Pester Lloyd, Juli 1913 (Jahrgang 60, nr. 167-180)
1913-07-16 / nr. 167
- . «4ho«onomoo Für Budapest: Ganzjährig 44 K.,halbjährig 22 K., vierteljährig 11 K., monatlich 4 K. Für das Inland: Ganzjährig 48 K., halbjährig 24 K., vierteljährig 12. K., monatlich 4 K. 40 K. Mit sep Postv d des Abendblattes vierteljährig 2 K. mehr. Für Wien auch durch Herm. Goldschmidt. Für das Ausland mit direkter Kreuzbandsendung vierteljährig : Für Deutschland 18 K., für alle übrigen Staaten 21 K. Abonnements werden auch bei sämtlichen ausländischen Postämtern entgegengenommen. Für Amerika, England, Frankreich, Spanien und Portugal besteht die Vermittlung der Postämter nicht und das Abonnement muss direkt in unserer Administration erfolgen. Vertretung für Deutschland, Frankreich, England und Italien bei der Zeitungsfirma Saarbach, News Exchange in Mainz. 60. Jahrang. MORGENBLATT Budapeft, Alittwod, 16. Juli 1913 «W..Tj"-»"In Budapest, in der Administrarion N Jaulus & Co., Sigm. regét Ant. Mezei, Rud. Mosse, Jul. Tenzer, Jos. Schwarzs Pester „Pester Lloyd“ und in den Annoncen- Bureaus : J. Blockner, B. Eckstein, Györi „ Len! Julius Generalvertretung dloyd“ für Oesterreich und das gesamte Ausland: M. Dukes Nachfolger A.-@., Wien, Wollzeile 9. — Auch alle anderen vierten Insertenbureaus in Oesterreich wie im Auslande übernehmen Ankündigungen für den „ Pester Lloyd“. Einzeln : Morgenblatt in Budapest 12 Heller, in der Provinz 14. Heller. Abendblatt in Budapest 6 Heller, in der Provinz 8 Heller. Redaktion und Administration: V., Mária Valeria utcza 12. — Manuskripte werden in keinem Falle ‘zurückgestellt. — Unfrankierte Briefe werden nicht angenommen, Az. 167 Budapest, 15. Inl. In, einer englischen Zeitung, die das Ministerium Msauith unterfrügt, hat man , Fürzich, die Feststellung seien können, , die Zweideutigkeit der uifischen Boktif rühre Daher, daß der Zar und Herr Sajonoiv von friedlichen Absichten beseelt sind, Die russischen Diplomaten auf dem Baltan, die Leute vom Schlage des Herrn:v. Harttig aber die Umsturztendenzen der panflavistischen Strömung begünstigen, wobei im Rahmen , der Entente Herr Bichon eher der lebteren Richtung, Sir Edward Grey aber , der exsteren, der Konservativen und ‚forreiten, zuneige. Die Rede, die Sir Edward Grey gestern im englischen Unterhause sprach, macht nicht den Eindruck, als ob er von seinem bisherigen Surje abzureden gedachte. Versegnlich in ihren Grundton, ist diese Rede eigentlich, bei Lichte besehen, eine Paraphrase der vom Grafen Berchtold wiederholt in aller Höflichkeit, aber auch mit aller Entschiedenheit abgelehnten Desinteressementsformel. Nur sinde ihe in dieser Nede alle Härten und Spiben genommen, und was in der ursprünglichen Fassung, wie eine an unsere Monarchie gerichtete Forderung anmutete, flingt aus Sir Edwards Mund gleichsam als royaler Appell an. die unbezweifelte Friedensliebe , Oesterreich- Ungarns. Das ist ein neuer, ein wärmerer Ton, und an iner hohen Bolitit macht der Ton bisweilen die Musik. In England scheint man eben einzusehen, Daß es sich unserer Monarchie in dieser immer mehr sich verwidelnden Balkankrise wahrlichh nicht um Sentiments handelt, sondern, wie alle verantwortlichen Faktoren von dieser Seite wiederholt beteuert haben, um reale und wichtige Interessen. Es ist der Ententediplomatie sänast genau bekannt, wie unsere Monarchie über den Grundmaß der Nichtintervention denkt. Man hat in Wien diese Formel zurücgewiesen und die ablehnende Stellungnahme klar und bestimmt motiviert. ‘Die Formel entspricht nicht unseren Interessen, die sich in der Ballanfrage von denjenigen der Weltmächte darin unterscheiden, daß wir als Dimitrophe Großmacht, von den Balkrandingen ganz unmittelbar berührt sind, während jene ihnen aus weidensnwerter Entfernung zuschauen dürfen. Aus diesem Unterschied ergibt ss aber naturnotivendig die andere Differenz in der Art und Weise, wie auf einer Seite wir und auf der