. Sowie sie von der Botschafterreunion gezogen wurde, bildet die Grenze Albaniens Serbien und Montenegro gegenüber eine unabänderliche internationale Vereinbarung. Beide Staaten wurden für ihre vermeintlichen Baugeständnisse hinreichend entlohnt. Mehr als Hunderttausend Albanier kommen unter serbige und montenegrinische Herrschaft. Kein Serbe, sein Montenegriner wird dem autonomen Albanien untertan sein. Alem ethnischen Kleinfram, allen geschichtlichen Erinnerungen wurde auf der Botschafterkonferenz bis zum Weberdruß Rechnung getragen. Serbien und Montenegro erhalten, was sie sich noch vor wenigen Monaten nicht einmal träumen lassen konnten. Für Albanien wurde gerettet, was Albanien nicht entbehren kann. Im Norden it alles erledigt, fest gilt es noch, die südlichen Grenzen des neuen Staatswesens zu bestimmen. Hier verlegen augenblicklich italienisch-griechische Unstimmigkeiten einem ersprießlichen Einvernehmen den Weg. Griechenland hat schon früher die Insel Safeno belegt und auf ihr Geschüße gelandet. Von der Insel Safeno aus kann aber die Bucht von Balona beherrsscht werden. Italien till und muß es verhindern, daß die Nordspige Korfus und der gegenüberliegende Festlandsteil Albaniens dauernd im griechischen Bei bleiben. Italien kann nicht zugeben, daß Griechenland in der Enge zwischen Korfu und jenem albanischen Streifen einen oder mehrere Kriegshären ausgestalte. Die Nationalitätenfrage des Epirus spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Angesichts des Interesses, das Oesterreich-Ungarn dem neuen autonomen Mbanien entgegenbringt,ist der Standpunkt Italiens selbstredend auch derjenige unserer Monarchie, auch derjenige Deutschlands. Einstweilen scheint sich Griechenland in der albanischen, ebenso wie in der Inselfrage auf die andere Mächtegruppe zu ttüben. Etwas vorlaute französische Breßstimmen dürften es in dieser Auffassung bestärfen. Indes wird gerade heute aus Paris mit einem geswiffen Nachdruch versichert, daß zurzeit für die Störung des Einvernehmens unter den Großmächten seine Gefahr bestehe. In den europäischen Staatskanzleien befasse man Ti augenblicklich weit mehr mit wirtschaftlichen als mit rein politischen Orientfragen. Das Programm, das Die französische Regierung, dem „Echo de Paris“ zufolge, der Pforte überreicht hat, rechtfertigt diese Versicherung. Die Kleinasiatischen, die armenischen und syrischen Angelegenheiten scheinen in der Tat die Aufmerksamkeit der dort interessierten Großmächte in weit höherem Maße zu beanspruchen als die Abgrenzung Albaniens. Wenn Europa i wenigstens daheim beisammen bleibt, wird das neo autonome ‚Gemeinwesen an der Adria Schon in absehbarer Zeit verwirklicht sein. Der Präluminarfriede dürfte im St.-James-Balajte auch binnen Kurzem zustande kommen. Mit der Türkei haben die Verbündeten ihre Rechnungen bis auf die Kriegsentsädigung so gut wie ausgeglichen. Die Kriegsentschädigung bildet indes den Gegenstand der demnächst beginnenden Beratungen der Marijer Finanzkonferenz. Die Friedensdelegation wird sich mit ihr nicht zu beschäftigen haben. So wären nur noch die Vorbehalte Bulgariens bezüglich der Grenzlinie Enos—Nidia zu berückschtigen. Die Regierung in Sophia hat bekanntlich schon früher den Vorschlag gemalt, daß die neue Grenze nach Sarai und von da nach Muradli führe, das an der Bahnlinie Konstantinopel—Adrianopel liegt und von wo Bulgarien eine dauernde und rasche Verbindung mit Rodotto und dem Marmarameere unterhalten könnte. Es handelt