anderen die Westmächte sich gegen die Gefahren, die in der Ballanstife lauern, zu wappnen haben. Wir glauben nicht, daß „dieser Unterschied doch den durchaus . korrekten, warmen Ton, den Sir Edward Grey angeschlagen hat, wettgemacht oder auch nur verringert wird. Die Nichtinterventionsformel ging auf den Wunsch hinaus, , daß Oesterreich-Ungarn, ‚was immer auf ‚dem Balkan in der Folge geschehen mag, sic) im. voraus ‚darauf festlege, nichts zu unternehmen, was nicht die Zustimmung aller, übrigen Großmächte Kir Wunsch "in" die Worte gefaßt, es sei „eine Angelegenheit von vitaler Wichtigkeit, daß die Großmächte fortgelegt in Berührung bleiben und seine derselben einen Schritt unternimmt, der Schwierigkeiten zwischen ihnen verursachen könnte”. Er steht außer Frage, daß diese Worte fi an die Adresse Oesterreig-Ungarns richten. Schwieriger zu begreifen ist aber, warum gerade diese Monarchie den Ententediplomaten verdächtig erscheint, einen eigenmächtigen Cehritt unternehmen und Dadurch, das europäische Konzert sprengen zu wollen? Bisher it gegen die absolute Korrektheit derösterreichisch ungarischen , Politik unseres Wissens seinerlei Anstand erhoben worden; wir erinnern uns, sogar jeder ernster Whafen Der Krise, in denen die französische und englische Breite voll des Lobes war über die großmütige und langmütige Haltung, die unsere Monarchie den herausfordernden Sticheleien gewisser Baltanländer gegenüber sich im Interesse des Weltfriedens und im Bewußtsein ihrer Kraft und ihres Rechts abgerungen. Liegt in solcher Vergangenheit nicht zugleich eine Berheikung, ja sogar eine Bürgieaft für die Zukunft? Da drängt, ich denn wirklich die Frage auf, was es für Eingebungen sein mögen, die innerhalb der Entente die Befürchtung immer wieder auslösen, Oesterreich-Ungarn werde jet auf einmal seiner eigenen Vergangenheit abtrünnig werden und auf dem Balkan einen Vorwand für ein aktives Eingreifen vom Banne brechen? Fern it uns Die Absicht, gegen irgendeine Großmact den Verdacht zu erheben, daß sie fünfzig die scharf präzisierten Interessen der Monarchie, würde selbst schädigen oder durch andere schädigen lassen wollen. Aber wenn man just argwöhnisch sein wollte, so könnte man schon die auffällige Berittenheit und Zähigkeit, mit der man und um jeden Preis zur Nichtintervention verpflichten will, derart deuten, daß in der Entente Das Gefühl herrscht, es könnten sich im weiteren Verlaufe der Balkankrise dennoch Momente ergeben, die wir aus dem Gesichtspunkte unserer I Interessen, wenn unsere Hände nit im vorhinein gebunden wären, mit allen Mitteln, nötigenfalls auch, mit den allerschärfsten, be=rümpfen müßten. Jedenfalls dann niemand die Hand Dafür ins Feuer legen, daß in der Balkankrise, Die sich auch bisher schon alz im Höchsten Grade, unberechenbar ermiesen hat, eine late Me We alle Zukunft ausgeschlossen. sei; und HE freien Hatd bedürfen wir eben, Damit uns das Medr gewahrt sei, unserem bedrohten Interesse in solchem Fall rechtzeitig und mit der Energie, die Die heute noch unbekannte Gefahr gebieten wird, bei,zuspringen... . Seltsamerweise kehrt mijch in der Rede des englischen Staatssekretärs eine Wendung wieder die auf uns schon bei dem ersten Verstrei dererderung des Nichtinterventionssprinzips einen ganz seltsamen Blindruck gemacht hat,die Wende ungewänlicht,daß die bisherigen Abmachen Edswhwrd hat in seiner geschmeidsigen Formulierund die Mengen der Londoner Botschfter reunion asuch ferner hein in Geltung bleiben sollen. Wir verstehen Diese ausdrücliche Zufrierung nit ganz. Soll sie etwa den Sinn haben, daß die Londoner Vereinbarungen über die Selbständigkeit Albaniens, über die nördlichen Grenzen dieses selbstständigen albanischen Staates, üben die Abweisung des serbischen Anspruches auf territorialen Zutritt zu der Adria gegebenenfalls noch einer Revision unterzogen werden dürnten? Soll man vielleicht annehmen dürfen, die Geltung dieser Beihlüffe sei davon abhängig, ob wir nach der Meinung eines Teiles des europäischen Konzerta ung in der Zukunft brav aufführen werden? Die Londoner Beilüffe sind, so denken wir, nicht fakultativ gefaßt, auch ihre Geltung kann daher nicht fafultativ gedacht sein. Trifft aber diese Vorauslegung zu, so it nicht abzusehen, auf Grund welchen Gedankenganges man in der Ententesdiplomatie dazu kommt, uns den Mejpert, den Europa vor seinen eigenen Entscheidungen haben muß, als Beslobming für unsere Nichtintervention in Aussicht zu stellen 2 € 3 findet sich übrigens in den Ausführungen des britischen Staatsseketärs eine Stelle, die darauf Hinzudeuten scheint, daß Sir Edward Grey der Sonderstellung Rechnung trägt, die unserer Monarchie in dem Baltana problem vermöge ihrer spezifischen Lage zugewiesen ist. Wir meinen die Worte Sir Edwards, in denen ein Hinweis auf die geographische Lage der kriegführender Staaten enthalten und hervorgehoben ist, daß das europäische Konzert eben mit Rücksicht auf diese geographische Lage dort nicht als Ganzes vorgehen könnte, sondern einem Teile das Mandat zur Exekutive übergeben müßte. Das stimmt auffällig. Aber es gibt eine Groß macht innerhalb des europäischen Konzerts, deren gegagraphische Lage identisch mit derjenigen der fest Friege führenden Staaten i. Diese Großmacht ist unsere Monsarchie. Graf Berchtold hat in seiner kürzlich stattgehabten Unterredung mit dem französischen Botschafter in Wien aufdiesen Umstand hingewiesen und Daraus den íme Ieuilletom , eines“ Charakter& Ein Bismarckhafer. — Gustav Freytags Briefe an Albrecht v. Stofd. — Der eiserne Kanzler ist tot und die Flut der Bismarckberherrlichungen, Die während dreier Quftren je hoch an ichwoll, beginnt jadjte sich zu verlaufen. Einer nach dem anderen melden sich nun die Bismarc Haffer zum Wort, die vielen, denen er, selbst ein starker und passionierter Halter, in seinen Leben wehgetan hat. Einen hat Biszmard in einer Staatsfigung, in Gesellschaft, im Reichstage angegriffen oder bloßgestellt, er geht nach Hause und vertraut die Kränkung einem Blatt Papier an. Wir, die wir nun vielleicht nach vierzig Jahren " seinen Brief an den Freund, sein Tagebuchkapitel in die Hand bekommen, verstehen diese alten Bitterseiten nicht immer, verstehen sie dann manchmal nur zu gut: wir hören das ohnmächtige $nirjden des Gedemütigten aus ihnen, über den der eherne Flügel der Notwendigkeit hinwegz gestrichen hat. Und Bismard war nur ein Werkzeug der Notwendigkeit. Gustav Freytag ist der glanzvolle Repräsentant einer anderen Strasse der Bismardhafter. Da it wahr, daß bei den beiden Gelegenheiten, die ihn mit Bismard zusammenführten, der Kanzler ihn ohne Wärme behandelt hat. Nicht gerade von oben herab, solches hätte sich Freytag auch nicht gefallen lassen, aber ohne die leiseste Andeutung des Wunsches nach Intimität. Hulk, dem besten Freunde Freytag, dem badischen Ministerpräsidenten Karl Mathy, dem Freytags Lebensbild ein dauerndes Denkmal errichtete, hat Bismard bitteres Leid zufügen müssen und hat ihm damit das Leben verkürzt. Zeitlebens trug es ih Freytag nach. Doch dies alles erklärt noch nicht ein Urteil,wie das folgende, das aus dem Jahre 1869 rammt: „Ein unsicherer, griffiger, aus schlechter Gesellschaft Herausgefommener Mann hatte durch Verwegenheit, Süd und wahrhaft große Dualitätenn verstanden, sich so mit dem Ruhm und der Größe Preußens zu identifizieren, dab, wer ihn rdhte, zugleich dem Staat wehe tat.