sit hier um einen kommerziellen Ausgang zu diesem Meere ungefähr einie derjenige, den Die Märkte Serbien über albanisches Gebiet zur Adria in Aussihr gestellt haben. Heute ist es bereits sein Geheimnis mehr, daß die Dreibundmächte ‚dieses Verlangen Bulgariens unterstüsen, indes scheinen Rußland und England mit Radnst auf die allzu große Nähe Konstantinopels gewisse Bedenken zu hegen. Die Schwierigkeiten sind in diesem Falle jedenfalls nicht so groß, daß sie sich bei einigem guten Willen nicht überwinden ließen. Bulgarien hat auch bisher dem Zustandekommen des Friedens Die geringsten Hindernisse entgegengestellt. Es hat aufrecht erklärt, daß es die Friedenspräliminarien, grundtäglic annehme. Es hat seine Delegierten bereits bevollmächtigt, den Vorfriedensvertrag zu unterfertigen. Der Präliminarfriede wird die tatsächliche Beendigung des Krieges mit der Türkei bringen. Es wird 0083 der eigentliche, der richtige Friede sein, der nur deshalb Vorfriede heißt, weil er auch die Entscheidung der Großmächte über Albanien und die äigäischen Inseln, sowie das Ergebnis der Bariser Finanzkonferenz in fing \chließen soll. Bulgarien braucht den Frieden mit der Türkei. Er braucht ihn fon deshalb dringend, weil sein serbischer und sein griechischer Bundesgenosse Miene machen, die vor Beginn des Krieges getroffenen Vereinbarungen, auf welchen der Balkfanbund errichtet wurde, furziveg umzustoßen. Wie das Webereinkommen mit Griechenland lautet, ist es mstweilen noch unbekannt. Dagegen hat die Spannung zwischen Griechen und Bulgaren ihren Höhepunkt erreicht. Namentlich im der Gegend von Saloniki. Noch halten die Bulgaren die alte, arg vernachlässigte Straße von Saloniki nach Ceres. Größere bulgarische Truppenkörper befinden sich in Drama und Andista. Die Stimmung it auf beiden Seiten äußert gereizt. Ein Waffengang wird von den Bulgaren herbeigesehnt. Sie glauben die griechischen Linien um Salonisi mit Leichtigkeit hinbrechen zu können. Sie heben in den von ihnen bejebten Niemand weiß, was werden soll. Das „befreite“ Bolt sieht mit bitterer Enttäuschung zu, wie duch dieses Treiben der Bundesgenossen jede wirtschaftliche Arbeit in den Tagen der agrikulturellen Hochsaison unmöglich gemacht wird. In Sophia glaubt man, daß zwischen Serbien und Griechenland anläßlich der Anwesenheit des Ministerpräsidenten Benizelos ein geheimes Abkommen getroffen worden sei, dessen Aufgabe es ist, zu verhindern, daß, bei der Teilung der Beute für Bulgarien die s seinerzeit vom Grafen Ignatiev gezogene Grenzlinie des Vertrages von San Stefano al Grundlage angenommen werde. Diejene wird in Belgrad ebenso bitter bekämpft wie im Athen. In den lechten Tagen haben sich namentlich Die serbisch-bulgarischen Gegenzage verschärft. Unter freundschaftlicher russischer Förderung wurde seinerzeit givischen Bulgarien und Serbien abgemacht, daß für den Fall des Siege über die Türkei der Norden Mazedoniens den Serben, der Süden bis zur griechischen Sphäre den Bulgaren zufalle .Vorläufig wurde ein nettrales Gebiet geschaffen, in dem Dibra, Struga, Gostiwar, Tetowo, Vestob, Kumanowo und Slatowo liegen, 0083 duch den Saiser von Rusland als Schiedsrichter zwischen Serben und Bulgaren aufgeteilt werden sollte. Auf Grund dieses Uebereinkommens ist sodann am 29. Februar 1912 im königlichen Schlosse von Sophia zunächst, der Bundesvertrag von serbischer Seite durch den Gesandten Dr. Miroslav Spalastopics unterzeichnet worden. Ewei Monate später, am 29. April, wure eine