“ Das heit ar und sähliche Melehnung und auf denselben Ton it die Mehrzahl der früheren und späteren Urteile Freytags über Bismarck gestimmt. Steiner hielt den Gedanken der deutschen Einheit höher als Freytag, und er bekannte sich früh zu dem Programm, das Bismarck erfüllen sollte. Aber es gab etwas, das Freytag Höher galt als die politische Einigung der Deutschen, höher als das Emporkommen Preußens: das war das deutsche Volfstum, und Freytagsi Mejpert davor war so groß, daß es ihn duchaus nicht alleseins sein konnte, aus wessen Händen es seine Exlösung empfing. Agrlöser des deutschen Bolten aber war ihm Bismark nicht gut genug. In seiner Eigenschaft als Germane und Ddeutscher Bürger war er zu stolz, alsbald er in Bismarc den Höchsttyp seiner Kaffe hätte erblichen können. Er vergleicht ihn mit dem Sreicheren v. Stein und er besteht. Er vergleicht ihn mit Luther und Friedrich dem Großen, und er wird zu leicht befunden. Seine Popularität schmerzt ihn für das Deutsche Bolt. Er weiß es, daß sein Deutscher noch bei seinen Landsleuten die Volkstümlichkeit Bismarck gewosfen hat. Aber manchmal möchte er es vergessen, möchte dem Wetter an dem ganzen Kaufe die Schuld geben, so im April 1894: „Die Deutschen haben wieder einmal eine ungeheure Bowle von Liebe und Verehrung gebraut und zu Ehren Bismarcs ausgetrunfen, Männlein und Fräulein! Es wurde des Guten fast zu viel. Hält man dazu die Bestattungsfeste für den Klavier-Bülow und Kossuth, so muß man zugeben, daß Bölter sehr dankbar sein können gegen solche, welche sie unterhalten, und noch mehr gegen solche, welche sie tyrannisiert haben. Allerdings hatte der Barometer großen Anteil an der allgemeinen Erhebung, denn dies Frühlingswetter, zu schön um gut zu sein, hat zu Festaufzügen und Hurrarufen geradezu herausgefordert . . ." Diese Reden stehen in den Briefen Freytag an Albrecht v. Storch, die der Historiker Hann 3. Helmolt bei der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart und Berlin kürzlich herausgegeben und erläutert hat. Etorch war Stehtags Herzensfreund. Freytag verehrte einige Männer ungemein und den aus alter Soldatenfamilie stammenden, zu Hohen soldatischen Wemtern emporgestiegenen Freund, den General und Admiral und Marineminster, Schädte er an dem tüchtigen geizigsten Pläne mit ihm und lebte in seiner Karriere und aufrechten Mann, hatte die ehrgleichs an die eigene militärische Sehnsucht aus. An Storch Hatte Bismarc unsanft angefaßt, hatte ihn in seine Schranken gewiesen, ihm seine harte Faust gezeigt. Er war mehr als eine Eigenmächtigkeit, die Bismard Stojch wehren wollte: in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ kommt er wiederholt auf einen Plan zur sprechen, der darin gegipfelt haben soll, sein Regime doch ein liberalkatholisches Ministerium zu erregen. Bismard Beate also gegen Albrecht v. Stosch den Argwohn, er habe an seiner Stelle Reichskanzler , werden wollen. Der Herausgeber versucht mit Gründen, die allem Anscheine nach stichhaltig sind, den Beweis zu erbringen, daß, Stosch an der Intrige unbeteiligt war, wenn er auch freilich nicht abgeneigt ges iwesen wäre, den Kanzlerposten anzunehmen. Dieser Soldat urteilt nun im Wesen nicht anders über Bismard als sein Freund in Zivil, dessen bürgerlicher Liberalismus mit seiner politischen Auffassung ziemlich übereinstimmt. Aber die persönliche Berührung mit Bismard, die nicht bald auf einen ihre Wirkung verfehlte, erwect in ihm kleine Regungen der Ehrfurcht, die sein Urteil milder gestalten. Im Grunde bewundert er Bismarc sogar. Wenn der Freund ihm allzu Fritisch kommt, wehrt er ab: „Er it fid und fed in Gedanken und flat in dem, was er will; seine Ziele wird er nie über das hinausstehen, was ihm zu erreichen möglich. Menschen und Verhältnisse, die ihm dabei im Wege stehen, zerbricht er rücksichtslos. Den Liberalismus und die Berfaffung gebraucht Bismard nur, um den König zu leiten, nie aber als ein berechtigtes Machtelement. Bismard will ein einiges, monarchisches Deutschland, und diesem streben auch Sie zu, also lassen Sie ihn gewähren.” Czojdt ist auch Soldat genug, dem stets über die Bevorzugung des Adels in der Armee kragenden Sreptag zur antworten: „Das Offiziersforps it die Stäbe für den Bestand der Armee, und wenn sie auch politisch auf unsere Junker und den armen Adel schimpfen, so liefert dieser doch die brauften. Lungen: und. brillante . Offiziere,* % · ··" — des Fre