Militärkonsvention abgeschlossen. Ihr folgten weitere drei Vereinbarungen zwischen dem serbisshen und dem bulgarischen Generalstabe am 19. Juni, 23. August und 15. September. Bei allen diesen Abmachungen hatte indes seine der partierendenarteien das Ergebnis im Auge, 008 der unerkwartete Ausgang des Feldzuges zutage förderte. Die serbischen Bündnisvorschläge hatten anfangs einen ganz anderen Bived. Seit der Annexion Bosnien und der Herzegovina suchte man in Belgrad Bulgaren und Griechen zu einem Defensivbündnisse gegen den angebl lichen „germanischen Drang nach Dsten“ zu ermuntern. In einem Gespräche, das er für sich mit einem französischen Publizisten führte, hat der frühere türkische Minister des Innern Hadidi Adil Bey die seltsame Tatasache entbhüllt, daß der serbische Gesandte in Konstantinopel auch, nach erfolgter solerner Unterzeichnung des Vertragsintruments vom 29. Februar 1912 die Männer der Hohen Pforte von der Ersprießlichkeit eines Balkanbundes zu überzeugen suchte, in dem auch die Türkei einen würdigen Pla einnehmen könnte. Der Krieg gegen die Türker wurde also von Bulgarien beschlossen und das serbische Defensivbündnis gegen den germanischen „Drang“ nicht ohne einige Mühe von der bulgarischen Diplomatie in ein Offensivbündnis gegen das Damanen reich ungestaltet. Was Wunder,wenn der siegreiche Krieg sodann eins Bundesgenosse zu! . Feuilleton. Von der Austellung in Leipzig. Bon Ernst Goth. Freilich werden wir auf die Ausstellung verzichten missen. Der Zug kann immer noch mit einfahren — dem Berliner Pfingstandrang it offenbar auch der neue Riesenbahnhof nicht gewachsen. Er steht noch Halle im Geritit, allein schon die vier Hallen, die bereits benüht werden, erdrüden formt mit der phantastischen Großartigkeit ihrer Dimensionen. Als wir endlich ankamen, war es finstere Nast. Wenn man fest no etwas sehen will, Leipzig, im Mai, es dänunterte bereits, als fern der Turn der Thomasfirfe auftaucht, deren Kantor einmal Johann Sebastian Rat hielt. Die Silhouette Leipzigs stand am Horizont und während der Zug fest hielt, da die Einfahrt nicht frei war, ließ sich gut darüber nachdenken, was alles unter den Giebeln und Dächern dort drüben erlebt und ersgaffen wırrde, wieviel Unsterblichkeit von dort in Die Welt hinauszog, tie unerhört zeig diese Stadt an Bergangenem ımd Gegenwärtigen u — — Bachs Fugen und Kantaten erbrauften hier zung erstenmal, der junge Goethe fand hier vor dem großen Dilemma, ob er Schriftsteller, oder nur Doch lieber Maler werden wolle, Wagners Wiege stand hier, Wilhelm Wundt FHuf eine neue Epoche philosophisten Denkens, Lamprechts „Deutsche Gedichte” entstand in diesen Mauern, Mar Klinger singt hier mit neuen Problemen des Stoffes und der Form — — und tichtig, hier in Leipzig brach ja auf Napoleons Größe zusammen, hier wurde die ‚Wölferschlacht geschlagen, just hundert Sahre find’s her. Ganz zulett fiel es nie ein, obohl Doc, Leipzig sei diese eine große Erinnerung allen anderen voranstellt und für dieses Jahr nur Jubiläumsstadt sein will. Nächstens wird das Bölfer- Schlachtdenkmal enthüllt und auch die Baufachausstellung, die man jecht sehen kann, ist ja nur ein Afford der großen Festfanfare, die nun angestimmt wird. Für heute hinten bald das Stadtbild Königsbergs, bald das Breslaus oder Leipzig erbaut werden. Eine Fünftliche Laubwand trennt dann Die beiden Hälften. So leidet das Spiel seine Unterbrechung und seine sechzehn Teile schließen sich ladenlos aneinander — ohne freilich etwas Ganzes. Einheitliches zu ergeben. Ein Drama wird niemand erwarten, wo das liebermaß der Ereignisse und der Beteiligten weit über alle Theatermöglichkeiten hinauswächst. Von den tausend Einzeldramen, die jener Aufstand Europas in fibara, sind ja einige Hundert schon früher geschrieben worden. Manchen von ihnen — es fer etwa an Schniblers „Bungen Medardus“ erinnert — gelang es sogar, den Lebensdythmus, den Mem jener bangen Zeit stärker fühlbar zu machen als es dieses Festspiel vermag. Es stellt Napoleon, und Blücher, Körner und Friedrich Wilhelm, Kaiser Franz, den Zar Alexander, sogar Goethe weibhaftig auf die Bretter, allein der „Held“, die Persönlichkeit, in deren Schiesal sich unser Interesse, unsere Teilnahme festhalten könnte, fehlt dennoch. Und natürlich werden diese Gestalten doch nichts charakterisiert als durch baz , Kostüm und denTheaterzettel. So sieht man immer mir die Schauspieler — berittene und unberittene — und man bedauert diesen Theodor ’Nönner hier nicht etwa, weil er frühzeitig sein verheißungsvolles Leben beschließt, sondern weil er gezwungen it, seine Todesahnungen, fein feßtes Stammeln aus Leibeskräften in die Menge Hinauszubrüllen. Das nämlich ist der Hauptgrund, weshalb dieses Spiel seine Stimmung erwedt.. So naiv es auch Historisches Gegebenesten nachpansen will, so Thulbuchartig : Einblic ek allen Personen mut bombastische Phrasen von „Vaterland“, „Freiheit“, „deutschen Kraft“ und „gerechter Sache” in den Mund legt — in kleinerem Maßstabe, in der Beschränkung auf übliche Theaterdimensionen könnte vielleicht das rein Stoffliche dieser Szenen wirken. Hier aber sind die Grenzen aller möglichen Theaterwirfungen weit überschritten. Hier müßte Reinhardt von seinem Wahn des Theaters für eine und zehntausend Hörer ges heilt werden. Wenn ein altes, schwaches Mütterchen den Aushebekommissar anfleht: „Laßt mir doch, um Himmels willen, meinen einzigen Sohn, erst meine einzige Grübel und diese Worte mit dem Stimmaufwand laut Major ‚Bataillon, ehrt Euch !“ ruft, so bleibt man eben nicht ernst. Es zeigt sich deutlich: dieser Art von theatrallicher al fresco-Malerei, die auf jede Motivierung, jede glaubhafte Charaktergestaltung von vornherein verzichtet, bleibt als einziger Ausweg die Pantomime. Könnte Liebz ftoedel — Dessen starres schriftstellerisches Können mit diesem Festspiel ja nichts zu tun hat — sich entschließen, diesen blechernen Text zu streichen, man hätte am dieser Bilderfolge nur Vergnügen. Schon weil sie mit ungewöhnlichen Gefchi und noch ungewöhnlicheren Bühnenaufwand geschaffen it. Besonders die Pferde überraschen., Solche Kavallaben hat man auf dem Theater nie frühen gesehen, und wenn man an die Qualen und Nöte denkt, die unsere Bründilden mit ihrer Graue zu haben ‚pflegen, so zollt man dem Regisseur hier — war’s ein Birkus« director? — aufrichtige Bewunderung. Die Lübotwischen Schwarzen Jäger, die Marschälle Napoleons, "Die No Safen, sie prengen alle in scharfem Trab und Galopp herein und Heraus — Die Pfewe " tragen natürlich Kautschushufen und Die einzigen echt und glaubhaft singenden Terzstellen sind immer jene improvisierten, wenn ein paar Frauen der Komparterie angstvoll aufstreichend zur Seite springen. Denn diese vierbeinigen Mitspieler sind zum Teile blutige Anfänger und noch gar nir bühnenfest. Aber es gibt auch effektsichere Mortimers “unter ihnen, wie zum Beispiel jenen Schimmel, der auf sein Stichwort ganz allein über Die Bühne trabt, 1 werden läßt,mit dem ein, x